Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I Universitätsklinikum Ulm Prof. Dr. med. Wolfgang Kaschka Ärztlicher Direktor Selbstschädigendes Verhalten bei stationären Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung - Eine retrospektive Datenanalyse - Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm von Christian Bretzel Tettnang 2014 Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth 1. Berichterstatter: PD Dr. Carmen Uhlmann 2. Berichterstatter: Prof. Dr. Markus Jäger Tag der Promotion: 23.04.2015 I Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................III 1 Einleitung ................................................................................................................. 1 1.1 Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ................................................................ 1 1.1.1 Das Krankheitsbild ....................................................................................... 1 1.1.2 Diagnosekriterien ......................................................................................... 3 1.1.3 Ätiologie der Borderline-Persönlichkeitsstörung ........................................... 5 1.1.4 Epidemiologie, Verlauf und Prognose .......................................................... 7 1.1.5 Borderline-Syndrom bei Männern ................................................................ 8 1.2 Affektive Reagibilität und selbstschädigendes Verhalten .................................... 9 1.3 Selbstschädigendes Verhalten ..........................................................................11 1.3.1 Selbstverletzendes Verhalten .....................................................................11 1.3.2 Suizidales Verhalten ...................................................................................15 1.3.3 Differenzialdiagnostik..................................................................................17 1.4 Behandlung am ZfP Südwürttemberg in Weissenau ..........................................19 1.5 Schlussfolgerung und Ziele der Studie...............................................................22 1.5.1 2 Material und Methoden ...........................................................................................25 2.1 Patientenkollektiv ...............................................................................................25 2.2 Indexaufenthalt ..................................................................................................25 2.3 Voraufenthalte ...................................................................................................26 2.4 Suizidstufen .......................................................................................................26 2.5 Datenerhebung ..................................................................................................28 2.6 Datenblatt ..........................................................................................................28 2.7 Validierte Messinstrumente................................................................................34 2.7.1 Die Symptom-Checkliste SCL-90-R ............................................................34 2.7.2 Beck Depressions Inventar (BDI) ................................................................35 2.7.3 Clinical Global Impressions (CGI) ...............................................................36 2.8 3 Hypothesen ................................................................................................23 Statistik ..............................................................................................................37 Ergebnisse ..............................................................................................................39 3.1 Zusammensetzung des Patientenkollektivs .......................................................39 3.2 Selbstverletzendes Verhalten während des Indexaufenthaltes ..........................47 3.3 Suizidales Verhalten während des Indexaufenthaltes ........................................52 3.4 Situation der Patienten vor Aufnahme................................................................57 II 4 3.4.1 Selbstverletzendes Verhalten .....................................................................58 3.4.2 Suizidversuch .............................................................................................59 3.4.3 Substanzmissbrauch ..................................................................................60 3.5 Zusammenhang zwischen selbstverletzendem und suizidalem Verhalten .........61 3.6 Selbstschädigendes Verhalten und Therapieerfolg ............................................64 Diskussion ..............................................................................................................72 4.1 Rahmenbedingungen und Allgemeines .............................................................72 4.2 Vor dem stationären Aufenthalt..........................................................................74 4.3 Während des stationären Aufenthalts ................................................................76 4.3.1 Selbstverletzendes Verhalten während des Aufenthalts .............................76 4.3.2 Suizidales Verhalten während des Aufenthalts ...........................................79 4.3.3 Selbstschädigendes Verhalten während des Aufenthalts ............................82 4.4 Einschränkungen ...............................................................................................84 5 Zusammenfassung .................................................................................................86 6 Literaturverzeichnis ................................................................................................88 7 Danksagung ............................................................................................................97 8 Anhang ....................................................................................................................98 8.1 Datenblatt Projekt Suizidalität ............................................................................99 III Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung ADHS Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom BDI Beck Depressions Inventar BPS Borderline-Persönlichkeitsstörung CGI Clinical Global Impression DSM-IV-TR Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4th Edition, Text Revision EDV Elektronische Datenverarbeitung F 60.30 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung: Impulsiver Typ F 60.31 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung: Borderline-Typ F 61 Kombinierte und sonstige Persönlichkeitsstörungen GSI Global Severity Index ICD International Classification of Diseases MW Mittelwert M-W-U-Test Mann-Whitney U-Test n Anzahl der Patienten p Signifikanzniveau PSDI Positive Symptom Distress Index PST Positive Symptom Total r Korrelationskoeffizient SCL-90-R Symptom-Checkliste SD Standardabweichung SV Suizidversuch SVV Selbstverletzendes Verhalten SVV + SV Selbstschädigendes Verhalten Tab. Tabelle WHO Weltgesundheitsorganisation ZfP Zentrum für Psychiatrie 1 1 Einleitung 1.1 Die Borderline-Persönlichkeitsstörung 1.1.1 Das Krankheitsbild Mit dem ursprünglichen Begriff 'Borderland insanity' beschrieb Rosse (1890) Personen, die eine Vielzahl von nervösen Beschwerden, körperlichen Symptomen, hypochondrischen Befürchtungen oder Verhaltensstörungen zeigten, ohne jedoch eindeutig 'verrückt' zu sein. Verwendet wurde dieser Begriff durch den englischen Psychiater Hughes, der in seinen zwei Arbeiten zu diesem Thema (Hughes, 1884a; Hughes, 1884b) im Jahr 1884 erstmalig auf die BorderlinePathologie einging und von einem 'borderland', also von einer Grenzregion berichtete, in welcher er die psychischen Symptome lokalisierte. Das Wort 'Borderline' (zu deutsch 'Grenzlinie') kam erstmals im Jahr 1938 auf. Der amerikanische Psychoanalytiker Adolph Stern verwendete ihn in seiner Arbeit 'Psychoanalytic investigation of and therapy in the borderline group of neuroses' (Stern, 1938). Er beschrieb einen Patiententyp, bei dem er mit seinen psychoanalytischen Methoden keinen Behandlungserfolg hatte und sich nach damaliger Lehrmeinung diagnostisch im Übergangsbereich zwischen Neurose einerseits und Psychose andererseits befand. Klare nosologische Konturen erlangte der Borderlinebegriff dann seit einer 1967 von Kernberg initiierten Diskussion (Kernberg, 1967 und 1978; Steinert et al., 1995). In seinem Konzept ist die Borderlinepathologie grundsätzlich im Bereich der Persönlichkeitsstörungen angesiedelt, geht allerdings über eine rein deskriptive Persönlichkeitspathologie erheblich hinaus. Nach seiner Auffassung Borderlinepersönlichkeitsorganisation eine korrespondierend neurotischen mit der Art Suprastruktur und stellt dar, die die - psychotischen Persönlichkeitsorganisation - einen strukturellen Raum für unterschiedliche Persönlichkeitsstörungen vorgibt (Steinert et al., 1995). Die Arbeitsgruppe um Grinker (1968) untersuchte erstmals eine größere Gruppe von 'Borderlinepatienten' und entwickelte Unterscheidungsmerkmale, mit deren Hilfe Untergruppen mit tendenziell neurotischen beziehungsweise psychotischen Symptomen gebildet werden konnten. Hierauf basierend etablierten Gunderson et al. (1975 und 1978) ihr 'diagnostisches Interview für Borderline-Patienten', 2 Einleitung wodurch Borderlinestörungen eindeutig von Schizophrenie abgegrenzt werden können. Fortan galt 'Borderline' als eine eigene klinische Entität (Steinert et al., 1995). In den folgenden Jahrzehnten zeigte sich, dass viele Patienten an dieser Störung litten, durch fehlende Diagnosekriterien allerdings nicht erfasst wurden. Nach heutiger Lehrmeinung wird dieses Krankheitsbild unter den Persönlichkeitsstörungen subsummiert (Hartkamp et al., 2002). Die Definition der Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 (International Classification of Diseases) ist nahezu deckungsgleich mit der Definition nach DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders). Sie entsprechen weitestgehend den ursprünglichen von K. Schneider verfassten Kriterien, welche die statistische Norm und sowohl das Leiden der Betroffenen als auch das Leiden der Umwelt an dem Betroffenen hervorhoben (Schneider, 1923; Bronisch, 2003). Somit handelt es sich bei einer Persönlichkeitsstörung um eine schwere Störung des Verhaltens, welche nicht direkt auf eine Hirnschädigung/-krankheit oder eine andere psychische Störung zurückzuführen ist. Ihr Auftreten beginnt meist in der Kindheit oder der Adoleszenz, sie besteht während des Erwachsenenalters weiter und ist somit zeitlich überdauernd. Diese tief verwurzelten, anhaltenden und weitgehend stabilen Verhaltensmuster weichen deutlich von der kulturell erwarteten und akzeptierten Norm ab und zeigen sich als starre Reaktionen in unterschiedlichen persönlichen und sozialen Lebenslagen (Bronisch, 2003; Bohus et al., 2009; Dilling et al., 2004). Evident wird diese Definition, wenn für den Hintergrund des zu beurteilenden Verhaltens eine statistische Norm und nicht eine Idealnorm angenommen wird. Hierdurch wird die Beurteilung weniger von politischen, religiösen, philosophischen und moralischen Einflüssen abhängig gemacht (Bronisch T, 2003). Unter den Persönlichkeitsstörung Persönlichkeitsstörungen (BPS) im klinischen Persönlichkeitsstörungen (Renneberg, 2003). gehört Kontext zu die den Borderlinehäufigsten 3 Einleitung 1.1.2 Diagnosekriterien Als Teil der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde die BPS erst 1992 eingeführt. Bei der BPS besteht eine schwerwiegende Störung der Affektregulation. Diese wird begleitet von einer verzerrten Wahrnehmung des Selbstbildes sowie einer Störung des zwischenmenschlichen Verhaltens (Bohus et al., 2006). Unter der Bezeichnung der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung werden nach ICD-10 ein impulsiver Typ (F60.30) sowie der Borderline-Typ (F60.31) unterschieden. Emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle sind für den impulsiven Typ kennzeichnend, welcher sich beispielsweise in gewalttätigen Ausbrüchen und anderem aggressivem Verhalten äußert (Möller et al., 2009; Bohus et al., 2009). Für den Borderline-Typus F60.31 müssen darüber hinaus noch weitere Bedingungen erfüllt sein. Somit ist auf Kriterienebene nach ICD-10 der Begriff der BPS weiter gefasst und schließt den impulsiven Typus mit ein. In Tabelle 1 ist der Kriterienkatalog der Weltgesundheitsorganisation ICD-10 (Dilling et al., 2004) abgebildet. 4 Einleitung Tab. 1: Diagnostische Kriterien der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus nach ICD-10 (Dilling et al., 2004) Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen: 1. deutliche Tendenz unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln 2. deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen, vor allem dann, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden 3. Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens 4. Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden 5. unbeständige und unberechenbare Stimmung. Zusätzlich müssen mindestens zwei der folgenden Eigenschaften und Verhaltensweisen vorhanden sein: 1. Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Zielen und "inneren Präferenzen" (einschließlich sexueller) 2. Neigung, sich in intensive aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge von emotionalen Krisen 3. übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden 4. wiederholte Drohungen oder Handlungen mit Selbstbeschädigung 5. anhaltende Gefühle von Leere. Die Merkmale nach ICD-10 entsprechen hierbei weitgehend den Kriterien nach DSM-IV-TR (Saß et al., 2003), welche vor allem in den USA verwendet werden. Da letztere vor allem in der Forschung Verwendung finden und auch als aussagekräftiger gelten, sollen auch diese Kriterien in Tabelle 2 vorgestellt werden. Hier wird von BPS gesprochen, wenn die betroffene Person unter durchgreifenden Mustern von Instabilität im Bereich interpersoneller Beziehungen, des Selbstbildes und der Emotionen sowie ausgeprägter Impulsivität leidet. Der Beginn ist spätestens im frühen Erwachsenenalter. Die Störung besteht in verschiedenen Zusammenhängen und zeigt sich durch mindestens fünf der folgenden Symptome. 5 Einleitung Tab. 2: Diagnostische Kriterien BPS nach DSM-IV-TR (Saß et al., 2003) 1. Verzweifelte Versuche reales oder phantasiertes Verlassenwerden zu vermeiden. Beachte: Suizidale und selbstschädigende Handlungen aus Kriterium fünf sollen hier nicht berücksichtigt werden. 2. Ein Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen mit einem Wechsel zwischen extremer Idealisierung und Abwertung. 3. Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes und der Selbstwahrnehmung. 4. Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen. Beachte: Suizidale oder selbstschädigende Handlungen aus Kriterium fünf sollen hier nicht berücksichtigt werden. 5. Wiederkehrendes suizidales Verhalten, Gesten oder Drohungen, oder selbstschädigende Verhaltensweisen. 6. Affektive Instabilität mit ausgeprägter Reaktivität der Stimmung. 7. Chronisches Gefühl der Leere. 8. Unangemessene intensive Wut oder Schwierigkeiten Wut zu kontrollieren. 9. Transiente, belastungsbezogene paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome. 1.1.3 Ätiologie der Borderline-Persönlichkeitsstörung Als ätiologisches Modell wird heute von den meisten Wissenschaftlern eine multifaktorielle Wechselwirkung aus genetischen und psychosozialen Faktoren sowie dysfunktionalen Verhaltens- und Interaktionsmustern angenommen (Bohus et al., 2006; Dubo et al., 1997). Den genetischen Anteil an der Krankheitsentstehung unterstreicht eine Zwillingsstudie (Torgersen et al.), die im Jahr 2000 veröffentlicht wurde. In dieser konnte eine erhebliche hereditäre Beteiligung an der Entstehung der Krankheit nachgewiesen werden. Genetische Faktoren konnten etwa 68 Prozent der Varianz erklären. In der Studie wurde die Konkordanzrate von 92 monozygoten mit 129 dizygoten Zwillingen verglichen, von denen einer der beiden nach DSM-IVKriterien eine BPS hatte. Des Weiteren bestehen auch andere indirekte Hinweise 6 Einleitung auf Erblichkeit: Bei etwa 50 Prozent der Patientinnen und der Patienten1 mit BPS wird retrospektiv von einem manifesten Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) in der Kindheit berichtet. Bei diesem wiederum ist eine klare genetische Prädisposition gesichert (Bohus et al., 2006). Wie in Abbildung 1 zu erkennen ist, wird die Entstehung dieses Krankheitsbildes neben den genetischen Faktoren auch durch traumatisierende Erlebnisse, vor allem in der Kindheit und Adoleszenz, beeinflusst. So kam es in 40 bis 71 Prozent der Fälle zu sexuellem Missbrauch, wobei eine Korrelation zwischen der Schwere der Erkrankung und der Schwere des sexuellen Missbrauchs besteht (Lieb et al., 2004; Petermann et al., 2005). Des Weiteren konnten körperliche Gewalterfahrungen (etwa 60 Prozent) sowie schwere Vernachlässigung (etwa 40 Prozent) an biographisch relevanten psychosozialen Belastungsfaktoren eruiert werden. Bei der sexuellen Gewalt handelt es sich meist um sehr frühe und langdauernde Traumatisierungen, welche die Patienten vorwiegend im familiären Umfeld erfahren (Zanarini et al., 1997). Allerdings gibt es keine Beweise, dass sexueller Missbrauch in der Kindheit zwingend für die Entstehung einer BPS notwendig ist. Festzuhalten Persönlichkeitsstörung nicht ist um außerdem, eine dass es chronische sich bei dieser posttraumatische Belastungsstörung handelt, allerdings sind Überschneidungen möglich (Bohus et al., 2006). 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur die maskuline Form verwendet. 7 Einleitung negative Kindheitserfahrungen Genetische Faktoren emotionale Dysregulation Impulsivität dysfunktionale Verhaltensweisen wie selbstverletzendes Verhalten, Suizidalität, Substanzmissbrauch, psychosoziale Konflikte und Defizite Abb. 1: Das neurobehaviorale Modell der BPS, nach Lieb et al., 2004 1.1.4 Epidemiologie, Verlauf und Prognose Die BPS ist mit einer Punktprävalenz von 1 – 3 Prozent in der Gesamtbevölkerung eine recht häufige Erkrankung (Torgersen et al., 2001; Lieb et al., 2004; Gunderson et al., 2001). In ambulanten psychiatrischen Einrichtungen wird von einer Häufigkeit von 10 Prozent ausgegangen, unter stationären Patienten nimmt diese Persönlichkeitsstörung sogar einen Anteil von bis zu 20 Prozent ein und gehört somit zu den häufigsten Aufnahmediagnosen im psychologischen und psychiatrischen Umfeld. Unter den Geschlechtern ist sie bei Frauen mit 70 Prozent im Vergleich zu Männern (30 Prozent) häufiger (Lieb et al., 2004; Tadić et al., 2009; McGirr et al., 2007). Berücksichtigt man diese Geschlechterverteilung sowie die Tatsache, dass sich die meisten Patientinnen im Altersbereich zwischen 15 und 45 befinden, so kann in dieser Gruppe sogar von einer Prävalenz von über 3 Prozent ausgegangen werden (Bohus et al., 2006). Starke Stimmungsschwankungen, aggressive Durchbrüche und schwere Selbstzweifel können erste Symptome für eine BPS sein und bereits in der frühen 8 Einleitung Adoleszenz beginnen. Kommen Selbstverletzungen, Suizidversuche, Essstörungen sowie Drogenprobleme hinzu, erhärtet sich der Verdacht auf das Vorliegen dieser psychischen Störung. Von anderen Persönlichkeitsstörungen unterscheidet sich die BPS in vielerlei Hinsicht: Bei ihr liegt der Fokus auf der Behandlung borderlinetypischer Symptome. Die Störung wird eher ich-dyston als ich-synton wahrgenommen, deshalb besteht bei den Patienten häufig ein großer Leidensdruck (Renneberg, 2003). In einer Longitudinalstudie war im Verlauf von zehn Jahren ein Rückgang sämtlicher krankheitstypischer Symptome bei insgesamt 88 Prozent der Patienten zu verzeichnen. Darüber hinaus konnten Faktoren identifiziert werden, die für eine zeitlich frühere Remission sprechen. Diese waren insbesondere junges Alter, die Abwesenheit von sexuellem Missbrauch in der Vergangenheit, kein Substanzmissbrauch in der Familie, eine gute berufliche Stellung, keine ängstlich-abhängige Persönlichkeit, sowie niedriger Neurotizismus und ein hohes Maß an Verträglichkeit (Zanarini et al., 2006). 1.1.5 Borderline-Syndrom bei Männern Lange Zeit nahm man an, dass die BPS fast ausschließlich das weibliche Geschlecht betrifft. