Congressus Historiae Pharmaciae 2001 Friedrich

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Der Apotheker als Künstler.
Die Leistungen von Apothekern in der
Literatur, bildenden Kunst und Musik
Christoph Friedrich
Das Thema des Vortrages „Der Apotheker als Künstler“ zielt
nicht auf die Leistungen der Pharmazeuten in der „Ars pharmaceutica“, obwohl Apotheker gelegentlich sowohl bei der Herstellung von
komplizierten Arzneiformen bemerkenswertes künstlerisches Talent
entfalteten. 1 Vielmehr geht es hier um ihre Betätigung auf außerpharmazeutischen Gebieten, wobei der errungene Erfolg gelegentlich
dazu führte, dass Apotheker ihren Beruf ganz aufgaben.
Im folgenden sollen einige Künstler, die dem Apothekerberuf
dauerhaft oder zeitweise angehörten, vorgestellt werden, wobei wir
zugleich der Frage nachgehen wollen, was den Apotheker zur Beschäftigung mit Literatur, bildender Kunst und Musik anregte.
Dichtende Apotheker an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert
In der Literaturwissenschaft gilt der Dichter seit der Renaissance
als Nachahmer der Natur sowie als Schöpfer einer neuen, höheren
Welt. Für den Apotheker des ausgehenden 18. und beginnenden 19.
Jahrhunderts trat die Natur mehr und mehr in den Mittelpunkt seines
Interesses. Die Apotheker dieser Zeit, die ihren Beruf von seiner
handwerklichen Beschränktheit zu befreien suchten, wandten sich
verstärkt der Naturforschung zu, die sie keinesfalls nur auf arzneiwissenschaftliche Teile begrenzten. So finden wir seit dem zweiten
Drittel des 18. Jahrhunderts zunehmend Apotheker als Verfasser naturwissenschaftlicher Werke: neben Lehr- und Handbüchern der
Chemie, der Technologie, der Botanik, der Zoologie und der Physik
entstanden auch Nachschlagewerke und Studien zu Teilfragen der
1
Man denke an Werke von Hermann Thoms, der in seinem Handbuch der Pharmazie sich als
hervorragender Stilist auszeichnete oder an Gottlieb Wilhelm Bischoff, der sich intensiv mit
der Botanik beschäftigte und zugleich im Zeichnen übte, so dass er Abbildungen von hohem
künstlerischem Wert für Ch.F. Ph. Martius‘ „Nova genera et species plantarum, quas in
itinere per Brasiliam...“ 1823 anfertigte.
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Naturgeschichte. Bevorzugtes Arbeitsgebiet der Apotheker war die
Chemie, an deren Fortschritten und Paradigmenwechsel sie beträchtlichen Anteil hatten.2 Während für die Frühe Neuzeit die Germanistik
im Rahmen der Fachprosaforschung auch die pharmazeutische Fachliteratur mit einbezogen hat, fand die Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts bisher kaum Beachtung. Jedoch handelt es sich auch hierbei
um ein Literaturgenre, dessen literarischer Wert allerdings an dieser
Stelle nicht thematisiert werden soll.
Indessen prägte die Selbstverständlichkeit, mit der Apotheker nun
als Buch- und Zeitschriftenautoren in Erscheinung traten – man darf
wohl postulieren, dass nie zuvor und nie wieder danach so viele Apotheker eigene Arbeiten publizierten –, ihr Verhältnis zum gedruckten
Wort.
So verwundert es nicht, dass gerade einige derjenigen Apotheker,
die als Verfasser naturwissenschaftlicher Werke hervortraten, auch
Beiträge zur „schönen Literatur“ leisteten. Dabei handelt es sich verständlicherweise überwiegend um Werke der „Gelegenheitsdichtung“, die sich also „auf ein herausgehobenes Ereignis des menschlichen Lebens von öffentlicher Relevanz beziehen und in der Regel
persönlich adressiert sind“3, wie z. B. Hochzeits- und Geburtstagsgedichte, aber auch Verse zum Berufs- oder Doktorjubiläum, die
nicht selten von Kollegen oder Schülern des Apothekers verfasst
wurden. Daneben finden wir aber auch eigenständige Werke. So
schrieb Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770-1837) Märchen,
die von der poetischen Neigung und der Phantasie des Erfurter Apothekers und Goethe-Zeitgenossen zeugen.4
Bevorzugte Literaturgattungen der als Fachschriftsteller hervorgetretenen Apotheker waren Autobiographien und Reisebeschreibun2
Vgl. hierzu Laupheimer, P.: Phlogiston oder Sauerstoff. Die pharmazeutische Chemie in
Deutschland zur Zeit des Überganges von der Phlogiston- zur Oxidationstheorie. Stuttgart
1992 (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, 63).
3 Vgl. Segebrecht, Wulf: Gelegenheitsdichtung. In: Killy, Walter: Literatur Lexikon. Bd. 13
Begriffe, Realien, Methoden. München 1992, S. 356.
