Lösung Fall 6 A. Teil 1 Frage 1

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Dunja Rieber
WS 2010/2011
Wiederholungskurs BGB-AT
Lösung Fall 6
Anmerkung: Sämtliche nicht näher bezeichnete Paragraphen beziehen sich auf das BGB.
A. Teil 1 Frage 1
I. Anspruch aus § 433 I 1 aus notariellem Kaufvertrag über 100.000 €
K könnte gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Grundstücks aus § 433 I 1
haben.
1. Anspruch entstanden
Dann müsste zwischen K und V ein wirksamer notarieller Kaufvertrag über das Grundstück zum Preis
von 100.000 € zustande gekommen sein.
Anmerkung: Theoretisch wäre auch die umgekehrte Prüfungsreihenfolge - zuerst den
privatschriftlichen Kaufvertrag, dann den notariellen Kaufvertrag- möglich gewesen. Allerdings
spricht hier einiges dafür, nicht chronologisch vorzugehen. Zum einen ist der privatschriftliche
Kaufvertrag offensichtlich formnichtig, zum anderen könnte er durch den notariellen Kaufvertrag
– sofern dieser wirksam ist, aufgehoben worden sein.
Das wichtigste Argument für eine Prüfung in dieser Reihenfolge ist jedoch, dass man § 117
ansonsten inzident in dem privatschriftlichen Kaufvertrag hätte prüfen müssen. Dies würde den
Aufbau sehr unübersichtlich machen, weil er sehr verschachtelt wird. Das lässt sich zwar nicht
immer vermeiden, allerdings ist hier aufgrund der Fallfrage eine andere Prüfungsreihenfolge
möglich und sinnvoll.
Achtung: Zum Aufbau (dh. warum man ausgerechnet diesen Aufbau gewählt hat) darf man in
der Klausur, auch wenn man sonst immer alles begründen sollte, kein Wort verlieren! Hier muss
man sich einfach für eine Prüfungsreihenfolge entscheiden und diese konsequent durchführen.
a) 2 kongruente Willenserklärungen
Die hierfür erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen liegen in Form von Angebot und
Annahme nach §§ 145, 147 vor.
b) Rechtshindernde Einwendung § 125 S. 1
Der Kaufvertrag könnte jedoch gemäß § 125 S. 1 nichtig sein. Dies setzt voraus, dass ein Kaufvertrag
über Grundstücke formbedürftig ist. Diese Formbedürftigkeit ergibt sich aus § 311b I 1, wonach
Kaufverträge über ein Grundstück der notariellen Beurkundung beider Willenserklärungen bedürfen.
Diese notarielle Beurkundung ist hier erfolgt; mithin ist der Kaufvertrag nicht nach § 125 S. 1 nichtig.
Wichtig ist an dieser Stelle, dass Sie den Weg über § 125 S. 1 gehen und nicht einfach die
Formnichtigkeit nach § 311b I 1 prüfen, da diese sonst ohne Zusammenhang zum Rest der
Prüfung stünde: § 311b I 1 schreibt zwar die notarielle Beglaubigung vor, regelt jedoch nicht,
welche Auswirkungen es hat, wenn diese unterbleibt.
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Lösung Fall 6
c) Rechtshindernde Einwendung § 134
Der Kaufvertrag könnte allerdings wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134
unwirksam sein.
Mit der Angabe eines zu niedrigen Kaufpreises erfüllen die Parteien den Tatbestand der
Steuerhinterziehung. Das Vorgehen der Parteien ist mithin gesetzlich verboten.
Ob deshalb § 134 einschlägig ist, beurteilt sich nach dem Zweck der Vorschrift. § 134 dient der
inhaltlichen Kontrolle von Rechtsgeschäften. Inhaltliche Verbotswidrigkeit liegt insbesondere dann
vor, wenn der mit einem Rechtsgeschäft bezweckte Erfolg verbotswidrig wäre.
Der mit dem Kaufvertrag verfolgte Hauptzweck ist aber nicht eine Steuerhinterziehung, sondern die
Veräußerung eines Grundstücks. Dieser Zweck wird gesetzlich nicht mißbilligt. Der Kaufvertrag ist
daher nicht nach § 134 nichtig.1
d) Rechtshindernde Einwendung § 138
Der Vertrag könnte jedoch gegen die guten Sitten verstoßen und daher gemäß § 138 I nichtig sein.
Dann müsste der Vertrag gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen.