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass im klinischen Bereich rund 80 Prozent der Patienten weiblich sind (Widiger et al., 1991). Somit galt das Borderline-Syndrom lange Zeit als typisch weibliche psychiatrische Erkrankung. Allerdings zeichnet sich in neueren Studien zunehmend deren Bedeutung für das männliche Geschlecht ab und es muss von einer deutlich höheren Prävalenz unter Männern ausgegangen werden. In der Studie nach Grant et al. (2008) wird sogar von einer annähernd gleichen Prävalenz unter beiden Geschlechtern gesprochen. Allerdings ist die Symptomatik eher geschlechtsspezifisch. Bei Frauen ist gehäuft ein selbstschädigendes Verhalten anzutreffen. Sie kommen daher eher mit medizinischen Einrichtungen wie chirurgischen Ambulanzen oder psychotherapeutischen und psychiatrischen Einheiten in Berührung. Männer fallen weniger durch autoaggressives Verhalten auf. Bei ihnen steht eher ein impulsives, streitsüchtiges Wesen im Vordergrund. Durch Gewalt gegenüber Anderen und dissozialen Verhaltensweisen kommen männliche 'Patienten' eher mit der Justiz in Berührung. Unter Gefängnisinsassen und Patienten forensischer 9 Einleitung Kliniken, ist die BPS nach der antisozialen Persönlichkeitsstörung die zweithäufigste Persönlichkeitsstörung (Watzke et al., 2006). So wie beim weiblichen Geschlecht wird des Weiteren versucht, negative Emotionen und Spannungszustände mit Alkohol, Drogen oder anderen illegalen Substanzen zu kompensieren, wodurch ein zusätzliches Problem in Form einer Suchtproblematik entstehen kann. Die Ätiologie scheint, wie auch bei den Frauen, multifaktoriell zu sein. So sind wohl genetische Einflüsse wie auch negative Kindheitserfahrungen an der Genese der Erkrankung beteiligt. 1.2 Affektive Reagibilität und selbstschädigendes Verhalten Eine Störung der Affektregulation, im Sinne einer erhöhten affektiven Reagibilität, ist das zentrale Merkmal der BPS. Auf schwach ausgebildete, emotional relevante Stimuli wird mit intensiven, rasch aufschießenden Affektregungen geantwortet. Nur verzögert wird auch wieder das emotionale Ausgangsniveau erreicht. Dabei fällt den Patienten die Differenzierung verschiedener Gefühlsqualitäten wie Wut, Angst oder Verzweiflung oft schwer. Borderline Patienten neigen somit zu undifferenzierten dysphorischen Verstimmungen, die in quälenden, aversiven Spannungszuständen kumulieren können (Stiglmayr et al., 2001; Herpertz et al., 2003). Neben diesen affektgeladenen Zuständen gibt es auch Phasen völliger Affektlosigkeit, in denen die Patienten dann weniger sensibel sind. Zustände bis zur völligen Gefühlstaubheit können vorkommen. In diesen dissoziativen Zuständen ist es dem Bewusstsein nicht mehr möglich, Informationen von außen und innen sinnvoll in Einklang zu bringen. Es wird schwer, Gefühle und Gedanken zu trennen. Unter hoher Anspannung kann es sogar zu Störungen der sensomotorischen Integration kommen. Dies kann von den Patienten als eine Verzerrung des Raum-Zeit-Gefühls, ein ausgeprägtes Gefühl von Fremdheit oder als Verlust der Kontrolle über die Realität empfunden werden. Die Patienten 10 Einleitung berichten häufig 'neben sich gestanden zu haben'. Für eine gewisse zeitliche Phase kann teilweise eine Amnesie herrschen (Bohus et al., 2009). Personen, die sich selbst verletzen weisen oft weitere bestimmte psychologische Eigenschaften auf. Die bekannteste ist wohl die 'negative Emotionalität' (Klonsky et al., 2007). Diese Personen erleben in ihrem täglichen Leben häufiger und intensiver negative Emotionen als Menschen ohne selbstverletzendes Verhalten. Bei ihnen finden sich überdurchschnittlich oft Veränderungen in Form von emotionaler Dysregulation, negativer Stimmung, Depression und Angstzuständen (Andover et al. 2005). Die gesteigerten negativen Emotionen und die Linderung dieser durch das Zufügen von Verletzungen, können der Hauptgrund für das selbstverletzende Verhalten sein (Klonsky, 2007). Aus den negativen Stimmungsauslenkungen können aversive Spannungszustände entstehen, welche die Patienten in Form von selbstschädigenden Verhaltensweisen zu durchbrechen versuchen. Diese können Formen wie beispielsweise parasuizidale Handlungen, Selbstverletzungen, bulimische Ess-/Brechattacken, Glücksspiel oder auch episodische Alkohol- oder Drogenexzesse annehmen. Hierdurch erklärt sich auch die hohe Komorbiditätsrate an Erkrankungen wie Essstörungen, die Einnahme illegaler psychotrop wirkender Substanzen und anderer Verhaltensauffälligkeiten (Zanarini et al., 1989; Herpertz et al., 2003; Tadić et al., 2009). Folgende Abbildung 2 zeigt den typischen Teufelskreis aus Spannungsaufbau gefolgt von Spannungslösung durch Selbstverletzung. Meist gehen dem Verhalten belastende emotionale Zustände voraus, die nach der selbstverletzenden Handlung abgebaut werden, beziehungsweise ein Gefühl der Entspannung aufgebaut wird (Nitkowski, 2009). Lerntheoretisch stellt dies eine negative Verstärkung dar, durch operante Konditionierung kann dieses Verhalten zur baldigen Habituierung führen (Herpertz et al., 2003). Einleitung 11 Abb. 2: Typischer Verlauf von Spannungsaufbau und Spannungslösung bei BorderlinePersönlichkeitsstörung (Herpertz et al., 2003). 1.3 Selbstschädigendes Verhalten Unter selbstschädigendem Verhalten lassen sich im Wesentlichen die beiden Rubriken selbstverletzendes Verhalten und suizidales Verhalten subsummieren. Auf beide Punkte soll im Folgenden eingegangen werden. 1.3.1 Selbstverletzendes Verhalten Das selbstverletzende Verhalten ist definiert als ein gegen sich selbst gerichtetes Zufügen von Verletzungen und Beschädigungen des eigenen Körpers ohne suizidale Absichten. Es kann unterschiedliche Funktionen erfüllen und ist sozial nicht akzeptiert (Petermann et al., 2009; Whitlock et al., 2007). In der Literatur werden öfters auch andere Namen benutzt, wie beispielsweise Selbstverwundung oder gar Selbstverstümmelung. Etwa 4 Prozent der Erwachsenen in der Allgemeinbevölkerung berichten von mindestens einem stattgehabtem, bis zu 1 Prozent von schwerem, selbstverletzenden Verhalten in der Vergangenheit (Klonsky et al., 2003; Nock et al., 2005). In der Studie nach Klonsky (2011) wird 12 Einleitung sogar von einer Lebenszeitprävalenz von 5,9 Prozent bei US-Amerikanern berichtet, wobei diese Handlungen bei 2,7 Prozent der Allgemeinbevölkerung mindestens fünf Mal oder häufiger zu finden seien. Unter stationären Patienten in psychiatrischen Einrichtungen ist (nach Briere et al., 1998) bei 21 Prozent der Erwachsenen und (nach DiClemente et al. 1991) bei 61,2 Prozent der Jugendlichen ein selbstverletzendes Verhalten zu erkennen. Auch ist zu beobachten, dass jüngere Personen in besonderem Maße gefährdet sind. Selbstverletzendes Verhalten ist hauptsächlich bei jugendlichen Patienten zu finden. Das Erstmanifestationsalter liegt durchschnittlich zwischen 12 und 14 Jahren (Klonsky, 2011; Nock et al., 2006). Etwa die Hälfte der Betroffenen berichtet sogar, dass dieses Verhaltensmuster bereits im Grundschulalter begonnen habe (Bohus et al., 2006). Die Möglichkeiten der Selbstverletzungen sind mannigfaltig, oft werden verschiedene Arten kombiniert. Besonders häufig kommen dabei vor: Schnitte durch scharfe Gegenstände wie Messer, Rasierklingen oder Glasscherben. Die Schnitttiefe reicht von meist nur oberflächlich bis sehr tief. Die Lokalisation ist prinzipiell am ganzen Körper möglich, meistens finden sich die Wunden aber am Unterarm. Diese Form der Selbstschädigung kommt mit 70 Prozent am häufigsten vor (Klonsky et al., 2007). An älteren Wunden kann durch Manipulation, wie aufreißen, kratzen oder verunreinigen, der Heilungsvorgang gestört werden. Das Abheilen ist erschwert und häufig treten Wundheilungsstörungen und Infektionen auf. Brennen mit heißen Gegenständen, wie beispielsweise Zigaretten. Konsum von schädlichen Substanzen, wie Medikamente, Alkohol, Chemikalien oder Zigarettenkippen. Schlagen des Kopfes gegen eine Wand oder andere harte Gegenstände. Fingernägel abreißen oder abkauen bis es blutet. Ausreißen von Kopfhaaren. Am häufigsten ist die Schädigung im Bereich der Unterarme zu finden, gefolgt von Händen, Handgelenk, Oberschenkel und Bauch (Whitlock et al., 2006). Bei vielen Personen tritt dieses selbstverletzende Verhalten nur einmal oder wenige Male auf. Es kann jedoch einen repetitiven Charakter annehmen (Favazza, 1998), 13 Einleitung wobei chronisches selbstverletzendes Verhalten eher bei der Minderheit der Patienten beschrieben wird (Nock et al., 2006). Diverse Studien berichten von einer anderen, geringeren Schmerzwahrnehmung bei diesen Patienten. In stressigen, emotional schwierigen Phasen kann sich die Schwelle der Schmerzwahrnehmung nochmals erhöhen. Während des selbstverletzenden Handelns kann so das Schmerzempfinden deutlich reduziert oder sogar aufgehoben sein (Bohus et al., 2000). Selbstverletzendes Verhalten assoziieren die meisten Menschen mit einer BPS. Häufig wird dieses sogar gleichgesetzt und fälschlicherweise als ein die Diagnose implizierendes Phänomen angesehen. Dabei sind Selbstverletzungen weder ein hinreichendes noch notwendiges Diagnosekriterium (Steinert et al., 2012). Es besitzt als alleiniges Kriterium weder ausreichende Sensitivität noch Spezifität (Gunderson et al., 2001). Solche Verhaltensmuster können neben der BorderlineStörung auch bei anderen Erkrankungen wie etwa bei Substanzmissbrauch, geistiger Behinderung, posttraumatischer Belastungsstörung, Angststörungen, Essstörungen, der Major Depression, Schizophrenie oder anderen Persönlichkeitsstörungen gefunden werden (Klonsky et al., 2003). Allerdings sind diese gegen sich selbst gerichteten, schädigenden Verhaltensweisen im besonderen Maße mit der BPS vergesellschaftet. So ist bei bis zu 85 Prozent der Patienten mit dieser Persönlichkeitsstörung ein selbstverletzendes Verhalten, zumindest während einiger Zeitabschnitte, in Erfahrung zu bringen (Bohus et al., 2006). Bei über 40 Prozent der Patienten ist dies sogar mit einer Häufigkeit von über 50 Ereignissen zu verzeichnen (Dulit et al., 1994). Es wird somit offensichtlich, dass dieses Verhalten ein wichtiges Symptom für die BPS darstellt und somit berechtigterweise einen festen Platz sowohl im DSM-IV-, als auch im ICD-10-Katalog eingenommen hat. In der Veröffentlichung von Nitkowski (2009) werden folgende Gründe für ein selbstverletzendes Verhalten benannt und in Tabelle 3 dargestellt. Häufig können diese auch kombiniert vorkommen. 14 Einleitung Tab. 1: Modelle zur Funktion von selbstverletzendem Verhalten, nach Nitkowski et al. (2009) aus: Klonsky (2007) und Salbach-Andrae et al. (2007) Modell Funktion der Selbstverletzung Ausdruck und Kontrolle von Gefühlen, Affekt-/Emotionsregulation insbesondere Reduktion von negativen Affekten oder emotionaler Erregung Anti-Dissoziation Anti-Suizid Selbstbestrafung Beendigung von Depersonalisations- oder Derealisationszuständen Vermeidung von Selbstmordimpulsen Bestrafung der eigenen Person oder Ausdruck von Wut auf sich selbst Sensation Seeking Erzeugung von An- oder Erregung Interpersonale Beeinflussung Suche nach Hilfe oder Manipulation anderer Interpersonale Abgrenzung Behauptung der eigenen Unabhängigkeit und Abgrenzung von Anderen Verhaltenspsychologisch kann das selbstverletzende Verhalten anhand des Vulnerabilitäts-Stress-Modells erklärt werden. Traumatische Kindheitserfahrungen oder andere Einflüsse konnten als konstitutionelle Risikofaktoren identifiziert werden und erhöhen die Anfälligkeit für selbstverletzendes Verhalten. Als Reaktion auf akute Belastungen können diese Handlungen ausgelöst werden, wodurch beispielsweise sich aufdrängende Suizidgedanken abgebaut oder ein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit befriedigt werden. Allerdings hält diese positive Erfahrung nur kurz an, was oft zur baldigen Wiederholung des Verhaltens führt (Nitkowski et al., 2009). Es ist festzuhalten, dass selbstverletzendes Verhalten kein Suizidversuch darstellt. Allerdings gibt es einen Zusammenhang zwischen selbstverletzendem Verhalten einerseits und suizidalen Handlungen andererseits. In der Theorie nach Joiner (2005) werden mehrere spezifische Hypothesen dazu formuliert, warum ein Mensch mit selbstverletzendem Verhalten in der Vorgeschichte ein erhöhtes Suizidrisiko hat. Ein Suizid sei für den Menschen eine angsteinflößende, extreme Handlung. Den Meisten fehle zunächst die 'Fertigkeit', diese Hemmschwelle zu 15 Einleitung überwinden. Eine mögliche Theorie ist nun, dass die Personen durch die wiederholten selbstverletzenden Handlungen sowohl mutiger und kompetenter werden, als auch eine gewisse Gewöhnung an autoaggressive Handlungen eintritt. Bei der BPS ist in der Gruppe der Patienten mit selbstverletzendem Verhalten eine doppelt so hohe Suizidrate als bei den Patienten ohne diese Handlungen zu verzeichnen (Gunderson et al., 2001). Das selbstverletzende Verhalten gilt somit als Risikofaktor für eine suizidale Handlung (Walsh et al., 2007; Bohus et al., 2006). 1.3.2 Suizidales Verhalten In der Altersgruppe der Personen unter 40 Jahren ist, nach den Unfällen, der Suizid die zweithäufigste Todesursache. Jeder vierte Tod eines Menschen unter 30 Jahren ist der Freitod. Im Jahr 2005 starben in Deutschland 10260 Menschen durch Suizid, wobei die tatsächlichen Zahlen die offiziellen Angaben mit Sicherheit übertreffen. Unter den Todesarten wie Verkehrsunfälle, Drogenmissbrauch und unklare Todesursache kann ein erheblicher Anteil an Suiziden vermutet werden. Des Weiteren ist das Risiko für einen Suizid bei psychischen Erkrankungen generell erhöht. Medikamenten- Insbesondere oder bei Substanzabhängigkeit Alkoholabusus sowie wie Drogen-, Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen, aber auch durch Einsamkeit im Alter ist eine deutlich erhöhte Suizidrate im Vergleich zur Normalbevölkerung zu verzeichnen (Fiedler, 2005). Suizidales- und selbstverletzendes Verhalten haben gemeinsam, dass sich beides gegen den eigenen Körper, gegen sich selbst, richtet. Die Motivation zu einem Suizidversuch beziehungsweise die Suizidabsicht ist, wie auch das selbstverletzende Verhalten, der Versuch einer Flucht aus einem unerträglichen Zustand. Allerdings ist bei ersterem nicht die kurzfristige Reduktion der emotionalen Belastung das Ziel, sondern das dauerhafte Stoppen dieser durch den eigenen Tod (Walsh, 2006). Patienten mit selbstverletzendem Verhalten sind nicht zugleich auch potentielle Suizidenten. Unter ihnen gibt es einen großen Anteil an Personen, bei denen es in Einleitung 16 der Vergangenheit weder zu einem Suizidversuch, noch zu ernsthaften Gedanken und Plänen dahingehend gekommen war. Dennoch berichtet ein beträchtlicher Anteil der Personen mit selbstverletzendem Verhalten (50 Prozent allgemein und bis zu 70 Prozent der stationären Patienten) von mindestens einem stattgehabten Suizidversuch (Nock et al., 2006). Ein großer Anteil aller Suizidversuche wird von Patienten mit BPS begangen. Bei dieser Störung kommt es im Laufe des Lebens bei 40 bis 85 Prozent der Betroffenen zu Selbstmordversuchen, wobei im Durchschnitt drei Versuche begangen werden (McGirr et al., 2007; Bohus et al., 2006). Die hohe Rate an Suizidversuchen spiegelt die ambivalente Einstellung der Patienten gegenüber dem Suizid wider. Für gewöhnlich besteht kein echter Wunsch zu sterben. Vielmehr ist die Motivation darin begründet, anderen die Verantwortung für ihr Leben zu übertragen. Hierdurch kann sich durch die Hospitalisierung das suizidale Risiko erhöhen, wohingegen im Rahmen einer ambulanten Therapie das Risiko eher verringert wird (Soloff et al., 2008). Bei Patienten mit BPS sind folgende Risikofaktoren für suizidales Verhalten bekannt (Oldham, 2006; Gunderson et al., 2001): Vorherige Suizidversuche (erhöht die Suizidwahrscheinlichkeit um den Faktor 40) Komorbidität an einer affektiven Störung Schwere Hoffnungslosigkeit Positive Familienanamnese an suizidalem Verhalten und Suiziden Komorbider Substanzmissbrauch Sexueller Missbrauch in der Vergangenheit Hohes Maß an Impulsivität und/oder antisoziale Züge Leider sind viele Patienten mit ihrem Suizidversuch doch irgendwann 'erfolgreich' und tragen so mit etwa 10 Prozent zu den Todesursachen bei (Gunderson et al. 2001; Paris et al., 2001; Bohus et al., 2007). Schätzungen zufolge war bei etwa 30 Prozent der Menschen, die durch Suizid starben, sowie bei 40 Prozent der Menschen, die einen Suizidversuch unternahmen, eine BPS in Erfahrung zu bringen. Bei Suizidenten, die sich in ambulanter psychiatrischer Behandlung befanden, bestand dieses Krankheitsbild sogar bei über 50 Prozent der Personen (APA, 2003). Die Suizidrate ist damit gegenüber der Allgemeinbevölkerung um 17 Einleitung das 400-fache und gegenüber der Gruppe von jungen Frauen sogar um den Faktor 800 erhöht (Gunderson et al., 2001; Pompili et al., 2005). 1.3.3 Differenzialdiagnostik Selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität weisen häufig nicht nur etliche Gemeinsamkeiten auf, oft sind diese beiden Schädigungstypen auch in zeitlichem Zusammenhang zu finden. Wird eine Suizidabsicht nicht klar geäußert, ist es aufgrund der ähnlichen Symptome im klinischen Alltag meist schwer, hier hinreichend zu differenzieren. Aber gerade dies ist im Hinblick auf die Therapie dringend nötig. So ist bei einem suizidalen Patienten ein stationärer Aufenthalt indiziert, während bei reinem selbstverletzendem Verhalten ein ambulantes Setting in Betracht gezogen werden kann (Nitkowski et al., 2010). Als Motiv wird beim Suizid die endgültige Beseitigung eines unerträglichen psychischen Schmerzes durch den eigenen Tod angenommen, wohingegen mit dem selbstverletzenden Verhalten ein unangenehmer Affektzustand reduziert werden soll (Muehlenkamp, 2005; Walsh, 2006). Somit kann beides als Strategie zur Emotionsbewältigung angesehen werden, wobei sich beide Typen wohl in den Emotionen, die bewältigt werden sollen, unterscheiden. Bewältigung von negativen Affekten wie Wut, Frustration oder Angst führt eher zu selbstverletzendem Verhalten, während suizidales eher durch anhaltende, weniger erregende negative Emotionen wie Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, Angst und Gefühle der Leere hervorgerufen wird (Klonsky, 2009; Goldston, 2006). In einer Vergleichsstudie war die Intention bei den Patienten mit suizidalen Handlungen vorwiegend die, 'es den anderen leichter machen zu wollen'. Im Gegensatz dazu wollen Personen mit selbstverletzendem Verhalten eher positive Gefühle herbeiführen, von Problemen abzulenken oder auch Ärger ausdrücken (Brown et al., 2002). In der Unterscheidung zwischen suizidalem und selbstverletzendem Verhalten kommt auch der Art der Selbstschädigung, also sowohl der Selbstverletzungsmethode als auch der medizinischen Schwere, eine bedeutende Rolle zu. Beim Auswerten diverser Studien sah man, dass Schneiden in 42 Prozent der Fälle für selbstverletzendes Verhalten genutzt wurde, aber nur in 26 Prozent der Fälle für Suizid. 'Härtere Methoden' wie ein Sturz aus großer Höhe 18 Einleitung und die Benutzung von Schusswaffen kamen, im Gegensatz zu schwerem Kratzen und Schlägen gegen sich selbst, beim selbstverletzenden Verhalten gar nicht zum Einsatz und sprechen damit wiederum eher für suizidales Verhalten (Nitkowsky et al., 2010). Ein starker Wunsch zu sterben geht meist auch mit erhöhter Verletzungsschwere einher. Allerdings findet sich nicht regelmäßig ein positiver Zusammenhang zwischen der Gefährlichkeit des Suizidversuches und der Suizidabsicht. Dies kann dadurch erklärt werden, dass für die Einschätzung der Gefährlichkeit auch fundierte medizinische oder pharmakologische Kenntnisse des Suizidenten vorhanden sein müssen (Brown et al., 2004) - was man am Beispiel eines Suizidversuches durch Medikamentenüberdosierung veranschaulichen kann. In der Studie nach Nitkowski et al. (2010) wird als ein weiterer differenzialdiagnostischer Punkt die Lebenszeithäufigkeit bzw. die Episodenzahl der selbstschädigenden Vorkommnisse erwähnt. In dieser Veröffentlichung fanden sich, verteilt über die Lebenszeit, für selbstverletzendes Verhalten bei klinisch auffälligen Jugendlichen und Erwachsenen eine stark schwankende Anzahl von sieben bis 709 Einzelepisoden - im Vergleich dazu aber nur ein bis fünf Episoden von Suizidversuchen. Daher kann ein sich ähnelndes, sehr häufig auftretendes selbstschädigendes Verhalten auf selbstverletzendes Verhalten hindeuten. In der Differenzierung von selbstverletzendem Verhalten und Suizidalität stellt die Absicht das zentrale Merkmal für die Unterscheidung dar. Es ist sinnvoll, die Motive und Funktionen, welche eine Selbstschädigung beziehungsweise eine Suizidabsicht begründen sowie weitere Merkmale des Verhaltens zu erfragen und zusammenfassend zu bewerten. Wie in Abbildung 3 dargestellt, kann eine Verdachtsdiagnose so schrittweise verifiziert werden (Nitkowski et al. 2010). 