Ku rd i s t a n h a t e i n e G e s c h i c h t e Die 20-25 Millionen Kurden bilden das größte Volk ohne eigenen Staat. Während ihrer Zugehörigkeit zum Osmanischen und später auch zum Persischen Reich reichte die kurdische Souveränität nicht über die einzelnen Fürstentümer hin- K P aus. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches 1918 erstreckt sich das von Kurden bewohnte Gebiet heute in Gebiete der Staaten Türkei, Iran, Irak, Syrien und die Kaukasusrepubliken der ehemaligen Sowjetunion. Auch die Zeit der Umbrüche nach den beiden Weltkriegen änderte nichts am Status der „staatenlosen Kurden“. Das den Kurden 1920 im Vertrag von Sèvres zugestandene Recht auf Eigenstaatlichkeit wurde bereits drei Jahre später, 1923, mit dem Vertrag von Lausanne und der Grün- dung der türkischen Republik durch Kemal Atatürk wieder verworfen, noch ehe es umgesetzt war. Auch die 1946 im Norden des Iran aus einem politischen Vakuum heraus proklamierte „Republik von Mahabad“ unter Quazi Muhammad wurde nur wenige Monate später vom iranischen Schah besetzt und aufgelöst. P K K – s e i t wa n n ? Die Arbeiterpartei Kurdistans wurde im November 1978 in der Türkei gegründet. Eines der Gründungsmitglieder war Abdullah ÖCALAN, der seither als Generalsekretär an der Spitze der Partei steht. Die PKK ist eine straff organisierte und zentralistisch geführte Kaderorganisation, die von ÖCALAN, der auch „Apo“ genannt wird, mit diktatorischer Härte und in autoritärem Stil geleitet wird. Programmatisches Ziel der Organisation war zunächst die Errichtung eines sozialistischen kurdischen Nationalstaates auf türkischem Staatsgebiet unter ihrer alleinigen Führung. Zur Erreichung dieses Zieles befürwortet und betreibt sie den bewaffneten Kampf und erachtet die Anwendung sog. revolutionärer Gewalt in ihren eigenen Reihen wie nach außen als legitim. Inzwischen hat ÖCALAN öffentlich erklärt, die PKK beabsichtige, anders als in den letzten Jahren nach der K K Parteigründung proklamiert, kein unabhängiges Kurdistan mehr, sondern lediglich die Gründung einer Föderation auf türkischem Territorium nach bundesrepublikanischem Vorbild, in der die kurdische Identität gewahrt werde. Seit August 1984 führt sie im Südosten der Türkei einen Guerilla-Krieg gegen den türkischen Staat. Nach dem Militärputsch in der Türkei im September 1980 nahmen der Generalsekretär ÖCALAN und das Zentralkomitee der Gesamtpartei ihren Sitz in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Die Partei richtete im Irak, in Syrien und im Libanon Ausbildungs- und Basislager ein. Schon in der ersten Hälfte des Jahres 1980 begann die PKK mit dem Aufbau von Auslandsorganisationen. Einen Schwerpunkt ihrer Auslandstätigkeit bildeten die westeuropäischen Staaten. Unter diesen kommt seit jeher der Bundesrepublik Deutschland besondere Bedeutung zu, weil hier etwa 500.000 Kurden leben. P K K – S t r u k t u r u n d O rg a n i s a t i o n Die PKK verfügt über zwei internationale Teilorganisationen, die auf unterschiedliche Art und Weise nach außen aktiv werden. Die ARGK („Volksbefreiungsarmee Kurdistans“) führt als militärischer Arm den bewaffneten Kampf in der Türkei. In Europa tritt die PKK nicht offiziell als Organisation in Erscheinung. Hier wird sie durch die ERNK („Nationale Befreiungsfront Kurdistans“) aktiv, insbesondere durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Propagandatätigkeit. Die Hierarchie der PKK umfaßt als höchstes Organ den Generalvorsitzenden Abdullah ÖCALAN, das unter seiner Leitung arbeitende Politbüro sowie das Zentralkomitee (ZK) und die darunter angesiedelten Räte für die Türkei, Kurdistan und Europa. Die oberste Führungsebene in Europa ist