4 Unter dem Namen Olympiodorus, unter dem er Mitglied der Leopoldina war, veröffentlichte Trommsdorff: Willibald.Mirandens’s Schützling. Ein Feenmärchen in acht Gesängen. Erfurt 1821; im Trommsdorff-Nachlass befindet sich ferner ein 88 Seiten umfassendes Buch:
Sammlung meiner poetischen Aufheiterung. Gedichte zu verschiedenen Anlässen, Rätsel,
Reden, Charaden etc.. Vgl. dazu Götz, Wolfgang: Zu Leben und Werk von Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770-1837). Darstellung anhand bisher unveröffentlichten Archivmaterials. Würzburg 1988 (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie , 16), S. 283.
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gen. Während die letzteren häufig in engerem Zusammenhang zu
wissenschaftlichen Interessen des Autors stehen – gerade die auf botanischem Gebiet tätigen Apotheker berichten darin ausgiebig über
ihre Sammelreisen – zeugen einige Apotheker-Autobiographien
durchaus von literarischem Talent. 5 Sie widerspiegeln die „Lebensstimmung einer Zeit“ und gehen dabei weit über die Schilderung ihrer Berufstätigkeit hinaus.6
Als eines der frühesten und zugleich besten Werke können die
„Erinnerungen aus meinem neunzigjährigen Leben“ von Ernst Wilhelm Martius (1756-1849) gelten. Die Entstehungsgeschichte lässt
ein längeres Ringen um die Abfassung des Werkes erkennen, wobei
der Verfasser bemüht war, sein Leben als wissenschaftlich ambitionierter Apotheker vor einem größeren Zeithorizont nachzuzeichnen.
So finden sich neben Schilderungen über den Zustand der Universität
Erlangen und der Medizin und Pharmazie seiner Zeit auch Ausführungen über die französische Revolution oder Berichte über bemerkenswerte Zeitgenossen wie die Gräfin Cosel und den Grafen Cagliostro.7
Alle diese dichterischen Werke müssen indessen als „Nebenprodukte“ der schriftstellerischen Tätigkeit dieser Apotheker bezeichnet
werden, deren eigentliches Engagement dem wissenschaftlichen
Schrifttum als Verfasser naturwissenschaftlicher Werke oder als Herausgeber von Zeitschriften galt.
Apothekerschriftsteller im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert
Seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts verlagerte sich die
chemisch-experimentelle Forschung von der Apotheke in Universitätslaboratorien, wo inzwischen professionelle Chemiker eine experimentell zunehmend anspruchsvollere Forschung betrieben. Der geradezu explosionsartige Aufschwung der Chemie in methodischer
und apparativer Hinsicht sowie die große Fülle an Literatur, die von
5
Vgl. dazu Friedrich, Ch.: Die Apotheke von innen gesehen. Apothekerautobiographien aus
zwei Jahrhunderten. Eschborn 1995 und Friedrich, Ch.: Autobiographien von Apothekern als
Quelle für die Wissenschaftsgeschichte. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 18 (1995),
S. 115-129.
6 Vgl. hierzu Friedrich, Ch.[wie Anm. 5].
7 Vgl. dazu auch Friedrich, Ch.; Garbe, A.: Ernst Wilhelm Martius: Leben und Werk. In:
Pharm. Ztg 140 (1995), S. 1225- 1230.
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nebenamtlich Forschenden kaum noch abonniert, geschweige denn
gelesen werden konnte, führte dazu, dass nur noch wenige Offizinapotheker auf chemischem Gebiet publizistisch hervortraten.
Statt dessen verlegten wissenschaftlich interessierte Apotheker
ihre Aktivitäten auf beschreibende Naturwissenschaften wie Botanik8
und Zoologie oder engagierten sich als Sammler. 9 Auch solche Apotheker verfassten häufig Bücher, die nun der Flora oder Fauna ihrer
engeren Heimat oder anderen Sammelgebieten gewidmet waren, so
dass im ausgehenden 19. Jahrhundert Apotheker als Fachschriftsteller
präsent blieben.
Neben diesen naturwissenschaftlich ambitionierten Apothekern
gab es freilich auch solche, die ihren Beruf aus rein pragmatischen
Gründen gewählt hatten. Dank einer relativ kurzen Ausbildungszeit
ermöglichte der Apothekerberuf jungen Männern schon im Alter von
etwa 20 Jahren ihr Brot zu verdienen, so dass sie ihren Eltern nicht
zur Last fielen. Dies wie auch eine zunehmende Anerkennung des
Berufes, die selbst auf die Apothekergehilfen ausstrahlte, führte dazu, dass der Apothekerberuf im 19. Jahrhundert ein typischer „Aufsteigerberuf“ war. Gerade Kinder ärmerer Schichten, vornehmlich
aus dem Kleinbürgertum und dem einkommensschwachen Bildungsbürgertum, wählten diese Profession, die nach Erika Hickel eine
„Sprungbrettfunktion“ besaß. Sie erlaubte jungen Apothekern den
Aufstieg zum Apothekenbesitzer – meist allerdings durch Heirat –
oder zum Naturwissenschaftler und chemischen Fabrikanten. 10
Daneben gab es Apothekergehilfen, die trotz künstlerischer Begabung diesen Beruf als Broterwerb ergriffen hatten und nun versuchten, von ihren künstlerischen Arbeiten zu leben. Sie wandten sich
dem Schriftstellerberuf zu, der im 19. Jahrhundert ein größeres Sozialprestige erhielt.