Allerdings ist § 134 im Verhältnis zu § 138 I die speziellere Norm. Das Verwerfliche an dem Geschäft
ist gerade der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz, nämlich steuerrechtliche Vorschriften. Wird dieser
von § 134 nicht erfasst, kann sich auch nach § 138 I keine Nichtigkeit ergeben.
e) Rechtshindernde Einwendung § 117
Die Nichtigkeit des Vertrages könnte sich aber aus § 117 ergeben. Dann dürften die Parteien ihre
empfangsbedürftigen Willenserklärungen nur zum Schein abgegeben haben.
Anmerkung: § 117 I bestätigt zum einen das Prinzip der Privatautonomie, zum anderen auch die
gängigen Prinzipien der Auslegung von Willenserklärungen. Zwar liegt aus der Sicht eines
objektiven Empfängers (Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, § 157) eine
Willenserklärung vor. Da aber beide Beteiligten vom anderen wissen, dass seine Willenserklärung
nicht ernst gemeint ist, hat das übereinstimmend Gewollte, wie bei der falsa-demonstratio-Regel,
den Vorrang, § 133.
Ob ein Scheingeschäft vorliegt beurteilt sich danach, ob das, was die Parteien erklärt haben, nach
ihrem übereinstimmenden Willen rechtlich gelten soll oder ob sie nur den äußeren Schein des
Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen wollten.
Vorliegend wollten die Parteien nicht die im beurkundeten Kaufvertrag bestimmte Rechtsfolge eines
Kaufpreisanspruchs in Höhe von lediglich 100.000 € herbeiführen. Die notarielle Beurkundung über
diesen Betrag erfolgte nur, weil für die Übergabe und die Übereignung nach §§ 925, 873 die Vorlage
1
Vgl. Palandt, 69. Aufl. 2010, § 134 RdNr. 23: Verträge, mit denen eine Steuerhinterziehung verbunden ist, ja
[Anm: Nichtigkeit], wenn diese Hauptzweck, sonst nein.
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der notariellen Kaufvertragsurkunde erforderlich ist, § 925a. Um den Notar dazu zu bewegen, die
Auflassungserklärungen (= Einigung über den Eigentumsübergang) entgegenzunehmen und die
Eintragung im Grundbuch (= Übergabe) zu veranlassen war es nur notwendig, einen der Form des
§ 311b I 1 entsprechenden, also notariell beurkundeten Kaufvertrag vorzulegen. Um die Hürde des
§ 925a zu überwinden ist es indes nicht erforderlich, dass der Kaufvertrag auch wirksam ist. Erst
recht ist die Wirksamkeit des Erfüllungsgeschäfts selbst - Auflassung und Eintragung, §§ 873, 925 –
nach dem Abstraktionsprinzip nicht von der Wirksamkeit des zugrundeliegenden schuldrechtlichen
Vertrags (Verpflichtungsgeschäft) abhängig. Die Willenserklärungen sind daher nur zum Schein
abgegeben worden; die rechtshindernde Einwendung des § 117 ist einschlägig.
Merke:
Kennzeichen des Scheingeschäfts ist immer der fehlende Rechtsbindungswille der Parteien.
Maßgebliche Frage ist immer, ob der rechtliche Erfolg gewollt ist – dann entfällt § 117. Ist nur der
äußere Schein eines Rechtsgeschäfts gewollt, dann greift § 117 ein.
Exkurs - Abgrenzung zu § 116 S. 2:
§ 117 ist gegenüber § 116 S. 2 die speziellere Vorschrift. Gemeinsam ist beiden Vorschriften, dass
die Willenserklärung des einen Teils nur zum Schein abgegeben wird und der andere Teil dies
weiss. Sie unterscheiden sich jedoch darin, dass bei § 117 die Parteien einverständlich handeln;
bei § 116 S. 2 ist es hingegen so, dass es trotz der Kenntnis des anderen Teils an der
Einverständlichkeit des Handelns fehlt.
2. Ergebnis
K und V haben daher keinen wirksamen notariellen Kaufvertrag über 100.000 € abgeschlossen.
II. Anspruch aus § 433 I 1 aus privatschriftlichem Kaufvertrag über € 200.000
Ein Anspruch könnte sich jedoch aus dem zuvor geschlossenen privatschriftlichen Vertrag ergeben.
1. Anspruch entstanden
a) 2 kongruente Willenserklärungen
Zwei übereinstimmende Willenserklärungen liegen vor.
b) Rechtshindernde Einwendung § 125 S. 1
Der Vertrag könnte aber gemäß § 125 S. 1 wegen Formmangels nichtig sein.
Auf den tatsächlich gewollten Vertrag finden nach § 117 II die für dieses verdeckte Rechtsgeschäft
geltenden Vorschriften Anwendung. Dieser bedurfte nach § 311b I 1 der notariellen Beurkundung.
