„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.“ Johannes 6,37 6 ZEUGEN JEHOVAS Zugegeben: Ein Großteil der Zeugen Jehovas ist - auf den ersten Blick - freundlich und wohl erzogen. Zumindest hier unterscheiden sie sich von vielen in diesem Buch beschriebenen Personengruppen. Trotzdem können auch die „Zeugen“ nerven, wollen sie doch - und das meist zu unchristlicher Zeit - missionieren. Ich für meinen Teil suche mir lieber die Kirche selbst aus, in die ich am Sonntag gehen möchte und lasse mir nicht vorschreiben, ob ich einer Partei eintrete oder meinen Geburtstag feiern will. Dazu bedarf es auch keiner kostenlosen Leseprobe des „Wachtturms“. Hinzu kommt, dass der wohl bekanntesten Sekte Deutschlands ein äußerst fragwürdiger Ruf vorauseilt. Immer wieder berichten Aussteiger von streng hierarchischen Strukturen und autoritären Erziehungsmethoden. Die Zeugen selbst nennen ihr Klinkenputzen und die Predigt des bevorstehenden Paradies’ auf Erden „Missionstätigkeit an der Haustür“. „Kostenloses Heimbibelstudium für Wohnungsinhaber“ Von ihrer Organisation losgeschickt, sollen die Zeugen ihr „Revier“ mit jeweils etwa 100 Wohnungen drei- bis sechsmal im Jahr „durcharbeiten“. Dass über die Besuche genau Buch geführt und Haus-zu-Haus-Notizen angefertigt werden, bestreiten die Zeugen Jehovas zwar, räumen aber ein: „Ob sich jemand über die Besuche persönliche Notizen macht, wie von uns angeregt, bleibt jedem selbst überlassen. Persönliche Notizen werden jedenfalls nicht der 96 Versammlung vorgelegt oder an Dritte weitergegeben.“ Weiter heißt es: „Um dem ausdrücklichen Wunsch von Wohnungsinhabern, nicht mehr besucht zu werden, entsprechen zu können, ist die Versammlung verpflichtet, Namen und Adressen dieser Personen zu vermerken.“ Auf meine Anfrage hin, wieso die Zeugen überhaupt Hausbesuche tätigen, heißt es wörtlich: „Dem Auftrag unseres Herrn Jesu Christus folgend (Matthäusevangelium Kapitel 24, Vers 14 und Kapitel 28, Vers 19,20) betrachtet es jeder Gläubige als seine persönliche Verpflichtung, das Evangelium - die gute Botschaft unseres Herrn – mit anderen zu teilen. Als Religionsgemeinschaft geben wir lediglich Hilfestellung bei der Organisation dieses Gottesdienstes.“ Noch etwas ausführlicher werden die Missionstätigkeiten im Internet beschrieben. Hier ein Auszug aus dem Kapitel „Wie Sie die gute Botschaft verkünden“: „Christen erhielten den Auftrag: ‚Macht Jünger aus Menschen aller Nationen.’ Das bedeutet aber nicht, dass sie Druck ausüben oder andere mit Gewalt bekehren sollten. Jesu Auftrag lautete, ‚den Sanftmütigen gute Botschaft kundzutun’, ‚die zu verbinden, die gebrochenen Herzens sind’, und ‚zu trösten alle Trauernden’ (Matthäus 28:19; Jesaja 61:1, 2; Lukas 4:18, 19). Jehovas Zeugen bemühen sich, dies zu tun, indem sie die in der Bibel dargelegte gute Botschaft verkündigen. Wie der Prophet Hesekiel in alter Zeit, so bemühen sich auch Jehovas Zeugen heute, diejenigen zu finden, die ‚seufzen und stöhnen über all die Abscheulichkeiten, die ... getan werden’ (Hesekiel 9:4). Die bekannteste Methode, die sie anwenden, „um diejenigen zu finden, die wegen der gegenwärtigen Verhältnisse bekümmert sind“, ist ihre Tätigkeit von Haus zu Haus. Auf diese Weise unternehmen sie positive Anstrengungen, um die Öffentlichkeit zu erreichen, geradeso wie Jesus es tat, als er ‚von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf zog, wobei er predigte und die gute Botschaft 97 vom Königreich Gottes verkündete’. Seine ersten Jünger gingen ebenso vor (Lukas 8:1; 9:1-6; 10:1 bis 9). Heute bemühen sich Jehovas Zeugen, wenn möglich, mehrmals im Jahr an jeder Haustür vorzusprechen und mit den Wohnungsinhabern ein paar Minuten über ein Thema von lokalem oder internationalem Interesse zu sprechen. Ein oder zwei Schriftstellen mögen besprochen werden, und wenn der Wohnungsinhaber Interesse zeigt, mag der Zeuge einen weiteren Besuch für eine passende Zeit vereinbaren, um das Gespräch fortzusetzen. Es werden Bibeln und bibelerklärende Schriften angeboten, und wenn der Wohnungsinhaber wünscht, wird kostenlos ein Heimbibelstudium durchgeführt. Millionen dieser nützlichen Bibelstudien werden in der ganzen Welt mit Einzelpersonen und Familien regelmäßig durchgeführt.“ (Zitatende) Die Zeitschrift „Der Wachtturm“ gilt als „Kanal oder als Sprachrohr Gottes“, durch das Jehova zu seinem Volk spricht. Zwar lesen Jehovas Zeugen auch die Bibel, doch sie lernen in ihrem Studium die Textteile anzuführen, die ihre Ansicht belegen. Mit so völlig aus dem Zusammenhang herausgelösten Texten, zudem in eigener Übersetzung, argumentieren sie dann an den Haustüren. Die Zeugen selbst bezeichnen die Bibel als „Gottes unfehlbares, inspiriertes Wort, worauf Jehovas Zeugen all ihre Lehren stützten.