Zu diesen Apothekern gehörte der Dichter Ludwig Bechstein
(1801-1860). Bechstein, der in seiner Autobiographie bekennt, dass
8
Vgl. dazu Friedrich, Ch.: Familie Marsson: Apotheker als Privatgelehrte. In: Pharm. Ztg.
137 (1992), S. 4086- 4091.
9 Vgl. dazu Ledermann, F.: Naturwissenschaften und Sammlertätigkeit: auch die Schweizer
Apotheker waren dabei. In: Geschichte der Pharmazie 53 (2001), S. 17-22 und Friedrich, Ch.:
Apotheker als Sammler. In: Pharm. Ztg. (Im Druck).
10 Hickel, E.: Der Apothekerberuf als Keimzelle naturwissenschaftlicher Berufe in Deutschland. In: Medizinhistorisches Journal 13 (1978), S. 259-276.
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er ein armes Kind war, 11 wohingegen er seine uneheliche Herkunft
verschweigt, wurde von seinem Onkel Johann Matthäus Bechstein
(1757- ? ) adoptiert und erzogen. Sein Onkel, Verfasser einiger naturgeschichtlicher Werke und Lehrer an einer Erziehungsanstalt,
suchte ihn für die Naturwissenschaften zu begeistern. Obwohl das
naturkundliche Interesse Bechsteins verhalten blieb und eher auf eine schwärmerische Naturbetrachtung zielte, bestimmte der Onkel ihn
vermutlich wegen der nicht übermäßigen schulischen Leistungen zum
Apothekerberuf. 1818 begann Bechstein seine Apothekerlehrzeit im
thüringischen Arnstadt. Schon bald stellte er jedoch fest, dass die
pharmazeutischen Arbeiten: „Düten, Kapseln und Signaturen zu machen, Schachteln auszufüttern, Species und Wurzeln zu schneiden,
neu einzufüllen, wenn ein Glas oder eine Büchse leer ist, den Handverkauf zu besorgen“,12 ihn wenig fesselten und der Beruf ihm nur
geringe Befriedigung zu verschaffen vermochte. Deshalb begann er
Gedichte zu schreiben. Nach beendeter Lehrzeit 1822 blieb Bechstein
noch zwei Jahre in der Arndstädter Apotheke. 1824 trat er eine Gehilfenstelle in Meiningen an, wechselte indessen zwei Jahre später
nach Salzungen. Auch hier fand er an der pharmazeutischen Tätigkeit
kaum Gefallen. Sein geringes Einkommen besserte er aber bereits mit
Schriftstellerhonoraren auf. 13 Bechsteins 1828 erschienene „Sonettenkränze“ erregten die Aufmerksamkeit des jungen Herzogs Bernhard Erich Freund von Sachsen-Meiningen, der ihm ein dreijähriges
Studium der Philosophie, Geschichte, Literatur und Kunst in Leipzig
und München ermöglichte. Zugleich konnte Bechstein den ungeliebten Apothekerberuf aufgeben. 1831 nach Meiningen zurückgekehrt,
erhielt er eine Anstellung als herzoglicher Bibliothekar. Sein dichterisches Werk, das neben den bekannten Märchen- und Sagensammlungen auch historische Romane, Gedichte, Reisebeschreibungen14
11
Goethe- und Schiller-Archiv Weimar Sign. II/ 7: Bechstein, L.: Summa Summarum. Das
ist das Buch mit 7 Siegeln. Begonnen am 24. Oktober 1848 Handschrift, zitiert nach Bens, R.:
Einige Aussteiger aus der Pharmazie. Stuttgart 1989 (Quellen und Studien zur Geschichte der
Pharmazie, 53), S. 7.
12 Goethe- und Schiller-Archiv Weimar Sign. III, 17 (1): Müller, August Wilhelm: Ludwig
Bechstein. In den Hauptzügen seines Lebens und Sterbens gezeichnet (Handschriftliches Manuskript), zitiert nach Bens (wie Anm. 11), S. 25.
13 Bens (wie Anm. 11), S. 38. Bereits als Lehrling in Arnstadt hatte er sein erstes Honorar
erhalten (ebenda, S. 33).
14 Vgl. dazu Linschmann, Theodor: Ludwig Bechsteins Schriften Meiningen 1907 (Neudruck
Leipzig 1927).
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sowie eine Biographie seines Onkels 15 umfasst, weist ihn als einen
sorgfältigen Beobachter der Natur aus. Seine akribische Beschreibung der Pflanzen, Tiere, Gesteine und Sterne gemahnt an das naturwissenschaftlich geschulte Auge des botanisierenden Apothekerlehrlings und –gehilfen. 16 Auch sein „Hang zum Mystischen und Geheimnisvollen“ erscheint für einen Apotheker nicht abwegig,17 der
Apothekerberuf dürfte seine dichterische Neigung kaum gebremst,
sondern eher befördert haben.
Die Entwicklung des deutschen historischen- und Gesellschaftsromans ist ganz wesentlich von Theodor Fontane (1819-1898) geprägt worden. Fontane, der als Sohn eines Apothekers frühzeitig Einblicke in diesen Beruf erhielt, scheint seine Apothekerlehre nicht ungern begonnen zu haben. In seiner Autobiographie „Von Zwanzig bis
Dreißig“ beschreibt er liebevoll seine Lehr- und Gehilfenzeit. Fontane legte ein gutes Examen ab, avancierte sogar zum Apotheker I.