(1) Wirksamer Ausschluss des § 311b I 1
Fraglich ist aber, ob die Parteien die Formvorschrift des § 311b I 1 wirksam abgedungen haben.
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Mit
Formvorschriften
Übereilungsfunktionen.
bezweckt
Diese
der
Gesetzgeber
Funktionen
würden
Warn-,
verloren
Betreuungs-,
gehen,
Beweis-
wenn
sie
und
durch
Privatvereinbarung abgedungen werden könnten. Darüber hinaus besteht die Beweisfunktion nicht
nur im Interesse der Parteien, sondern gleichfalls im Interesse von Dritten. Die Vorschrift ist daher
zwingendes Recht. Die entsprechende Parteivereinbarung ist daher unwirksam.
Der schriftliche Vertrag genügt folglich nicht der vorgeschriebenen Form.
(2) Wahrung der Form durch den notariellen Vertrag
Fraglich ist, ob die Form durch den notariell beurkundeten Vertrag gewahrt wurde.
Dagegen spricht, dass der Kaufpreis im notariell beurkundeten Vertrag falsch angegeben war.
Formbedürftig ist das gesamte Rechtsgeschäft, also auch der Kaufpreis von 200.000 €. Die Form ist
daher insoweit nicht gewahrt, das Rechtsgeschäft wäre nach § 125 S. 1 als Ganzes nichtig.
(3) Ausnahme über den Falsa-demonstratio-Grundsatz
Etwas anderes könnte sich aber aus dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ ergeben.
Demnach schadet die objektive Mehrdeutigkeit oder Unrichtigkeit einer Bezeichnung oder Angabe
dann nicht, wenn die Parteien übereinstimmend das Gleiche gewollt haben. Es gilt dann das
Gewollte, nicht das Gesagte. Der Grundsatz der falsa demonstratio gilt nach h.M. auch für
formbedürftige Geschäfte. Somit könnte man argumentieren, die Parteien hätten übereinstimmend
einen Kaufpreis von 200.000 € gewollt, deshalb gelte das Gewollte, nicht der beurkundete Kaufpreis
von 100.000 €.
Die Regel der falsa demonstratio gelangt nach h.M. auch bei gem. § 311b formbedürftigen
Geschäften zur Anwendung. Fraglich ist aber, ob die Regel auch bei dem hier vorliegenden Fall
anzuwenden ist. Dies wird fast einhellig abgelehnt, allerdings mit unterschiedlichen Begründungen.
Die h.M. geht davon aus, dass die Regel der falsa demonstratio nur bei irrtümlichen
Falschbezeichnungen eingreife. Bei absichtlichen Falschbezeichnungen hingegen seien die
Vertragsparteien nicht schutzwürdig.
Hiergegen wird im Wesentlichen vorgetragen, dass ansonsten die Warnfunktion2 der Formvorschrift
des § 311b vereitelt werde.
Gerade dieses Argument ist indes nicht schlüssig. Im Hinblick auf die Warnfunktion ergeben sich
nämlich keine Unterschiede für die Fälle, in denen irrtümlich das Falsche erklärt wurde im Vergleich
zu den Fällen, in denen absichtlich das Falsche erklärt wurde. In beiden Fällen ist die Warnfunktion
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Unter der Warnfunktion versteht man den Hauptzweck der Formvorschrift des § 311b: Die Parteien sollen vor
Übereilung geschützt werden, indem sie zum Notar gehen müssen. Hierdurch wird ihnen zum einen eine
Denkpause verschafft; zum anderen werden sie von einem Juristen über etwaige Risiken aufgeklärt, vgl. § 17
BeurkG.
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allein dadurch erfüllt, dass die Parteien ihre Erklärungen notariell beurkunden müssen. Auch die
Prüfungs- und Aufklärungspflichten des Notars sind in beiden Fällen gleichermaßen eingeschränkt,
denn über das eigentlich Gemeinte kann er mangels Wissen nicht aufklären. Für die Warnfunktion
macht es daher keinen Unterschied, ob die Parteien wie hier absichtlich einen falschen Kaufpreis
angeben, oder ob sie beispielsweise einen Kaufpreis von 100.000 $ vereinbaren, wobei sie irrtümlich
US-Dollar angeben, während sie übereinstimmend eigentlich australische Dollar meinten.
