Sanfte Rundungen - Ausbau und Fassade

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1 Für erhöhten Schallschutz kamen die EPS-Dämmplatten beim Berliner Gebäude Chausseestraße 121 zur vielbefahrenen Straße hin in einer verdichteten Version zum Einsatz.
2 Die Fassade weist auf der Rückseite
so gut wie keine geraden Kanten auf.
Sanfte Rundungen
Beeindruckende Rundungen und lange Bossennuten kennzeichnen ein neues Wohngebäude in Berlin-Mitte. Besonders die aufwendig gestaltete Rückseite setzt sich von der
umliegenden Bebauung ab. An den freistehenden Fassaden sind kaum gerade Kanten zu
finden. Das machte die Ausstattung mit einem WDVS zu einer echten Herausforderung.
D
ie Chausseestraße 121 im Berliner Bezirk Mitte hat schon eine
kleine Rolle in der deutschen
Geschichte gespielt. Hier gründete sich
vor fast 100 Jahren der Spartakusbund,
aus dem nach dem Ersten Weltkrieg die
Kommunistische Partei Deutschlands
hervorwuchs. Hier wirkten auch Karl
Liebknecht und Rosa Luxemburg. Das
damalige Gebäude steht schon lange
nicht mehr, doch an gleicher Stelle ist ein
komplett neues Wohn- und Geschäftshaus entstanden. Die Arbeiten dazu wurden im Sommer 2014 abgeschlossen.
Neben 91 Wohnungen beherbergt es
heute vier Ladeneinheiten im Erdgeschoss. Prägend ist ein großer Anteil
an hochwertigen Kleinwohnungen, die
zum Charakter des Umfelds passen. Die
Wohnungsgrößen reichen von 43 bis zu
142 Quadratmetern. Beinahe alle Wohnungen sind barrierefrei per Aufzug
erreichbar und mit mindestens einen
Meter breiten Türen ausgestattet. Sämt-
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liche Wohnungen verfügen über eine
individuell regelbare Fußbodenheizung,
die über Fernwärme befeuert wird. Wärmetechnisch ist das Gebäude auf den
KfW-Effizienzhaus 70 Standard ausgerichtet.
Keine geraden Kanten
Die Vorderseite des siebenstöckigen
Neubaus fügt sich gut in das gemischte
Straßenbild mit historischen und modernen Gebäuden ein. Vier mit Erkern
besetzte Joche geben der breiten Front
Struktur. Gemeinsam mit einer vertikalen Aufteilung durch Gesimse sorgen sie
für eine Gliederung der Flächen und ein
stimmiges Erscheinungsbild. Im Erdgeschoss prägen Natursteine die
Fassade. Auf der Rückseite präsentiert
das Bauwerk seine Besonderheiten. Es erstreckt sich wesentlich weiter nach hinten, als man es von der Straße aus vermuten würde. Der größte Teil des
Gebäudes steht frei und ist auf drei Sei-
ten von einem Garten umgeben. Von der
Straße her ist das nicht zu sehen, hier
scheint es vollständig in die Bebauung
eingebunden zu sein.
So zeigt das Haus seine versteckten
Qualitäten nur dem rückwärtigen
Betrachter: Die Fassade weist hier so gut
wie keine geraden Kanten auf. Die von
einer kleinen Grünfläche umgebenen
Hausecken sind genau wie die vielen Balkone in sanften Rundungen ausgeführt.
Nicht nur diese Rundungen, auch zusätzliche Details wie umlaufende Bossennuten und Stuckprofile machten die
zirka 4000 Quadratmeter große Fassade
mit Wärmedämm-Verbundsystem zu
einer Herausforderung. Hier war ein
besonderes Vorgehen erforderlich, um
die Pläne des von Nöfer Architekten, Berlin, entworfenen Gebäudes umzusetzen.
Runde Sache
Den Untergrund für den Wandaufbau
liefert ein Mauerwerk aus Stahlbeton
ausbau + fassade
07|08.2015
Fassadengestaltung mit WDVS
und Kalksandstein. Die Wahl der weiteren Baustoffe bestimmten die Anforderungen durch die ausgeprägten Rundungen. Umfangreiche Gespräche zwischen
Architekt, der Formart GmbH als Projektentwickler sowie der mit den Fassadenarbeiten betreuten Firma machten deutlich, dass die ursprüngliche Ausschreibung noch optimiert werden konnte. Im
Dialog mit verschiedenen Baustofflieferanten ergab sich schließlich die Lösung.