Klasse und widmete sich später der Ausbildung zweier Apothekerschwestern, die dank seines Unterrichtes bei ihrer Prüfung die beste
Note erzielten. Obwohl er in dieser Zeit schon als Dichter erste Erfolge zu verzeichnen hatte, empfand er den Apothekerberuf nicht als
Last. 18 1850 bekannte er jedoch: „Der Hochmut ist jetzt ferne von
mir, über den Apotheker hinauszuwollen. Aber es geht auch damit
nicht: meine Vermögenslosigkeit macht mir den Ankauf einer Apotheke unmöglich“.19 Somit dürfte nicht allein die Liebe zur Dichtkunst, sondern die angespannte finanzielle Lage des Vaters, den seine
Spielleidenschaft von Neuruppin nach Swinemünde und schließlich
nach Letschin im Oderbruch verschlug, wo er die Apotheke 1850
verkaufen musste, Fontane zur Aufgabe seines Berufes veranlasst haben. Die Aussicht, als angestellter Apothekergehilfe sein Leben fristen zu müssen, aber auch die Angst wie der Vater zu enden, führte zu
Fontanes „Ausbruch“ aus dem Apothekerberuf. Er wies indessen immer wieder daraufhin, dass er seine Lust zum Fabulieren seinem Va15
Bechstein, L.: Dr. Johann Matthäus Bechstein und die Forstacademie Dreißigacker, Meiningen 1855.
16 Bens (wie Anm. 11), S.101.
17 Vgl. dazu Urdang, G.: Die Berufspsyche des Apothekers und ihre Spiegelung in der Literatur. In: Pharm., Ztg. 64 (1919), S. 839-841.
18 Siehe Friedrich, Ch.: Theodor Fontane: „Denn wie er zuletzt war, so war er eigentlich“,
Pharm. Ztg. 143 (1998), S. 3093-3100.
19 Zitiert nach Reuter, H.-H.: Fontane. 2 Bde, Berlin 1968, S. 144.
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ter verdanke. Auffällig ist jedoch, dass pharmazeutische Bezüge in
seinem Werk selten hervortreten und er geradezu panische Angst davor hatte, als „Apothekerschriftsteller“ zu gelten. 20
Hermann Sudermann (1857-1928) – zu seinen Lebzeiten einer der
bekanntesten Dramatiker, der aber heute weitgehend vergessen ist,
wenn man von seinen "Litauischen Geschichten" oder seinem Roman
"Frau Sorge" absieht – widmete sich nur kurze Zeit der Pharmazie.
Im Memelland als ältester Sohn eines Brauereipächters geboren, besuchte er die Realschule in Elbing, die er vor allem wegen der beschränkten pekuniären Verhältnisse seiner Eltern vorzeitig verließ.21
Sudermann wählte den Apothekerberuf, wie er später schrieb, weil
ein Apotheker „halb ein Chemiker" war. In seinen 1922 erschienenen
Erinnerungen „Das Bilderbuch meiner Jugend" widmet er der Apothekenzeit ein eigenes Kapitel. Seinen Lehrchef schildert er als
„wohltätigen Geist“, der sogar Verständnis zeigte, als der übereifrige
Lehrling eine kostbare Reibschale aus „feinstem Biskuitporzellan“
zerbrach, obwohl er andererseits Zornausbrüche zeigen konnte. Ein
Knieleiden, das sich Sudermann als Schüler bei einer Rauferei zugezogen hatte, zwang ihn schließlich, die Lehrzeit vorzeitig zu beenden. Dass er darüber große Freude empfand, darf nicht verwundern,
denn immer wieder hatte er in stillen Stunden in der Apotheke dem
frühen Schulabgang nachgetrauert. Unumwunden bekannte er: "Der
böse Rohling, der mich vor zwei Jahren gegen den Türhaspen geworfen hatte, ist mein Retter gewesen, sonst stünde ich noch heute hinter
dem Rezeptiertisch und braute bei Grippe schleimlösende Tränke." 22
Auch Heinrich Wilhelm Hubert Evers (1873-1943) übte den Apothekerberuf nur kurze Zeit aus. Der in Koblenz geborene Evers studierte nach seiner Apothekerlehre Pharmazie, Philosophie und Jura
an den Universitäten Straßburg, Zürich, Lausanne und Bern. Nach
dem eidgenössischen Diplomexamen wirkte er zunächst als Apothekenbesitzer in Thalwil und ab 1909 in Winterthur, gab aber bereits
nach kurzer Zeit den Beruf auf. Später wechselte er häufig seinen
20
Heinrich Zeise berichtet, dass ein Berliner Schriftsteller, den er an seine pharmazeutische
Vergangenheit erinnerte, als dieser abfällig über Ibsens Herkunft sprach, unangenehm berührt
war. Zeise meint damit zweifelsfrei Fontane. Vgl. dazu Zeise, H.: Aus dem Leben und den
Erinnerungen eines norddeutschen Poeten. Altona 1888, S. 86.
21 Busse, K.: Hermann Sudermann. Sein Werk und sein Wesen. Stuttgart/ Berlin 1927, S.
190-193. Vgl. dazu auch Friedrich, Ch. [wie Anm. 5].
