2. Monetarisierung von Umweltschäden – Möglichkeiten und Grenzen 1. Umweltprobleme in der Marktwirtschaft 2. Monetarisierung von Umweltschäden 2.1 Wert der Umwelt 2.2 Monetarisierbarkeit von Umweltleistungen? 2.3 Monetarisierungsverfahren 2.3.1 indirekte Verfahren 2.3.2 direkte Verfahren Literatur: Zum Wert der Umwelt: Krol, G.-J., Karpe, J. (1999): Ökonomische Aspekte von Nachhaltigkeit: Die Umweltproblematik aus sozioökonomischer Sicht. Münster. S. 29-33. Einführend zu den indirekten Verfahren: Rennings, A. (1994): Indikatoren für eine dauerhaft umweltgerechte Entwicklung, Stuttgart. S. 55-66. [umfassend: Endres, A. (1998): Die Bewertung von Umweltschäden. Stuttgart.] Zu den direkten Verfahren: Söllner, F. (1997): Die Divergenz zwischen Zahlungsund Akzeptanzbereitschaft bei der Bewertung von Umweltgütern, in: Konjunkturpolitik, H.1, 1997, S. 43-81. Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.1 Wert der Umwelt Wert der Umwelt Nicht-Nutzerwerte Nutzerwerte Direkte Nutzungswerte Indirekte Nutzungswerte Optionswerte Vermächtniswerte Gesellschaftliche Opportunitätskosten Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) Existenzwerte 2.2 Monetarisierbarkeit von Umweltleistungen? Prinzipielle Grenzen der Monetarisierung 1. Nicht-Substituierbarkeit „Im „ImReich Reichder derZwecke Zweckehat hatalles allesentweder entwedereinen einenPreis Preisoder odereine eine Würde. Würde.Was Waseinen einenPreis Preishat, hat,an andessen dessenStelle Stellekann kannauch auchetwas etwas anderes anderesals alsÄquivalent Äquivalentgesetzt gesetztwerden; werden;was wasdagegen dagegenüber überallen allen Preis Preiserhaben erhabenist, ist,mithin mithinkein keinÄquivalent Äquivalentverstattet, verstattet,das dashat hateine eine Würde“ Würde“(Kant) (Kant) .. Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2 Monetarisierbarkeit von Umweltleistungen? Nicht-Substituierbarkeit Secondary Values Primary Values Funktionsfähigkeit des Ökosystems Exportleistungen des Ökosystems für die Gesellschaft Monetäre Bewertung sinnvoll beim Austausch marginaler Mengen 3 Liter Wasser 1 Brot Monetäre Bewertung nichtmarginaler Einheiten problematisch Alles Wasser X Brote Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2 Monetarisierbarkeit von Umweltleistungen? 2. Lexikographische Präferenzen Hierarchisch strukturierte Präferenzordnungen Individuen weigern sich bestimmte Güter (Umweltgüter) in Geldeinheiten zu bewerten Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2 Prinzipielle Grenzen der Monetarisierung 3. „Bewerter nicht anwesend“ (Hampicke) Zukünftige Generationen können ihre Präferenzen nicht artikulieren Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2 Monetarisierung von Umweltleistungen? Gründe für eine Monetarisierung von Umweltleistungen 1. Transparenz über den Nutzen von Umweltschutz 2. Umweltprobleme und Massenkommunikation 3. Werte, Preise und Umgang mit Wertvollem 4. Verwendung knapper öffentlicher Mittel 5. Voraussetzung für die Internalisierung Umweltschäden 6. Verbesserung der Aussagefähigkeit des BIP Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2 Monetarisierungsverfahren Monetarisierungsverfahren 2.2.2 Direkte Verfahren 2.2.1 Indirekte Verfahren 1. Kontingente Bewertungsmethode 1. Unternehmensrechnungsdaten [2. Marktsimulation] 2. Vermeidungskostenansatz 3. Transportkostenansatz 4. Hedonischer Preisansatz Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren 1. Unternehmensrechnungsdaten Qualität von Umweltgütern hat Einfluss auf die Produktion Verschlechterung der Umweltqualität Anstieg der Produktionsgrenzkosten a) Gewinnänderung? Wohlfahrtsänderungen? Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) b) Kostenänderung? 