War zunächst nur ein 1 mm dünner
Silikonharzputz vorgesehen, so entschieden sich die Beteiligten schließlich für
einen 2 mm dicken, mineralischen Scheibenputz der Firma Quick-mix. Diese größere Schichtdicke brachte Reserven für
die Ausarbeitung der gebogenen Flächen. Durch die starke Biegung hervorgerufene Ungenauigkeiten oder Unebenheiten in der Dämmschicht ließen sich
besser auffangen. Verwendet wurde der
Leicht-Scheibenputz LSS zusammen mit
der passenden Silikonharz-Fassadenfarbe LX 350. Ergebnisse mit verschiedenen Putzaufbauten auf Musterflächen
sprachen für dieses Vorgehen, obwohl es
einen Arbeitsgang mehr erforderte als
ein anstrichfreier Silikonharzputz. Es erwies sich in Kombination mit der erforderlichen Armierungsschicht sogar als
die insgesamt schnellere und kostengünstigere Variante.
WDVS à la carte
Das mit den Arbeiten beauftragte Unternehmen, der Fassadenspezialist Tahiri
Bau GmbH aus Berlin, wählte passend
zum Scheibenputz auch die restlichen
Komponenten des WDVS aus dem Loba-
therm System aus. Zunächst waren das
die Polystyroldämmplatten in den Stärken 140, 160 und 180 mm und entsprechende Mineralwolledämmplatten für
die erforderlichen Brandriegel. Die Platten wurden auf dem Mauerwerk mit
dem Armierungs- und Klebemörtel AKM
verklebt. Die verschiedenen Stärken halfen dabei, die Profilbildung an der Fassade umzusetzen.
Sulejman Tahiri, Geschäftsführer des
Fassadenbauunternehmens, griff dabei
auf eine besondere Vorgehensweise zurück. Mit einem Heizdraht wurden auf
der Rückseite der für die Rundungen
bestimmten Platten, kleine Keile herausgeschnitten. So ließen sie sich mit
wesentlich weniger Widerstand beugen
und mit weniger Spannungen auf die
Wand kleben, als das mit nicht angepassten Dämmplatten möglich gewesen
wäre. Zusätzlich wurden die EPS-Platten
vollflächig verklebt, um einen bestmöglichen Verbund zu erzielen. Dabei reservierte Tahiri während der gesamten Fassadenarbeiten zwei bis drei seiner
Mitarbeiter nur für das korrekte Ausführen der Rundungen.
Durchgehende Linienführung
Ein weiteres wichtiges Detail des Gebäudes, die vielen Bossennuten, wurde anschließend – noch vor Aufbringen der
Armierungsschicht – eingearbeitet. Dass
die Platten schon an der Wand klebten,
begünstigte dabei eine gerade und
durchgehende Linienführung. Mit einer
kompakten Oberfräse wurden die Nuten
im Erdgeschoss per Hand mit einem
horizontalen Abstand von 63 cm ange-
3 Während der gesamten Fassadenarbeiten
waren zwei bis drei Mitarbeiter allein für
die korrekte Ausführung der Rundungen
abgestellt.
legt, so wie es vom Architekten vorgesehen war. Hätte man hier mit vorgefertigten Dämmplatten gearbeitet, die es auch
ab Werk mit mittig eingelassener Bossennut gibt, wäre die gewünschte Linienführung mit den definierten Abständen
nicht zu erreichen gewesen. Zudem
hätte sich diese Variante als wesentlich
kostspieliger erwiesen.
Gesichert wurden die Bossennuten
mit einem speziellen, trapezförmigen
Bossennutgewebe, dem Gewebe-Bossen-Profil GBP-F2. Erst dann wurde auf
die Dämmplatten eine Armierungsschicht aus Armierungsmörtel und
-gewebe aufgebracht. Schließlich folgte
der Leicht-Scheibenputz LSS in 2 mm
Stärke, maschinell verarbeitet, und als
Abschluss die Silikonharz-Fassadenfarbe.