22 Sudermann, H. Das Bilderbuch meiner Jugend. Stuttgart/ Berlin 1922, S. 125-133.
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Wohnort und lebte u.a. in München, Düsseldorf und Zürich. Evers
verfasste Romane, Lieder und Filmtexte, veröffentlichte aber auch
naturwissenschaftliche und pharmazeutische Arbeiten. 23
Schließlich seien einige Apotheker erwähnt, die sich neben ihrer
pharmazeutischen Tätigkeit den schriftstellerischen Arbeiten widmeten. Heinrich Zeise (1822-1914) hatte den Apothekerberuf gemäß der
Familientradition gewählt, ohne allerdings, wie er schrieb, „eine besondere Lust [...] oder auch Abneigung“ gegenüber dieser Profession
zu empfinden. Seit seiner Lehrzeit veröffentlichte Zeise Gedichte.
Nach einer vorzüglichen Ausbildung trat er in die Fabrik seines Vaters ein, die er bis 1875 leitete und nur wegen eines Gehörleidens
aufgab. Ein Großteil seiner Werke entstand somit neben der pharmazeutischen Tätigkeit. 24
Der expressionistische Lyriker Georg Trakl (1887-1914) musste
sich – obwohl er dem Beruf wenig abgewinnen konnte – bis zu seinem Tod der Pharmazie widmen. Trakl hatte 1905 seine praktische
Ausbildung in der Salzburger Engel-Apotheke begonnen. Sein Lehrherr war ein alter Apotheker, der dem Alkohol reichlich zusprach und
bei dem Trakl eine erste Bekanntschaft mit Rauschdrogen gemacht
haben soll. Trakl verfasste bereits als Lehrling Gedichte; 1906 wurden seine beiden Dramen „Totentag“ und „Fata Morgana“ im Salzburger Stadttheater uraufgeführt. 1908 begann er das Studium der
Pharmazie in Wien, das er mit dem Magisterexamen abschloss. Er
empfand den Apothekendienst indessen zunehmend als belastend. Offenbar ertrug der hypersensible Trakl die Hektik in der Offizin mit
den zahlreichen Wünschen der Kunden nicht. Im Oktober 1910 trat er
seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger in Wien an. Zwei Jahre später folgte eine Probezeit als „Medikamentenakzessist“ in der
Apotheke des Garnisonsspitals in Innsbruck, die er jedoch im September bereits wieder beendete. Bei Kriegsbeginn wurde Trakl eingezogen und erlebte im September 1914 nach der Schlacht bei Grodek in Galizien, der er sein letztes Gedicht widmete, die Schrecknisse
des Krieges: Er hatte in einer Scheune 90 Schwerverwundete weitgehend ohne Medikamente zu versorgen. Trakl unternahm einen
Selbstmordversuch und wurde zur Beobachtung seines Geisteszu23
Schwarz, H.-D.: Evers, Heinrich Wilhelm Hubert. In: Ledermann, F. (Hrsg.): Schweizer
Apotheker-Biographie. Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Schweizerischen Apothekervereins. Bern 1993.
24 Vgl. dazu Friedrich, Ch. (1995), [wie Anm. 5], S. 73-79
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standes nach Krakau gebracht. Hier starb er am 3. November 1914 an
Herzlähmung, als Todesursache wurde „Suicid durch Cocainintoxication“ angegeben, jedoch sprechen einige Indizien gegen einen
Selbstmord. Sein dichterisches Werk weist kaum pharmazeutische
Bezüge auf. 25
Auch Kaspar Ludwig Merkl (1885-1967) kann als ein dichtender
Apotheker gelten. 1904 begann er seine pharmazeutische Ausbildung
in der Schützen-Apotheke in München. Nach einer Konditionszeit,
die ihn u.a. nach Dessau und Allenstein führte, übernahm er 1914 zunächst als Pächter die Grafschafts-Apotheke in Haag. Sein umfangreiches Werk, das neun Romane sowie Novellen und Erzählungen
umfasst, schuf er neben seiner beruflichen Tätigkeit.26
Auch Oscar Drescher (1865-1928), der 1906 eine Konzession zur
Errichtung einer neuen Apotheke in Glówno bei Posen erhalten hatte,
schrieb in seiner Freizeit Gedichte, von denen einige humorvolle in
der Pharmazeutischen Zeitung erschienen.
Der im altmärkischen Tangermünde geborene Wilhelm Floto
(1812-1869) übernahm in Braunschweig zunächst als Verwalter, dann
als Pächter die homöopathische Apotheke. Die von ihm verfassten
Lustspiele erfreuten sich großer Beliebtheit; so soll das Lustspiel
„Herren Pfiffe und Diener Kniffe“ über fünfzigmal in Berlin aufgeführt worden sein. 27
Apotheker als bildende Künstler
Eine Betätigung in der bildenden Kunst steht dem Apothekerberuf
durchaus nicht so fern, erfordert sie doch eine genaue Beobachtung
der Natur, wie sie gerade für den Apotheker, der Drogen oder offizinelle Pflanzen erkennen bzw. von Verfälschungen unterscheiden
muss, unerlässlich ist. So erscheint es verständlich, dass einige Apotheker sich direkt der Darstellung naturkundlicher Gegenstände widmeten: Gottlieb Wilhelm Bischoff (1797-1854), der sich intensiv mit
Botanik beschäftigte und zugleich im Zeichnen übte, wollte
urspünglich Kunstmaler werden. Er begann dann jedoch eine Lehrzeit
25
Basil, O.: Georg Trakl in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbeck 1965.