19 Einleitung Selbstverletzendes Verhalten Suizidversuch Nicht suizidale Selbstschädigungsabsicht Suizidabsicht (Todeswunsch) Selbstbestrafung Abbau von emotionalen Belastungen (Bewältigung) Ablenkung von Problemen Erzeugen positiver Gefühle Ausdruck von Wut Entlastung anderer Abb. 3: Einfluss von spezifischen und unspezifischen Motiven auf selbstverletzendes Verhalten; spezifische Motive beeinflussen nur eine, unspezifische beide Selbstschädigungsformen (nach Nitkowski et al., 2010). 1.4 Behandlung am ZfP Südwürttemberg in Weissenau Als Kriterium für diese Persönlichkeitsstörung müssen nach ICD-10 fünf der insgesamt zehn Symptome vorliegen, hieraus ergibt sich eine Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten. Da Suizidalität und selbstverletzendes Verhalten sowohl nach ICD-10 als auch DSM-IV fester Bestandteil der Diagnosekriterien sind, ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil der Patienten aufgrund dieser Problematik vorstellig wird (Steinert et al., 2010). Im Klinikverbund 20 Einleitung Südwürttemberg, der aus sechs Klinikstandorten und fünf Tageskliniken besteht, betrifft dies in etwa 5 Prozent aller Aufnahmen in der Erwachsenenpsychiatrie (Steinert et al., 2009). Tatsächlich nehmen etwa 80 Prozent der Patienten mit BPS im Laufe ihres Lebens psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch, häufig aufgrund von selbstschädigendem oder suizidalem Verhalten. Hierdurch werden die Versorgungsstrukturen in besonderem Maße gefordert, was zusätzlich durch das hohe Inanspruchnahmeverhalten dieser Patienten noch verstärkt wird. Die langwierige Therapie spiegelt sich auch in den hohen Behandlungskosten wider (Bohus et al., 2006). Diese sollen etwa 15 Prozent der für psychische Krankheiten ausgegebenen Gesamtkosten betragen. Der Großteil, etwa 90 Prozent der Kosten, wird durch den stationären Aufenthalt verursacht, der im Mittel pro Patient und Jahr in Deutschland bei 68 Tagen liegt. Bei dieser chronischen, schwer therapierbaren Störung bleibt es meist auch nicht bei einem einzelnen stationären Aufenthalt. Die Wahrscheinlichkeit der Wiederaufnahme in eine psychiatrische oder psychotherapeutische Versorgungseinrichtung liegt bei etwa 80 Prozent (Jerschke et al., 1998; Bohus, 2006). Im Rahmen einer (voll-)stationären Therapie verbringen die Patienten den Großteil der Zeit auf Station, was viele Vorteile bieten kann. Im Falle einer akuten Krisensituation kann diese zur Entlastung beitragen, bietet die Möglichkeit der Abschottung von der ereignisreichen Umwelt und ermöglicht beispielsweise Unterstützung in Form einer Therapie. Als Kehrseite kann sich allerdings eine Hospitalisierung mit einhergehender Regression einstellen. Die ohnehin schon angeschlagene Selbstverantwortung kann vollends abgegeben und die Zuständigkeit für sich und sein Leben dem Therapeuten übertragen werden. Hierdurch kann eine, von therapeutischer Seite natürlich nicht gewünschte, Verstärkung der patientenspezifischen Symptomatik entstehen. In Form eines Teufelskreises kann so selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität gefördert werden (Steinert, 2012). Das Krankheitsbild der BPS ist, wie bereits mehrfach dargestellt, häufig mit selbstverletzendem Verhalten und suizidalen Krisen vergesellschaftet. Gerade letzteres ist in der Regel mit einer ambulanten Behandlung nicht mehr zu vereinbaren. Auch eine stationäre Behandlung in einer psychosomatisch- 21 Einleitung psychotherapeutischen Einrichtung kann dann nicht durchführbar und sinnlos werden. Ein stationärer Aufenthalt in einer akutpsychiatrischen Station ist dann meist zwingend notwendig (Uhlmann et al., 2008). Psychiatrische Krankenhäuser der stationären Regelversorgung stehen oft im Konflikt zwischen der Spezialisierung Erkrankungsbilder einerseits zur Behandlung bestimmter und der Sektorisierung mit einer möglichst gemeindenahen, regionalen Versorgung andererseits (Gebhardt et al., 2002). Das Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg ist bestrebt, diese beiden Konzepte zu verwirklichen. Vor diesem Hintergrund wurde im November 2005 im Rahmen einer Qualitätsverbesserungsmaßnahme dahingehend eine Umstrukturierung vorgenommen und eine neue Station eingerichtet (Uhlmann et al., 2008). Grund dafür war ein unverhältnismäßig hoher Anteil von Zwangsmaßnahmen an Patienten in der Diagnosegruppe F6 (Persönlichkeitsstörung) gegenüber dem Durchschnitt anderer Kliniken im Benchmarking. Im ZfP Südwürttemberg in Weissenau wurden die Patienten bis zu dieser Umstrukturierung so therapiert wie in Deutschland üblich - beispielsweise in Psychotherapiestationen in psychiatrischen Kliniken, gelegentlich auch in psychosomatischen Kliniken oder Tageskliniken. Bei akuten Krisen, die bei dieser Patientengruppe regelmäßig in Form von selbstschädigendem Verhalten und häufig auch im Zusammenhang mit Substanzmissbrauch zu finden sind, kommt es dann zu einer Einweisung oder Verlegung in eine psychiatrische Akutstation. Die in der Regel unfreiwillige Aufnahme erfolgt meist in ein Umfeld bestehend aus akut psychotischen, im Verhalten auffälligen Mitpatienten. Es ist sicherlich nachvollziehbar, dass dieses Stationsklima nicht gerade in positiver Weise unterstützt. Insbesondere bei Patienten mit BPS werden oft Erinnerungen an ihre häufig vorhandene traumatische Vergangenheit geweckt, was in eine Eskalation aus Therapieverweigerung, Gewalt und Zwangsmaßnahmen münden kann (Steinert et al., 2009). Bei dieser 2006 eingerichteten Station handelt es sich um eine gemischtgeschlechtliche Akutstation, daher werden die Patienten zu jeder Uhrzeit aufgenommen. Zur Aufnahme kommen vorwiegend Patienten mit den Hauptdiagnosen F6 oder F4 (Anpassungs- und Belastungsstörung). Meist geschieht dies notfallmäßig im Rahmen einer suizidalen oder schwer 22 Einleitung selbstverletzenden Krise, gelegentlich sind die Patienten auch intoxikiert und fremdaggressiv. Die Zuweisung erfolgt entweder durch ein vorbehandelndes Allgemeinkrankenhaus oder direkt durch niedergelassene Ärzte. Nicht auf dieser Station aufgenommen werden Patienten mit primärer Substanzabhängigkeit, psychotischen oder affektiven Störungen (Steinert et al., 2009). Das therapeutische Konzept lehnt sich an die dialektisch-behaviorale Therapie (Linehan, 1996) an. In Deutschland wurde diese stationäre Therapieform von der Arbeitsgruppe um Bohus an der Freiburger Universitätsklinik erfolgreich eingeführt (Bohus et al., 2000; Bohus et al., 2004). Gegenüber anderen therapeutischen Einrichtungen bietet diese Spezialstation im ZfP in Weissenau deutlich symptomspezifischere psychotherapeutische Therapieverfahren, zielgerichteter als dies beispielsweise auf einer gemischten Aufnahmestation mit verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen möglich ist. Des Weiteren kann auf einer Station für Patienten mit gleicher Symptomatik davon ausgegangen werden, dass die Stationsatmosphäre und das gesamte Stationserleben deutlich besser ist als auf einer allgemeinen psychiatrischen Aufnahmestation (Uhlmann et al., 2008). 1.5 Schlussfolgerung und Ziele der Studie Das spezielle therapeutische Setting des ZfP Südwürttemberg ist verhältnismäßig selten anzutreffen. In vielen anderen psychiatrischen Einrichtungen wird dieses Patientenkollektiv aufgrund von selbstschädigendem Verhalten meist in einer allgemeinen psychiatrischen Aufnahmestation vorstellig. Nach Steinert (2012) ist im Allgemeinen über das stationäre therapeutische Setting zur Behandlung der BPS relativ wenig bekannt. Dies liegt auch darin begründet, dass die meiste Literatur aus dem englischsprachigen Raum stammt und dort einerseits ein deutlich anderes Therapiekonzept praktiziert wird und andererseits auch viel seltener stationär behandelt wird. In Großbritannien ist eine Einweisung wegen Suizidalität bei BPS weitgehend unüblich. Selbst in den USA wird hier deutlich zurückhaltender verfahren. Dies mag hierzulande stutzig machen, da gerade in 23 Einleitung den Vereinigten Staaten verstärkt mit juristischen Regressforderungen im medizinischen Sektor zu rechnen ist (Steinert, 2012). Seit der Gründung dieser Station gab es keine Analyse dieses speziellen Patientenkollektivs hinsichtlich der Häufigkeit, des Verlaufs und eines möglichen Zusammenhangs von Suizidalität und selbstverletzendem Verhalten. In dieser retrospektiven Studie soll diese Patientengruppe auf diverse Aspekte hin ausgewertet werden, auch um allgemeingültige Aussagen zu dieser Patientengruppe treffen zu können. Es wurden verschiedene Fragestellungen herausgearbeitet, anhand derer diese Patientengruppe näher beschrieben werden kann. Sowohl die Häufigkeit als auch die Arten von selbstverletzendem Verhalten und Suizidalität sollten erfasst und systematisch ausgewertet werden. Des Weiteren soll in diesem Zusammenhang die Vorgeschichte der Patienten beleuchtet werden. Besonderes Augenmerk wurde dabei auch auf die Zeit kurz vor der jeweiligen stationären Aufnahme gerichtet, um einen möglichen Zusammenhang mit dem stationären Aufenthalt erfassen zu können. Darüber hinaus sollte auch der Therapieerfolg während des stationären Aufenthalts bestimmt werden. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob diverse Patientensubgruppen hierbei in besonderem Maße profitieren. Letztendlich sollen diese Ergebnisse vor dem Hintergrund der aktuell gängigen Fachliteratur diskutiert werden. 1.5.1 Hypothesen Hypothese 1: a) Bei Patienten mit BPS gibt es während des stationären Aufenthaltes einen Zusammenhang zwischen selbstverletzendem Verhalten einerseits und suizidalem Verhalten andererseits. b) Bei Patienten mit BPS gibt es während des stationären Aufenthaltes einen Zusammenhang zwischen der durch den Therapeuten vergebenen Höhe der Suizidstufe einerseits sowie dem selbstschädigenden Verhalten (also dem selbstverletzenden Verhalten, dem suizidalen Verhalten und der Summe aus beiden) andererseits. 24 Einleitung Hypothese 2: Patienten mit BPS, die selbstverletzendes bzw. suizidales Verhalten während des Aufenthaltes zeigen, haben im Vergleich zu Patienten ohne selbstschädigendes Verhalten einen schlechteren Therapieerfolg, gemessen anhand der Selbstbeurteilungsskalen zu Depression (BDI) und allgemeiner psychischer Symptomatik (SCL-90-R) sowie des Fremdbeurteilungsinstruments zum klinischen Eindruck (CGI). 25 2 Material und Methoden 2.1 Patientenkollektiv Das Patientenkollektiv bildeten alle Patienten mit den Diagnosen F 61 (kombinierte und sonstige Persönlichkeitsstörungen) sowie F 60.31 (emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus) nach ICD-10, die in den Jahren 2008 und 2009 auf einer spezifischen Station des ZfP Südwürttemberg in Weissenau stationär aufgenommen worden waren. Mit Hilfe der elektronischen Patientenakte Medicare wurde eine Namensliste erstellt. Auf dieser waren alle Patienten aufgeführt, die diese Kriterien erfüllten und somit untersucht werden sollten. Hierdurch konnten n = 87 Patienten identifiziert werden, deren Daten die Grundlage dieser retrospektiven Studie bildeten. Das Patientenkollektiv setzte sich aus n = 77 (89 Prozent) Frauen und n = 10 (11 Prozent) Männern zusammen. Das Durchschnittsalter lag bei 32,3 Jahren, die Altersspanne erstreckte sich von 20 bis 66 Jahren. 2.2 Indexaufenthalt Während des Untersuchungszeitraumes konnte es zu mehreren stationären Aufenthalten eines Indexpatienten kommen. Um Strukturgleichheit zu schaffen musste ein Auswahlverfahren definiert werden, mit welchem unter dieser Gruppe von Aufenthalten ein bestimmter, der sogenannte Indexaufenthalt, ausgewählt werden konnte. Dieser wurde durch folgende Kriterien definiert: Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich vom 01.01.2008 bis 31.12.2009. Hier war der Tag der stationären Aufnahme das Einschlusskriterium, der Tag der Entlassung blieb unberücksichtigt. Wurde ein Patient in diesem Zeitraum nur einmal stationär aufgenommen, so war dies der Indexaufenthalt. Material und Methoden 26 Kam es in diesem Zeitraum zu zwei oder mehr stationären Aufenthalten, so wurde derjenige als Indexaufenthalt ausgewählt, bei dem von therapeutischer Seite die höchsten Suizidstufe vergeben wurde. Gab es mehrere Aufenthalte mit gleichrangigen Suizidstufen, so wurde der gewählt, bei dem diese Suizidstufe zeitlich als erstes vorkam. Aufgrund von Therapiemodulen, emotional bewegenden Ereignissen oder ähnlichem, durchlaufen die meisten Patienten während eines Aufenthalts mehrere Suizidstufen. Ausschlaggebend für das Kriterium Indexaufenthalt war nur die höchste vergebene Suizidstufe während des jeweiligen Aufenthaltes. Hierbei wurde nicht berücksichtigt, wann diese Suizidstufe auf der Station aufgetreten war oder wie lange diese vorgelegen hatte. Basierend auf dem EDV Programm Medicare wurde mit Hilfe der Suchfunktion jeder in Frage kommende Aufenthalt nach der jeweils höchsten Suizidstufe durchsucht. 2.3 Voraufenthalte Zu jedem Patienten wurde die Anzahl der stationären Aufenthalte seit dem Jahr 2000 ermittelt. Dies geschah wieder anhand der elektronischen Patientenakte Medicare, in der jeder Aufenthalt im ZfP Südwürttemberg in Weissenau dokumentiert wird. Für gewöhnlich kommen die Patienten wohnortgebunden immer in dieselbe Einrichtung somit ist die Erfassung der Gesamtzahl an Aufenthalten durch Medicare recht zuverlässig. Um mögliche Aufenthalte in anderen stationären Einrichtungen ebenfalls erfassen und bewerten zu können, wurden die einzelnen Arztbriefe eines jeden Patienten dahingehend ausgewertet. 2.4 Suizidstufen Im Klinikverbund ZfP Südwürttemberg wird die Suizidalität der Patienten regelmäßig und standardisiert eingestuft. Sowohl bei Aufnahme, als auch in regelmäßigen, den Umständen angepassten Abständen während des stationären Material und Methoden 27 Aufenthaltes, wird die Suizidalität des Patienten geprüft und ihm eine der fünf Suizidstufen zugeordnet, mit jeweils daraus resultierender klinischer Konsequenz (Steinert et al., 2010). Die einzelnen Suizidstufen werden in Tabelle 4 dargestellt. Tab. 4: Suizidstufen nach Steinert et al. (2010) Suizidstufe 0 Keine Suizidalität, weder aktuell noch in der Vorgeschichte Suizidstufe 1 Suizidalität in der Vorgeschichte, aktuell keine Suizidgedanken, absprachefähig Suizidstufe 2 Aktuell Ruhewünsche oder Suizidgedanken, keine konkreten Handlungsabsichten, aktuell glaubhafte Distanzierung und absprachefähig Suizidstufe 3 Ruhewünsche oder Suizidgedanken ohne konkrete Handlungsabsichten, eingeschränkte Absprachefähigkeit Suizidstufe 4 Akute Suizidalität, konkrete Suizidabsichten oder passiv sich aufdrängende Suizidgedanken, Handlungsdruck Bei Patienten mit BPS wird im Rahmen eines stationären Aufenthaltes meistens die Suizidstufe 1 oder 2 vergeben. Bedingung hierfür ist unter anderem die Annahme voller Selbstverantwortung und Absprachefähigkeit, womit meist auch eine Wochenendbeurlaubung und freier Ausgang möglich sind. Die Absprachefähigkeit wird bei Suizidstufe 3 als mangelhaft eingeschätzt, allerdings ist auf Station von keinem Suizidrisiko auszugehen. Die Patienten sollten die Station nur unter Begleitung verlassen. Die Suizidstufe 4 ist durch kompletten Kontrollverlust über eigene Impulse mit konkreten Suizidabsichten oder sich aufdrängenden Suizidgedanken gekennzeichnet. Diese Stufe erfordert erhöhte Material und Methoden 28 Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel der verpflichtende Aufenthalt im Essund Aufenthaltsbereich sowie das Abmelden beim Pflegepersonal, falls dieser verlassen werden sollte. Andernfalls wird mit Isolierung gedroht. Die Patienten wechseln in dieser Situation aus dem Therapiemodul in das sogenannte Krisenmodul, in welchem der therapeutische Fokus ausschließlich auf das Thema Suizidalität gerichtet ist und die Patienten sich zu Nacht im 'weichen Zimmer' befinden (Steinert et al., 2010). 2.5 Datenerhebung Die Datenerhebung fand auf der Station 56, einer Kriseninterventionsstation des ZfP Südwürttemberg, in Weissenau statt. Der Zeitraum erstreckte sich von März bis Oktober 2010. Die Daten wurden EDV-gestützt mit Hilfe der elektronischen Krankenakte Medicare erfasst. Die Datenanalyse wurde als Maßnahme zur Qualitätssicherung in dem ZfP-weiten Qualitätsmanagement durchgeführt. Ein Votum der Ethikkommission musste somit nicht eingeholt werden. 2.6 Datenblatt Im Vorfeld musste ein Datenblatt erstellt werden. Die beinhaltenden Punkte sowie die Gestaltung wurden im Plenum bestehend aus PD Dr. C. Uhlmann, Prof. T. Steinert und Dr. S. Tschöke besprochen und von mir entworfen. Dabei wurde festgesetzt, dass es folgende Informationen enthalten soll: Name Name und Vorname des jeweiligen Patienten Medicare-Patientennummer Jeder Patient wird in der EDV-gestützten elektronischen Patientenakte mit einer festen Patientennummer geführt. Material und Methoden 29 Medicare-Aufnahme-ID (Fall-ID) Jedem Aufenthalt wird eine feste Aufnahmenummer für den jeweiligen stationären Aufenthalt zugeteilt. Indexaufenthalt Zeitraum Gibt an, in welchem Zeitraum der jeweilige Indexaufenthalt stattgefunden hat. Anzahl Tage Indexaufenthalt Die Summe der Tage des Indexaufenthaltes. Indexaufenthalt ist wievielter Aufenthalt Bei den meisten Patienten mit einer BPS bleibt es nicht bei einem einzigen stationären Aufenthalt. Im Laufe des Lebens kann es zu mehrfachen, zum Teil auch einer sehr großen Anzahl an Klinikaufenthalten kommen. In dieser Rubrik wurde erfasst, wie viele stationäre Aufenthalte im Rahmen der BPS dem Indexaufenthalt seit dem Kalenderjahr 2000 bereits vorausgegangen waren. Hierzu wurden sämtliche Aufenthalte, die durch Medicare angezeigt wurden, gezählt. Da aber gelegentlich nicht alle stationären Aufenthalte durch das EDV-Programm angezeigt werden, wurden zusätzlich alle vorhandenen Arztbriefe betrachtet und insbesondere im anamnestischen Teil nach Vermerken zu weiteren Aufenthalten gesucht, um diese ebenfalls berücksichtigen zu können. Wird ein Aufenthalt durch Wochenende/Beurlaubung oder anderweitig unterbrochen, so kann es vorkommen, dass zu einem Aufenthalt mehrere Aufnahme-ID Nummern von Medicare vergeben werden. Um dies richtigerweise als einen zu werten, wurden zum einen die ärztlichen und pflegerischen Einträge in der digitalen Patientenakte Medicare sowie die dazugehörigen Arztbriefe berücksichtigt. Gelegentlich fanden stationäre Aufenthalte nicht immer in derselben Einrichtung, in diesem Fall dem ZfP Südwürttemberg, sondern auch auswärtig statt. Da dies zum einen nur bei wenigen Patienten der Fall war und zum anderen auch nur wenige Informationen zu deren Häufigkeit gewonnen werden konnten, wurden diese nicht berücksichtigt und flossen somit nicht in die Bewertung mit ein. Material und Methoden 30 Aufenthalte gesamt seit 2000 In dieser Rubrik wurde dokumentiert, zu wie vielen stationären Aufenthalten es insgesamt in den Jahren von Januar 2000 bis Dezember 2009 gekommen war. Stichtag war hier, analog zu oben, der erste Tag des Aufenthalts. Rubrik Selbstverletzungen Diese Tabelle wurde entworfen, um das selbstverletzende Verhalten während des stationären Aufenthaltes erfassen und dokumentieren zu können. Nicht bei allen Patienten beziehungsweise bei jedem Klinikaufenthalt kam es zu selbstverletzendem Verhalten. Dies wurde dichotom festgehalten (ja, es kam einoder mehrfach zu selbstverletzendem Verhalten; nein, es kam während des Indexaufenthalts zu keiner Form von selbstverletzendem Verhalten). Diese Unterteilung war wichtig, um Gruppen zu bilden und diese miteinander vergleichen zu können. Des Weiteren wurde das selbstverletzende Verhalten aufgeschlüsselt in die Qualitäten: Schneiden: Mit scharfen Gegenständen wie Rasierklingen oder Glasscherben. Brennen: Herbeiführung von Brandwunden durch heiße Gegenstände wie Zigaretten. Kratzen: Zum Beispiel Aufkratzen der Haut durch Fingernägel. Wunden aufreißen: An vorhandener Wunde manipulieren, so dass der Heilungsprozess verzögert wird und die Wunde nicht abheilen kann. Anderes: Zum Beispiel der Konsum von Alkohol. Hierbei war wichtig, dass dies nicht nur ein Konsum von Alkohol war, sondern dieser im Rahmen eines selbstverletzenden Verhaltens aufgetreten war. Bei unklarer, nicht eindeutiger Sachlage wurde mit einem Facharzt besprochen, wie dies individuell zu werten ist. Zu jeder Art des selbstverletzenden Verhaltens wurde dokumentiert an welchem Tag nach stationärer Aufnahme dieses im jeweiligen Indexaufenthalt aufgetreten war. Hierbei war Tag eins der Tag der Aufnahme. Insgesamt wurde die Summe der Selbstverletzungen jeweils bei den einzelnen Arten, als auch insgesamt ermittelt. Material und Methoden 31 Auf der Kriseninterventionsstation werden suizidales und selbstverletzendes Verhalten bei Patienten mit BPS sehr zuverlässig EDV-gestützt durch Medicare dokumentiert und protokolliert. Um diese Ereignisse aufzufinden und auszuwerten, wurden alle Eintragungen - wie beispielsweise von Pflegekräften, Psychologen, Ärzten und Ergotherapeuten - während des gesamten Indexaufenthaltes durchgelesen. Wurde ein passender Eintrag gefunden, so wurde auf dem Datenblatt sowohl der Tag als auch die Uhrzeit der Eintragung festgehalten. Hierdurch ist ein erneutes Auffinden des Ereignisses garantiert. Zudem wurde ausgerechnet, wie viele Tage seit dem ersten Tag der Aufnahme bereits vergangen waren. Diese Summe der Tage wurde dann ebenfalls auf dem Datenblatt festgehalten. Rubrik suizidales Verhalten Das suizidale Verhalten wurde in folgende Sparten untergliedert: Suizidversuch: Erfasst, ob es während des Indexaufenthaltes zu einem Suizidversuch gekommen war. Direkte Suizidankündigung: Unter diese Rubrik fallen beispielsweise vom Patienten konkret geäußerte Suizidgedanken oder auch feste Suizidpläne sowie klare Äußerungen bezüglich Suizid oder das Verfassen eines Abschiedsbriefes. Indirekte Suizidankündigung: Hier kommt es nicht zu einer klaren Suizidäußerung oder zu konkreten Plänen, vielmehr sind indirekte suizidale Handlungen und Äußerungen erkennbar. Beispielsweise der Aufenthalt an Bahngleisen mit dem Kommentar „Macht Euch um mich keine Gedanken mehr“ oder das Verschenken von Wertgegenständen können auch als solche gewertet werden. Ein weiterer Vorfall, welcher als indirekte Suizidankündigung gewertet wurde, war das Erscheinen einer stationären Patientin nachts im Stationszimmer. Diese übergab dem Pflegepersonal einen Seidenschal mit der Äußerung, dass diese ihn doch besser an sich nehmen sollen. Hochrisikoverhalten / suizidales Verhalten: Eine Schädigung der eigenen Gesundheit oder auch der Tod werden im Rahmen des Verhaltens in Kauf genommen. Beispiele: Fahren eines PKW ohne gültige Fahrerlaubnis, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit oder bei roter Ampel über die Material und Methoden Straßenkreuzung. 