Es ist auch nicht vollständig überzeugend, zu behaupten, nur im letzten Fall wollten die Parteien
keine Bindung an das Beurkundete, daher trete auch über § 117 I keine Bindung ein und deshalb
könne die Formvorschrift ihre Warnfunktion nicht erfüllen. Richtig ist vielmehr, dass in beiden Fällen
die Parteien insoweit keine Bindung an das Beurkundete wollen, als es ihrem übereinstimmenden
Willen widerspricht. Wer also im Rahmen des § 311b bei der irrtümlichen Falschbezeichnung das
Gewollte als das formgültig Erklärte interpretiert, kann nicht unter Hinweis auf die Warnfunktion bei
der absichtlichen Falschbezeichnung das Gegenteil postulieren. In beiden Fällen ist die Warnfunktion
nicht vollständig und in beiden Fällen ist die Beweisfunktion überhaupt nicht gewährleistet.
Im Ergebnis ist der h.M. dennoch zu folgen. Es wird lediglich teilweise an der falschen Stelle
argumentiert, nämlich bei § 311b. Statt dessen ist es erforderlich, das Verhältnis zwischen den zwei
sich scheinbar widersprechenden Regeln zu klären, der falsa demonstratio und des Scheingeschäfts.
Die falsa-demonstratio-Regel sagt im Grunde nur etwas im Hinblick auf die Privatautonomie
selbstverständliches, nämlich dass das übereinstimmend Gewollte grundsätzlich maßgeblich ist und
dass es auf das davon abweichend Erklärte nicht ankommt.
§ 117 I beschäftigt sich dagegen genauer mit dem Erklärten und sagt, dass das übereinstimmend
nicht Gewollte, aber absichtlich und zum Schein Erklärte nichtig ist. Hier sind nun zwei Fälle zu
unterscheiden.
Im ersten Fall wollen die Parteien überhaupt kein Rechtsgeschäft abschließen. Im Hinblick auf das
Erklärte ordnet § 117 I an, dass es nichtig ist. Diese Anordnung ist ebenfalls etwas
Selbstverständliches; sie stellt sozusagen einen Anwendungsfall der „negativen“ Privatautonomie
dar: Die Parteien werden vom Gesetz genauso behandelt, wie das ihrem wirklichen Willen entspricht.
Im zweiten Fall wollen die Parteien zwar ebenfalls das übereinstimmend Erklärte nicht; statt dessen
wollen sie aber etwas anderes. Hier nun wird der Unterschied zur falsa demonstratio deutlich: Den
zweiten Fall deutet § 117 nämlich zu Recht so, dass nicht zwei, sondern vier Willenserklärungen und
entsprechend zwei Rechtsgeschäfte vorliegen. Das eine ist nach § 117 I nichtig; das zweite richtet
sich dagegen nach § 117 II: Es ist nach den für dieses Rechtsgeschäft geltenden Regeln zu beurteilen.
Auch hier nimmt das Gesetz also den Willen der Parteien ernst: Der von den Parteien willentlich
gesetzte Schein eines Rechtsgeschäfts wird als solcher behandelt, nämlich als Rechtsgeschäft, das
nichtig ist. Das verdeckte Rechtsgeschäft wird vom Gesetz ebenfalls entsprechend dem Parteiwillen
behandelt; es ist grundsätzlich - sofern es nicht gegen andere Regelungen verstößt - gültig.
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Der scheinbare Widerspruch zur falsa-demonstratio-Regel löst sich damit auf: Die absichtlich und
zum Schein erklärte Falschbezeichnung in Kombination mit einem auf ein anderes Rechtsgeschäft
gerichteten Willen wird nach § 117 als zwei Rechtsgeschäfte aufgefaßt. Dagegen hat die falsademonstratio-Regel zur Voraussetzung, dass nur ein Rechtsgeschäft zu beurteilen ist.
Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes: Das beurkundete Rechtsgeschäft ist nichtig
nach § 117 I, siehe I. 1. e). Das zweite Rechtsgeschäft beurteilt sich nach § 117 II. Es handelt sich
ebenfalls um einen formbedürftigen Kaufvertrag, § 311b I 1. Das Gewollte wurde aber nicht
beurkundet und ist daher ebenfalls nichtig, § 125 S. 1.
Anmerkung: Die Erörterungen zur Abgrenzung von § 117 und falsa demonstratio sind aus
didaktischen Gründen sehr ausführlich geraten. In einer Klausur kann dieses Problem deutlich
kürzer abgehandelt werden.
2. Ergebnis
Mangels wirksamen Vertrags hat K auch aus der privatschriftlichen Vereinbarung keinen Anspruch.
III. Gesamtergebnis
K hat keinen Anspruch gegen V auf Übereignung und Übergabe des Grundstücks gemäß § 433 I 1.
B. Teil 1 Frage 2
Anspruch aus § 433 II
V könnte einen Anspruch aus § 433 II auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 200.000 € haben.
I. Anspruch entstanden
Dann müsste zwischen ihm und K ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sein. Ein
Kaufvertrag wird durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, §§ 145,
147, geschlossen.
