16 Werberinnen Migros-Magazin 14, 31. März 2008 Der Kunde ist Königin Männer kommen vom Mars, Frauen von der Venus. Sie ticken also grundsätzlich anders. Davon sind auch die beiden Zürcher Jungunternehmerinnen Daniela Jakab und Claudia Zechner überzeugt. Soeben haben sie die erste Schweizer Werbeagentur nur für Frauen gegründet. D rei von vier Frauen fühlen sich von der Werbung nicht für voll genommen!». Daniela Jakab kraust ob einem solch ungeheuren Studienergebnis die Nase. «Dabei werden 80 Prozent aller Kaufentscheide von Frauen getroffen oder zumindest beeinflusst – inklusive der für den Mann, die Kinder, den Familienhund», doppelt Claudia Zechner nach. Die beiden Werbefachfrauen, die bei insgesamt lediglich 69 Lebensjahren auf stolze 26 Jahre Berufserfahrung sowie diverse nationale und internationale Auszeichnungen zurückgreifen können, wissen, wovon sie sprechen. Ein Jahr lang sind die beiden Bernerinnen mit der Idee einer Werbeagentur mit Fokus nur auf die Frau schwanger gegangen und haben in dieser Zeit alles studiert, was sie zum Thema Gender Marketing – geschlechtsspezifisches Werben – in die Finger bekommen haben. Kurz vor Weihnachten hat das Kind in Zürich das Licht der Welt erblickt: «proud Mary» nannten es die stolzen Mütter, nach dem Sechzigerjahrehit der Rockband Creedence Clearwater Revival. Das Portemonnaie ist in Frauenhand «‹proud Mary› ist die logische Konsequenz der gesellschaftlichen Entwicklung und gleichzeitig ein Synonym für die selbstbewusste Konsumentin von heute», erklärt Daniela Jakab, der kreative Kopf der ersten Agentur ihrer Art in der Schweiz. «Frauen haben die Macht über die Kasse und an den Kassen. Allein in der Schweiz leben 2,23 Millionen kaufkräftige Frauen, ein gewaltiges Potenzial, das viele Unternehmen brachliegen lassen», rechnet Claudia Zechner vor, als Account Executive die Chefin der Zahlen. Dazu komme, dass Frauen immer mehr männeraffine Produkte kauften: Computer, Autos, Finanzdienstleistungen. Frauen passen also immer weniger in die gängigen Marketingschubladen. Doch was bedeutet dies für die Werbung? «Weibliche Werbung heisst nicht, dass man ein Produkt nimmt und in Rosa taucht oder drei Blüemli und ein Härzli draufklebt», erkärt Daniela Jakab, wie die weibliche Ansprache eben gerade nicht funktioniere. «Weibliche Werbung heisst, die Frau als Konsumentin ernst zu nehmen», ergänzt Claudia Zechner. Pränataler Testosteronspiegel prägt Wann aber fühlt sich die Konsumentin ernst genommen? «Frauen bevorzugen eine klare Produktaussage, die ästhetisch präsentiert gern mit etwas intelligentem Humor angereichert werden darf», sagt Eveline Borntraeger-Stoll. Und erinnert an den spritzigen Fernsehspot von Coca-Cola light, in dem ein knackiger Getränkelieferant einmal täglich mit seinem Auftritt die weibliche Belegschaft eines Büros zum Leben erweckte. Die 49-jährige Psychologin und ihr Team analysieren und testen Werbekonzepte nach soziologischen und psychologischen Gesichtspunkten, überprüfen sie im Hinblick auf verhaltenswissenschaftliche Gesetzmässigkeiten – und unterscheiden da natürlich auch zwischen Mann und Frau. Dass Frauen eine andere Wahrnehmung als Männer haben, erklärt die Werbevortesterin mit der hormonellen Prägung des Gehirns: «Die geschlechtsspezifische Prägung findet pränatal statt und hängt vom Testosteronspiegel des Embryos ab. Dieser ‹Stempel› bewirkt, dass Frauen überwiegend empathisch sind, gefühlsbezogen denken und eher auf Ästhetik und fantasieanregende Geschichten ansprechen.» Das durch Testosteron geprägte männliche Gehirn dagegen arbeite eher systematisch und funktional. Was aber nicht bedeute, dass alle Frauen unmethodisch denken würden oder alle Männer unsensible Zuhörer seien, betont die Fachfrau. Genderspezifische Unterschiede machen sich überall bemerkbar: in den Fähigkeiten, Wünschen, Lebensgestaltungen, im Umgang mit