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www.ausbauundfassade.de
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PUTZ + TROCKENBAU
4 Die Bossennuten wurden noch vor
Aufbringen der Armierungsschicht eingearbeitet.
5 Die Fassade ist auf der Rückseite hauptsächlich von Rundungen geprägt. Das
Anbringen des WDVS war ambitioniert.
Der Edelputz LSS ist ein diffusionsoffener
mineralischer Baustoff, der wasserabweisend sowie witterungs- und UV-beständig ist. Entsprechend der Auftragsdicke wurde er hier mit einer Körnung von
0 bis 2 mm eingesetzt. Passend dazu erfolgte der Anstrich mit der SilikonharzFassadenfarbe LX 350. Sie zeichnet sich
durch eine hohe Wasserdampfdiffusionsfähigkeit und eine hohe Wetterbeständigkeit aus. Es wurden bewusst Produkte
gewählt, mit denen die Fassade des Gebäudes für lange Zeit ihr außergewöhnliches Erscheinungsbild bewahrt.
bare, umlaufende Profilierung zu schaffen. Zudem wurde sorgfältig darauf geachtet, aneinander angrenzende Balkone
durch eine Trennfuge zu entkoppeln. So
verursachen die Bewohner durch ihre
Bewegungen keine unterschiedlichen
Spannungen im Putz. Diese hätten bei
den langen Flächen der Balkone eventuell zu Rissbildungen führen können.
Umgesetzt wurde die Entkoppelung mit
speziellen Abschlussprofilen.
Auch auf der Frontseite zeigt die Fassade außergewöhnliche Einzelheiten wie
mehrstöckige Erker und Stuckprofile am
Übergang zu den zurückgesetzten Dachgeschosswohnungen. Der grundsätzliche Aufbau der Wände gleicht allerdings der Rückseite, mit einem
Unterschied: Hier kamen EPS Dämmplatten in einer elastifizierten Version zum
Einsatz. Um höhere Schallschutzwerte zu
erreichen, werden diese schon im Werk
verdichtet.
Keine Spannungen im Putz
Viele Details belegen, dass beim gesamten Bauprozess eine hochwertige Verarbeitung im Vordergrund stand. Selbst die
Unterseiten der Balkone legen dafür
Zeugnis ab. Hier wurden unterschiedlich
zugeschnittene Wärmedämmplatten
verbaut, um so eine nur von unten sicht-
6 Runde Erker und Stuckprofile: Auch die Vorderseite
zeigt besondere Details.
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Neue Visitenkarte in Berlin-Mitte
Durch die außergewöhnlichen Aufgabenstellungen hielt die Bauphase zwar
für alle Beteiligten viele Herausforderungen bereit, aber das Gebäude ist nun zu
einem Referenzobjekt geworden. Auf Seiten der Tahiri Bau GmbH sind daraus
schon einige Folgeaufträge entstanden.
Sulejman Tahiri ist froh, dass er sich den
Herausforderungen gestellt hat, obwohl
es für sein Unternehmen das erste
Objekt mit einer derartigen Kombination
aus Größe und besonderen Detaillösungen war. Durchschnittlich hatte er von
August 2013 bis April 2014 zehn bis
zwölf Mitarbeiter vor Ort. In Spitzenzeiten waren es auch einmal 18 bis 20.
Als wichtig für das Gelingen des Projekts sieht Tahiri, dass sowohl er selbst
als auch der Systemanbieter Quick-mix
regelmäßig in der Chausseestraße vor
Ort waren und das Projekt intensiv
begleiteten. Nur so war es möglich, für
immer wieder auftretende Aufgaben
und Probleme gemeinsam Lösungen zu
finden, die finanzierbar und technisch
ausführbar waren. Damit ist die Chausseestraße in Berlin-Mitte zu einer guten
Visitenkarte für alle Beteiligten geworden. Die neuen Bewohner können sich an
einem hochwertigen Ambiente mit einzigartigen Detaillösungen erfreuen.
Guido Wollenberg
7 Mission erfüllt: Mit seinen ausgeprägten Rundungen ist das Gebäude
zu einem Referenzobjekt für alle Beteiligten geworden. Fotos: Quick-mix
ausbau + fassade
07|08.2015
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