die „Europäische Frontzentrale“ (ACM). Unterhalb dieser gliedert sich die PKK auf Länderebene in Regionen, Gebiete und Teilgebiete/Räume auf. Die Bundesrepublik Deutschland ist in mindestens acht Regionen und unterhalb dieser in mindestens 31 Gebiete aufgeteilt. Die jeweiligen Organisationseinheiten werden von Funktionären geleitet: Regionsleiter, Gebietsleiter, Teilgebietsleiter, Stadtverantwortliche. Die Funktionsträger der PKK werden nach einem „Rotationsprinzip“ alle 46 Wochen ausgewechselt, um bei den Sicherheitsbehörden unerkannt zu bleiben; außerdem verhindert ÖCALAN dadurch stabile Machtpositionen anderer Funktionäre. In der Mehrzahl sind die Funktionäre bei ihren kurdischen Landsleuten nur mit ihren Vornamen oder Pseudonymen bekannt. Für alle gilt das Prinzip des unbedingten Gehorsams gegenüber dem nächsthöheren Gremium sowie die ständige Berichtspflicht, Pflicht zur Rechenschaft und Selbstkritik. Den Weisungen des Generalvorsitzenden Abdullah ÖCALAN hat sich die Gesamtpartei zu fügen. P Er ist unumschränkter Führer der PKK. Die Zahl der PKK-Mitglieder und mobilisierbaren Anhänger wird in Hessen auf etwa 2.000 Personen geschätzt. Bundesweit ist von einem Mobilisierungspotential von einem Zehntel der in Deutschland lebenden Kurden, also ca. 50.000 Personen, auszugehen. Kurdenpolitik in der Türkei Die Türkische Regierung beantwortet den seit 1984 geführten Guerillakrieg mit militärischen Gegenaktionen. Über 10 Provinzen in Südost- und Ostanatolien wurde der Ausnahmezustand verhängt. In diesen Regionen kann der Einzelne bis zu 30 Tagen ohne Rechtsbeistand in Unterbindungshaft genommen werden. Ein Großteil der Verwaltungsgerichte in Hessen bezeichnet die Situation in den Ausnahmeprovinzen als bürgerkriegsähnlichen Zustand. Seit 1984 sind ca. 3.000 Kurdendörfer vernichtet worden, und es gab etwa 25.000 Todesopfer. Kurdisch darf bis heute trotz Aufhebung der Sprachverbotsregelung nicht in den Schulen gesprochen werden. Politische Betätigung wird auch nach der Liberalisierung des Artikel 8 Antiterrorgesetz als Separatismus strafrechtlich hart verfolgt. E i n Ve r b o t m i t Fo l g e n Mit zunehmender Dauer des Konflikts zeigt die PKK in Deutschland eine im Laufe der Jahre deutlich zunehmende Gewaltbereitschaft. Die massiven Protest- und Propagandaaktivitäten hatten immer nur vorübergehende öffentliche Aufmerksamkeit erregt, ohne daß es in der bundesrepublikanischen Außenpolitik und als Konsequenz K K daraus in der türkischen Innenpolitik zu Veränderungen kam. Die militanten Aktionen der PKK führten zu einer deutlichen Beeinträchtigung deutscher Sicherheitsinteressen. Zu den herausragenden Aktionen vor dem Verbot sind die europaweiten Gewaltanschläge gegen türkische Einrichtungen am 24. Juni und 4. November 1993 zu zählen. Am 24. Juni 1993 sind in mehr als 20 deutschen Städten durch PKK-Aktivisten Anschläge gegen türkische Banken und Reisebüros, diplomatische Vertretungen sowie Filialen der staatlichen türkischen Luftfahrtgesellschaft „Turkish Airlines“ verübt worden, wobei erheblicher Sachschaden entstand. Außerdem überfielen Anhänger der PKK das türkische Generalkonsulat in München und nahmen 20 Personen als Geiseln, um eine öffentliche Erklärung des Bundeskanzlers zugungsten der „kurdischen Sache“ zu erpressen. Die Geiselnehmer drohten mit der Sprengung des Gebäudes, gaben nach 14 Stunden aber freiwillig auf. Tatsächlich hatten sie weder Sprengstoff noch scharfe Schußwaffen bei sich. Am 4. November 1993 verübten mutmaßliche PKKAktivisten in etwa 30 Städten nahezu zeitgleich Anschläge auf türkische Einrichtungen. Die Sachschäden waren beträchtlich. Der folgenschwerste Anschlag ereignete sich in Hessen, wo