Diese liegen zwar vor; allerdings ist der Vertrag gemäß §§ 125 S. 1, 311b I 1 nichtig, s.o. Teil A.
Der Formmangel könnte jedoch gemäß § 311b I 2 geheilt worden sein.
Anmerkung: Hier kann es nun nur um den privatrechtlichen Kaufvertrag gehen: Nur aus diesem
könnte ein Anspruch iHv 200.000 € geltend gemacht werden; zudem hat sich aus Frage 1 ergeben,
dass nur dieser mangels Einhaltung der Form des § 311b I 1 nichtig ist und deshalb nach § 311b I 2
geheilt werden könnte – die Nichtigkeit des notariellen Kaufvertrags ergibt sich aus § 117, dieser
kann deshalb nicht über § 311b I 2 geheilt werden.
Vorliegend wurde die Auflassung nach §§ 873, 925 erklärt (= dingliche Einigung, die bei
Grundstücksübereignungen ebenfalls in bestimmter Art und Weise, regelmäßig vor einem Notar,
erklärt werden muss).
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Auch wurde die Rechtsänderung in das Grundbuch eingetragen, § 873 (= Übergabe).
Die Voraussetzungen des § 311 b I 2 sind damit erfüllt; mithin wurde der Formmangel geheilt, der
Kaufvertrag ist wirksam.
Es ist umstritten, ob die Heilung rückwirkend – „ex tunc“ - erfolgt. Die h.M. nimmt an, dass der
Vertrag erst vom Zeitpunkt der Eintragung an gültig wird, dh. „ex nunc“ wirksam wird. Hierfür
spricht der Wortlaut des § 311b I 1 („gültig wird“).
II. Anspruch untergegangen und durchsetzbar
Es sind weder rechtsvernichtende Einwendungen noch rechtshemmende Einreden ersichtlich.
III. Ergebnis
V hat gegen K einen Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises in Höhe von 200.000 € gemäß § 433 II.
C. Teil 1 Frage 3
Anspruch aus Kaufvertrag, § 433 I 1
K könnte einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Grundstücks aus § 433 I 1 haben.
I. Anspruch entstanden
Dann müsste zwischen ihm und K ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sein. Ein
Kaufvertrag wird durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, §§ 145,
147, geschlossen.
1. 2 übereinstimmende Willenserklärungen
Die für einen Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen liegen in der
notariellen Vertragsurkunde rein äußerlich vor.
2. Rechtshindernde Einwendung § 125 S. 1
Der Kaufvertrag könnte jedoch gemäß § 125 S. 1 nichtig sein. Die nach § 311b I 1 erforderliche
notarielle Beurkundung ist hier erfolgt; mithin ist der Kaufvertrag nicht nach § 125 S. 1 nichtig.
3. Rechtshindernde Einwendung § 117
Eine Nichtigkeit des Kaufvertrages könnte sich allerdings aus § 117 I ergeben. Dann müsste es sich
um ein Scheingeschäft handeln. Die Parteien dürften jeweils ihre Willenserklärungen gegenüber der
anderen Partei mit deren Einverständnis nur zum Schein abgegeben haben.
Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines
Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten
lassen wollen, dh ihnen der Rechtsbindungswillen hinsichtlich des simulierten Geschäfts fehlt.
Nach dem BGH handelt es sich hier um kein Scheingeschäft: Der Kaufvertrag gibt die Verpflichtungen
der Parteien im Ergebnis richtig wieder. V soll dem K das Eigentum an dem Grundstück verschaffen
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und K den hierfür vereinbarten Kaufpreis von 200.000 € bezahlen. Die Scheinabrede iSd § 117 I
betrifft nur die Sanierungspflicht des V, nur diese ist deshalb nach § 117 I nichtig.
Auch eine Gesamtnichtigkeit nach § 139 tritt hier nach dem BGH nicht ein: Die Parteien wollten
gerade einen Kaufvertrag ohne Sanierungspflicht des V zum Preis von 200.000 €. Die vorgebliche
Sanierungspflicht bezwecke nur die Inanspruchnahme ungerechtfertigter steuerlicher Vorteile durch
die Parteien. Der Zweck des § 139 sei hier daher nicht einschlägig.
Die h.M. nimmt hier zunächst die Nichtigkeit der gesamten Abrede an. Mit der Sanierungspflicht
entfällt auch die dafür zu entrichtende Gegenleistung, nämlich 100.000 €, die explizit mit dieser
verknüpft und damit auch Teil des Scheingeschäftes ist.
Diese Teilnichtigkeit könnte nach § 139 die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts nach sich ziehen.