Alltagsgütern, im Kauf- und somit auch im Kommunikationsverhalten. Ein Beispiel ist die unter Werbepraktikern gängige Hypothese «Sex sells …». Studien belegen, dass ein Schuss Erotik in der Werbung zweifellos aufmerksamkeitsstark ist und bei richtiger Dosierung das Erinnerungsvermögen fördern kann. «Sexuelle Reize sind biologisch programmiert, die Sexualität kommt durch rein optische Aus- Plumpe Werbung zieht bei Frauen nicht. Da müssen sich die Werber schon mehr einfallen lassen wie hier Wirz für Triumph (1996), Ogilvy für Dove (2004) und Wirz für IWC (2000) (von links). Migros-Magazin 14, 31. März 2008 Zwei Werberinnen wollen nach oben: Daniela Jakab (links) und Claudia Zechner im Treppenhaus ihrer Agentur. Werberinnen 17 18 Werberinnen löser in die Gänge. Das gilt bei Männern wie bei Frauen», erklärt die Psychologin dieses Phänomen. Darauf setzt auch die vielfach ausgezeichnete Kampagne von Triumph, die Dessous gleich einem Juwel auf einem roten Seidenkissen präsentiert. «Ist das Aktivierungsmittel eng an das Produkt gebunden – in diesem Fall das Dessous – lassen sich Frauen gern zum Kauf verführen», stellt Eveline BorntraegerStoll fest. Aber aufgepasst: Gibt es zwischen dem beworbenen Produkt und dem erotischen Eyecatcher keine logische Verknüpfung, dann verpufft die Werbewirkung. Zweischneidig: Erotik und Humor «Erotische Stimuli erhöhen zwar die Aufmerksamkeit, bürgen aber nicht dafür, dass auch der Inhalt der Werbung besser memoriert wird», sagt die Fachfrau. Man denke nur an den Genfer Autosalon, wo die fahrbaren Untersätze jeweils von leicht bekleideten Hostessen präsentiert werden. «Die Männer erinnern sich eher an die tiefen Décolletés als an die Auto- Migros-Magazin 14, 31. März 2008 marken. Und die Frauen, die ja meist über den Kauf eines Autos mitentscheiden, lassen sich häufig von so viel Freizügigkeit abschrecken.» Erotik muss also subtil eingesetzt werden. Ähnliches gilt auch für den Humor. Bildet der Witz das Highlight und nicht das Produkt, ist der Wiedererkennungseffekt praktisch gleich null. Da nützt es auch nichts, dass Frauen ein besseres Werbegedächtnis haben als Männer. «Nur zwei Prozent der angebotenen Werbeinformationen erreichen ihre Empfänger», sagt Eveline Borntraeger-Stoll. Erschwert wird der Job des Werbers durch die Tatsache, dass es nahezu unmöglich ist, die einmal gefasste Meinung des Konsumenten zu einem Produkt zu ändern: So dauert es zum Beispiel mindestens zehn Jahre, bis Raucher ihre Zigarettenmarke wechseln – wenn überhaupt. Ein rotes Tuch für die Konsumentinnen sind Klischees, mit denen sie sich nur mit viel Einfallsreichtum identifizieren können. «Die perfekt gestylte Hausfrau, die ihren Wischmopp mit leichter Hand durch die perfekt ge- stylte Wohnung schwingt, ist solch ein Auslaufmodell. Oder die Mutter, die ihre dreckigen Kinder freudig strahlend in Empfang nimmt. Hier klaffen Fantasie und Realität dermassen auseinander, dass sich die Zielgruppe nur veräppelt vorkommen kann», ärgert sich die Psychologin, die ja selber auch Konsumentin ist. Dass Werbung per se eine Scheinwelt vorgaukelt, ist sie sich bewusst. «Man weiss aber aus Umfragen, dass sich ein Grossteil der weiblichen Zielgruppe in der Werbung attraktive, aber normale Frauen wünscht – wie etwa zurzeit in der Dove-Werbung.» Also keine am Computer perfektionierten Supermodels oder dümmlichen Hausfrauenkarrikaturen. Wider veraltete Stereotype Ein plumpes Inserat für einen Backofen in einer Frauenzeitschrift mit dem falschen Typ Frau und einer Aussage, die eine Frau nie machen würde, war schliesslich auch der Anstoss für Daniela Jakab und Claudia Zechner, genau diese Marketingecke zu bearbeiten. «Langweilige, stereotype und nur ästhetische Frauen- Die Schweizerinnen machen Ihre Arbeiten kennt nahezu jeder – nicht so ihre Gesichter. Drei kreative Frauen, die mit ihren Die Engagierte: Valentina Herrmann Der Star: Danielle Lanz Dauerbrenner in Sachen Auszeichnungen: die Präventionskampagne für Suvaliv!. D ie 39-jährige Danielle Lanz gilt als kreativste Werberin der Schweizer Werbeszene. Mit 15 Jahren holte sie sich bei einem Anzeigenwettbewerb ihre erste Auszeichnung. Mit 28 wurde sie die jüngste Kreativchefin einer Schweizer Werbeagentur. Mit 30 wurde sie von der Werbebranche zur «Werberin des Jahres» gewählt. 