Leishmaniose – ein Steckbrief

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SGAIM
Leishmaniose – ein Steckbrief
Eine tropische Krankheit, die auch in Europa relevanter wird
Anhand eines aktuellen Falles erinnerte Prof. Stefano Bassetti, Universitätsspital
Basel, im Rahmen der Frühjahrstagung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) an die Leishmaniose. Welche Symptome und vor allem
anamnestische Faktoren sollten zu einer diesbezüglichen Abklärung führen – und
welche diagnostischen Mittel stehen zur Verfügung?
Von asymptomatisch bis Kala-Azar
Die Leishmaniose ist eine durch weibliche Sandmücken
übertragene Krankheit mit den parasitären Protozoen
Leishmania spp. als Erreger. Ihr Zyklus kann sowohl zoonotisch (nur unter Tieren) als auch anthroponotisch (mit
Menschen als Reservoir) sein.
Ihre klinischen Manifestationen hängen von zwei Faktoren ab: Die Leishmanienspezies ist dabei ebenso von Bedeutung wie die zellvermittelte Immunität des Patienten.
Die Bandbreite geht dabei von einer asymptomatischen
Infektion über eine kutane oder mukokutane Infektion
bis zur viszeralen Leishmaniose, auch bekannt als KalaAzar, am anderen Ende des Spektrums.
Bei der viszeralen Leishmaniose beträgt die Inkubationszeit normalerweise zwei bis sechs Monate, kann in Extremfällen aber auch zwischen lediglich zehn Tagen und
einem ganzen Jahr variieren. Typische Symptome dieser
Form sind Fieber, Gewichtsverlust und eine Panzytopenie
mit Abnahme der Zellzahlen in allen drei Zellreihen der
Blutbildung sowie eine gleichzeitige Hepatosplenomgalie. Das kann zu Multiorganversagen, Blutungen, Infektionen und «Wasting» und, ohne Behandlung, auch zum
Tod führen. Betroffen sind überwiegend Kinder, und
mehr als 90 Prozent der Erkrankten kommen aus einem
der fünf Länder: Indien, Bangladesch, Sudan, Äthiopien
oder Brasilien.
Bei der kutanen Leishmaniose manifestiert sich die
Krankheit zuerst in den Gefässen, geht dann in Knoten
über und wird letzten Endes zu nicht heilenden, chronischen Ulzerationen. Diese können über Monate oder gar
Jahre bestehen bleiben, ausserdem auch disseminieren
und zu entstellenden Narben führen. Diese Form der
ÜBERTRAGUNG DER LEISHMANIOSE
Weibliche Sandmücken übertragen die Leishmanien als Promastigoten, diese befallen
die Makrophagen, phagozytieren die Zellen und verwandeln sich dann in Amastigoten.
Der Zyklus setzt sich bei erneutem Stich durch eine Sandmücke fort (siehe Abbildung 1).
93 verschiedene Spezies von Sandmücken als Überträger der Leishmaniose sind bekannt,
bei uns kommt nur die nachtaktive Gattung Phlebotomus vor, welche sich durch zum
Abdomen angewinkelte Flügel von normalen Mücken unterscheiden lässt (siehe Abbildung 2). Von den 20 verschiedenen Leishmanienspezies sind in Europa zwei endemisch
beheimatet. Leishmania infantum ist im Mittelmeerraum zu Hause, kann sowohl viszerale
als auch kutane Leishmaniose übertragen und hat einen zoonotischen Zyklus mit Hunden
als wichtigem Reservoir, was für die Veterinärmedizin von grosser Bedeutung ist.
Leishmania tropica verursacht anthroponotische kutane Leishmaniose und kommt vor
allem in Griechenland und benachbarten Ländern vor.
Bild: CDC/Wikimedia Commons
Zwar sind die Hauptverbreitungsgebiete der Leishmaniose vor allem Südostasien, Ostafrika, Mittel- und Südamerika, mittlerweile ist die Krankheit aber auch in vielen mediterranen Ländern endemisch. Zudem gibt es in
der Literatur Hinweise darauf, dass sie sich nach Norden
ausbreitet. Der Überträger, die Sandmücke Phlebotomus
perniciosus, ist bereits in der Schweiz und in Deutschland
vorhanden, ebenso sind Reservoire für die Krankheit gegeben: Viele Reisende nehmen ihre Hunde mit, die sich
dann im Mittelmeerraum exponieren, und umgekehrt
werden viele Hunde aus dem Mittelmeerraum importiert.
Von 183 an Leishmaniose erkrankten Hunden, die in
Grossbritannien untersucht wurden (wo die Krankheit
nicht endemisch vorkommt), kam mehr als die Hälfte aus
Spanien und der Rest aus weiteren Risikogebieten in Südeuropa. Auch wegen der grossen Zahl an Flüchtlingen, die
über den Mittelmeerraum nach Zentraleuropa kommt,
sollte man bei uns mit vermehrten Leishmaniosefällen
rechnen und bei entsprechenden Symptomen daran denken, erinnerte Bassetti.