32 Dies geschieht meist im Zusammenhang mit Alkoholabusus und anderen das Bewusstsein beeinflussenden Substanzen. Wichtig hierbei war, dass dies im Kontext mit suizidalem Verhalten geschah und nicht als eine Form des selbstverletzenden Verhaltens durchgeführt wurde. Bei Unklarheit wurde mit einem Facharzt für Psychiatrie Rücksprache gehalten. Analog zur Rubrik Selbstverletzungen wurden auch hier alle Einträge während des gesamten Indexaufenthaltes durchgelesen. Wurde eine passende Eintragung gefunden, so wurde auf dem Datenblatt sowohl der Tag, als auch die Uhrzeit des Ereignisses festgehalten. Zudem wurde ausgerechnet, wie viele Tage seit dem ersten Tag der Aufnahme bereits vergangen waren. Diese Summe der Tage wurde dann ebenfalls auf dem Datenblatt notiert. Da das Thema Suizidalität sehr ernst genommen wird, konnte von einer zuverlässigen Eintragung bei Medicare ausgegangen werden. Rubrik Vorgeschichte In dieser Sparte wurde erfasst, was vor dem jeweiligen Indexaufenthalt an Ereignissen stattgefunden hat. Die Tabelle wurde untergliedert in die Punkte: Selbstverletzungen: Jegliches selbstverletzende Verhalten, was kein Suizidversuch war. Suizidversuch: Soll festhalten, ob es in der Vergangenheit des Patienten zu Suizidversuchen gekommen war. Risikoverhalten: Ein Verhalten, bei dem Schaden an der körperlichen Gesundheit oder sogar ein letaler Ausgang in Kauf genommen wird. Substanzmissbrauch: Konsumieren von Substanzen mit potentiell körperlich oder psychisch abhängig machender Wirkung, die illegal sind oder die Gesundheit negativ beeinträchtigen: z.B. Alkohol, Drogen. Bei den vier Punkten wurde des Weiteren berücksichtigt, wann diese im zeitlichen Verhältnis vor dem jeweiligen Indexaufenthalt aufgetreten waren. Hierzu war eine weitere Unterteilung der Tabelle nötig. Diese sollte widerspiegeln, ob die oben genannten Punkte unmittelbar vor dem stationären Aufenthalt aufgetreten waren, Material und Methoden 33 oder ob das Ereignis zeitlich bereits eine Weile zurücklag. Daher wurde die Tabelle weiter unterteilt in: Liftetime-Vorgeschichte: Erfassung der gesamten Lebensspanne des Patienten von der Kindheit bis zu den letzten drei Tagen vor dem jeweiligen Indexaufenthalt. Bis zu drei Tage vor der Aufnahme: zur Dokumentation der 72 Stunden vor der stationären Aufnahme. Die Ergebnisse auf diese Fragestellungen wurden in Form einer KatalogAntwortmöglichkeit dokumentiert. Diese war nötig um eine Einheitlichkeit herbeizuführen. Somit konnten anschließend bei der Auswertung bessere Vergleiche gezogen werden. Festgelegt wurden diese Antwortmöglichkeiten: Nein: Es ist in der Zeit vor dem Aufenthalt nie aufgetreten. Diese Antwortmöglichkeit wurde gewählt, wenn dies in den Quellen konkret ausgeschlossen wurde. Problematisch war, wenn keine genauen Angaben zu den einzelnen Punkten zu eruieren waren. Dann stellte sich die Frage, ob hier nichts genannt wurde, weil es zu keinem Vorfall in der Vergangenheit kam, oder ob dies einfach vergessen wurde zu erfragen beziehungsweise zu dokumentieren. Aus diesem Grund wurde die Antwortmöglichkeit unklar (siehe unten) zusätzlich eingeführt. Allerdings zeigte sich während der Datenerhebung, dass diese Kriterien doch sehr zuverlässig abgeprüft wurden. Somit konnte davon ausgegangen werden, dass bei nicht Erwähnen, auch kein Ereignis in der Vergangenheit stattgefunden hat. Somit wurde dies als nein gewertet. Einmalig: Es wurde eindeutig erwähnt, dass es genau einmal aufgetreten war. Mehrfach: Es kam mehr als ein Mal vor. Unklar: Diese Antwortmöglichkeit wurde mit in den Katalog aufgenommen, kam aber nie zur Anwendung. Die Angaben zur Vorgeschichte des jeweiligen Patienten wurden überwiegend anhand der Arztbriefe erhoben. Hierzu wurde als erstes der zum Aufenthalt dazugehörige Entlassungsbrief gelesen. Besonderes Augenmerk wurde hier auf den anamnestischen Teil gelegt. Konnten aus diesem keine ausreichenden Material und Methoden 34 Angaben gewonnen werden, so wurden zusätzlich auch die Arztbriefe zu anderen Aufenthalten ausgewertet. Hilfreich erwies sich in diesem Zusammenhang die Suchfunktion des EDV-Programmes. Zu den jeweiligen vier Rubriken wurde unter anderem mit Stichworten gesucht wie: Selbstverletzung, SVV, schneiden, ritzen, Schnittverletzung, verletzen Suizidversuch, umbringen, Handlung, antun Risikoverhalten Substanzmissbrauch, Drogen, Alkohol, THC, Kiffen, Sucht 2.7 Validierte Messinstrumente Sowohl zur stationären Aufnahme als auch bei Entlassung wird bei jedem Patienten der Gesundheitszustand anhand verschiedener Testverfahren / Fragebögen erhoben. Hierdurch kann eine Aussage über die Schwere der Erkrankung und den Verlauf während des Klinikaufenthaltes getroffen werden. Im Rahmen der Datenerhebung wurde bei jedem der 87 Patienten sowohl bei Beginn als auch bei Ende des Aufenthaltes der BDI (Beck Depressions Inventar), der CGI-Wert (Clinical Global Impressions) und der SCL-90-R Wert (SymptomCheckliste) bestimmt. 2.7.1 Die Symptom-Checkliste SCL-90-R Die Symptom-Checkliste SCL-90-R gehört zu den national und international gebräuchlichen Selbstbeurteilungsinstrumenten. Bei dieser Art des Testverfahrens muss sich die Person anhand der Fragen selbst einschätzen. Der Test kommt bei Erwachsenen und Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr zum Einsatz und kann in durchschnittlich 10 bis 15 Minuten bearbeitet werden. Er hat den Status eines Standardinstruments erreicht und wird als Routineverfahren bei der Evaluation ambulanter und stationärer psychosozialer Interventionen oder als Screeninginstrument für psychische Störungen eingesetzt. Er dient der Erfassung subjektiv empfundener Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome innerhalb der letzten sieben Tage. Erfasst wird dies anhand von 90 Material und Methoden Items, welche Depressivität, die 35 Bereiche Paranoides Aggressivität/Feindseligkeit, Denken, Phobische Angst, Ängstlichkeit, Psychotizismus, Somatisierung, Unsicherheit im Sozialkontakt und Zwanghaftigkeit abdecken. Bei diesen 90 Items geben drei globale Kennwerte Auskunft über das Antwortverhalten. Der wichtigste davon ist der GSI (Global Severity Index). Ihm wird große Bedeutung beigemessen, da er die grundsätzliche psychische Belastung misst. Durch den PSDI (Positive Symptom Distress Index) wird die Intensität der Antworten gemessen und anhand der PST (Positive Symptom Total) wird eine Auskunft über die Anzahl der Symptome gegeben, bei denen eine Belastung vorliegt. Die Fragen zu diesen neun Skalen müssen anhand einer fünfstufigen Likertskala beantwortet werden, diese reicht von überhaupt nicht bis sehr stark. Erfragt werden die Symptome der vergangenen sieben Tage. Hierdurch ergänzen sich Verfahren zur Messung der zeitlich extrem variablen Befindlichkeit und der zeitlich überdauernden Persönlichkeit. Anschließend wird der Test ausgewertet und die Skalenrohwerte erhoben. Aus dem Jahr 2002 liegen Normwerte für Jugendliche und Erwachsene getrennt nach Alter und Geschlecht vor. Anhand dieser Normstichproben können für die Normalpopulation geschlechts-, alters- und bildungsabhängige T-Werte gebildet werden. Hierdurch kann gruppenintern besser verglichen werden (Franke 2002, Glöckner-Rist et al., 2011, Uhlmann et al., 2008). 2.7.2 Beck Depressions Inventar (BDI) Der BDI gehört zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Selbstbeurteilungsinstrumenten zur Beurteilung der Depressionsschwere bei Patienten mit dieser Diagnose. Des Weiteren eignet er sich als Screeninginstrument in der Bevölkerung. Zur Anwendung kommt er bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 13 Jahren und nimmt etwa 10 bis 15 Minuten Bearbeitungszeit in Anspruch. Erhebungszeitraum sind die letzten zwei Wochen. Der Fragebogen wurde in den 1960er Jahren von Dr. Aaron T. Beck entworfen und seitdem mehrmals modifiziert. Der aktuell gängige BDI-II-Test (Beck et al., 2006) setzt sich aus 21 Fragegruppen, bestehend aus meist vier abgestuften Antwortmöglichkeiten, zusammen und ist durch aufsteigende Schwere der Symptomatik charakterisiert. In jeder Rubrik soll der Teilnehmer die Material und Methoden 36 Antwortmöglichkeit auswählen, die für ihn für die letzten zwei Wochen am zutreffendsten ist. Zur Auswertung werden die einzelnen Werte addiert. Die Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität ist durch die standardisierte Vorgabe und die Interpretation des Summenwertes gegeben (Kühner et al., 2007). 2.7.3 Clinical Global Impressions (CGI) Neben den Selbstbeurteilungsbögen wird auch von therapeutischer Seite der Zustand des Patienten eingeschätzt und dokumentiert. Dies geschieht unter anderem durch den CGI im Rahmen der Basisdokumentation. Diese Fremdbeurteilung des klinischen Globaleindrucks beschreibt die Schwere der psychischen Erkrankung eines Patienten. Der CGI wird durch zwei Bögen, sowohl bei Beginn, in Form eines CGI-Aufnahme, als auch am Ende, durch den CGIEntlassung, erhoben. Hierbei wird der Schweregrad bei Aufnahme unterteilt in die Rubriken 0 = nicht beurteilbar, 1 = nicht krank, 2 = Grenzfall psychischer Erkrankung, 3 = leicht krank, 4 = mäßig krank, 5 = deutlich krank, 6 = schwer krank und 7 = extrem schwer krank. Am Ende des Aufenthaltes wird die Zustandsänderung erfasst. Hierbei bedeutet ein CGI-Wert von 0 = nicht beurteilbar, 1 = Zustand ist sehr viel besser über 4 = Zustand ist unverändert bis 7 = Zustand ist sehr viel schlechter (Uhlmann et al., 2008). Im Rahmen der Datenerhebung wurden für jeden der 87 Patienten die jeweiligen Testergebnisse erhoben. Diese waren zum einen der BDI als auch der SCL-90-RWert in Form eines Selbstbeurteilungstests, als auch der CGI-Wert, welcher durch den Therapeuten erhoben wurde. Der SCL-90-Wert wurde als Rohwert und als Normwert erfasst. Dokumentiert wurden die Messwerte bei Aufnahme und am Ende des stationären Aufenthaltes. Hierdurch konnte zum einen eine Aussage darüber gemacht werden, wie der Krankheitszustand / Schweregrad bei Therapiebeginn war. Zum anderen repräsentierte das Testergebnis am Ende des Aufenthaltes den Therapieerfolg. Es wurde im Verhältnis zum Ausgangswert bei Aufnahme betrachtet. Material und Methoden 37 2.8 Statistik Der deskriptive Ergebnisteil wurde mit dem PC Programm Excel ausgewertet. Die Inferenzstatistik wurde mit dem Statistik-Programm Statistica erstellt. Hierbei kamen für die Signifikanzberechnungen der t-Test für unverbundene Stichproben sowie die Varianzanalyse mit Messwiederholung beziehungsweise der U-Test nach Mann und Whitney und der Korrelationskoeffizient nach Spearman zur Anwendung. Die Ermittlung des Rangkoeffizienten nach Spearman eignet sich, wenn der beobachtete Zusammenhang nicht linear, aber monoton ist. Das heißt, dass ein monotoner Zusammenhang nicht unbedingt durch eine Gerade dargestellt wird, sondern durch eine beliebige monotone Funktion f(x). Hierbei kommt es beispielsweise bei einer Zunahme des Betrages x auch zu einem Anstieg bei f(x) (bei gleichsinnigem Zusammenhang). Beim Spearman-Koeffizient werden nicht die Originalmesswerte, sondern nur deren Rangzahlen berücksichtigt. Dieser Rangkorrelationskoeffizient ist somit robust gegenüber messtechnischen Ausreißern. Er wurde zur Prüfung der Hypothesen 1a und 1b verwendet. Das Signifikanzniveau wurde bei den Berechnungen auf p < 0.01 eher konservativ gesetzt. Der t-Test bezeichnet eine Gruppe von Hypothesentests mit t-verteilter Testprüfgröße. Grob können hier der t-Test für eine Stichprobe, bei dem überprüft wird, ob ein Stichprobenmittelwert mit einem vorgegebenen Mittelwert vereinbar/signifikant ist sowie der t-Test für zwei Stichproben unterschieden werden. Bei letzterem kommt in der Regel der t-Test für zwei unverbundene Stichproben zur Anwendung. Dabei werden die Mittelwerte zweier Stichproben verglichen. Voraussetzung dafür ist Normalverteilung und Gleichheit der Varianz. Bei unseren Berechnungen zur Prüfung der intervallskalierten Daten von Hypothese 2 lag das Signifikanzniveau in einem Spektrum von p = 0.20 bis p = 0.70 somit war kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen zu verzeichnen. Allerdings war einmalig mit einem p = 0.06 bei einer Berechnung ein Trend zu erkennen. Bei ordinalskalierten Daten werden Rangsummentests verwendet. Sie haben schwächere Voraussetzung und benötigen beispielsweise keine Normalverteilung. Material und Methoden 38 Den ordinalskalierten Werten jeder Stichprobe wird nach einer bestimmten Vorschrift eine Rangzahl zugeteilt. Somit können dann Rangsummen berechnet werden, aus welchen dann wiederum die Prüfgröße ermittelt wird. Die beiden Rangreihen können so verglichen werden. Solch eine Alternative zum t-Test bildet der U-Test von Mann und Whitney (Weiß et al., 2008). Bei Hypothese 1a zeigte sich bei diesem Testverfahren mit einem p = 0.003 bei der einen und mit einem p = 0.002 bei der anderem Messung ein hochsignifikanter Unterschied. Bei Hypothese 2 war mit einem Spektrum von p = 0.20 bis p = 0.67 kein signifikanter Unterschied zu verzeichnen. Als weiteres Messinstrument kam mithilfe des Statistik-Programms Statistica eine Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederholung zur Anwendung. Im Gegensatz zur MANOVA kommt diese 'analysis of variance' nur bei einem Faktor zur Anwendung. Die unabhängigen Einflussvariablen werden in diesem Fall durch die zwei Gruppen gebildet und sind somit nominalskaliert. Diesen werden als abhängige Zielvariable die metrische Zufallsvariable zugeordnet. Diese abhängige Variable enthält die Messwerte. Bei diesem Messverfahren soll überprüft werden, ob die Varianz zwischen den Gruppen größer ist als innerhalb der einzelnen Gruppen und ob diese sich somit signifikant unterscheiden. Bei der einfaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung wird die abhängige Variable mehrfach bei der gleichen Gruppe erhoben. Dies wurde im Zusammenhang mit dem stationären Aufenthalt sowohl bei Aufnahme als auch bei Entlassung durchgeführt. Das Signifikanzniveau lag bei p = 0.46 bei der einen und bei p = 0.06 bei der anderen Rechnung. 39 3 Ergebnisse 3.1 Zusammensetzung des Patientenkollektivs Untersucht wurden alle Patienten mit den Diagnosen F 61 und F 60.31, die in den Jahren 2008 und 2009 auf einer spezifischen Krisenstation für BorderlinePatienten im ZfP Südwürttemberg in Weissenau stationär aufgenommen waren. Hieraus ergab sich ein Patientenkollektiv, bestehend aus n = 87 Patienten. Wie der Abbildung 4 zu entnehmen ist, setzte sich die Patientengruppe aus 11 Prozent Männern (n = 10) und 89 Prozent Frauen (n = 77) zusammen. Männer 11% (n = 10) Frauen 89% (n = 77) Abb. 4: Geschlechterverteilung der 87 stationären Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (n: Anzahl der Patienten) In der Tabelle 5 ist zu erkennen, dass sich die Altersspanne von 20 bis 66 Jahre erstreckt. Der Mittelwert lag bei 32,3 Jahren bei einer Standardabweichung von s ± 10,1 Jahren. In der Abbildung 5 wird anhand eines Boxplots zusätzlich der Median von 30 Jahren und sowohl das erste Quartil mit 24 Jahren, als auch das dritte Quartil mit 37 Jahren grafisch dargestellt. Ergebnisse 40 Tab. 5: Altersverteilung der 87 stationären Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Altersdurchschnitt Alters-Median Alter-Minimal Alter-Maximum Alter-Standardabweichung Alter-1.Quartil Alter-3.Quartil 1. Quartil = 24 Minimum = 20 15 25 32,3 Jahre 30 Jahre 20 Jahre 66 Jahre 10,1 Jahre 24 Jahre 37 Jahre 3. Quartil = 37 Median = 30 35 45 Maximum = 66 55 65 Abb. 5: Boxplot, Altersverteilung der 87 stationären Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Im Methodenteil wurden bereits die Kriterien beschrieben, nach denen bei jedem Patienten der sogenannte Indexaufenthalt bestimmt wurde. Wie in Tabelle 6 zu erkennen ist, lag die Aufenthaltsdauer auf Station während des Indexaufenthaltes im Schnitt bei 40,3 Tagen, mit einer Standardabweichung von s ± 41,9 Tagen. Unter den insgesamt n = 87 Aufenthalten war der längste Aufenthalt mit 196 Tagen und der kürzeste mit einem Tag zu verzeichnen. Zusätzlich ist in Abbildung 6 in Form eines Boxplots zum einen der Median mit 25 Tagen, als auch das erste Quartil mit sieben Tagen, sowie das dritte Quartil mit 59,5 Tagen grafisch dargestellt. Ergebnisse 41 Tab. 6: Verteilung der Aufenthaltsdauer der 87 stationären Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Mittelwert Median Minimum Maximum Standardabweichung 1.Quartil 3. Quartil Median = 25 Minimum = 1 1. Quartil = 7 0 40,3 Tage 25 Tage 1 Tag 196 Tage 41,9 Tage 7 Tage 59,5 Tage 50 Maximum = 196 3. Quartil = 59,5 100 150 200 Abb. 6: Boxplot, Verteilung der Aufenthaltsdauer der 87 stationären Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Wie bereits im Methodenteil beschrieben, wurden alle relevanten stationären Aufenthalte, seit dem Jahr 2000, ausgewertet. Wie man der Tabelle 7 entnehmen kann, kam es gemittelt über alle n = 87 Patienten im Durchschnitt zu 3,4 Aufenthalten, die Standardabweichung lag hier bei s ± 3,8 Aufenthalten. Die Spannweite erstreckte sich von einem bis zu maximal 27 Aufenthalten. In der Abbildung 7 sind in Form eines Boxplots zusätzlich auch der Median mit zwei Aufenthalten, sowie das erste Quartil mit einem und das dritte Quartil mit vier Aufenthalten grafisch dargestellt. Ergebnisse 42 Tab. 7: Verteilung der Anzahl an stationären Aufenthalte seit dem Jahr 2000. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau in den Jahren 2008 und 2009. Mittelwert Median Minimum Maximum Standardabweichung 1. Quartil 3.Quartil 3,4 Aufenthalte 2 Aufenthalte 1 Aufenthalt 27 Aufenthalte 3,8 Aufenthalte 1 Aufenthalt 4 Aufenthalte Minimum = 1 Median = 2 1. Quartil = 1 0 5 10 Maximum = 27 3.Quartil = 4 15 20 25 30 Abb. 7: Boxplot, Durchschnittliche Verteilung der stationären Aufenthalte seit dem Jahr 2000. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau in den Jahren 2008 und 2009. Zur Definition des jeweiligen Indexaufenthalts kam den Suizidstufen maßgebliche Bedeutung zu. Die Kriterien hierfür wurden im Methodenteil bereits erläutert. Die prozentuale Verteilung der vier Suizidstufen ist der Abbildung 8 zu entnehmen. Unter den 87 Patienten war bei etwa 44 Prozent (n = 38) die Suizidstufe 2 am häufigsten für den Indexaufenthalt definierend, also die am höchsten erreichte Suizidstufe während des Indexaufenthaltes. Gefolgt von Suizidstufe 3 mit 30 Prozent (n = 26). Suizidstufe 1 wurde bei 16 Prozent (n = 14) und Suizidstufe 4 bei 10 Prozent (n = 9) der Patienten vergeben. Ergebnisse 43 Suizidstufe 4 10% (n = 9) Suizidstufe 1 16% (n = 14) Suizidstufe 3 30% (n = 26) Suizidstufe 2 44% (n = 38) Abb. 8: Verteilung der vier Suizidstufen unter den 87 stationären Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Hierbei stellt Suizidstufe 1 das niedrigste und Suizidstufe 4 das höchste Level dar. (n: Anzahl der Patienten) Zur Einschätzung der Schwere der psychischen Erkrankung dient unter anderem der CGI-Wert. Dieser wird als Fremdbeurteilungstest durch den Therapeuten sowohl am Anfang in Form einer CGI-Aufnahme, als auch am Ende des jeweiligen Aufenthalts als CGI-Entlassung erhoben. Zu bemerken ist, dass diese zwei Beurteilungsbögen unabhängig voneinander sind, also zwei voneinander getrennte Testbögen darstellen. Durch den CGI-Wert konnte eine weitere Charakterisierung des Patientenkollektives vorgenommen werden. Die folgende Abbildung 9 zeigt den CGI-Wert der Patienten bei Aufnahme. Von den n = 87 Patienten waren n = 2 nur leicht krank, weitere n = 8 wurden als mäßig krank eingestuft. Die meisten Patienten (n = 34) erreichten den Skalenwert deutlich krank, gefolgt von n = 30, die als schwer krank eingestuft zur stationären Aufnahme kamen. Als extrem schwer krank wurden von den Therapeuten n = 6 Patienten klassifiziert. Ein Patient war nicht beurteilbar und bei weiteren n = 6 Patienten wurden keine Angaben gemacht. Ergebnisse 44 40 n = 34 Anzahl der Patienten 35 n = 30 30 25 20 15 n=8 10 5 n=1 n=0 n=0 n=6 n=6 n=2 0 Abb. 9: CGI-Wert bei stationärer Aufnahme, Fremdbeurteilung der Schwere der psychischen Erkrankung durch den Therapeuten. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (CGI: Clinical Global Impression, n: Anzahl der Patienten) Standardmäßig wird bei Entlassung des Patienten die jeweilige Zustandsänderung durch den Therapeuten eingeschätzt. Hierdurch wird eine Aussage über den Therapieerfolg getroffen. Die verhältnismäßige Verteilung ist der Abbildung 10 zu entnehmen. Nach dieser Fremdbeurteilung wurden n = 6 Patienten mit dem Zustand ist sehr viel besser entlassen. Von den n = 87 Patienten war bei n = 33 der Zustand viel besser. Am häufigsten war mit n = 35 Patienten die Rubrik Zustand ist nur wenig besser vertreten. Bei n = 6 Patienten war der Zustand unverändert, bei weiteren n = 6 Patienten konnte kein Zustand erhoben werden. Bei n = 1 Patienten hatte sich der Zustand sogar etwas verschlechtert. Ergebnisse 45 40 n = 35 Anzahl der Patienten 35 n = 33 30 25 20 15 10 n=6 n=6 n=6 5 n=1 n=0 n=0 0 1) Zustand 2) Zustand 3) Zustand 4) Zustand 5) Zustand 6) Zustand 7) Zustand ist sehr viel ist viel ist nur ist ist etwas ist ist sehr viel besser besser wenig unverändert schlechter schlechter schlechter besser Zustand nicht erhoben Abb. 10: CGI-Wert bei Entlassung vom stationären Aufenthalt, Fremdbeurteilung der Schwere der psychischen Erkrankung durch den Therapeuten. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (CGI: Clinical Global Impression, n: Anzahl der Patienten) Des Weiteren wurde der psychische Zustand auch anhand des BDI erfasst. Dies geschah allerdings nicht bei allen Patienten des Kollektivs. In der Summe konnten für die Aufnahme bei n = 64 und für die Entlassung bei n = 49 Patienten Werte erhoben werden. In der Tabelle 8 wird der BDI Summenwert bei Aufnahme dem bei Entlassung gegenübergestellt. Somit können Durchschnittswert mit Standardabweichung, Minimum, Maximum, Median und Quartile verglichen werden. Ergebnisse 46 Tab. 8: Gegenüberstellung des BDI Summenwertes bei Aufnahme und bei Entlassung. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Zur Auswertung kamen bei Aufnahme 64 und bei Entlassung 49 Patienten. (BDI: Beck Depressions Inventar) Durchschnitt Standardabweichung Median Minimum Maximum 1. Quartil 3. Quartil BDI BDI Aufnahme Entlassung 30,35 19,61 12,44 11,59 32 20 4 0 55,6 39,9 20,75 8 39 28,4 Auch beim SCL-90-R T-Wert - Global Severity Index (GSI) - gab es für die Aufnahme bei n = 64 Patienten und für die Entlassung bei n = 49 Patienten Angaben. Aus diesen Werten wurde jeweils der Durchschnittswert mit Standardabweichung, Minimum, Maximum, Median und Quartile gebildet. In der Tabelle 9 sind diese Werte abgebildet und gegenübergestellt. Tab. 9: Gegenüberstellung des SCL-90-R T-Wertes (GSI) bei Aufnahme und bei Entlassung. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Zur Auswertung kamen bei Aufnahme 64 und bei Entlassung 49 Patienten. (SCL-90-R T-Wert/GSI: Symptom-Checkliste / Global Severity Index) Durchschnitt Standardabweichung Median Minimum Maximum 1. Quartil 3. Quartil SCL-90-R SCL-90-R T-Wert/GSI T-Wert/GSI Aufnahme Entlassung 71,36 62,80 7,91 11,14 71 63 52 35 80 80 67 57 80 69 Ergebnisse 47 3.2 Selbstverletzendes Verhalten während des Indexaufenthaltes Wie der Abbildung 11 zu entnehmen ist, zeigten von den n = 87 stationären Borderline-Patienten 38 Prozent (n = 33) mindestens einmal während des Aufenthaltes eine selbstverletzende Handlung. Bei den anderen 62 Prozent (n = 54) der Patienten war während des Indexaufenthaltes kein selbstverletzendes Verhalten in Erfahrung zu bringen. SVV ist aufgetreten 38% (n = 33) SVV nicht aufgetreten 62% (n = 54) Abb. 11: Verteilung der Patienten mit beziehungsweise ohne selbstverletzendem Verhalten während des Indexaufenthaltes. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (n: Anzahl der Patienten, SVV: selbstverletzendes Verhalten) Unter der Gruppe der Patienten mit selbstverletzendem Verhalten wurden diese Handlungen auf verschiedene Weise und in unterschiedlicher Häufigkeit praktiziert. Die gängigsten autoaggressiven Handlungen wurden hierbei in Form einer Katalogauswahl dokumentiert. Der Rest wurde unter der Rubrik sonstiges zusammengefasst und auf dem Datenblatt stichwortartig beschrieben. Im Folgenden soll zuerst die Verteilung der unterschiedlichen Methoden des selbstverletzenden Verhaltens dargestellt werden. Bei einem Patienten kann es während seines stationären Aufenthaltes zu mehreren Arten des selbstverletzenden Verhaltens kommen. So kann er sich beispielsweise durch Ergebnisse 48 Schneiden oder auch durch Brennen selbst verletzen. In der Abbildung 12 soll dies getrennt voneinander dargestellt und betrachtet werden, also jede Qualität des selbstverletzenden Verhaltens für sich alleine zur Wertung kommen. Insgesamt zeigte das Patientenkollektiv eine Anzahl von n = 54 selbstverletzenden Handlungen. Hierbei war das Schneiden beziehungsweise Ritzen mit scharfen Gegenständen mit 50 Prozent (n = 27) die häufigste Methode. Gefolgt von Alkoholkonsum im Rahmen des selbstverletzenden Verhaltens mit 18 Prozent (n = 10). Eher seltener waren die Rubriken Wunde manipulieren (9 Prozent, n = 5), Kratzen (6 Prozent, n = 3) und Brennen (4 Prozent, n = 2) aufgetreten. Unter der Rubrik sonstiges wurden 13 Prozent (n = 7) der selbstverletzenden Handlungen zusammengefasst. Hier wurden die Punkte Abreißen von Fingernägeln, Hand beziehungsweise Kopf gegen die Wand schlagen, schädliches Essverhalten, Inhalation von Deospray und Nagellack, Herbeiführen von Erbrechen, Unterlassen der Einnahme von wichtigen und indizierten Medikamenten zusammengefasst. sonstiges 13% (n = 7) Alkohol 18% (n = 10) Schneiden 50% (n = 27) Wunde manip. 9% (n = 5) Kratzen 6% (n = 3) Brennen 4% (n = 2) Abb. 12: Prozentuale Verteilung der verschiedenen Arten an selbstverletzenden Handlungen während des Indexaufenthaltes. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (n: Anzahl der Patienten) Ergebnisse 49 Des Weiteren kann die Anzahl der jeweiligen selbstverletzenden Handlungen auch patientenbezogen betrachtet werden, dies soll in Abbildung 13 dargestellt werden. So wurde in der Gruppe der Patienten, die während des Indexaufenthaltes selbstverletzendes Verhalten zeigten (n = 33), das Schneiden von 82 Prozent (n = 27) als selbstschädigender Akt praktiziert. Alkoholkonsum im Rahmen des selbstverletzenden Verhaltens ist mit 30 Prozent (n = 10) an zweiter Stelle zu finden. An alten Wunden manipulieren (15 Prozent, n = 5), Kratzen (9 Prozent, n = 3), brennen mit heißen Gegenständen (6 Prozent, n = 2) waren dagegen weniger häufig aufgetreten. Darüber hinaus kam es bei 21 Prozent (n = 7) der Patienten zu Selbstverletzungen, die unter der Rubrik sonstiges zusammengefasst wurden. 100 90 82 % (n = 27) 80 Prozent 70 60 50 30 % (n = 10) 40 30 20 6% (n = 2) 10 9% (n = 3) 15 % ( n = 5) 21 % (n = 7) 0 Schneiden Brennen Kratzen Wunde manip. Alkohol sonstiges Abb. 13: Prozentuale Verteilung der Arten an Selbstschädigung unter den Patienten mit selbstverletzendem Verhalten (n = 33). Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (n: Anzahl der Patienten) Um eine Aussage über Häufigkeit und zeitliches Vorkommen des selbstverletzenden Verhaltens während des stationären Aufenthalts treffen zu können, wurde zu jedem selbstschädigenden Ereignis der Aufenthaltstag dokumentiert. Jeder Aufenthalt wurde zeitlich in Quartale unterteilt. Die Abbildung Ergebnisse 50 14 nimmt Bezug auf die Patientengruppe mit selbstverletzendem Verhalten während des Indexaufenthaltes. Es werden sowohl die Häufigkeit der Selbstverletzungen als auch die Anzahl der Patienten dargestellt - jeweils bezogen auf ein Quartal des Aufenthaltes. Es lässt sich erkennen, dass die Häufigkeitsverteilung der Patienten mit selbstverletzendem Verhalten über den gesamten Aufenthalt annähernd gleich bleibt. Im ersten (Q1) sowie im zweiten (Q2) Quartal zeigten jeweils 15 Prozent (n = 13) der Patienten selbstverletzendes Verhalten. Auch im letzten Viertel (Q4) kam es bei annähernd gleicher Patientenzahl (16 Prozent, n = 14) zu sich selbst verletzenden Handlungen. Lediglich im vorletzten Quartal Q3 war eine verhältnismäßig höhere Patientenzahl (21 Prozent, n = 18) selbstverletzend. Des Weiteren wird in der Abbildung 14 die zeitliche Verteilung der Anzahl an selbstverletzenden Indexaufenthaltes Handlungen wird die ersichtlich. Summe der Für jedes Ereignisse für Quartal das des gesamte Patientenkollektiv aufgetragen. Auch hier kommt es zu einer annähernd gleichen Verteilung der Häufigkeiten über alle vier Quartale. Im ersten Viertel (Q1) des Aufenthalts waren mit 31 die meisten Verletzungen zu verzeichnen, hingegen war die Summe im zweiten Quartal (Q2), mit 24 selbstverletzenden Handlungen, am geringsten. Die letzten beiden Quartale Q3 und Q4 lagen dazwischen mit jeweils 29 und 27 selbstverletzenden Handlungen. Anzahl der Patienten bzw. des SVV Ergebnisse 51 35 31 29 30 27 24 25 n = 18 (21 %) 20 15 n = 13 (15 %) n = 13 (15 %) SVV Ges. Q1 SVV Ges. Q2 n = 14 (16 %) 10 5 0 Anzahl der Patienten mit SVV SVV Ges. Q3 SVV Ges. Q4 Anzahl der selbstverletzenden Handlungen Abb. 14: Selbstverletzendes Verhalten in zeitlichem Bezug während des Indexaufenthaltes. Darstellung sowohl der Patientenzahl mit selbstverletzendem Verhalten als auch der Summe aller selbstverletzenden Handlungen im jeweiligen Aufenthaltsquartal (Q1 bis Q4). Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (n: Anzahl der Patienten, SVV: selbstverletzendes Verhalten) Bei dieser Darstellung ist allerdings auch die Problematik von möglichen Untergruppen zu berücksichtigen. Bei den Patienten könnten diese selbstverletzenden Handlungen zeitlich inhomogen auftreten. Beispielsweise könnte es eine Gruppe geben, die diese Handlungen tendenziell zu Beginn des Aufenthalts zeigt. Dieser würde dann eine Gruppe gegenüberstehen, die dahingehend eher gegen Ende des stationären Aufenthaltes auffällig wird. Würde aus diesen Untergruppen fälschlicherweise eine gemeinsame Gruppe gebildet werden, so würde dies ebenfalls zu dem obigen, annähernd homogen verteilten Diagramm führen. Vor diesem Hintergrund wurde eine weitere Analyse der Patienten mit selbstverletzendem Verhalten auf die Bildung von Untergruppen durchgeführt. Hier wurde bei jedem Patienten der Tag berücksichtigt, an dem das selbstverletzende Verhalten während des Aufenthaltes das erste Mal aufgetreten war. In Abbildung 15 ist auf der Abszissenachse die Gesamtzahl der Aufenthaltstage aufgetragen. Der erste Tag des selbstverletzenden Verhaltens wurde auf der Ordinatenachse dargestellt. In dieser Grafik erkennt man eine zufällige Verteilung der Punkte. Insbesondere ist keine Clusterbildung erkennbar, was für eine Gruppenbildung sprechen würde. Ergebnisse 52 Tag der 1. Selbstverletzung während Aufenthalt 120 100 80 60 40 20 0 -20 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 Aufenthaltsdauer in Tagen Abb. 15: Darstellung des Auftretens der ersten selbstverletzenden Handlung im zeitlichen Verlauf des stationären Aufenthaltes. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. 3.3 Suizidales Verhalten während des Indexaufenthaltes Während der stationären Aufenthalte kam es bei den n = 87 Patienten zu insgesamt 35 suizidalen Handlungen. Ein konkreter Suizidversuch wurde von sieben Patienten unternommen. In der Summe konnte bei 16 Patienten eine Suizidankündigung eruiert werden, dies geschah bei neun Patienten durch eine direkte und bei sieben in Form einer indirekten Suizidankündigung. Ein Hochrisikobzw. suizidales Verhalten wurde zwölf Mal erhoben. Dargestellt wird dies in der Abbildung 16. Ergebnisse 53 Anzahl der Personen mit suizidalen Hanlungen 14 n = 12 12 10 8 n=9 n=7 n=7 6 4 2 0 Suizidversuche direkte Suizidankündigung indirekte Suizidankündigung Hochrisiko-/suizidales Verhalten Abb. 16: Häufigkeit des suizidalen Verhaltens während des stationären Aufenthaltes. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (n: Anzahl der Patienten) Aufgrund der geringen Anzahl an suizidalen Verhaltensweisen wurde auf eine quantitative Analyse verzichtet und die Vorfälle qualitativ ausgewertet. Im Folgenden sollen die wesentlichen suizidalen Ereignisse kurz vorgestellt werden. Hierbei soll insbesondere aufgezeigt werden, in welcher Weise eine indirekte oder direkte Suizidankündigung stattgefunden hatte, wie Hochrisikoverhalten beziehungsweise suizidales Verhalten praktiziert und Suizidversuche ausgeübt wurden. Zusammenfassung der Patienten mit Suizidversuchen Unter dem Kollektiv von 87 Patienten kam es während der zwei Jahre bei insgesamt sieben zu Suizidversuchen. Hierunter war ein männlicher Patient, der sich während eines Ausgangs von Station zuhause erhängen wollte. Der Konsum großer Mengen an Alkohol und eine körperliche Auseinandersetzung gingen dem voraus. Das verwendete Kabel hielt allerdings seinem Körpergewicht nicht stand und war gerissen. Nach diesem missglückten Versuch hatte er sich multiple Schnittverletzungen zugefügt. Die anderen sechs Patienten, bei denen ein Ergebnisse 54 Suizidversuch vorgekommen war, waren allesamt weiblich. Eine Patientin wollte sich vor den Zug werfen und ihrem Leben so ein Ende setzen. Auf gleiche Weise wollte sich auch eine weitere Patientin suizidieren. Sie wurde von der Polizei auf die Station zurückgebracht, nachdem sie sich auf die Schienen gelegt hatte. Bei dieser Patientin kam es während desselben Aufenthaltes noch zu einem weiteren Suizidversuch. Zu Beginn hatte sie in suizidaler Absicht 60 Tabletten Zopiclon eingenommen und musste daher kurzzeitig in ein Akutkrankenhaus überwiesen werden. Bei den restlichen Suizidversuchen handelte es sich ebenfalls um Medikamentenintoxikationen. Dies bedeutete bei einer Patientin die Einnahme von 10 Tabletten Dimenhydrinat (Vomacur®). Eine weitere Patientin sammelte über einen längeren Zeitraum Medikamente. In suizidaler Absicht löste sie dann zehn Tabletten Aspirin in einem Becher auf und trank diesen zusammen mit dem gesammelten Chlorprothixen (Truxal®). Eine weitere Patientin nahm in suizidaler Absicht zehn Tabletten à 200 mg Quetiapin (Seroquel®) und fügte sich in diesem Zusammenhang mit einer Rasierklinge Verletzungen am Unterarm zu. Bei einer anderen Patientin konnte der Wirkstoff nicht erfasst werden, da in der Patientenakte nur von "einer Tabletteneinnahme in suizidaler Absicht" die Rede war. All diesen Patienten war gemeinsam, dass dem jeweiligen Aufenthalt schon einige stationäre vorausgingen - Aufenthalte die im Spannbreite Zusammenhang bewegte sich mit ihrer zwischen Erkrankung drei und 17 Voraufenthalten (4, 4, 3, 9, 5, 17, 3). Die Aufenthaltsdauer war auch relativ lange und bewegte sich im zeitlichen Rahmen zwischen 90 und 139 Tagen (127, 139, 90, 129, 112, 32, 100). Nur ein Aufenthalt war mit einer Dauer von 32 Tagen kürzer, was jedoch damit zusammenhing, dass der Patient in ein Akutkrankenhaus verlegt wurde. Bei jedem dieser sieben Patienten war auch ein selbstverletzendes Verhalten während des Aufenthaltes aufgetreten, welches oft in direktem Zusammenhang mit dem suizidalen Ereignis stand. Bis auf einen Patienten war bei allen in der Vorgeschichte mindestens ein Suizidversuch in Erfahrung zu bringen, von der Methode ähnelte dieser sehr dem Versuch, der während des Aufenthaltes praktiziert wurde. Bei fünf dieser Patienten war ein regelmäßig praktizierter Substanzmissbrauch zu finden. Dieser hatte oft auch in den Tagen vor Aufnahme stattgefunden. Hier standen vor allem ein Alkohol- und Medikamentenabusus, sowie der Konsum von Tetrahydrocannabinol und anderen Drogen im Vordergrund. Ergebnisse 55 Zusammenfassung der Patienten mit direkter Suizidankündigung Für die Jahre 2008 und 2009 konnte im Rahmen der retrospektiven Datenerhebung bei insgesamt 16 Patienten eine Suizidankündigung eruiert werden. Bei neun Patienten wurden diese Vorhaben in Form einer direkten, also klar geäußerten Weise offenbart. Diese Patienten waren ausschließlich weiblich und bei fünf folgte dann auch ein Suizidversuch während des Aufenthaltes. Bei den meisten dieser neun Patientinnen waren in der Anamnese neben selbstverletzendem Verhalten und mehrfachem Substanzmissbrauch auch zahlreiche Suizidversuche vor dem stationären Aufenthalt in Erfahrung zu bringen. Als direkte Suizidankündigung wurden beispielsweise die konkreten Pläne einer 50-jährigen Patientin gewertet. Sie habe genaue Vorstellungen, wie sie vermeiden könne einen bestimmten Tag, ihren Geburtstag, noch zu erleben. Sie wolle mit dem Zug irgendwohin fahren und sich dann das Leben nehmen. Speziell an diesem Tag fühle sie sich als Versagerin. Des Weiteren sei sie auch im Begriff eine Tasse zu zerschlagen und sich dann mit den Scherben die Halsschlagadern aufzuschneiden. Eine andere Patientin erzählte den Therapeuten, dass ihr momentan "alles egal" sei und sie "keine Perspektive" mehr habe. Heute Vormittag wollte sie in einen vorbeifahrenden LKW laufen, sei aber durch Mitpatienten zurückgehalten worden. Auch sei sie bereits auf einer Brücke gestanden, in der Absicht von dieser zu springen. Eine weitere Patientin offenbarte ebenfalls ihre Suizidideen. Sie habe klare Vorstellungen von der Durchführung. So wolle sie mit dem PKW zu einem Kletterturm fahren und dort mit einem Strick um den Hals herunterspringen. Zusätzlich wolle sie sich einen Nikotintee machen. Eine weitere Patientin berichtete nach ihrem Wochenendurlaub von massiven nächtlichen Angstzuständen in ihrer Wohnung. Daraufhin habe sie sich verbarrikadiert. In den Morgenstunden hätte sie den Entschluss gefasst, sich zu suizidieren. Dazu habe sie alle Medikamente und Rasierklingen zusammengesucht und ausgebreitet. Eine andere Patientin verschickte über Tage hinweg Abschiedsbriefe, in denen sie ihren Suizid ankündigte. Ergebnisse 56 Zusammenfassung der Patienten mit indirekter Suizidankündigung Neben den direkten Suizidankündigungen ergab sich auch bei sieben Patienten eine Suizidankündigung in indirekter Weise. Hierzu zählte zum Beispiel die Äußerung einer Patientin, die dem Therapeuten auf dem Bett sitzend mitteilte, dass es ihr am liebsten wäre einfach einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen. Etwa zwei Wochen später beging sie einen Suizidversuch. Eine andere Patientin äußerte gegenüber den Therapeuten, dass sie das Gefühl habe, sich von vielen Dingen verabschieden zu müssen. Des Weiteren habe sie den Wunsch zum Bahnhof zu gehen. Dies wurde ebenfalls als indirekte Suizidankündigung gewertet. Auch bei dieser Patientin kam es zu einem Suizidversuch während des stationären Aufenthaltes. Eine weitere Patientin kam zurück auf Station und hatte sich während ihres Ausgangs mit einer Rasierklinge viele Schnitte am Unterarm zugefügt. Auf Nachfrage antwortete sie, jetzt nicht mehr im Besitz der Klinge zu sein. Sie sei an den Bahngleisen spazieren gegangen. Der Grund hierfür sei, dass sie das Gefühl habe, man wolle sie los werden. Auch diese Patientin unternahm einen Suizidversuch. Als weitere indirekte Suizidankündigung wurde das Verhalten einer Patientin gewertet, die zusammengekauert im Bett lag. Auf Nachfrage erwiderte diese, sie habe eine Rasierklinge im Bett und wolle sich mit dieser die Pulsadern aufschneiden. Des Weiteren suchte eine andere Patientin nachts in Straßenkleidung das Stationszimmer auf und klopfte an die Tür. Sie überreichte der Pflegekraft ein Seidentuch mit den Worten: "Macht euch um mich keine Sorgen mehr". Auch dies wurde als indirekte Suizidankündigung gewertet, weil es bei dieser Patientin wegen eines missglückten Suizidversuchs Strangulation mittels eines dünnen Stricks - zur stationären Aufnahme kam. Ein männlicher Patient, bei dem eine indirekte Suizidankündigung in Erfahrung zu bringen war, kam von der Ergotherapie zurück auf Station. Von den Therapeuten wird er als emotional sehr erregt beschrieben - hochrotes Gesicht, weinend, angespannt und mit geballten Fäusten. Er sagt, dass er in der Ergotherapie ein spitzes Messer gesehen und sofort Suizidgedanken gehabt habe. Während er dies erzählt, weint er und klopft mit der Faust gegen seinen Kopf. Außerdem sagt er, dass er mit dem Gedanken spiele alles abzubrechen und abzuhauen. Auch habe er sich heute Morgen nicht rasiert, weil er nicht versprechen könne, sich nicht zu verletzen. Ergebnisse 57 Zusammenfassung der Patienten mit Hochrisikoverhalten/suizidalem Verhalten Exemplarisch soll hier das risikoreiche Fahrverhalten einer weiblichen Patientin genannt werden. Bei ihr kam es während des Ausgangs zu riskantem Fahrverhalten, wie zum Beispiel dem Überqueren von roten Verkehrsampeln und dem unangeschnallten Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit. Solch rücksichtsloses Fahrverhalten war auch bei mehreren anderen Patienten zu finden. Ebenfalls als Hochrisikoverhalten wurde bei einem anderen Patienten das 'Spazierengehen auf der Bundesstraße' gewertet. Als suizidales Verhalten wurde bei einer weiteren Patientin gewertet, dass sie sich im Bereich beider Handgelenke Schnittverletzungen zufügte. Auch bei ihr waren in der Vorgeschichte mehrere Suizidversuche in Erfahrung zu bringen. Eine andere Patientin weihte zwei Mitpatientinnen in ihre suizidalen Pläne und Gedanken ein. Gegenüber den Therapeuten räumte sie dann ein, dass sie für die kommende Woche ihren Suizid geplant habe. Als Mittel zum Zweck sammelte sie Bastelschnüre. Auch dies wurde als suizidales Verhalten gewertet, genauso wie das Verhalten bei folgender Patientin. Diese klagte über massive Suizidgedanken in den letzten Tagen. Sie meinte, dass ihr nur noch ein Strick helfen könne. Auf Nachfrage räumte sie ein, bereits ein Telefonkabel an sich genommen zu haben. In der Anamnese wird von diversen Suizidversuchen berichtet, wie zum Beispiel die Strangulation durch ein Kleidungsstück. 