2001 gründete Danielle Lanz mit ihrem Mit einem bronzenen Cannes-Löwen geehrt: das Ocean-DefendersSujet für Greenpeace. damaligen Lebenspartner Markus Ruf in Zürich ihre eigene Werbeagentur – Ruf Lanz. Laut Ranking des Art Directors Club (ADC) zählt Ruf Lanz zu den drei kreativsten Werbeagenturen des Landes. Budgets unter anderem: Suva, Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), Crest-Kondome, Schweizer Milchproduzenten (SMP), Hiltl. N ach der Kunstgewerbeschule Basel, einer Grafikerlehre und einem Abstecher nach Mailand zu Sottsass Associati heuerte Valentina Herrmann 1990 bei Weber, Hodel, Schmid an. Anschliessend war sie für Wirz, Advico Young & Rubicam tätig sowie als Creative Director und Mitglied der Geschäftsleitung bei Lowe. Seit 2007 ist die 40-Jährige freischaffend. Ausser- Werberinnen Migros-Magazin 14, 31. März 2008 Werbung mit veralteten Rollenbildern gibts wie Sand am Meer», sind sie sich einig. «Wir möchten der facettenreichen Zielgruppe Frau mit überraschenden Ideen gerecht werden.» Zurzeit sind die beiden neben ersten Agenturpräsentationen mit dem Pitch um eine schweizweite Kampagne beschäftigt – Details wollen die Jungunternehmerinnen jedoch noch keine verraten. Verraten tun sie dafür ihre eigene Lieblingswerbung. Und zeiClaudia Zechner und Daniela Jakab mit ihrem Zielpublikum – der Frau. 19 gen damit gleich selber, dass Frauen durchaus Sinn für Selbstironie haben: Daniela Jakab, die auch mal selber zur Bohrmaschine greift, um einen Kronleuchter oder eine Duschstange zu installieren, findet die Kampagne «Woman at Work» der deutschen Baumarktkette Hornbach erfrischend. «Diese bricht gekonnt radikal und ironisch mit dem ewig zart-lieblichen Frauenbild.» Was offenbar den Nerv der angepeilten Zielgruppe von eher jungen Frauen getroffen habe. Claudia Zechner ihrerseits schwärmt von der etwas älteren Kampagne für die Herrenuhren von IWC, die mit frechen Sprüchen provozierte. Mit der Folge, dass die Frauen in zwei Lager gespalten wurden: Es gab die einen, welche die Kampagne hassten, und die anderen, die sich solch ein klobiges Teil gleich selber kauften – und damit das männliche Statussymbol zu einem weiblichen machten. So auch Daniela Jakab: «Das ist der Beweis, dass Frauen manchmal anders ticken, als die Werber es von ihnen erwarten …» Text Almut Berger, Bilder Tanja Demarmels ausgezeichnete Werbung Ideen national und international für Furore sorgen. Das Nachwuchstalent: Isabelle Hauser Dreifach versilbert von Epica, Eurobest und ADC: die Kampagne «Zoom» für Leica. dem ist sie ADC-Mitglied, Schulrat der ADC/BSWKreativschule und arbeitet im Komitee des ADC Young Creatives Awards mit. Valentina Herrmann hat über 70 nationale und rund 10 internationale Auszeichnungen gewonnen. 2008 war sie als «Werberin des Jahres» nominiert. Arbeiten unter anderem: Greenpeace international, Lancierungskampagne Graubünden, IWC. I sabelle Hauser wurde 1982 in Zürich geboren. Nach dem Besuch des Vorkurses an der Zürcher Kunstgewerbeschule stieg sie mit 17 Jahren mit einer Lehre als Grafikerin in die Werbung ein und gewann mit 22 Jahren erstmals ADC-Gold. Sie arbeitet heute als Junior Art Director bei Advico Young & Rubicam und hat mit ihren Arbeiten bereits 50 nationale und internationale Auszeichnungen eingeheimst – unter anderem auch an diversen renommierten Nachwuchswettbewerben. Arbeiten unter anderem: Leica, NJP, Renault, Médecins Sans Frontières, Garnier, Helly Hansen.