Abbildung 1
CongressSelection Hausarztmedizin • September 2016 • 11
SGAIM
Bild: Acarologiste/
Wikimedia Commons
Krankheit kommt vor allem im Mittelmeerraum, in Südamerika und Westasien vor. 75 Prozent aller Fälle finden
sich in drei Ländern: Brasilien, Syrien und Afghanistan.
Methoden der Diagnose
Abbildung 2: Phlebotomus
Die Serologien haben eine hohe Sensitivität, aber eine
niedrige Spezifität, besonders bei Patienten in oder aus
Endemiegebieten, so der Experte. Verantwortlich dafür
sei unter anderem, dass auch asymptomatische Patienten
diagnostiziert werden, Kreuzreaktionen mit Malaria auftreten können und dass ehemalig Erkrankte für Jahre
nach der Behandlung noch positiv blieben.
Zum Nachweis einer viszeralen Leishmaniose ist die
Knochenmarkaspiration die Methode der Wahl. Mittels
Mikroskopie wird die amastigote Form der Protozoen im
Menschen gesucht. In reicheren Ländern wird dazu die
PCR verwendet. Je erfahrener der Untersucher ist und je
mehr Zeit er für seine Untersuchung hat, desto höher ist
die Sensitivität der Mikroskopie der Knochenmarkausstriche. Die grösste Sensitivität hat die Milzaspiration
(96%), allerdings birgt diese das Risiko von fatalen Blutungen. Bei der kutanen Leishmaniose wird eine Hautbiopsie gemacht, bei der ebenfalls mittels PCR oder
Mikroskopie Leishmanien gesucht werden.
Zur Therapie wird bei uns am häufigsten liposomales
Amphotericin B eingesetzt, so Bassetti abschliessend.
Jakob Mücke
Quelle: «Interactive Clinical Pearl», Vortrag von Stefano Bassetti im Rahmen der 1. Frühjahrsversammlung der SGAIM am 27. Mai 2016 in Basel.
KONGRESSNOTIZEN
Mehr adäquat behandelte Hypertoniker bei Berücksichtigung
der Risikokonstellation
Verschiedene frühere Studien legen nahe, dass
bis zu 60 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Hypertonie (BD ≥ 140/90 mmHg)
keine adäquate medikamentöse Therapie erhalten, also in eine Lücke zwischen wissenschaftlicher Evidenz und tatsächlicher Betreuung geraten. Die derzeit gültigen Guidelines
der European Society of Cardiology (ESC) halten zwar auch an der Schwelle von 140/90
mmHg fest, raten aber auch zur Berücksichtigung weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren, das heisst des individuellen Risikoprofils.
Ausgehend von der Hypothese, dass die Berücksichtigung der individuellen Risikokonstellation die Zahl der Patienten in der Grundversorgung reduzieren würde, die eine
ungenügende Therapie erhalten, untersuchten
Stefan Zechmann und Mitautoren vom Institut
für Hausarztmedizin der Universität Zürich in
einer Querschnittstudie die elektronischen Patientendossiers von Schweizer Patienten in
der Grundversorgung.
Sie identifizierten 22 434 Patienten mit Hypertonie im mittleren Alter von 66,4 ± 15,6 Jahren.
Diese hatten durchschnittlich 3,3 chronische
Begleiterkrankungen, nahmen durchschnittlich 1,1 Antihypertensiva sowie 5,9 andere
Arten von Medikamenten ein. Unter alleiniger
Berücksichtigung der BD-Schwelle von 140/90
mmHg qualifizierten 72,7 Prozent aller Individuen für eine antihypertensive Therapie, hingegen nur 44,6 Prozent nach Adjustierung für
PREISWÜRDIG
Auch an der diesjährigen SGAIM-Tagung wurden wieder etliche Preise verliehen, unter anderem der wissenschaftliche SGAIM-Preis für die beste Originalarbeit an Manuel Blum und seine Arbeitsgruppe für ihre Arbeit «Subclinical Thyroid Dysfunction and Fracture Risk». Die Preise für die besten freien
Mitteilungen gingen an Alexandra Mathis (3. Preis für «Elevated HbA1c is associated with an increased mortality but not with recurrent venous thromboembolism – The «Sweetco-Study», a Switco 65+ subproject.»), Sabrina Natalie Jegerlehner (2. Preis für «Secular trends in thyroid cancer: indirect
evidence of overdiagnosis and overtreatment?») sowie Nathalie Wenger
(1. Preis für « Quantitative and objective assessment of resident’s workday
organization: the Medical Day study») (von links nach rechts).
Mü
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kardiovaskuläre Risikofaktoren. Dies bedeutete, dass auf Basis BD-Schwelle 23,0 Prozent
nicht adäquat behandelt worden wären, bei
risikoadjustiertem Vorgehen hingegen nur
10,3 Prozent. Die von den Guidelines empfohlene Berücksichtigung der kardiovaskulären
Risikofaktoren führt somit zu einer substanziellen Reduktion der Lücke zwischen Evidenz
und Performance, weitere Reduktionen
müsste auch die Berücksichtigung von Begleiterkrankungen bewirken, resümierte Zechmann.
red.
Quelle: Freie Mitteilung FM272. 1. Frühjahrsversammlung
der SGAIM, 26. Mai 2016 in Basel.
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