Kallinich, G.: Merkl, Kaspar Ludwig. In: Hein, W.-H.; Schwarz, H.-D. (Hrsg.): Deutsche
Apotheker-Biographie. Ergänzungsband. Stuttgart 1986, S. 306f. und o.A.: Apotheker Kaspar
Ludwig Merkl, Haag. In: Deutsche Apotheker-Ztg. 107 (1967), S. 176f.
27 ADB Bd. 7, S. 133f.
26
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in der väterlichen Apotheke. Nach Studien in Erlangen und München,
wo er 1823 das pharmazeutische Examen bestand, wirkte er ab 1825
als Privatdozent an der Universität Heidelberg. 1839 avancierte er
hier zum Ordinarius für Botanik. Neben seinen wissenschaftlichen
Arbeiten schuf er botanische Zeichnungen von hohem künstlerischen
Wert, u.a. für Carl Friedrich Philip Martius‘ (1794-1862) „Nova genera et species plantarum, quas in itinere per Brasiliam...“ 1823. 28
Friedrich Wilhelm Justus Baedeker (1788-1865), der 1811 die
Apotheke in Wittern erworben hatte, die er bis 1850 leitete, beschäftigte sich in seiner Freizeit mit ornithologischen Studien. Seine
künstlerische Begabung widerspiegeln 34 farbige Tafeln zu Brehms
„Handbuch der Naturgeschichte aller Vögel Deutschlands“.29
Obwohl Alfred Adlung und Georg Urdang 1935 bemerkten, dass
die Pharmazie der Malerei „nur einen einzigen Künstler von Bedeutung geschenkt“ habe, 30 womit sie Carl Spitzweg (1808-1885) meinten, der mit einigen Bildern wie „Der verliebte Provisor“ besondere
Nähe zur Pharmazie erkennen lässt, bedarf dies einer Korrektur. Zu
beachtlicher Meisterschaft brachte es zum einen der livländische Apotheker Theodor Gehlhaar (1805-1871), der Zeichnungen, Miniaturporträts auf Elfenbein und Lithographien mit Revaler Stadtansichten
schuf. 31
Zu erwähnen ist zum anderen Karl Ludwig Fernow (1763-1808),
der sich nicht nur mit kunsthistorischen Schriften, sondern auch als
Porträtzeichner einen Namen machte. 32 Von noch größerer Bedeutung war schließlich der Hamburger Maler Berend Goos (18151885). Obgleich Goos, wie aus seiner Autobiographie hervorgeht, der
Pharmazie lange verbunden blieb, belegt sein Gemälde „Die Flösser“,
das sich in der Hamburger Kunsthalle befindet, sein Talent. Goos
28
NDB Bd. 2, S. 263.
Hein, W.-H.: Baedecker, Friedrich Wilhelm Justus, in: Hein, W.-H.; Schwarz, H.-D.
(Hrsg.): Deutsche Apotheker-Biographie. Bd. 1, Stuttgart 1975, S. 21f.
30 Adlung, A.; Urdang, G.: Geschichte der deutschen Pharmazie, Berlin 1935, S. 406.
31 Neumann, W.: Lexikon baltischer Künstler. Riga 1908, S. 50f.
32 Zu Fernow vgl.: Gaude, W.: Carl Ludwig Fernow (1763-1808) ein Apotheker als Kunsttheoretiker und Aufklärer des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts. In: Pharm. Ztg. 117
(1972), S. 2006-2009.
29
Christoph Friedrich
vermochte sich als Landschafts- und Genremaler einen geachteten
Platz in der Kunstgeschichte zu erobern. 33
Als Sohn eines mennonitischen Pastors in Hamburg geboren, begann er 1831 seine Lehrzeit bei Apotheker Dr. Georg Eimbcke
(1771-1843). 1836 besuchte er das Privatinstitut Heinrich Wilhelm
Wackenroders (1798- 1854) in Jena. Zwei Jahre später immatrikulierte sich Goos an der Universität Kiel und studierte hier unter anderem
bei Christian Heinrich Pfaff (1773-1852). 1839 legte er das schleswig-holsteinische pharmazeutische Examen ab. Seine intensiven Studien belegen naturwissenschaftliches Interesse, aber auch das Bemühen, den Apothekerberuf auf wissenschaftlicher Grundlage auszuüben. 1842 erwarb er in Hamburg eine eigene Apotheke, die noch im
gleichen Jahr durch einen großen Brand vernichtet wurde. Ein Jahr
später begann Goos mit dem Neubau seiner Apotheke, die er an den
Rathausmarkt verlegte. Ein Gehörleiden zwang ihn 1855 zur Aufgabe
seines Berufes, und er widmete sich von nun an ganz der Kunst. 34
Apotheker als Musiker
Eine Gemeinsamkeit zwischen Pharmazie und Musik lässt sich
nicht feststellen; die Tätigkeit in einer Apotheke setzt musikalische
Neigungen keinesfalls voraus. Um so bemerkenswerter ist es, dass
bereits Caspar Neumann (1683-1737), der am Beginn der Entwicklung des Apothekerberufes von einem Handwerk zu einer Wissenschaft steht, als Gehilfe in der Berliner Hofapotheke sogar gemeinsam mit dem preußischen König Friedrich I. musizierte. 35
Mit dem sozialen Aufstieg des Apothekers und seiner Integration
in das städtische Bildungsbürgertum wurde das Musizieren für Apotheker zu einer verbreiteten Freizeitbeschäftigung. So widmete man
sich im Kreise der Familie oder gemeinsam mit anderen städtischen
Honoratioren – wie dem Arzt, dem Pfarrer oder dem Lehrer – der
Musik. Das Musizieren als „luxuriöse Beschäftigung“ widerspiegelt
33
Dann, G. E.: Berend Goos. Ein Apotheker und Maler. In: Schelenz-Stiftung. Eutin 1953, S.