3.4 Situation der Patienten vor Aufnahme Durch Lesen der Arztbriefe und Auswertung der elektronischen Patientenakte Medicare konnten mehrere Aussagen zu den einzelnen Patienten vor dem jeweiligen stationären Aufenthalt getroffen werden. Die Dokumentation wurde unterteilt einerseits in die letzten drei Tage (72 Stunden) vor Aufnahme und andererseits in den Zeitraum bis drei Tage vor Aufnahme, was somit der gesamten Lebenszeit gleichgesetzt werden kann. Ausgewertet wurden die drei Rubriken selbstverletzendes Verhalten, Suizidversuch und Substanzmissbrauch. Ergebnisse 58 3.4.1 Selbstverletzendes Verhalten Wie in der Abbildung 17 ersichtlich, zeigte sich in den drei Tagen vor der jeweiligen stationären Aufnahme bei 70 Prozent (n = 61) der Patienten kein selbstverletzendes Verhalten. Bei 20 Prozent (n = 17) kam es in diesen 72 Stunden einmalig und bei 10 Prozent (n = 9) mehrfach zu gegen sich selbst gerichteten, verletzenden Handlungen. In der Zeit davor, also der gesamten Lebenszeit, waren bei 14 Prozent (n = 12) der Patienten keine selbstverletzenden Handlungen zu eruieren. Einmalig kamen diese bei 2 Prozent (n = 2) und mehrfach bei 84 Prozent (n = 73) der Patienten vor. 90 n = 73 (84 %) Anzahl der Patienten 80 70 n = 61 (70 %) 60 50 40 30 20 n = 12 (14 %) n = 17 (20 %) n=2 (2 %) 10 n=9 (10 %) 0 KEIN SVV EINMALIG SVV 3 Tage vor Aufnahme MEHRFACH SVV Lebenszeit Abb. 17: Selbstverletzendes Verhalten in der Zeit vor dem jeweiligen stationären Aufenthalt. Zeitlich unterteilt in drei Tage vor Aufnahme und der Zeit davor, also der Lebenszeit. Jeweils unterteilt in kein, einmaliges und mehrfaches selbstverletzendes Verhalten. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (n: Anzahl der Patienten, SVV: selbstverletzendes Verhalten) Ergebnisse 59 3.4.2 Suizidversuch Wie in der Abbildung 18 dargestellt, zeigten in den drei Tagen vor dem Indexaufenthalt insgesamt 9 Prozent (n = 8) der Patienten ein suizidales Verhalten in Form eines Suizidversuches. Davon begingen 7 Prozent (n = 6) einen Suizidversuch und bei 2 Prozent (n = 2) kam es sogar zu mehreren Versuchen. Bei den restlichen 91 Prozent (n = 79) der Patienten kam es in den letzten 72 Stunden vor Aufnahme zu keinem Suizidversuch. Anders verhielt es sich in der Lebenszeit, also der Zeitspanne bis drei Tage vor Aufnahme. Hier war bei 40 Prozent (n = 35) der Patienten kein Suizidversuch in Erfahrung zu bringen. Jedoch begingen 16 Prozent (n = 14) der Patienten einmalig und 44 Prozent (n = 38) sogar mehrfach einen Suizidversuch. 90 Anzahl der Patienten 80 n = 79 91 % 70 60 50 40 n = 38 44 % n = 35 40 % 30 20 n=6 7% 10 n = 14 16 % n=2 2% 0 KEIN SV EINMALIG SV 3 Tage vor Aufnahme MEHRFACH SV Lebenszeit Abb. 18 Suizidversuche in der Zeit vor dem jeweiligen stationären Aufenthalt. Zeitlich unterteilt in drei Tage vor Aufnahme und der Zeit davor, also der Lebenszeit. Jeweils unterteilt in keine, einmalige und mehrfache Suizidversuche. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (n: Anzahl der Patienten, SV: Suizidversuche) Ergebnisse 60 3.4.3 Substanzmissbrauch In dieser Sparte wurde ein möglicher Substanzmissbrauch vor dem jeweiligen Indexaufenthalt erfasst. Gewertet wurde der Konsum von Substanzen mit potentiell körperlich oder psychisch abhängig machender Wirkung, die illegal sind oder die Gesundheit negativ beeinträchtigen. Dies waren beispielsweise Konsum und Missbrauch von Alkohol, Drogen oder Medikamenten. Wie in Abbildung 19 dargestellt, zeigten von den insgesamt 87 Patienten in den drei Tagen vor stationärer Aufnahme 36 Prozent (n = 31) einen Substanzabusus. Dieser war bei 14 Prozent (n = 12) der Patienten einmalig und bei 22 Prozent (n = 19) sogar mehrfach vorgekommen. Bei 64 Prozent (n = 56) fand sich in den Tagen vor Aufnahme keine Einnahme von psychotropen Substanzen. Für die Lebenszeit konnte bei 44 Prozent (n = 38) kein Substanzmissbrauch eruiert werden. Bei gerade 2 Prozent (n = 2) fand sich ein einmaliger, bei mehr als der Hälfte der Patienten (54 Prozent, n = 47) dagegen ein mehrfacher Abusus. 90 Anzahl der Patienten 80 70 60 50 40 n = 56 64 % n = 47 54 % n = 38 44 % 30 n = 12 14 % 20 10 n = 19 22% n=2 2% 0 KEIN SUB EINMALIG SUB 3 Tage vor Aufnahme MEHRFACH SUB Lebenszeit Abb. 19: Substanzmissbrauch in der Zeit vor dem jeweiligen stationären Aufenthalt. Zeitlich unterteilt in drei Tage vor Aufnahme und der Zeit davor, also der Lebenszeit. Jeweils unterteilt in keinen, einmaligen und mehrfachen Substanzmissbrauch. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (n: Anzahl der Patienten, SUB: Substanzmissbrauch) Ergebnisse 61 3.5 Zusammenhang zwischen selbstverletzendem und suizidalem Verhalten In der Hypothese 1a wurde postuliert, dass es einen Zusammenhang zwischen selbstverletzendem Verhalten einerseits und suizidalem Verhalten andererseits gibt. Hierzu wurde eine Rangkorrelation nach Spearman durchgeführt. In dem gesamten Patientenkollektiv zeigte sich hierbei ein positiver Korrelationskoeffizient von r = 0,413 bei einem Signifikanzniveau von p < 0.01 zwischen selbstverletzendem und suizidalem Verhalten. Dies wird in Abbildung 20 in Form der Regressionsgeraden zum Ausdruck gebracht. Abb. 20: Regressionsgerade von Anzahl suizidales Verhalten vs. selbstverletzendes Verhalten während des stationären Aufenthaltes. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Ergebnisse 62 Zur weiteren Bestätigung der Alternativhypothese wurde ein Mann-Whitney U-Test (M-W-U-Test) gerechnet. Hierzu wurden die Patienten in Gruppen eingeteilt. Diese setzten sich zusammen aus einerseits selbstverletzendes Verhalten während des Aufenthaltes aufgetreten (ja/nein) und andererseits suizidales Verhalten aufgetreten (ja/nein). Wie auch in der Abbildung 21 zu erkennen ist, zeigte im Durchschnitt die Patientengruppe mit selbstverletzendem Verhalten (n = 33) auch deutlich häufiger ein suizidales Verhalten als die Patientengruppe ohne selbstverletzendes Verhalten (n = 54). Dieser Unterschied ist mit einem p = 0.003 hochsignifikant (M-W-U-Test: U = 548,00; Z = 3,00). Durchschnitttliche Anzahl an suizidalen Handlungen 3,5 3 2,5 2 1,5 1 1,06 0,5 0,15 0 Selbstverletzendes Verhalten nicht aufgetreten Selbstverletzendes Verhalten aufgetreten Abb. 21: Mittelwerte der Anzahl des suizidalen Verhaltens nach Gruppeneinteilung der Patienten in selbstverletzendes Verhalten nein (n = 54) vs. ja (n = 33). Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Auf der anderen Seite war in der Patientengruppe mit suizidalem Verhalten (n = 22) auch hochsignifikant häufiger (p = 0.002) eine selbstverletzende Handlung zu verzeichnen als in der Gruppe ohne suizidales Verhalten (n = 65) (M-W-U-Test: U = 390,00; Z = 3,17). Dies wird in Abbildung 22 graphisch dargestellt. Ergebnisse 63 Durchschnittliche Anzahl an selbstverletzenden Handlungen 3,5 3 2,5 2 1,5 2,36 1 0,5 0,91 0 Suizidales Verhalten nicht aufgetreten Suizidales Verhalten aufgetreten Abb. 22: Mittelwerte der Anzahl des selbstverletzenden Verhaltens nach Gruppeneinteilung der Patienten in suizidales Verhalten nein (n = 65) vs. ja (n = 22). Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. In Hypothese 1b wird ein Zusammenhang zwischen den Suizidstufen einerseits und dem selbstschädigenden Verhalten andererseits postuliert. Hierzu wurde eine Spearman Rangkorrelation gerechnet, wobei die maximal erreichte Suizidstufe des jeweiligen Aufenthalts als eine Variable zur Anwendung kam. Dieser wurden als zweite Variable die zwei unterschiedlichen Ausprägungen des selbstschädigenden Verhaltes gegenübergestellt. Hierbei fand sich für das selbstverletzende Verhalten ein positiver Korrelationskoeffizient von 0,42 sowie für das suizidale Verhalten ein Koeffizient von 0,58. Dieser Zusammenhang zwischen den Suizidstufen und den beiden Ausprägungen des selbstschädigenden Verhaltens ist mit p < 0.01 hochsignifikant. Im weiteren Vorgehen wurde als neue Variable das selbstschädigende Verhalten als Summe aus suizidalem und selbstverletzendem Verhalten gebildet. Mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,54 ergab sich auch hier ein positiver Zusammenhang mit den Suizidstufen. Das Signifikanzniveau lag bei p < 0.01. Ergebnisse 64 3.6 Selbstschädigendes Verhalten und Therapieerfolg In Hypothese 2 wird ein Unterschied zwischen den Gruppen einerseits und dem Therapieerfolg andererseits postuliert. Der Therapieerfolg wurde dabei anhand der Selbstbeurteilungsskalen BDI und SCL-90-R, als auch dem Fremdbeurteilungsbogen CGI erfasst. Zur Auswertung kam jeweils die Differenz aus Entlass- und Aufnahmewert. Diese repräsentiert den Therapieerfolg genauso wie eine mögliche Zustandsverschlechterung. Anhand eines t-Tests wurde diese Differenz diversen Patientengruppen gegenübergestellt. Aus der gesamten Patientenklientel (n = 87) wurden verschiedene Gruppen gebildet. Hierbei bildete die Gruppe der Patienten mit beziehungsweise ohne selbstverletzendem Verhalten je eine Einheit. Eine weitere Gruppe wurde durch das Kriterium suizidales Verhalten aufgetreten ja/nein repräsentiert. Die dritte Gruppe bildeten die Patienten, bei denen irgendein selbstschädigendes Verhalten während des Aufenthalts stattgefunden, Selbstschädigendes beziehungsweise Verhalten schließt nicht stattgefunden selbstverletzendes und hatte. suizidales Verhalten ein. Wie im Methodenteil bereits erwähnt, ist zur Durchführung eines t-Tests eine Normalverteilung Grundvoraussetzung. Bei einem Test auf Normalverteilung gab es innerhalb der Gruppen keine signifikanten Unterschiede. Sie gelten daher als normalverteilt und ein parametrisches Rechnen ist legitim. In der Tabelle 10 sind die Ergebnisse des t-Tests für den Therapieerfolg, gemessen durch BDI, dargestellt. Von dem Gesamtkollektiv der Patienten (n = 87) kamen n = 49 zur Auswertung. Dies war dadurch begründet, dass nicht zu jedem Patienten ein BDI-Wert für Aufnahme und Entlassung vorgelegen hatte. Für die Gruppe der Patienten mit selbstverletzendem Verhalten während des Aufenthaltes (n = 20) ergab sich für den BDI-Wert im Mittel eine Verbesserung von 8,30 Punkten (SD ± 9,31). Eine Differenz von 12,20 Punkten (SD ± 10,99) für die Patientengruppe ohne selbstverletzendes Verhalten (n = 29) stand diesem gegenüber. In der Gruppe der Patienten mit suizidalem Verhalten (n = 15) konnte ein Mittelwert von 11,57 Punkten (SD ± 11,04) der Patientengruppe ohne suizidalem Verhalten (n = 34) mit einem Mittelwert von 10,18 Punkten (SD ± 10,28 Punkte) gegenübergestellt werden. Die dritte Gruppe der Patienten, bestehend Ergebnisse 65 aus selbstverletzendem und suizidalem Verhalten (n = 26), verbesserte sich im Mittel um 9,55 Punkte (SD ± 10,63), wohingegen die Patientengruppe ohne jegliches selbstverletzendes, suizidales Verhalten (n = 23) von der Therapie im Mittel um 11,80 Punkte (SD ± 10,28) profitierte. Tab. 10: T-Test für zwei unverbundene Stichproben. Der Therapieerfolg wurde durch die Differenz des BDI-Wertes aus Aufnahme- und Entlasswert gebildet. Dieser wurde bei den Gruppierungen selbstverletzendes Verhalten, suizidales Verhalten und selbstschädigendes Verhalten untersucht. Zur Gegenüberstellung kam jeweils Handlung war aufgetreten vs. Handlung war nicht aufgetreten. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Zur Auswertung kamen n = 49 Patienten. Handlung war aufgetreten Handlung war nicht aufgetreten t-Wert p BDI Veränderung für Gruppe: SVV n = 20 MW = 8,30 SD = 9,31 n = 29 MW = 12,20 SD = 10,99 -1,30 0.20 BDI Veränderung für Gruppe: SV n = 15 MW = 11,57 SD = 11,04 n = 34 MW = 10,18 SD = 10,28 0,43 0.67 BDI Veränderung für Gruppe: SVV + SV n = 26 MW = 9,55 SD = 10,63 n = 23 MW = 11,80 SD = 10,28 -0,75 0.46 (BDI: Beck Depressions Inventar, MW: Mittelwert, n: Patientenzahl, p: Signifikanzniveau, SD: Standardabweichung, SV: suizidales Verhalten, SVV: selbstverletzendes Verhalten, SVV + SV: selbstschädigendes Verhalten) Diese Werte sind mit einem Signifikanzniveau von p = 0.20 für selbstverletzendes Verhalten, p = 0.67 für suizidales Verhalten und p = 0.46 für die Gruppe bestehend aus selbstverletzendem und suizidalem Verhalten allesamt nicht signifikant. Der Grund hierfür soll durch die folgende Abbildung 23 und der dazugehörigen Varianzanalyse mit Messwiederholung aufgezeigt werden. Hierbei sind exemplarisch die Messwerte der Gruppe suizidales und selbstverletzendes Verhalten dargestellt - zum einen bei Aufnahme und zum anderen bei Entlassung. Die Differenz der beiden abhängigen Größen ist wieder dem Therapieerfolg gleichzusetzen. Die gestrichelte Gerade zwischen den beiden Messpunkten bildet die Patientengruppe ab, bei der ein selbstverletzendes oder suizidales Verhalten Ergebnisse 66 aufgetreten war. Die Patientengruppe ohne solche Handlungen wird anhand der durchgezogenen Linie zwischen den beiden Punkten repräsentiert. Beide Gruppen hatten bei Entlassung - im Vergleich zum Ausgangswert - einen niedrigeren BDIWert, profitierten somit von der Therapie. Allerdings startete die Gruppe mit selbstverletzendem und suizidalem Verhalten schon von einem höheren Ausgangsniveau. Auch der BDI-Wert am Ende des Aufenthalts war höher. Unschwer zu erkennen ist ein annähernd paralleler Verlauf der beiden Geraden und damit kein signifikanter Interaktionseffekt (ANOVA mit Messwiederholung F(1,47) = 0,56, p = 0.46). 45 40 BDI-Summenwert 35 30 25 20 15 10 Gruppe ohne Selbstschädigung Gruppe mit Selbstschädigung 5 Aufnahme Entlassung Abb. 23: Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederholung, F(1,47) = 0,56, p = 0.46. Für die Patientengruppe mit selbstschädigendem Verhalten (gestrichelt Linie) sowie ohne (durchgezogene Linie). Gemessen wurde der BDI-Wert bei Aufnahme und bei Entlassung. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (BDI: Beck Depressions Inventar, p: Signifikanzniveau) Ergebnisse 67 Analog zum BDI wurde auch mit dem SCL-90-R verfahren. Hierbei wurden die gleichen drei Patientengruppierungen im Rahmen eines t-Testes dem SCL-90-R T-Wert (GSI) gegenübergestellt. Der Therapieerfolg ergab sich wieder aus der Differenz der zwei Werte zu Beginn und Ende des stationären Aufenthalts. Da auch der SCL-90-R T-Wert nicht beim gesamten Patientenkollektiv (n = 87 Patienten) vorgelegen hatte, kamen n = 49 Patienten zur Auswertung. Wie der Tabelle 11 zu entnehmen ist, ergab sich für die Patientengruppe mit reinem selbstverletzenden Verhalten (n = 20) im Durchschnitt ein Punktewert von 5,95 (SD ± 9,33) sowie ohne solche Handlungen (n = 29) ein Mittelwert von 9,14 (SD ± 8,80). In der Gruppe der Patienten mit suizidalem Verhalten (n = 15) zeigte sich ein Durchschnitt von 7,07 (SD ± 10,85). Diesem stand ein Mittelwert von 8,18 (SD ± 8,32) bei der Patientengruppe ohne suizidales Verhalten (n = 34) gegenüber. In der Summe der beiden Verhaltensweisen zeigten die Patienten (n = 26) einen Mittelwert von 5,54 (SD ± 10,06), dieser stand dem Mittelwert von 10,43 (SD ± 7,13) bei der Patientengruppe ohne jegliches selbstschädigendes Verhalten (n = 23) gegenüber. selbstverletzendes oder Ergebnisse 68 Tab. 11: T-Test für zwei unverbundene Stichproben. Der Therapieerfolg wurde durch die Differenz des SCL-90-R T-Wertes (GSI) aus Aufnahme- und Entlasswert gebildet. Dieser wurde bei den Gruppierungen selbstverletzendes Verhalten, suizidales Verhalten und selbstschädigendes Verhalten untersucht. Zur Gegenüberstellung kam jeweils Handlung war aufgetreten vs. Handlung war nicht aufgetreten. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Zur Auswertung kamen n = 49 Patienten. Handlung war aufgetreten Handlung war nicht aufgetreten t-Wert p SCL-90-R T-Wert/GSI Veränderung für Gruppe: SVV n = 20 MW = 5,95 SD = 9,33 n = 29 MW = 9,14 SD = 8,80 -1,22 0.23 SCL-90-R T-Wert/GSI Veränderung für Gruppe: SV n = 15 MW = 7,07 SD = 10,85 n = 34 MW = 8,18 SD = 8,32 -0,39 0.70 SCL-90-R T-Wert/GSI Veränderung für Gruppe: SVV + SV n = 26 MW = 5,54 SD = 10,06 n = 23 MW = 10,43 SD = 7,13 -1,94 0.06 (SCL-90-R T-Wert/GSI: Symptom-Checkliste / Global Severity Index, MW: Mittelwert, n: Patientenzahl, p: Signifikanzniveau, SD: Standardabweichung, SV: suizidales Verhalten, SVV: selbstverletzendes Verhalten, SVV + SV: selbstschädigendes Verhalten) Auch bei diesen t-Tests sind die Ergebnisse mit einem p-Wert von p = 0.23 für selbstverletzendes und p = 0.70 für suizidales Verhalten beide Ergebnisse nicht signifikant. Ebenso nicht signifikant ist das Resultat der Gruppe bestehend aus beiden Verhaltensweisen, allerdings war hier mit einem p = 0.06 ein Trend zu erkennen. Wie bei der t-Test Rechnung mit dem BDI als Zielvariable, wurde auch hier zusätzlich eine Varianzanalyse mit Messwiederholung durchgeführt. Erfasst wurde der psychische Zustand dieses Mal durch den SCL-90-R T-Wert, welcher ebenfalls ein Eigenbeurteilungstest ist. Dieser wurde erneut bei Aufnahme sowie bei Entlassung erhoben. In Abbildung 24 wird die Patientengruppe mit selbstverletzendem, suizidalem Verhalten als gestrichelte Linie zwischen den beiden Messwerten dargestellt. Diese Gruppe ist bei Aufnahme durchschnittlich mehr betroffen, startet somit von einem höheren Ausgangswert, als die Patientengruppe ohne diese Verhaltensweisen (durchgezogen Linie). Zu erkennen ist in beiden Gruppen ein im Vergleich zum Ausgangswert deutlich niedrigerer Ergebnisse 69 Messwert bei Entlassung. Allerdings kommt es in der Gruppe der Patienten ohne jegliche selbstschädigende Handlung zu einer etwas steileren Geraden, also einem größeren Profit durch die Therapie. Dies spiegelt sich auch in den Mittelwerten beim t-Test wider. So verbessert sich die Gruppe der Patienten mit selbstverletzendem, suizidalem Verhalten im Durchschnitt um 5,54 Punkte, wohingegen sich die Patientengruppe ohne diese Verhaltensweise im Mittel um 10,43 Punkte bessert. Es ist auch hier erwartungsgemäß ein Interaktionstrend zu erkennen, mit dem sich die Patientengruppe mit selbstschädigendem Verhalten (gestrichelte Linie) von der ohne (durchgezogene Linie) insofern unterscheidet, dass Patienten mit selbstschädigendem Verhalten eher etwas weniger Therapieerfolg aufweisen (ANOVA mit Messwiederholung F(1,47) = 3,77, p = 0.06). Ergebnisse 70 80 75 SCL-90-R T-Wert 70 65 60 55 Gruppe ohne Selbstschädigung Gruppe mit Selbstschädigung 50 Aufnahme Entlassung Abb. 24: Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederholung, F(1,47) = 3,77, p = 0.06. Gemessen wurde der SCL-90-R T-Wert (GSI) bei Aufnahme und bei Entlassung. Mit einem Signifikanzniveau von p = 0.058 ist ein Trend zu erkennen, mit dem sich die Patientengruppen mit selbstschädigendem Verhalten (gestrichelt Linie) von denen ohne (durchgezogene Linie) unterscheidet. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. (SCL-90-R T-Wert/GSI: Symptom-Checkliste / Global Severity Index, p: Signifikanzniveau) Der CGI-Wert wird durch den Therapeuten erhoben. Er stellt somit einen Fremdbeurteilungstest dar. Dieser existiert in zwei unterschiedlichen Versionen. Erhoben wird sowohl der Zustand des Patienten bei Aufnahme (durch den CGIAufnahme) als auch die Zustandsänderung bei Entlassung (anhand des CGIEntlassung). Die Messwerte erreichen hierbei die Stufe einer Ordinalskalierung. Von den Patienten (n = 87) kamen n = 81 zur Auswertung. Bei der Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen selbstschädigendem Verhalten und Therapieerfolg wurden anhand eines Mann-Whitney U-Tests Rangsummen gebildet und verglichen. Dabei wurde analog zu den beiden vorherigen t-Tests Ergebnisse 71 verfahren und die gleichen Gruppen gebildet. Zum einen war dies die Gruppierung selbstverletzendes Verhalten aufgetreten (ja/nein), als auch suizidales Verhalten aufgetreten (ja/nein). Des Weiteren wurde auch hier die Summe dieser beiden Verhaltensweisen, also das selbstschädigende Verhalten als dritte Gruppe benannt. In Form eines Mann-Whitney U-Tests wurden die Rangsummen der Gruppen dem Therapieerfolg gegenübergestellt. Hier kam es zu keinem signifikanten Unterschied. Wie in Tabelle 12 ersichtlich, zeigte sich in der Gruppe der Patienten mit selbstverletzendem Verhalten (n = 29) kein signifikanter Unterschied (p = 0.70) gegenüber der Patientengruppe ohne diese Handlungen (n = 52) (M-W-U-Test: U = 714,50; Z = 0,39). Auch die Gruppe der Patienten mit suizidalem Verhalten (n = 19) unterschied sich bei einem p = 0.22 nicht signifikant von der Gruppe ohne diese Verhaltensweise (n = 62) (M-W-U-Test: U = 480,00; Z = 1,21). Bei den Patienten mit (n = 35) bzw. ohne (n = 46) selbstschädigendem Verhalten war ebenfalls kein signifikanter Unterschied (p = 0.91) (M-W-U-Test: U = 793,50; Z = 0,11) erkennbar. Tab. 12: Mann-Whitney U-Test. Rangsummen für zwei unverbundene Stichproben. Der Therapieerfolg wurde durch den CGI-Wert erfasst. Dieser wurde bei den Gruppierungen selbstverletzendes Verhalten, suizidales Verhalten und selbstschädigendes Verhalten untersucht. Zur Gegenüberstellung kam jeweils Handlung war aufgetreten vs. Handlung war nicht aufgetreten. Das Patientenkollektiv bildeten 87 stationäre Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsstörung im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg in Weissenau, in den Jahren 2008 und 2009. Zur Auswertung kamen n = 81 Patienten Handlung war aufgetreten Handlung war nicht aufgetreten U Z p CGI Veränderung für Gruppe: SVV n = 29 RS = 1228,50 n = 52 RS = 2092,50 714,50 0,39 0.70 CGI Veränderung für Gruppe: SV n = 19 RS = 888,00 n = 62 RS = 2433,00 480,00 1,21 0.22 CGI Veränderung für Gruppe: SVV + SV n = 35 RS = 1446,50 n = 46 RS = 1874,50 793,50 0,11 0.91 (CGI: Clinical Global Impression, RS: Rangsummenwert, n: Patientenzahl, p: Signifikanzniveau, SD: Standardabweichung, SV: suizidales Verhalten, SVV: selbstverletzendes Verhalten, SVV + SV: selbstschädigendes Verhalten) 72 4 Diskussion 4.1 Rahmenbedingungen und Allgemeines Im ZfP Südwürttemberg in Weissenau wurde im Rahmen einer Qualitätsverbesserungsmaßnahme durch Umstrukturierung im November 2005 eine neue Station eingerichtet. Zur dortigen Aufnahme gelangen vorwiegend Patienten mit einer der Hauptdiagnosen F6 oder F4, jedoch ohne primäre Substanzabhängigkeit, psychotische oder affektive Störungen als Leitdiagnose. Diese speziellen stationären Rahmenbedingungen mit dem damit verbundenen therapeutischen Setting sind verhältnismäßig selten anzutreffen. Seit der Gründung dieser Station gab es keine Analyse dieses spezifischen Patientenkollektivs hinsichtlich Suizidalität und selbstverletzenden Verhaltens. Retrospektiv untersucht wurden nun alle Patienten mit der Diagnose F60.31 beziehungsweise F61 (mit BPS), die in den Jahren 2008 und 2009 auf dieser speziellen Station aufgenommen worden waren. Daraus ergab sich ein Patientenkollektiv, bestehend aus n = 87 Patienten. Die Aufenthaltsdauer schwankte zwischen einem Tag und 196 Tagen. Bei diesem Krankheitsbild ist eine Aufenthaltsdauer über mehrere Wochen oder sogar Monate durchaus üblich und auch in anderen stationären therapeutischen Einrichtungen alltäglich. Insbesondere sollte hier mit Psychiatrien innerhalb Deutschlands verglichen werden, da gerade im englischsprachigen Ausland bei diesem Krankheitsbild deutlich anders mit Suizidalität umgegangen wird. So sind dort stationäre Aufenthalte wegen suizidaler Intention deutlich seltener, wohingegen suizidales Verhalten in Deutschland regelmäßig eine Zuweisung in eine medizinische Einrichtung nach sich zieht. Des Weiteren kann suizidales Verhalten des Patienten den Entlassungstermin stark beeinflussen, den Aufenthalt deutlich verlängern und eine Aufenthaltsdauer von mehreren Monaten hervorrufen. Somit sollte eine stationäre Behandlung von über 6,5 Monaten, wie sie unter dem Patientenkollektiv einmal aufgetreten war, nicht verwundern. Hierin birgt sich natürlich die Gefahr der Hospitalisierung und Regression, was wiederum in Form eines Teufelskreises ein selbstschädigendes Verhalten fördern kann (Steinert, 2012). Ein verhältnismäßig kurzer stationärer Aufenthalt war meistens durch eine Diskussion 73 Verlegung in andere medizinische Einrichtungen begründet. Dies kam meist im Rahmen von selbstschädigenden Verhaltensweisen und der damit verbundenen Überweisung in ein Allgemeinkrankenhaus zustande. Das untersuchte Patientenkollektiv war im Durchschnitt 40,3 Tage auf der spezifischen Station im ZfP Südwürttemberg in Weissenau stationär aufgenommen. Für sich alleine betrachtet mag dies als ein langer Zeitraum erscheinen, liegt aber dennoch deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt. So beträgt die mittlere stationäre Aufenthaltsdauer bei diesem Krankheitsbild in Deutschland etwa 68 Tage (Bohus et al., 2006; Jerschke et al., 1998). Der zeitliche Unterschied kann darin begründet sein, dass bei den meisten psychotherapeutischen Einrichtungen, die dem dialektisch-behavioralen Therapieansatz nach Linehan folgen, ein zeitlicher Rahmen von 12 Wochen für die stationäre Behandlung vorgesehen ist. Die Patientenklientel auf dieser gemischtgeschlechtlichen Station war mit 89 Prozent Frauen überwiegend weiblich. Dies überrascht nicht, da bei diesem Krankheitsbild im klinischen Bereich rund 75 bis 80 Prozent Frauen anzutreffen sind (Skodol et al., 2003; Widiger et al., 1991), wohingegen die männlichen Patienten eher mit der Forensik beziehungsweise mit der Justiz in Berührung kommen. Das Durchschnittsalter lag bei 32,3 Jahren, wobei sich die Altersspanne von 20 bis 66 Jahre erstreckte. Im untersuchten Patientenkollektiv befanden sich, im Vergleich zu anderen psychotherapeutischen Einrichtungen, die dem dialektischbehavioralen Therapieansatz (Linehan, 1996) folgen, auch einige Patienten mit einem für dieses Krankheitsbild recht fortgeschrittenen Lebensalter. Der Erkrankungsbeginn einer BPS ist definitionsgemäß im Kindes- und Jugendalter angesiedelt. In einer Longitudinalstudie nach Zanarini et al. (2006) war bei insgesamt 88 Prozent der Patienten im zeitlichen Verlauf von 10 Jahren eine komplette Remission krankheitsspezifischer Symptome zu beobachten. Demnach könnte das teilweise relativ fortgeschrittene Patientenalter dadurch zustande kommen, dass vor allem die schwer kranken Patienten zur Aufnahme in diese spezifische Station des ZfP Weissenau gelangen, also Menschen, die in ihrer 'Erkrankungskarriere' schon sehr weit fortgeschritten sind. Suizidale Krisen, dissoziative Störungen, Depression, Angst und posttraumatische Belastungsstörungen sowie langjährige komorbide Substanzabhängigkeit sind Diskussion 74 keine Seltenheit. Bei dieser Patientenklientel ist die Erkrankung häufig chronisch, die Prognose demnach tendenziell schlecht. 4.2 Vor dem stationären Aufenthalt Über alle Patienten gemittelt, wurden seit dem Jahr 2000 in etwa 3,4 stationäre Aufenthalte in einer psychiatrischen Einrichtung verbracht - wohnortgebunden in den meisten Fällen im ZfP Südwürttemberg in Weissenau. Auch hier gab es eine sehr große Spannbreite, die sich von einem Aufenthalt bis zu 27 Aufenthalten erstreckte. Der Median lag bei zwei Aufenthalten. Akute Lebenskrisen, suizidale Ereignisse oder selbstverletzendes Verhalten können eine sofortige stationäre Aufnahme im ZfP Weissenau oder einer anderen psychiatrischen Einrichtungen notwendig machen. Bei dieser recht chronischen, schwer therapierbaren Erkrankung werden die Versorgungsstrukturen in besonderem Maße eingefordert. Nach Jerschke et al. (1998) bleibt es meist nicht bei einem Aufenthalt. Da sich die Daten in den letzten Jahren auch kaum geändert haben, beträgt die Wahrscheinlichkeit der Wiederaufnahme in eine psychiatrische oder psychotherapeutische Versorgungseinrichtung etwa 80 Prozent. Da selbstschädigendes Verhalten sehr häufig mit diesem Krankheitsbild assoziiert ist, nimmt dieses Symptom berechtigterweise einen festen Platz in den Diagnosekriterien sowohl nach ICD-10 (Dilling et al., 2004) als auch DSM-IV (Sass et al., 2003) ein. Bei diesem Patientenkollektiv konnte bei 86 Prozent der Patienten ein selbstverletzendes Verhalten irgendwann in der Lebenszeit vor dem untersuchten stationären Aufenthalt in Erfahrung gebracht werden, bei 84 Prozent kam es sogar mehrfach vor. Mit nur 2 Prozent geschah dies bei einem sehr kleinen Anteil der Indexpatienten als ein einmaliges Ereignis. Laut einem relativ aktuellen Artikel, ist das selbstverletzende Verhalten bei 85 Prozent der Patienten mit einer BPS zumindest während einiger Zeitabschnitte aufgetreten (Bohus et al., 2006). Auch in anderen gängigen Studien wird von einem ähnlich hohen Anteil berichtet und ist somit annähernd deckungsgleich mit dem hier untersuchten Patientenkollektiv. Ebenso wurde die Lebenszeit im Hinblick auf Suizidversuche in Augenschein genommen. Dabei waren 60 Prozent der untersuchten Patienten in ihrer Diskussion 75 Vorgeschichte dahingehend schon auffällig geworden, bei 16 Prozent war dies ein einmaliges Geschehen und bei weiteren 44 Prozent waren mehrere Suizidversuche in Erfahrung zu bringen. In einer Studie von Black et al. (2004) zur Suizidalität bei BPS wird ebenfalls von einer ganz ähnlich hohen Prävalenz berichtet. Demnach sollen bis zu drei Viertel der Patienten einen Suizidversuch hinter sich haben. Eine Suizidrate von 10 Prozent bei dieser Erkrankung unterstreicht die Ernsthaftigkeit dieses Themas. In der Vorgeschichte war ein Substanzmissbrauch bei insgesamt 56 Prozent der Patienten zu finden, hierbei war dies bei 54 Prozent der Patienten ein mehrfacher, bei weiteren 2 Prozent ein einmaliger. Dies zeigt, dass ein Substanzmissbrauch als komorbide Störung häufig mit dieser psychischen Erkrankung assoziiert ist. Durch diese Selbstmedikation versuchen die Patienten oft ihre negativen Emotionen wie Ärger, Wut oder Angst zu durchbrechen. Als Kehrseite kann sich daraus allerdings eine Abhängigkeitsstörung entwickeln. In einer Studie von Trull et al. (2000) erfüllten 57,4 Prozent der Patienten mit einer BPS die Diagnosekriterien einer Substanzabhängigkeit, 49 Prozent weisen eine Alkoholabhängigkeit auf, bei 38 Prozent konnte ein Drogenkonsum in Erfahrung gebracht werden. Bei uns wurde eine Abhängigkeitserkrankung als mehrfacher Substanzmissbrauch erfasst. Hierbei entsprechen sich annähernd die Zahlen unserer Datenerhebung (54 Prozent) denen der Studie von Trull et al. mit 57,4 Prozent. Des Weiteren wurde untersucht, ob selbstverletzendes Verhalten, Suizidalität oder Substanzmissbrauch im Zusammenhang mit dem stationären Aufenthalt aufgetreten waren, beziehungsweise zu diesem geführt hatten. Hierzu wurden die 72 Stunden vor der jeweiligen Aufnahme betrachtet. Bei etwa 30 Prozent der stationären Patienten war in dieser Zeit ein selbstverletzendes Verhalten in Erfahrung zu bringen, dies war bei 20 Prozent ein einmaliges Ereignis und bei weiteren 10 Prozent trat es mehrfach auf. In den drei Tagen vor Aufnahme kam es bei insgesamt 9 Prozent der Patienten zu einem Suizidversuch, davon war dieser bei 7 Prozent einmal und bei 2 Prozent mehrfach vorgekommen. Ein Substanzmissbrauch fand sich bei insgesamt 36 Prozent - bei 22 Prozent mehrfach und bei 14 Prozent einmalig in den drei Tagen vor der stationären Aufnahme. Es kann somit zusammenfassend gesagt werden, dass bei vielen Diskussion 76 Patienten ein selbstschädigendes Verhalten im direkten Zusammenhang mit dem stationären Aufenthalt stand oder auch die stationäre Einweisung bedingt hat. 4.3 Während des stationären Aufenthalts 4.3.1 Selbstverletzendes Verhalten während des Aufenthalts Während des stationären Aufenthaltes konnte bei 38 Prozent des Patientenkollektivs mindestens einmal ein selbstverletzendes Verhalten in Erfahrung gebracht werden, 62 Prozent der Patienten waren dahingehend unauffällig. Insgesamt wurden von den 33 Patienten mit selbstverletzendem Verhalten insgesamt 54 Handlungen begangen. Bei der Betrachtung der verhältnismäßigen Zusammensetzung dieser Summe, war das Schneiden mit 50 Prozent die mit Abstand am häufigsten praktizierte Methode. Auch in gängiger wissenschaftlicher Literatur wird üblicherweise diese Selbstverletzungsmethode als die häufigste genannt. Als Mittel zum Zweck kann prinzipiell jeder scharfe Gegenstand dienen, wobei Rasierklingen, Glasscherben, Messer oder Scheren üblich sind (Petermann et al., 2008). Eine Rasierklinge kann zum Beispiel im Akku-Fach des Handys versteckt und so unerlaubter Weise auf Station geschmuggelt werden. Mit abnehmender Häufigkeit folgt der Alkoholkonsum in Form einer selbstschädigenden Verhaltensweise mit 18 Prozent. Seltener waren die Handlungen Wunde manipulieren mit 9 Prozent, Kratzen mit 6 Prozent und Brennen mit 4 Prozent zu verzeichnen. Weitere Vorkommnisse wie etwa Abreißen von Fingernägeln, Hand beziehungsweise Kopf gegen die Wand schlagen, schädliches Essverhalten, Inhalation von Deospray und Nagellack, Herbeiführen von Erbrechen, Unterlassen der Einnahme von wichtigen und indizierten Medikamenten wurden unter dem Punkt Sonstiges zusammengefasst und machten 13 Prozent dieser Handlungen aus. Auf der anderen Seite können diese selbstverletzenden Verhaltensweisen auch patientenbezogen betrachtet werden. Unter dieser Perspektive wurde aus der Gruppe der Patienten, die während des Aufenthalts ein selbstverletzendes Verhalten zeigten, von 82 Prozent das Schneiden als eine solche Handlung ausgeübt. Eine Studie von Nitkowski (2009) Diskussion 77 untersucht die Häufigkeitsverteilung der einzelnen Arten selbstverletzender Handlungen. Hierzu wurden diverse Veröffentlichungen zu diesem Thema zusammengefasst und aus acht Publikationen eine Rangreihung der am häufigsten genutzten Verletzungsmethoden erstellt. Dabei war das Schneiden mit 61,8 Prozent, genauso wie in unserer Studie, die mit Abstand am häufigsten praktizierte Methode des selbstverletzenden Verhaltens. Bei der untersuchten Patientenklientel des ZfP Südwürttemberg in Weissenau konnte bei weiteren 30 Prozent der stationären Patienten Alkoholkonsum als weitere Form in Erfahrung gebracht werden. Weitere 15 Prozent manipulierten an alten Wunden. In der Häufigkeitsverteilung nach Nitkowski wurde diese Methode von 25,6 Prozent praktiziert und war somit in einer ähnlichen Größenordnung angesiedelt. Zu Handlungen wie Kratzen kam es auf der Station des ZfP Weissenau bei 9 Prozent dieser Patienten, gefolgt von 6 Prozent mit Brennen. Zum Vergleich seien auch hier die Häufigkeitsverteilungen bei Nitkowski genannt, die in beiden Qualitäten ein gehäufteres Vorkommen zeigten. Hier war das Kratzen/Kneifen bei 42,7 Prozent der Patienten zu finden, das Verbrennen/Verbrühen bei 22,0 Prozent. Allerdings muss bei diesem Vergleich berücksichtigt werden, dass sich die von uns erhobenen Daten auf ein Patientenkollektiv beziehen, welches sich in einem stationären Aufenthalt befand. Hierdurch wird der Handlungsspielraum für das selbstverletzende Verhalten eingeschränkt beziehungsweise verändert. Auch wenn unsere Daten zu Art und Häufigkeit mit der Veröffentlichung von Nitkowski im Wesentlichen übereinstimmen, können hiermit diverse Unterschiede erklärt werden. Weitere selbstverletzende Handlungen, welche sich in den zwei Jahren auf der spezifischen Station zeigten, wurden unter der Rubrik Sonstiges zusammengefasst. Dies betraf insgesamt 21 Prozent der Patienten in dieser Gruppe. Die Frage, ob Alkoholabusus auch eine Form des selbstschädigenden Verhaltens darstellen kann, wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. So zählt beispielsweise Favazza (1998) eine Überdosierung von Alkohol und Medikamenten nicht zum selbstverletzenden Verhalten, während hier nach Linehan et al. (2006) ein Zusammenhang besteht. Für die Sichtweise von Favazza spricht ein schlecht erkennbarer Zusammenhang zwischen der Verhaltensweise und der dadurch erkennbaren zugefügten Schädigung. Ebenfalls ist Alkohol- und Medikamentenkonsum in Form eines komorbiden Substanzmissbrauchs möglich Diskussion 78 (Nitkowski, 2009). Andere Studien sind eher der Auffassung, dass weniger der Art oder Form eine Bedeutung beigemessen werden soll. Vielmehr gilt es die zugrunde liegende Absicht des (suizidalen oder nicht-suizidalen) selbstschädigenden Verhaltens zu erfassen (Nitkowski et al., 2009). In unserer retrospektiven Studie wird die letztere Sichtweise vertreten und der Alkoholkonsum aus einer selbstverletzenden Absicht heraus auch als ein diesbezügliches Verhalten gewertet. Bei nicht eindeutiger Sachlage wurde mit einem Facharzt Rücksprache gehalten. Das nichtsuizidal motivierte selbstverletzende Verhalten wurde unter anderem von Petermann et al. (2008) als eine eigenständige diagnostische Entität diskutiert und vorgeschlagen, es in diverse Klassifikationssysteme aufzunehmen. Die emotionale Dysregulation ist zentrales Merkmal der BPS. Sie geht mit erhöhter affektiver Reagibilität und gesteigerten negativen Emotionen einher. Zur Durchbrechung dieser quälenden, aversiven Spannungszustände kommt dem selbstverletzenden Verhalten große Bedeutung zu (Kamphuis et al., 2007). So kann dies als eine spezifische Persönlichkeitseigenschaft beziehungsweise Trait von manchen Patienten gesehen werden, wohingegen andere über davon abweichende Copingstrategien zur Emotionsregulation verfügen. Vor Beginn der Datenerhebung bestand die Vermutung, dass ein erhöhtes Aufkommen an selbstverletzenden Handlungen speziell am Beginn und am Ende des stationären Aufenthaltes zu finden ist. Grund dieser Annahme war, dass gerade diese beiden Zeitpunkte mit erhöhter emotionaler Spannung und psychischem Stress verbunden sind. Dies konnte allerdings nicht bestätigt werden. So zeigte sich über alle vier Aufenthaltsquartale eine annähernd konstant bleibende Frequenz an selbstschädigenden Handlungen. Auch die Zahl der Personen, bei denen es zu selbstschädigenden Aufenthaltsabschnitte Handlungen nahezu gekommen konstant. war, Dies blieb spricht über die dafür, vier dass selbstverletzendes Verhalten bei einer bestimmten Patientengruppe einen festen Bestandteil der Stressbewältigung darstellt. Bei diesem Krankheitsbild können unterschiedliche, im zeitlichen Verlauf willkürlich auftretende Stressoren intensive negative Affekte hervorrufen. Durch selbstverletzendes Verhalten versucht eine Gruppe von Patienten diese zu durchbrechen um Entspannung herbeizuführen. Diskussion 79 4.3.2 Suizidales Verhalten während des Aufenthalts Die Gruppe der Patienten mit suizidalem Verhalten war mit 22 Patienten zu klein um in sinnvoller Weise quantitative Berechnungen durchführen zu können. Insbesondere war mit sieben Personen die Anzahl der Patienten mit einem Suizidversuch während des Aufenthaltes recht klein. Daher soll im Folgenden auf die Patientengruppe mit suizidalem Verhalten in qualitativer Weise eingegangen werden. Bei dem Patientenkollektiv von 87 Patienten wurden insgesamt sieben durch einen Suizidversuch auffällig, bei 16 konnten Suizidankündigungen eruiert werden. Bei neun geschah dies in Form einer direkten und bei sieben Personen durch eine indirekte Suizidankündigung. Ein Hochrisiko-/suizidales Verhalten zeigten 12 der untersuchten stationären Patienten. Bei den sieben Personen mit Suizidversuch wurden verschiedene Methoden angewandt. Ein männlicher Patient versuchte sich mit Hilfe eines Kabels zu erhängen. Die anderen sechs Patienten waren allesamt weiblich. Zwei von ihnen wollten sich vor den Zug werfen und so ihrem Leben ein Ende setzen. Bei den restlichen Suizidversuchen handelte es sich um Medikamentenintoxikationen. Auffallend war hierbei, dass bei sechs dieser insgesamt sieben Patienten in der Vorgeschichte mindestens ein Suizidversuch in Erfahrung zu bringen war. Von der Methode ähnelten diese Versuche denen während des Aufenthalts. Beispielsweise waren bei dem männlichen Patienten, der sich durch