“ Einige Passagen der Bibel seien dabei wörtlich, andere symbolisch zu verstehen. Ansichtssache eben. Zur gleichen Zeit stirbt ein zehn Tage alter Säugling, obwohl die Ärzte es hätten verhindern können. Ein Blutaustausch nach der Geburt wäre lebensrettend gewesen. Doch die Eltern, aktive Zeugen Jehovas, lehnen die rettende Transfusion ab. Sie berufen sich auf die Lehre ihrer Sekte, wonach es Gottes Wille sei, von keinem Geschöpf das Blut zu genießen (3. Mose 17,14) oder - wie es in der Apostelgeschichte heißt - „sich von Blut enthalten“ müssen. Dabei sind diese Gebote nach Meinung von Religionsforschern aus Ehrfurcht vor dem Leben entstanden. „Wenn dieses Gebot eingesetzt wird, um lebenserhaltende Maßnahmen zu verhindern, 98 wird das Gebot Gottes in unerhörter Weise pervertiert“, stellt der österreichische Theologe Johannes Dantine dazu fest. Gegründet wurde die „Wachtturm-Gesellschaft“, die unter anderem auch als „Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, deutscher Zweig e.V.“; „Wachtturm-Gesellschaft“; „International Bible Students Association“ oder „Watchtower Bible and Tract Society of New York Inc.“ firmiert, 1881 von Charles Taze Russel (1853 bis 1903). 1931 erhielt sie den Namen „Jehovas Zeugen“, die Zentrale befindet sich im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Im deutschen Zentrum in Selters/Taunus leben und arbeiten mehr als 1.000 Menschen. Insgesamt gibt es laut „Wikipedia“ etwa 6,4 Millionen Zeugen weltweit, allein in Deutschland, so die Zeugen auf Anfrage, sind rund 165.000 Verkünder tätig. „Die Anzahl der Mitglieder und mit uns Verbundenen liegt gegenwärtig bei 220.000.“ Die „Leitende Körperschaft“ als Leitungsgremium der Religionsgemeinschaft legt die gültige Lehre fest. Das Selbstverständnis der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas ist in ihrer Literatur unmissverständlich dokumentiert. Sie selbst sagt, sie sei von Gottes heiligem Geist gesalbt und geleitet. Dabei erhebt sie keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit. Es wird jedoch von jedem Zeugen Jehovas erwartet, diese Lehre als für die Religionsgemeinschaft gültig anzuerkennen und nicht durch Wort oder Tat abweichende Lehren zu verbreiten oder zu unterstützen. Selbst Kinder dürfen ihren Geburtstag nicht feiern Rückfragen und begründete Zweifel einzelner Zeugen Jehovas sowie neue Informationen zu einzelnen Sachgebieten dienen dabei als Anstöße für die leitende Körperschaft, um die Lehre immer wieder neu anhand der Bibel zu überprüfen. Die leitende Körperschaft nimmt diese Überprüfungen in begründeten Fällen zum Anlass, einzelne Lehrpunkte zu ändern, die dann sogar im „Wachtturm“ als „Fragen von Lesern“ veröffentlicht werden. 99 Angebetet wird „der allmächtige und ewige Gott“ Jehova. Nach dem Bibelverständnis der Zeugen Jehovas habe er die Welt und das Leben im Himmel und auf der Erde erschaffen. Seine wichtigsten Haupteigenschaften seien Liebe, Gerechtigkeit, Macht und Weisheit, wobei die Liebe herausrage und all sein Handeln bestimme. Jehova sei ein unsichtbarer Geist, der unabhängig vom Menschen lebe und persönliches Interesse an jedem Menschen auf der Erde habe. Die Zeugen Jehovas lehnen die Lehre der Dreifaltigkeit ab. Sie sind der Auffassung, dass es keine Verse in der Bibel gebe, die bei korrekter Übersetzung und Auslegung die Lehre stützten. Die Ablehnung der Lehre der Dreieinigkeit ist einer der Haupteckpfeiler ihres Dogmas und unterscheidet sie grundlegend von den meisten anderen christlichen Konfessionen. Der Pädagoge und Publizist Kurt-Helmuth Eimuth hat sich intensiv mit den Geheimnissen der Zeugen beschäftigt: „Sie bleiben in der Regel unter sich. Ihr ganzes Tun ist auf die Verkündigung ihrer Lehre ausgerichtet. Im sogenannten Predigtdienst stehen sie an Plätzen und in Fußgängerzonen, um ihre Zeitschrift, den ‚Wachtturm’, abzugeben, oder sie gehen von Tür zu Tür, um zu missionieren. Fünf mal die Woche treffen sie sich zur Unterweisung. Das Verhalten, ob in Kindergarten, Schule, Beruf oder Freizeit, wird von klein auf von der Organisation bestimmt. Selbst Kindergartenkinder dürfen ihren Geburtstag nicht feiern, da Gott nicht gewollt habe, dass man sich selbst in den Mittelpunkt stelle. Eine Mitgliedschaft in Parteien, Gewerkschaften, Verbänden oder Vereinen ist nicht gestattet.“ Die Zeugen Jehovas sind davon überzeugt, dass die Endzeit bereits angebrochen ist. Christus habe 1914 den himmlischen Thron bestiegen und seine Herrschaft über die Erde angetreten. Dieses müsse jetzt allen Menschen verkündet werden, denn die Menschheitsgeschichte gehe zu Ende. Schon bald müssten sich die Menschen verantworten: Wer nicht auf der Seite Jehovas steht, wird im Endgericht vernichtet werden. 100