66-73 (Veröffentlichungen der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie,
N.F. 1)
34 Goose, B.: Erinnerungen aus meiner Jugend. Aus der Familienausgabe von 1880, 3 Bde,
Hamburg 1896. Vgl. dazu Friedrich, Ch. [wie Anm. 5], S. 57-65.
35 Kessel, H.: Lebens-Beschreibung D. Caspar Neumanns. In: Neumann, Caspar; Chymiae
medicae dogmatico experimentalis. Tomi Primi. Pars Prima, Züllichau 1749; Vorrede, S. 2f.
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Wohlstand, Tradition, Bildung und Kultur gutsituierter Apothekenbesitzer. 36
Wenn eine musikalische Begabung vorhanden war, so wurde sie,
wie Urdang hervorhob, „gepflegt mit der ganzen Gründlichkeit, die
der Apothekerberuf mit sich bringt, da entwickelt sich eine Musikliebe, die häufig zum alles beherrschenden Steckenpferd wird“.37 Davon zeugen die Lebenswege „komponierender“ Apotheker, die ihrer
pharmazeutischen Tätigkeit dennoch weitgehend treu blieben. Hier
sei Eduard Lucerna (1869-1944) erwähnt, der 1900 die Apotheke in
Gries erwarb. Nebenher begann er mit beachtlichem Erfolg zu komponieren: Außer der Oper „Zlatorog“ schrieb er zehn Sinfonien, zahlreiche Kammermusikwerke und Lieder. 38
Apotheker Heinz Höhne (1892-1968) erlangte mit dem 1922
komponierten Lied „Hoch auf dem gelben Wagen“, das beinahe zu
einem Volkslied wurde, beachtliche Popularität.39 Als Komponist betätigte sich schließlich gleichfalls Günther Baumgarten (1906-1989),
der von 1944 bis 1973 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der in
Wernigerode ansässigen Ysatfabrik Johannes Bürger tätig war.
Baumgarten, der auch eine Monographie über Digitalisglykoside
schrieb und an der Entwicklung mehrerer Arzneimittel beteiligt war,
komponierte Lieder, Kammermusik- und Orchesterwerke. 40 Diese
Kompositionen zeugen nicht zuletzt von der Sehnsucht der Apotheker nach Anerkennung in einer Zeit des sich wandelnden Berufsbildes.
Dass manchem Apothekersohn die Musik verlockender erschien
als Rezeptur, Defektur und Arzneimittelabgabe verdeutlichen diejenigen, die den Apothekerberuf zugunsten der Musik aufgaben. Die
negative Äußerung Gustav Hartmanns (1835-1917) in seiner Autobiographie über die Musik als „Brotstudium“ verdeutlicht den Kon-
36
Friedrich, Ch.: Vorhang auf für musizierende Apotheker, in: Pharm. Ztg. 145 (2000), S.
3995-4002.
37 Urdang, G.: Der Apotheker im Spiegel der Literatur. Berlin 1921, S. 95f.
38 Friedrich [wie Anm. 36] und Mitteilung von Pater Urban Stillhard, Kloster Muro-Gries
vom 19.4. 2000.
39 Friedrich [wie Anm. 36] und Mitteilung von Rosemarie Höhne, Offenbach vom 1.5.2000.
40 Friedrich [wie Anm. 36] und Lebenslauf G. Baumgartens (Familienarchiv Baumgraten,
Halle).
Christoph Friedrich
flikt, der solchen Entscheidungen voranging.41 Und so sind in der
Pharmaziegeschichte auch nur die Biographien besonders erfolgreicher „Aussteiger“ wie die des Chorleiters Ignaz Heim (1818-1880)42
oder des Orgelprofessors Paul Homeyer (1853-1908)43 und einiger
bedeutender Sänger überliefert. Zu ihnen zählt der italienische Tenor
Beniamino Gigli (1890-1957)44, aber auch die Wagnersänger Georg
Lederer (1843-1910), Wilhelm Stigler (1846-1919) und Ludwig Johann Leichner (1836-1912).45
Diskussion
Wie der aus verständlichen Gründen nur sehr kursorische Überblick zeigt, gibt es eine größere Anzahl von Apothekern, die sich auf
literarischem, künstlerischem und musikalischem Gebiet betätigten.