Dies ist dann der Fall, wenn nicht anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen
Teil vorgenommen worden wäre, § 139. Die Vorschrift soll verhindern, dass den Parteien an Stelle
eines als Ganzes gewollten Geschäfts ein Teil davon aufgedrängt wird.
Nach der h.M. ist auch die Gegenleistung Teil des Scheingeschäftes oder entfällt zumindest zwingend
mit der Sanierungspflicht. Da mit der Sanierungspflicht auch der Anspruch auf die 100.000 € als
Gegenleistung entfällt, bliebe nur ein Kaufpreis über 100.000 €. Dieser war aber gerade nicht gewollt.
Mithin ist der ganze Kaufvertrag gemäß § 139 nichtig.
Überzeugender ist hier die h.M. Synallagmatische Pflichten aus einem Vertrag können nicht separat
voneinander betrachtet und beurteilt werden, wie auch eine Parallele zu § 326 I 1 zeigt. Folglich
muss für den Fall, dass die eine Pflicht – hier die Sanierung – entfällt, auch die hierfür vorgesehene
Gegenleistung – die 100.000 € - entfallen. Dem BGH, der in dieser Hinsicht unsystematisch vorgeht,
kann deshalb nicht gefolgt werden.
II. Ergebnis
K hat mit der h.M. keinen Anspruch aus § 433 I 1 auf Übergabe und Übereignung des Grundstücks.
D. Teil 2 Frage 1
Vorbemerkung: Die Fallfrage lautet „Wie ist die Rechtslage?“. Mit dieser Frage wird verlangt, dass
Sie alle denkbaren Ansprüche der Parteien gegeneinander prüfen. Sollten bestimmte Ansprüche
davon abhängen, dass noch einseitige rechtsgestaltende Erklärungen abgegeben werden (zB
Anfechtung), so ist der Fall auch unter Unterstellung einer derartigen Erklärung zu prüfen.
I. Anspruch des W gegen G aus § 433 II auf 600 €
W könnte gegen G einen Anspruch aus § 433 II auf Bezahlung des Weins in Höhe von 600 € haben.
1. Anspruch entstanden
Dann müsste zwischen W und G ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Ein Kaufvertrag wird durch
zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, §§ 145, 147, geschlossen.
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a) Angebot des W: Zusenden der Preisliste
Ein Angebot des W könnte in der Zusendung des Preisverzeichnisses zu sehen sein. Dagegen spricht
aber, dass das Verzeichnis gewöhnlich an eine Vielzahl potentieller Käufer verschickt wird, W aber
nur eine begrenzte Menge Wein hat. Eine Auslegung des Verzeichnisses als Angebot würde W daher
möglicherweise Schadensersatzansprüchen aussetzen, wenn er nicht alle Interessenten beliefern
kann. Eine derartige Auslegung entspricht erkennbar nicht dem Interesse des W. Daher liegt nach
dem objektiven Erklärungswert des Preisverzeichnisses kein Rechtsbindungswille und somit auch
kein Angebot vor, sondern lediglich eine sogenannte invitatio ad offerendum.
b) Angebot des G: Schreiben an W
Ein Angebot könnte jedoch in dem Schreiben des G an W liegen.
(1) Essentialia negotii
Die Bestellung des G enthält die Bezeichnung des Kaufgegenstands und die Menge. Sie enthält durch
Bezugnahme auf das Preisverzeichnis des W auch den Kaufpreis, 2 € pro Flasche.
(2) Abgabe und Zugang, § 130 I 1
Nach § 130 I 1 müsste die Willenserklärung abgegeben worden und zugegangen sein.
Das Angebot wurde wirksam durch G abgegeben; er hat es willentlich in den Rechtsverkehr
entäußert. Auch der Zugang an W ist erfolgt, da er das Schreiben sogar zur Kenntnis genommen hat.
(3) Problematisch: Missverständnis hinsichtlich des Preises
Problematisch ist, dass W dieses Angebot anders verstanden hat, nämlich mit einem Preis von 3 € je
Flasche. Fraglich ist somit, welchen Inhalt das Angebot hat. Dies bestimmt sich bei Zweifeln danach,
wie der Empfänger nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte die Erklärung
verstehen durfte, sog. Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, §§ 133, 157. Durch die
Bezugnahme auf das Preisverzeichnis war für W objektiv erkennbar und nachprüfbar, zu welchem
Preis G den Wein kaufen wollte. Unter Zugrundelegung objektiver Kriterien konnte W das Angebot
des G daher nur als auf einen Kaufpreis von 2 € pro Flasche gerichtet verstehen. Das Angebot des G
hatte folglich den Kaufpreis von 2 € je Flasche zum Inhalt.
c) Annahme des W
Dieses Angebot könnte von W durch Zusendung des Weins konkludent angenommen worden sein.