bei einem Brandanschlag auf eine türkische Gaststätte in Wiesbaden eine Person ums Leben kam. Weitere Personen wurden teilweise schwer verletzt. Die gewalttätigen Aktionen, die erheblich die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten und zudem das deutsch-türkische Verhältnis schwer belasteten, führten zum Verbot der PKK. K P P K K- L a g e „ d a n a c h “ Die Wirkungslosigkeit des Betätigungsverbotes wird schon dadurch deutlich, daß die Mitglieder und Anhänger der PKK ihre Aktionen erwartungsgemäß fortsetzten, um die Kurdenproblematik im Bewußtsein der Allgemeinheit zu halten. Einerseits setzten sie auf öffentlichkeitswirksa- me, groß angelegte Veranstaltungen, bei denen sie versuchen, gewaltsam ihre verbotenen Symbole zu zeigen, um die Handlungsfähigkeit der Partei unter Beweis zu stellen, andererseits werben sie auf gewaltfreie Weise für ihre Ziele. Das Verbot hat dazu beigetragen, den Bekanntheitsgrad der Organisation zu steigern und die Zahl der Mitglieder zu erhöhen. Das Geld und die PKK Die PKK deckt ihren enormen Geldbedarf zur Finanzierung des „Befreiungskampfes in Kurdistan“ im wesent- lichen durch Mitgliedsbeiträge, Einnahmen aus dem Verkauf von Publikationen, aber auch durch Spendengelderpressungen. Vor allem in Deutschland werden zur Finanzierung der Organisation und ihrer Tätigkeit „Spenden“ gesammelt. Neben der Versorgung und Ausrüstung der Guerillakämpfer benötigt die PKK das Geld sowohl für die Unterhaltung ihrer Stützpunkte im Nahen Osten als auch für den Parteiapparat in Europa. Entgegen den Beteuerungen offizieller PKK-Sprecher ist davon auszugehen, daß auch unter Androhung von Gewalt Gelder von kurdischen Landsleuten erpreßt werden. K K Dialog möglich? Nach wie vor geht von der PKK eine Bedrohung für die innere Sicherheit in Deutschland aus. Die Partei verfolgt konsequent ihre Ziele unter Einsatz aller ihr geeignet erscheinenden Mittel. Friedliche Aktivitäten gehören ebenso zu ihrem Handlungsrepertoire wie gewaltsame. Die unterschiedlichen Aussagen ÖCALANs in diesem Jahr deuten auf die schon seit Jahren verfolgte Doppelstrategie der PKK hin. Im März 1996 hatte ÖCALAN massiv mit Terror und Selbstmordkommandos in Deutschland gedroht. In jüngsten Äußerungen betonte ÖCALAN, die PKK werde zukünftig in Deutschland auf Gewalt verzichten. Er räumte Fehler ein und sagte, daß sich die Kurden an die deutschen Gesetze halten müßten. ÖCALAN zeigt sich weiterhin gesprächsbereit und fordert den politischen Dialog. Es bleibt abzuwarten, insbesondere angesichts der ungeklärten innenpolitischen Lage in der Türkei, ob der kurdisch-türkische Konflikt noch weiter eskalieren oder ob er einer friedlichen politischen Lösung zugeführt wird. Herausgeber: Hessisches Ministerium des Innern und für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Friedrich - Ebert - Allee 12 65185 Wiesbaden Gestaltung: Studio R. Zerawy AGD 65329 Hohenstein Druck: Gustav Schmidt GmbH 65453 Ginsheim/Gustavsburg Gedruckt auf Recycling-Papier August 1996 Weitere Informationen bekommen Sie direkt beim Landesamt für Verfassungsschutz Hessen Telefon 06 11/ 72 01 32 Welfenstraße 3a 65189 Wiesbaden Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerberinnen, Wahlbewerbern oder Wahlhelferinnen, Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen. Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Die genannten Beschränkungen gelten unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Druckschrift der Empfängerin, dem Empfänger zugegangen ist. Den Parteien ist es jedoch gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitlieder zu verwenden. EINSATZ FÜR SICHERHEIT LANDESAMT FÜR VERFASSUNGSSCHUTZ HESSEN K K P