2.2.1 Indirekte Verfahren Wohlfahrtsänderungen Preis A1 C P1 P0 D A0 E B N Wohlfahrtsverlust A X0 X1 Wohlfahrt vor Verschlechterung der Angebotsbedingungen: ABC Produzentenrente: ABP0; Konsumentenrente: P0BC Wohlfahrt nach Verschlechterung der Angebotsbedingungen: DEC Produzentenrente: DEP1; Konsumentenrente:P1EC Wohlfahrtsverlust: ABC – DEC = ABED Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) Menge 2.2.1 Indirekte Verfahren a) Gewinnänderung Preis A1 Unterschätzung des Wohlfahrtsverlustes C P1 P0 D A0 E B N A X0 Gewinnänderung: Änderung der Produzentenrente: ABP0 – DEP1 Änderung der Konsumentenrente (P0BEP1) wird nicht erfasst! Unterschätzung des Wohlfahrtsverlustes in Höhe der entgangenen Konsumentenrente Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) Menge 2.2.1 Indirekte Verfahren b) Fiktive Kostenerhöhungen Preis Überschätzung des Wohlfahrtsverlustes A1 C A0 F P1 Wohlfahrtsverlust E P0 D B N A 0 X1 X0 Kostenerhöhung bei konstant gehaltener Produktionsmenge (X0): ABFD Überschätzung des Wohlfahrtsverlustes: EFB Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren 2. Vermeidungskostenansatz Individuen und Institutionen nehmen Schäden nicht einfach hin Schadensvermeidungs- und Reparaturaktivitäten Kosten Wert der Schäden ist mindestens so hoch wie die freiwillig getätigten Kosten Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren Vermeidungskostenansatz: Beispiele Vermeidungskosten Umweltschäden Investitionskosten für Trinkwasseraufbereitung Kosten der Grundwasserbelastung Kosten für bestimmte Medikamente Gesundheitsschäden Kosten für Doppelverglasung, Schutzbepflanzungen, Erdaufschüttungen etc. Verkehrslärmkosten Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren Vermeidungskostenansatz: Probleme a) Anpassungsfunktionen erfüllen i.d.R. auch andere Zwecke b) Restschäden c) Fehlen von Umweltinvestitionen ≠ Fehlen von Umweltschädigungen d) Identität von Preis und maximaler Zahlungsbereitschaft nur für die letzte gekaufte Einheit Umweltqualität Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren Vermeidungskostenansatz: Probleme Zu d) Preis B Konsumentenrente Vermeidungsaufwendungen P* A Nachfrage nach Umweltschutz 0 X* Umweltschutzaktivitäten/ Umweltqualitätsverbesserungen Wertschätzung gemessen an der Zahlungsbereitschaft: Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) + [0X*AB] 2.2.1 Indirekte Verfahren 3. Reisekostenansatz Individuen nehmen Aufwendungen wie Reisekosten in Kauf, um Umweltgüter zu nutzen „Bruttonutzen“ des Umweltgutes muss mindestens so hoch sein wie die Reisekosten Wert des Umweltgutes entspricht der Differenz aus „Bruttonutzen“ und Reisekosten Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren Fiktiver Eintrittspreis Nachfrage: Marginale Zahlungsbereitschaft nach Abzug der Reisekosten Wert der Sehenswürdigkeit Besuche Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren Reisekostenansatz: Einzugsbereich einer Sehenswürdigkeit Sehenswürdigkeit I II III Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren Reisekostenansatz: Vorgehensweise 1. Ermittlung der Reisekosten pro Besuch in Abhängigkeit von der Region Je weiter entfernt die Region, desto größer die Reisekosten pro Besucher 2. Befragung der Besucher und Ermittlung der Besucherzahl pro Jahr in Abhängigkeit der Region Je weiter entfernt die Region, desto weniger Besuche pro 1000 Einwohner 3. Ermittlung der Beziehung zwischen Kosten pro Besuch und Besuchern pro 1000 Einwohnern Es kann festgestellt werden, wie Besucher auf Kostenerhöhungen wie Eintrittspreise reagieren 4. Ermittlung einer Nachfragefunktion bei fiktiven Eintrittspreisen um die Zahlungsbereitschaft für die Sehenswürdigkeit zu ermitteln Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren Reisekostenansatz: Probleme Reise möglicherweise auch zu anderen Zwecken wie Einkauf, Bekanntentreff etc.. Opportunitätskosten der Reisezeit? Reise mit Mühen verbunden oder bereits Vergnügen? Ausweichmöglichkeiten auf andere Erholungsgebiete möglich. Nicht-Nutzerwerte können nicht erfasst werden Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren 4. Hedonische Preisansatz Individuen zahlen für Güter mit unterschiedlicher Umweltqualität (z.B. Lage von Immobilien) unterschiedliche Preise (z.B. Immobilienpreise, Mieten) Preisdifferenzen Wert der Umweltqualität Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.1 Indirekte Verfahren Hedonischer Preisansatz Immobilienpreise P2 P1 ∆P UQ1 UQ2 Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) Umweltqualität 2.2.1 Indirekte Verfahren Hedonischer Preisansatz: Probleme Mobilitätshindernisse Verzerrungen der Immobilien- und Mietpreise durch staatliche Regulierungen Ubiquitär auftretende Veränderungen können nicht erfasst werden (Klimaänderungen, Ozonloch etc.) Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.2 Direkte Verfahren 1. Kontingente Bewertungsmethode Direkte Abfragung der Zahlungsbereitschaft oder Kompensationsforderung für eine Veränderung der Umweltqualität Vorteile: Universelle Anwendbarkeit (Luftqualität, Wert von Naturschutzgebieten) Erfassbarkeit von Nichtnutzerwerten Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.2 Direkte Verfahren Kontingente Bewertungsmethode Vorgehensweise bei Befragungen: a) Definition des zu bewertenden Gutes b) Erläuterung des Zahlungsmechanismus c) Frage nach der Zahlungsbereitschaft Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.2 Direkte Verfahren Befragungen Zwei Formen... „willingness to pay (wtp)“: „Wie viel wären Sie höchstens bereit zu zahlen, um in den Genuss dieser Verbesserung zu kommen?“ „willingness to accept wta“ / willingness to sell (wts) „Wie viel würden Sie mindestens verlangen um auf diese Verbesserung zu verzichten?“ Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.2 Direkte Verfahren ...unterschiedliche Ergebnisse CV-Studie Umweltgut WTA / WTP Hammack und Brown(1974) Jagdrechte (Wasservögel) 4,2 Sinclair (1976) Fischbestände 2,8 Bishop und Heberlein (1979) Jagdrechte (Gänse) 4,8 Brookshire, Randall und Stoll (1980) Jagdrechte (Elche) 1,6-6,5 Rowe, d‘Arge und Brookshire (1980) Luftqualität 5,2-16,5 Bishop, Heberlein und Kealy (1983) Jagdrechte (Gänse) 4,8-6,2 Bishop und Heberlein (1986) Jagdrechte (Hirsche) 20,8 Hanley (1988) Luftqualität 1,8 Bishop und Hederlein (1990) Jagdrechte (Hirsche) 12-26 Quelle: Söllner, F. (1998), S. 45. Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.2 Direkte Verfahren Wie sind Diskrepanzen zwischen WTP und WTA zu erklären? 1. Diskrepanzen real? a) Budgetbeschränkungen WTP begrenzt durch das vorhandene Einkommen und Vermögen Einwand: Einkommens und Vermögensgrenzen werden in Studien nicht erreicht und können Unterschiede von WTA und WTP in den Studien nicht erklären b) Falsche Antworten durch hypothetischen Charakter der Untersuchung Fehlende Erfahrung der Befragten Hypothetisches Geld Untertreiben der WTP und Übertreiben der WTA aus Vorsichtsgründen Einwand: Kann nur einen Teil der Unterschiede erklären. In Experimenten mit tatsächlichen Geldzahlungen und vertrauten Gütern traten noch WTP/WTAUnterschiede auf. Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.2 Direkte Verfahren c) Strategisches Verhalten Untertreibung der WTP, wenn Befragte damit rechnen müssen, nach Maßgabe ihrer Angaben zur Finanzierung herangezogen zu werden Einwand: Keine tatsächlichen Geldzahlungen. Signifikanter Einfluss strategischen Verhaltens konnte empirisch nicht nachgewiesen werden d) Methodische Schwierigkeiten Gestaltung der Studien hat Auswirkungen auf die Antworten Einwand: Abweichungen zwischen WTP und WTA werden bei unterschiedlichsten Methoden festgestellt Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.2 Direkte Verfahren 2. Ökonomische Erklärung Einkommen (EK) WTA > WTP D WTA EK‘ WTP C A B Budgetlinie I1 I0 ∆UQ UQ0 UQ1 Quelle: in Anlehnung an Hanley, N. u.a. (2001) Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) Umweltqualität (UQ) 2.2.2 Direkte Verfahren 3. Nichtökomomische Erklärungen a) Moralisch-ethische Erwägungen Gegner einer Monetarisierung geben aus moralischen Gründen eine WTP von Null und eine WTA von unendlich an b) Psychologische Erklärungen Kahnemann Verlustaversion: ein Gut gewinnt durch den Besitz an Attraktivität (endowment effect) Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.2 Direkte Verfahren Endowment Effect Experiment (Knetsch, 1989): Drei Gruppen von Studenten Endausstattung Anfangsausstattung Tasse: 89 % Schokolade: 11 % Gruppe I 1 Kaffeetasse Tausch gegen Kaffeetasse? Gruppe II 1 Tafel Schokolade Tausch gegen Kaffeetasse? Tasse: 10 % Schokolade: 90 % Kaffeetasse oder Schokolade? Tasse: 56 % Schokolade: 44 % Gruppe III - Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg) 2.2.2 Direkte Verfahren Embedding-Effekt (Kahnemann/Knetsch, 1992) Telefoninterviews: Maximale Zahlungsbereitschaft für die Erhaltung des Fischbestandes in einem See ähnlich hoch wie die maximale Zahlungsbereitschaft für die Erhaltung des Fischbestandes in fünf Seen Es werden nicht nur Präferenzen für Umweltgüter abgefragt, sondern auch andere Bedürfnisse (moralische Genugtuung) Umweltpolitik (Dipl. Volksw. M. Wiesweg)