Erhängen suizidieren wollte, zwei Strangulationsversuche in der Vergangenheit in Erfahrung zu bringen. Des Weiteren wurden die Suizidversuche gelegentlich von Substanzmissbrauch und selbstverletzendem Verhalten begleitet. So fand sich Alkoholabusus und selbstverletzendes Verhalten in Form von Schneiden sowohl bei dem männlichen Patienten als auch bei einer Patientin, die sich vor den Zug werfen wollte. Bei all diesen sieben Patienten war sowohl in der Vorgeschichte als auch während des stationären Aufenthalts mehrfach ein selbstverletzendes Verhalten ausfindig zu machen. Regelmäßig wurden die Suizidversuche während des stationären Aufenthalts von diversen direkten und indirekten Suizidäußerungen oder einem suizidalen Verhalten begleitet. Dies und die hohe Parallelität aus suizidalem und selbstverletzendem Verhalten reflektieren die Schwere der Erkrankung und unterstreichen nochmals die Ausführung von oben, dass diese Gruppe beide Selbstschädigungsformen benötigt, um mit Belastungen fertig zu werden. Des Weiteren bestätigen die retrospektiv erhobenen Suizidversuche auch die These, dass ein stattgehabter Suizidversuch als ein Risikofaktor für das Auftreten eines Diskussion 80 weiteren gewertet werden muss. Untermauert wird dies durch eine groß angelegte Studie. Um Risikofaktoren für einen Suizid zu identifizieren, wurden von Brown et al. (2000) in einer prospektiven Studie 6891 ambulante psychiatrische Patienten über 20 Jahre beobachtet. Hierbei zeigte sich, dass ein früherer Suizidversuch ein signifikanter Risikofaktor für einen zukünftigen Suizidversuch darstellt. Demnach sollte dies als ein wichtiger Bestandteil zur Abschätzung des suizidalen Risikos in die Bewertung eines psychiatrischen Patienten einfließen. Suizidversuche und selbstverletzendes Verhalten weisen häufig Gemeinsamkeiten in der Art der Selbstschädigung auf, eine klare Unterscheidung ist aufgrund der Ähnlichkeit beider Phänomene nicht immer möglich. Beispielsweise kann das Schneiden oder der Medikamentenabusus bei beiden Formen zur Anwendung kommen (Nitkowski et al., 2010). Aufgrund dieser Überschneidung kann sich eine hinreichende Differenzierung dieser beiden Verhaltensmuster im klinischen Alltag gelegentlich schwer gestalten und ein selbstverletzendes Verhalten fälschlicherweise als ein Suizidversuch gewertet werden (Favazza, 1998). Allerdings kommt der Unterscheidung zwischen selbstverletzendem und suizidalem Verhalten immense Bedeutung zu. Nicht zuletzt deshalb, da sich bei den beiden Formen der Selbstschädigung unterschiedliche therapeutische Konsequenzen ergeben. Ein hilfreiches Kriterium für die Trennung dieser zwei Phänomene kann die Betrachtung der Selbstverletzungsmethode und der medizinischen Verletzungsschwere darstellen. Von Nitkowski et al. (2010) wurden diesbezüglich mehrere Studien (wie beispielsweise Jacobson et al., 2008; Brown et al., 2002; Chapman et al., 2007; Linehan et al., 2006) ausgewertet und verglichen. Hier wurde Schneiden im Durchschnitt bei etwa 42 Prozent der Fälle für selbstverletzendes Verhalten genutzt, aber nur in 26 Prozent für einen Suizidversuch. Offensichtlicher war dies bei härteren Methoden der Selbstschädigung. Ein Sturz aus der Höhe oder die Nutzung von Schusswaffen waren im Rahmen des selbstverletzenden Verhaltens gar nicht zu finden, dafür aber schweres Kratzen und Schlagen. Etwas schwerer kann die Abgrenzung bei der Überdosierung von Arzneimitteln, Drogen oder dem Abusus anderer Substanzen von einer nicht-suizidalen, selbstverletzenden Handlung sein. Jedoch zeigten sich diese Methoden in jeder der vier oben genannten Studien mit deutlicher Mehrheit als suizidal motiviert. Diese Erkenntnis ist auch sehr gut mit den Ergebnissen unserer Studie in Einklang zu bringen. Des Weiteren konnte Diskussion 81 Nitkowski (2010) aufzeigen, dass 56 Prozent aller Suizidversuche durch Überdosierung an Arzneimitteln und Drogen ausgeübt wurden. In unserer Patientengruppe waren bei sieben Personen während des stationären Aufenthaltes insgesamt acht Suizidversuche in Erfahrung zu bringen. Von diesen acht Suizidversuchen wurden fünf in Form einer Überdosierung von Medikamenten ausgeübt, was einem prozentualen Anteil von etwa 63 Prozent entspricht. Diese Größenordnung stimmt gut mit dem von Nitkowski errechneten Prozentsatz überein. In der Differenzierung dieser selbstschädigenden Handlung gilt es folgende Aspekte zu berücksichtigen. So kann die Annahme einiger Studien (Hasley et al., 2008) nicht durchgehend bestätigt werden, dass ein starker Wunsch zu sterben regelmäßig auch mit erhöhter Verletzungsschwere einhergeht. Ein solcher Zusammenhang zwischen der Gefährlichkeit des Suizidversuchs einerseits und der Suizidabsicht andererseits erfordert (nach Brown et al., 2004) auch eine genaue Einschätzung der Tödlichkeit der angewandten Methode. Auf die suizidal motivierte Überdosierung der Medikamente übertragen bedeutet dies, dass fundiertes Wissen um die Wirkung einer bestimmten Substanz und deren Dosierung vorhanden sein muss. Ohne ein profundes biologisch- pharmakologisches Hintergrundwissen kann der Betroffene die Tragweite seines Handelns nicht sicher abschätzen. In der Differenzierung zwischen suizidalem und selbstverletzendem Verhalten gilt es daher von therapeutischer Seite abzuklären, welche Motive verfolgt wurden und in welcher Weise sich der Patient im Vorfeld über erwartete und tatsächliche Verletzung im Klaren war (Nitkowski et al., 2010). Selbstverletzendes Verhalten ist wie das suizidale Verhalten regelmäßig mit dem Krankheitsbild der BPS assoziiert und daher auch fester Bestandteil der Diagnosekriterien. Solch selbstschädigendes Verhalten kann gehäuft ein schnelles Handeln erzwingen und eine stationäre Aufnahme wird dann meist unumgänglich. Allerdings ist das Einfordern eines sofortigen Sistierens dieser Verhaltensweise meist unrealistisch (Steinert, 2012). Aber genau dies wird im Rahmen einer Psychotherapie in den meisten Einrichtungen verlangt und durch einen Therapievertrag festgehalten. Des Weiteren ist bei diesen Einrichtungen mit einer längeren Wartezeit zu rechnen. Eine Alternative zur allgemeinpsychiatrischen Aufnahmestation bietet die auf Borderline-Persönlichkeitsstörungen fokussierte Spezialstation des ZfP Südwürttemberg in Weissenau. Sie bietet den Vorteil eines deutlich symptomspezifischeren psychotherapeutischen Vorgehens. Außerdem Diskussion 82 wird durch eine ähnliche Patientenklientel die Stationsatmosphäre für die Patienten verbessert. So kann der Patient nach akuter Krisenintervention für eine anschließende ambulante oder teilstationäre Psychotherapie vorbereitet beziehungsweise motiviert werden. 4.3.3 Selbstschädigendes Verhalten während des Aufenthalts Hypothese 1a Selbstverletzendes Verhalten kann mit einer Reihe von psychischen Störungen wie beispielsweise Essstörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder Substanzmissbrauch vergesellschaftet sein (Nitkowski et al., 2009; Petermann et al., 2008). Neben diesen psychischen Störungen tritt selbstverletzendes Verhalten aber gehäuft gemeinsam mit Suizidversuchen auf. Diese Annahme führte zur Hypothese 1a. Bei dieser wurde ein Zusammenhang zwischen selbstverletzendem Verhalten einerseits und suizidalem Verhalten andererseits postuliert. Bei einem Korrelationskoeffizienten von r = 0,413 nach Spearman und einem Signifikanzniveau von p < 0.01 konnte diese Alternativhypothese angenommen und ein positiver Zusammenhang bestätigt werden. Des Weiteren wurde dieser Zusammenhang auch anhand eines Mann-Whitney U-Tests bestätigt. Im Hinblick auf suizidales Verhalten unterschied sich die Gruppe der Patienten mit selbstverletzendem Verhalten signifikant von der Gruppe ohne selbstverletzendes Verhalten. Ebenfalls war bei der Gruppeneinteilung suizidales Verhalten ja/nein ein hochsignifikanter Unterschied gegenüber dem selbstverletzenden Verhalten ersichtlich. Ein solch gleichsinniger Zusammenhang findet sich auch in aktueller Literatur. Von den beiden Autoren Nitkowski und Petermann (2012) wird die Rate der Komorbidität beider Verhaltensmuster über mehrere Stichproben auf 56 Prozent geschätzt. Die Hypothese nach Joiner (2005) könnte als weiterer möglicher Grund den positiven Zusammenhang dieser beiden Formen der Selbstschädigung untermauern. Hierbei wird postuliert, dass eine Person durch ihre selbstverletzenden Handlungen sowohl mutiger als auch kompetenter wird. Die Angst vor einer suizidalen Handlung schwindet zunehmend bis die Hemmschwelle für diese extreme Handlung überwunden wird. Durch selbstverletzendes Verhalten kann somit der Weg in Richtung suizidales Verhalten gebahnt werden. Diskussion 83 Hypothese 1b Der positive Zusammenhang zwischen selbstverletzendem und suizidalem Verhalten spiegelte sich auch in Hypothese 1b wider. Von therapeutischer Seite wird jeder Patient in zeitlich sinnvollen Abständen hinsichtlich Suizidalität beurteilt und ihm eine der fünf Suizidstufen zugeteilt. Sie reflektiert daher ebenfalls die Suizidalität und ist somit ein indirektes Maß für das suizidale Verhalten. Dem Patientenkollektiv war zu 44 Prozent die Suizidstufe 2 vergeben worden, gefolgt von Suizidstufe 3 mit 30 Prozent, Suizidstufe 1 mit 16 Prozent und Suizidstufe 4 mit 10 Prozent. Die Annahme eines direkten Zusammenhangs zwischen der Höhe der Suizidstufe einerseits und dem selbstschädigenden Verhalten andererseits bestätigte sich in einer Spearman Rangkorrelation bei einem Signifikanzniveau von p < 0.01. Somit ist im Durchschnitt bei einer höheren Suizidstufe auch vermehrt selbstverletzendes Verhalten zu finden. Dies bestätigt ebenfalls die Hypothese 1a. Hypothese 2 Die Hypothese 2 konnte nicht bestätigt werden, da sich im t-Test zwischen der Gruppe mit selbstschädigendem Verhalten und der ohne selbstschädigende Handlungen beim Therapieerfolg kein signifikanter Unterschied zeigte. Allerdings wurde in einer Varianzanalyse ersichtlich, dass die Gruppe der Patienten mit selbstschädigendem Verhalten im Durchschnitt kränker sind. Es zeigte sich in allen drei Therapiebeurteilungs-Tests BDI, SCL-90 und CGI, dass diese Patientengruppe durchschnittlich von einem schlechteren Ausgangsniveau startet. Auch bei Entlassung waren die Patienten mit selbstschädigendem Verhalten während des Aufenthalts schwerer krank als die ohne solche Handlungen. Die Differenz der Krankheitsschwere zwischen beiden Gruppen war bei Entlassung annähernd gleich wie die bei Aufnahme, was einen annähernd parallelen Verlauf der beiden Geraden zur Folge hatte. Lediglich beim Selbstbeurteilungstest zur allgemeinen psychischen Symptomatik (SCL-90-R) war ein Interaktionstrend zu erkennen, wobei sich die Patientengruppe mit selbstschädigendem Verhalten von der ohne insofern unterschied, dass Patienten mit selbstschädigendem Verhalten eher etwas weniger Therapieerfolg aufweisen. Diese Phänomene sind mit aktuellen Studien und dem derzeitigen Wissensstand gut vereinbar. Nitkowski (2009) verglich diverse Studien: Die Untersuchung von Jacobson et al. (2008) Diskussion 84 zeigte unter anderem, dass Jugendliche mit selbstverletzendem Verhalten meist weniger depressiv, hoffnungslos und einsam sind sowie dem Leben zugeneigter erscheinen als die Vergleichsgruppe der Jugendlichen, die Suizidversuche begangen hatten. Des Weiteren konnte aufgezeigt werden, dass im Hinblick auf depressive Symptomatik, Suizidgedanken, Aggression, Wut und Lebensfreude speziell die Gruppe psychisch stärker beeinträchtigt war, die beide Selbstschädigungsformen (also selbstverletzendes und suizidales Verhalten) aufwies. Es kann vermutet werden, dass diese Patienten beide Selbstschädigungsformen benötigen, um mit Belastungen fertig zu werden. Wird eine Rangfolge gebildet, so zeigt sich, dass Patienten mit beiden Formen der Selbstschädigung am stärksten belastet sind. Nachfolgend schließen sich die Patienten mit ausschließlich suizidalem Verhalten an, gefolgt von einem weniger deutlichen Unterschied bei den Patienten mit und den Patienten ohne selbstverletzendes Verhalten. Somit scheint der Grad der Belastung einen signifikanten Einfluss darauf zu haben, welche Form des selbstschädigenden Verhaltens gewählt wird - also ob ein selbstverletzendes Verhalten, ein suizidales Verhalten, die Kombination aus beiden, oder etwa keines praktiziert wird (Nitkowski, 2009). 4.4 Einschränkungen Die Durchführung dieser Studie erfolgte in einer retrospektiven, statistischen Analyse. Ein solches Studiendesign ist in Form einer nicht-interventionellen Studie meist kostengünstig und ethisch in der Regel unbedenklich. Allerdings muss als Nachteil in Kauf genommen werden, dass mit dieser Studienart die Klärung eines kausalen Zusammenhanges nicht schlüssig möglich ist. Es muss stets mit dem Einfluss einer Störgröße, eines sogenannten Confounders, gerechnet werden. Eine weitere Limitierung bei dieser Art der Studie ist die Erinnerungsverzerrung, der Recall Bias. Diese machte sich beispielsweise in der Auswertung der Arztbriefe bemerkbar. Im Zusammenhang mit der Anamnese, also der Vorgeschichte des Patienten, wird von therapeutischer Seite in erster Linie das dokumentiert, was der Patient erzählt, woran dieser sich erinnern kann und welche Bedeutung dem beigemessen wird. Diskussion 85 Eine weitere Einschränkung entstand dadurch, dass der Therapieerfolg nicht bei jedem Patienten durchgehend erhoben werden konnte. So waren bei dem BDIWert bei etwa 56 Prozent und beim SCL-90-Wert bei etwa 54 Prozent der Patienten ein kompletter Datensatz aus Aufnahme- und Entlasswert in Erfahrung zu bringen. Beim CGI-Entlassung wurde immerhin bei 93 Prozent der Patienten eine Beurteilung vorgenommen. Durch die Form einer retrospektiven Studie konnte nur das ausgewertet werden, was auch in der elektronischen Patientenakte Medicare dokumentiert war. Selbstverletzende Handlungen und vor allem Suizidalität werden sehr ernst genommen. Daher kann man zuverlässig davon ausgehen, dass bei Eintreten eines solchen Ereignisses, dieses auch vermerkt wird. Allerdings gibt es gelegentlich auch Vorkommnisse, die aufgrund subjektiver Wertung durch Therapeuten oder Pflegepersonal gewissen Schwankungen unterliegen. Eine zuverlässige Reproduzierbarkeit ist hier nicht immer gegeben. Als Beispiel sei der Konsum von Alkohol genannt. Dieser Abusus kann im Rahmen eines Substanzmissbrauchs auftreten, aber auch dem Zweck einer selbstverletzenden Handlung dienen. Gewertet wurde hierbei so, wie es in der Patientenakte deklariert war. Bei unklarer Fallsituation wurde mit einem Facharzt für Psychiatrie Rücksprache gehalten. 86 5 Zusammenfassung Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine psychische Erkrankung, deren zentrales Merkmal eine Störung der Affektregulation darstellt. Die Reizschwelle gegenüber relevanten emotionalen Stimuli ist niedrig und wird mit rasch aufschießenden und intensiven Affektregungen beantwortet. Das sehr hohe Erregungsniveau bildet sich dabei auch nur verzögert wieder zurück. Des Weiteren ist eine Differenzierung verschiedener Gefühlsqualitäten wie Wut, Angst oder Verzweiflung oft erschwert. Diese Spannungszustände werden meist als ichdyston und aversiv-quälend empfunden, ein Großteil der Patienten versucht diese negativen emotionalen Zustände mit selbstschädigendem Verhalten zu durchbrechen. Selbstverletzendes Verhalten, komorbider Substanzmissbrauch und suizidale Krisen stellen somit ein großes Problem bei den - überwiegend weiblichen - Patienten dar und können eine akute Aufnahme in eine psychiatrische Klinik bedingen. Im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg in Weissenau wurde Ende 2005 im Rahmen einer Umstrukturierung eine Akutstation gegründet, in der speziell Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und akuten Krisen zur Aufnahme gelangen. In dieser retrospektiven Studie soll die Patientengruppe der BPS analysiert und insbesondere die Art und Häufigkeit von selbstschädigendem Verhalten und Suizidalität erfasst und systematisch ausgewertet werden. Ein direkter Zusammenhang zwischen diesen beiden Verhaltensmustern wurde angenommen. Ebenso sollte die Beziehung zwischen selbstschädigendem Verhalten und Therapieerfolg untersucht werden. Zur Untersuchung gelangten alle Patienten mit den Diagnosen 'emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ' sowie 'kombinierte und sonstige Persönlichkeitsstörungen' (F60.31 und F61), die 2008 und 2009 auf der gemischtgeschlechtlichen Station in Weissenau stationär aufgenommen waren. Die nötigen Informationen zu dem jeweiligen Patienten wurden mit Hilfe der elektronischen Patientenakte Medicare anhand der Verlaufsdokumentation sowie der Arztbriefe generiert. Zur Erhebung der Daten diente ein selbst entworfenes Datenblatt, das im Wesentlichen folgende Punkte beinhaltete: Zeitraum und Anzahl der Tage des Indexaufenthalts, Aufenthalte seit dem Jahr 2000, die maximal vergebene Suizidstufe, sowie die Rubriken Selbstverletzung, suizidales Verhalten und Vorgeschichte. Der Zusammenfassung 87 Therapieerfolg wurde anhand der Selbstbeurteilungsskalen zu Depression und allgemeiner psychischer Symptomatik sowie des Fremdbeurteilungsinstruments zum klinischen Eindruck gemessen. Die Auswertung erfolgte mit den Programmen Statistica und Excel. In der spezifischen Station wurden in 2008 und 2009 insgesamt 87 Patienten stationär aufgenommen. Dies waren mit 89 Prozent überwiegend Frauen. Im Mittel lag die Aufenthaltsdauer bei 40,3 Tagen, das Alter bei 32,3 Jahren. Auch waren mit durchschnittlich 3,4 Voraufenthalten mehrere Voraufenthalte die Regel. Selbstverletzendes Verhalten wurde von 38 Prozent der Patienten während des Aufenthaltes ausgeübt, wobei Schneiden die mit Abstand häufigste praktizierte Methode war. Die Frequenz der Handlungen blieb über den Aufenthalt annähernd gleichmäßig verteilt, auch waren im Mittel pro Aufenthaltsquartal etwa gleich viele Patienten dahingehend auffällig. Zwölf Patienten zeigten ein Hochrisiko-/suizidales Verhalten, Suizidankündigungen waren bei neun in direkter und bei sieben in indirekter Weise geäußert worden. Zu Suizidversuchen kam es bei sieben Patienten. Beide Formen des selbstschädigenden Verhaltens korrelierten hochsignifikant. Zwischen ihnen war kaum Unterschied beim Therapieerfolg zu erkennen. In einer Varianzanalyse zeigte sich, dass die Patienten mit selbstschädigendem Verhalten kränker sind als Patienten ohne dieses Merkmal, der Therapieerfolg jedoch ähnlich groß ist. Selbstschädigendes Verhalten ist regelmäßig mit dem Krankheitsbild der BPS assoziiert und kann einen stationären Aufenthalt erforderlich machen. Von therapeutischer Seite ein sofortiges Sistieren dieser Handlungsweise einzufordern, ist meist nicht angebracht. Selbstverletzende Handlungen sind als selbstschädigendes Verhalten stark mit suizidalem Verhalten assoziiert und somit neben einem vorherigen Suizidversuch ein wichtiger Risikofaktor für einen weiteren. Das Differenzieren dieser beiden Verhaltensweisen ist oft eine klinische Herausforderung. Selbstschädigende Verhaltensweisen spiegeln die Stärke der psychischen Erkrankung wider. Im Umkehrschluss kann gesagt werden, dass diese Verhaltensweisen benötigt werden, um mit Belastungen fertig zu werden. Für diese meist sehr kranken Patienten bietet die spezifische Akutstation eine Alternative zur allgemeinpsychiatrischen Aufnahmestation. Durch die vom Krankheitsbild her homogene Klientel wird so eine angenehmere Stationsatmosphäre erreicht, in der eine effektivere Therapiemotivation für die meist anschließende Psychotherapie geschaffen werden kann. 88 6 Literaturverzeichnis 1. American Psychiatric Association: Practice guideline for the assessment and treatment of patients with suicidal behaviors. The American journal of psychiatry. 160: 1-60 (2003) 2. Andover MS, Pepper CM, Ryabchenko KA, Orrico EG, Gibb BE: Selfmutilation and symptoms of depression, anxiety and borderline personality disorder. Suicide and Life-Threatening Behavior. 35: 581-591 (2005) 3. Beck AT, Steer RA, Ball R, Ranieri W: Comparison of Beck Depression Inventories -IA and -II in psychiatric outpatients. Journal of Personality Assessment. 67: 588-597 (1996) 4. Black DW, Blum N, Pfohl B, Hale N: Suicidal behavior in borderline personality disorder: prevalence, risk factors, prediction, and prevention. 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Aufenthalte gesamt seit 2000 Bemerkung Bis zu drei Tage vor der Aufnahme Lifetime-Vorgeschichte Selbstverletzung nein einmalig mehrfach unklar nein einmalig mehrfach unklar Suizidversuch nein einmalig mehrfach unklar nein einmalig mehrfach unklar Risikoverhalten nein einmalig mehrfach unklar nein einmalig mehrfach unklar Substanzmissbrauch nein einmalig mehrfach unklar nein einmalig mehrfach unklar Blatt-Nr.