Abgabe und Zugang nach § 130 I 1 sind auch hier erfolgt; Bedenken bestehen allerdings erneut
insoweit, als W dachte, den Wein zum Preis von 3 € je Flasche zu verkaufen. Auch hier kommt es
darauf an, wie der Empfänger – diesmal G – die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf
die Verkehrssitte verstehen musste. Da W vor Zusendung der Ware nicht auf den Preis zu sprechen
kam, konnte G nur davon ausgehen, dass der Vertrag zu dem im Preisverzeichnis ausgewiesenen
Preis zustande kommen würde. Die konkludente Annahmeerklärung war daher nur so zu verstehen,
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dass zu einem Preis von 2 € verkauft werden sollte. W fehlte somit der Geschäftswille – er wollte
nicht die Rechtsfolge „Verkauf von 200 Flaschen zum Preis von je 2 €“, sondern die Rechtsfolge
„„Verkauf von 200 Flaschen zum Preis von je 3 €“ herbeiführen.
Allerdings ist der Geschäftswille kein notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung, mithin bleibt
es bei einer Annahmeerklärung; W hat allenfalls die Möglichkeit, seine Willenserklärung anzufechten.
d) Zwischenergebnis
Es liegen somit zwei übereinstimmende Willenserklärungen vor. Ein Kaufvertrag über den Kauf von
200 Weinflaschen zum Gesamtpreis von 400 € ist zustande gekommen.
W kann von G mithin Bezahlung von 400 €, nicht aber von 600 € aus § 433 II verlangen.
Bei der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont muss man sehr sorgfältig vorgehen.
Zur Verdeutlichung folgende Beispielsfälle:
1. Abwandlung: G hat in der Weinhandlung des W ausliegende Preislisten mitgenommen (20 €
für einen bestimmten Rotwein); zwischenzeitlich ist eine neue Preisliste erschienen (30 €). 1 Jahr
später bestellt G, der davon nichts weiss, „unter Bezugnahme auf Ihre Preisliste“ den Rotwein.
Hier ergibt die Auslegung des Angebots nach dem objektiven Empfängerhorizont, dass die jetzt
gültige Preisliste gemeint ist, denn Preislisten ändern sich von Zeit zu Zeit. Da G das Datum der
Preisliste nicht in sein Angebot aufgenommen hat, bestand objektiv für W auch kein Anhaltspunkt
dafür, dass eine andere Preisliste gemeint sein könnte. Fraglich ist, wie die Annahme zu
interpretieren ist. G kann nach Treu und Glauben nicht davon ausgehen, dass die Rotweinpreise
über diese Zeitspanne hinweg gleichbleiben, da bekannt ist, dass Rotweine mit zunehmendem
Alter an Qualität gewinnen und deshalb teurer werden.
Nach dem objektiven Empfängerhorizont kann sich die Annahme daher nur auf die aktuelle
Preisliste beziehen; mithin besteht ein Kaufvertrag zum Preis von 30 €, G steht jedoch ein
Anfechtungsrecht zu (wohl ebenso vertretbar: Versteckter Dissens, da G keinen greifbaren
Anhaltspunkt dafür hat, dass sich die Preisliste geändert hat; dann kein Kaufvertrag).
2. Abwandlung: G hat die in der Weinhandlung des G ausliegende Preisliste mitgenommen (20 €);
hierbei handelt es sich jedoch nicht um die aktuelle Preisliste (30 €). Die alte Liste hatte ein Kunde
kurz zuvor auf den Stapel mit den neuen Preislisten gelegt. Am nächsten Tag bestellt G wiederum
unter Bezugnahme auf die Preisliste den Wein.
Nach dem objektiven Empfängerhorizont liegt ein Angebot des G über 30 € vor, denn W konnte
die Erklärung nur so verstehen, dass G sich auf die neue Preisliste bezieht. Dass ein Kunde eine
alte Preisliste auf den Stapel legt ist so ungewöhnlich, dass W nicht damit rechnen musste. Er
hatte daher keinen Anhaltspunkt dafür, dass G eine andere Preisliste vorliegen hatte. Die
Annahme des W konnte G dagegen nur als Annahme zu einem Preis von 20 € verstehen. Da er die
Preisliste erst am vergangenen Tag aus dem Geschäft des G mitgenommen hatte durfte er davon
ausgehen, dass diese die Aktuelle ist. Hätte sich der Preis zwischenzeitlich geändert, wäre zu
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erwarten gewesen, dass W den G hierauf hinweist. Mithin liegt ein versteckter Dissens nach § 155
vor; mangels übereinstimmender Willenserklärung besteht deshalb kein Kaufvertrag.