Während ein Teil von ihnen den Apothekerberuf nur aus pragmatischen Gründen erlernt hatte und ihn auch schnell und gern wieder
aufgab, blieben andere ihm treu und widmeten sich ihren künstlerischen Neigungen in der Freizeit. Auffällig ist, dass es auch unter ihnen einige sich durchaus weit über das Niveau von Dilettanten erhebende Künstler gab, wie der Maler Berend Goos oder der Komponist
Eduard Lucerna.
Apotheker des 18./19. Jahrhunderts schufen mit Reiseberichten,
Autobiographien, aber auch Abbildungen von Pflanzen und Tieren
Kunstwerke, die von einer guten Beobachtungsgabe zeugen.
Bei den seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Werken
von Apothekern oder ehemaligen Berufsangehörigen fällt auf, dass –
im Unterschied etwa zu einigen dem Arztberuf entstammenden
Schriftstellern, die häufig über ihre Tätigkeit schrieben 46 – pharmazeutische Themen selten behandelt wurden. Inwieweit dies aus einem
gespannten Verhältnis zum Apothekerberuf resultiert, bedarf noch
einer eingehenden Analyse. Erstaunlicherweise schilderten aber
41
Hartmann, G.: Lebenserinnerungen . Teil 1, Magdeburg 1909, S. 29f. und Teil 2, Magdeburg 1910, S. 87.
42 Schönenberger, E.: Ignaz Heim, Biographische Skizze, Zürich 1881.
43 Gurlitt, W. (Hrsg.): Riemanns Musik Lexikon. Personenteil A-K, Mainz 1959, S. 821.
44 Gilgi, B.: Und es blitzten die Sterne. Die Geschichte meines Lebens, Hamburg 1957, S. 2653.
45 Friedrich [wie Anm. 36] und Kutsch, K. J., Riemens, L.: Großes Sängerlexikon, 3. erw.
Aufl., 5. Bd. 1997
46 Man denke etwa an die Arztromane von Ernst Weiß (1882-1940).
Acta - Congressus Historiae Pharmaciae 2001
selbst diejenigen, die froh waren, dem Apothekerberuf „entronnen“
zu sein, in ihren Memoiren die Apothekerzeit durchaus anschaulich
und liebevoll. In ihren nicht autobiographisch gehaltenen Werken begegnen indes nur selten Apotheker, so dass Romangestalten wie Alonzo Gieshübler in Fontanes „Effi Briest“ eine Ausnahme blieben.
Demgemäß können die dem Apothekerberuf entstammenden bedeutenden Dichter kaum als „Apothekerschriftsteller“ bezeichnet werden.
Allerdings verdanken sie ihrer pharmazeutischen Ausbildung
wohl dennoch einige wichtige Fähigkeiten. Hier ist zunächst die seit
der Lehrzeit geschulte genaue Beobachtungsgabe zu nennen, die sowohl Bechsteins Naturschilderungen als auch den realistischen Blick
auf Menschen und ihre Umgebung anderer Schriftsteller kennzeichnet. Auch Spitzwegs minutiöses Abbild der kleinbürgerlichen Welt
verrät das exakt beobachtende Auge des einstigen Apothekergehilfen.
Zugleich ermöglicht der tägliche Umgang mit Patienten in der
Apotheke ein besseres Verständnis für das Verhalten von Menschen,
wie es die Romane Fontanes, aber auch die naturalistischen Dramen
Henrik Ibsens (1828-1906)47 oder Sudermanns erkennen lassen. Die
nicht selten rein mechanischen Tätigkeiten in Labor und Defektur,
die vornehmlich allein durchgeführt wurden, boten phantasiebegabten, sensiblen Berufsangehörigen Raum für dichterische Eingebungen, wie sie für Bechstein, Fontane und Trakl belegt sind. Selbst die
dilettierenden Dichter mögen in der Apotheke manche Anregung
empfangen haben.
Schließlich war die künstlerische Betätigung nicht selten auch eine Flucht vor der Alltagshektik; das Komponieren, Malen oder Dichten in der Stille bildete einen Ausgleich zu den Mühen der pharmazeutischen Tätigkeit. Dieses Motiv begegnet nicht nur bei Trakl, sondern auch bei solchen dichtenden Apothekern, die dem Beruf treu
blieben. Für Erich Mühsam, der einem Apothekerhaus entstammte,
war das Dichten gar ein Ausbruch aus der bürgerlichen Welt.
Jedoch gab es auch solche Künstler, die der Apotheke gern gedachten wie Heinrich Zeise, der 1888 bekannte: „in eine Apotheke
tretend, überfällt mich immer eine eigene Wehmuth, wie sie den
Schweizer ergreift, wenn er des Kuhreigens gedenkt, und der Duft,
47
Zur Biographie des gleichfalls eine Apothekerlehre absolvierenden Henrik Ibsen vgl. Ferguseon, R.: Henrik Ibsen. Eine Biographie. Darmstadt 1998, S. 26-50.
Christoph Friedrich
welcher die Offizin erfüllt, setzt mich stets in eine Zeit zurück, in
welcher ich heiter, sorglos und lebensfrisch mit frohem Muthe in die
Zukunft schaute.“ 48
48
Vgl. dazu Friedrich, Ch.: [wie Anm. 5], S. 75.
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