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e) Rechtshindernde Einwendung § 142 I
Der Kaufvertrag könnte jedoch von Anfang an nichtig sein, wenn er von W wirksam angefochten
wird, § 142 I. Hierfür ist ein Anfechtungsgrund, §§ 119 ff., und eine fristgerechte
Anfechtungserklärung gemäß § 143 innerhalb der Anfechtungsfrist des § 121 I 1 erforderlich.
(1) Anfechtungsgrund
W war der Annahme, seine konkludente Annahmeerklärung führe zu einem Vertragsschluß zum Preis
von 3 € pro Flasche. Grund des Irrtums war, dass er sich über die objektive Bedeutung des Angebots
– einen Kaufpreis von 2 € je Flasche - getäuscht hat und folglich auch über die seiner Annahme. W
war sich demnach bei der Abgabe seiner Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum, er unterlag
einem sog. Inhaltsirrtum nach § 119 I Alt. 1.
Anmerkung:
Man könnte hier auch auf die Idee kommen, einen Erklärungsirrtum nach § 119 I Alt. 2
anzunehmen, da sich W bei der Abfassung der Preisliste verschrieben hat. Allerdings stellt die
Preisliste keine Willenserklärung, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum dar, s.o. unter I. 1.
a). Die Preisliste ist demnach nicht der maßgebliche Beurteilungsgegenstand des § 119. Bei der
Abgabe der iSv § 119 maßgeblichen Erklärung (hier: Die konkludente Annahme durch Zusendung
der Waren) hat sich W weder versprochen noch vergriffen. Es ist dem W also nicht die „praktische
Umsetzung seines Erklärungswillens mißglückt“. Daher liegt kein Erklärungsirrtum vor. Im Ergebnis
bedeutet dies jedoch keinen Unterschied, da die beiden Alternativen des § 119 I zur identischen
Rechtsfolge des § 142 I – Nichtigkeit des Kaufvertrages - führen.
(2) Anfechtungserklärung, § 143 I
Weiter bedarf es einer Anfechtungserklärung, § 143 I. Die Anfechtungserklärung ist eine
empfangsbedürftige Willenserklärung und muss dem Anfechtungsgegner gegenüber erklärt werden,
hier gegenüber dem Vertragspartner G nach § 143 II.
(3) Anfechtungsfrist, § 121 I 1
Die Anfechtung ist nur innerhalb der Frist des § 121 I 1 möglich, muss also ohne schuldhaftes Zögern,
dh unverzüglich nach Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund erfolgen. Im vorliegenden Fall ist die
Erklärung der Anfechtung mangels Sachverhaltsangaben über die bereits verstrichene Zeit noch
möglich.
2. Ergebnis
Sofern W unverzüglich die Anfechtung erklärt, ist der Vertrag von Anfang an nichtig, dh mit ex tunc –
Wirkung, § 142 I. Ein Kaufpreisanspruch aus § 433 II ist dann nicht gegeben.
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Dunja Rieber
WS 2010/2011
Wiederholungskurs BGB-AT
Lösung Fall 6
II. Anspruch des G gegen W aus § 122
Im Fall der rechtzeitigen Anfechtung durch W hat G einen Schadensersatzanspruch, der auf den
Ersatz des Vertrauensschadens geht, § 122. Sachverhaltsangaben zu einem möglichen Schaden
fehlen allerdings.
E. Teil 2 Abwandlung
D. I. 1 a) und b) siehe oben
Dieses Angebot könnte W durch Zusendung der Weinflaschen konkludent angenommen haben. Für
den Inhalt der Annahmeerklärung kommt es darauf an, wie der Empfänger G die Erklärung nach Treu
und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte, §§ 133, 157. G wußte vorliegend,
dass W sich geirrt hatte. Es musste ihm auch klar sein, dass W diesen Irrtum nicht bemerkt hat, denn
in diesem Fall wäre zu erwarten gewesen, dass W den G über den falschen Preis aufklärt. Nach dem
objektiven Empfängerhorizont war die Erklärung daher nur als Annahme zu einem Preis von 3 € pro
Flasche zu verstehen. Die Erklärung des W weicht damit vom Angebot des G ab. Es handelt sich somit
nicht um eine Annahme des Angebots, sondern um ein neues Angebot, § 150 II. Da G dieses Angebot
nicht angenommen hat, fehlt es am Vertragsschluß.
Mangels Kaufvertrags besteht damit kein Anspruch des W gegen G auf Bezahlung des Kaufpreises aus
§ 433 II.
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