Geschichte an der (Zahn

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BZB September 10
Praxis
KZVB
Geschichte an der (Zahn-)Wurzel
gepackt
Der Göttinger Anthropologe und Archäologe
Dr. Lars Fehren-Schmitz hat mit DNA-Analysen
Erkenntnisse über die Entwicklung und den Untergang des Nasca-Volkes gewonnen. Vor allem in
den Zahnwurzeln der rund 2000 Jahre alten
Mumien ließen sich noch DNA-Fragmente finden,
die Aufschluss über die Lebensgewohnheiten
geben. Die Nasca-Kultur hatte sich zwischen 200
vor und 600 nach Christus entwickelt. Sie gilt als
erste frühstaatliche Kultur des südlichen Peru.
auf den Geoglyphen
die Götter um Wasser
an, legten Opfergaben
nieder, bauten kleine
Tempel. Doch der Hilferuf an die Götter wurde
nicht gehört. Die Wasserknappheit besiegelte
das Schicksal der Nascas. Sie mussten ihre
Siedlungsplätze am AnDer Anthropologe und Archäodenfuß aufgeben und
loge Dr. Lars Fehren-Schmitz hat
360 Mumien untersucht und mit
ins Hochland ziehen.
DNA-Analysen aus den ZahnDass der Untergang der
wurzeln Erkenntnisse über die
Nasca-Kultur (ca. 650
Entwicklung und den Untergang
des Nasca-Volkes gewonnen.
n. Chr.) an der zunehmend klimatischen Veränderung lag, konnte Dr. Lars Fehren-Schmitz zusammen mit seinen Kollegen für Außereuropäische Archäologie des Deutschen Archäologischen
Institutes und des Geographischen Institutes der
Universität Heidelberg nun belegen. Bislang wurde
vermutet, dass die Nasca durch Invasionen der
Wari, Vorläufer der Inkas aus dem Hochland, untergegangen seien. Die kombinierten genetischen
und archäologischen Befunde widerlegen dies aber.
Foto: Picture-Alliance / KEYSTONE
Vor rund 90 Jahren geriet die peruanische Wüste
im Schatten der Anden, unweit der kleinen Stadt
Nasca, in die Schlagzeilen. Vom Flugzeug aus entdeckten Piloten riesige Geoglyphen. Menschenähnliche Figuren prangen weithin sichtbar an den
kargen Flanken der Hügel. Exotische Tiermotive
überziehen die weiträumige Fläche, manche so
groß wie zwei Fußballfelder. Wissenschaftler rätselten jahrzehntelang, was die riesigen, in die Erde
gescharrten Figuren im peruanischen Hochland bedeuten. Manche hielten sie sogar für einen Landeplatz außerirdischer Besucher. Forscher gehen mittlerweile davon aus, dass es sich um Freilufttempel handelte, in denen Rituale und religiöse Zeremonien abgehalten wurden. Die Menschen flehten
Foto: Lars Fehren-Schmitz
DNA-Analysen erklären Untergang der Nasca-Kultur in Peru
Die riesigen Bodenzeichnungen im Süden Perus (hier ein Papagei) wurden von den Menschen der Nasca-Zeit angelegt und für Rituale und
religiöse Zeremonien genutzt. Seit 1994 gelten sie als Unesco-Weltkulturerbe.
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Fotos: privat
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Diese Sammlung von Schädeln wurde aus einer Bestattungshöhle am Berg Yacotogia geborgen. Die Höhle wurde erst bei Prospektionen entdeckt. Das geeignete
Material wurde geborgen, dokumentiert und anschließend wieder in die Höhle
zurückgebracht.
Zähne als historische Fundgrube
Fehren-Schmitz hat DNA-Material von rund 360
Mumien extrahiert, die an verschiedenen Siedlungs- und Bestattungsplätzen im Palpa-Tal und
dem angrenzenden Hochland gefunden wurden.
Die Zahnproben wurden mit der Erlaubnis der
Peruanischen Kulturbehörde nach Deutschland
ins Labor der Göttinger Universität exportiert.
„Generell ist es möglich, aus allen Skelettelementen DNA zu isolieren, jedoch haben quantitative
Studien ergeben, dass die DNA-Erhaltung in Zähnen am besten ist“, sagt der Anthropologe und
Archäologe. Das sei grundsätzlich darauf zurückzuführen, dass Zähne eine viel kompaktere Struktur aufweisen als andere Knochenelemente. „Die
Zahnkronen sind uninteressant, da die Quellen
für die zu untersuchende DNA in den Zellen liegen und der Hauptanteil des zellulären Umbaus
wird nach vollständiger Ausbildung eines Zahnes
unter anderem durch die Odontoblasten und Cementocyten getragen. Und die sind zwischen Dentin und Pulpa beziehungsweise im Zahnzement
zu finden.“
Während andere Skelettelemente sehr anfällig
dafür seien, mit Fremd-DNA in Berührung zu
kommen, sei ein Zahn, der sich noch in der Alveole befindet, bis zu seiner Extraktion weitestgehend von exogenen Kontaminationen, wie beispielsweise durch Archäologen, geschützt. Außerdem sei die Beprobung von Zähnen minimalinvasiv und allein schon aus konservatorischen Gründen zu bevorzugen. „Aus Knochen müssten Anteile herausgesägt werden und damit würde das
Material sichtlich geschädigt. Bei Zähnen besteht
Dieser Schädel, bei dem Weichteile noch erhalten sind, wurde so in der peruanischen
Küstenwüste aufgefunden.
die Möglichkeit, die Wurzel von der Krone zu trennen und wenn gewünscht, die Krone wieder in
den Kiefer einzusetzen“, sagt Fehren-Schmitz.
Mit der Untersuchung war es möglich, die Populationsdynamik an der südlichen Küste Perus in
einem Zeitraum von circa 3000 Jahren zu rekonstruieren und diese mit den kulturhistorischen und paläoklimatologischen Erkenntnissen
zu korrelieren.
Unter anderem konnte so herausgefunden werden, dass sich die Nasca-Kultur in ihrem Hauptgebiet aus Vorgängerkulturen entwickelt hat und
nicht durch Einwanderer gegründet wurde. Außerdem hat der Göttinger Wissenschaftler festgestellt, dass nach dem Ende der etwa 400 Jahre
langen Dürreperiode das Tal am Andenfuß wieder besiedelt wurde. Die neuen Bewohner hätten die gleiche genetische Zusammensetzung wie
die Populationen des Hochlandes gehabt. „Somit
gibt es hier eine klare Korrelation von Klimawandel und Bevölkerungsdynamik“, sagt FehrenSchmitz.
Insgesamt dauerten die Untersuchungen in Südamerika sechs Jahre, drei weitere Jahre wurden
laut Fehren-Schmitz soeben bewilligt. „In diesem
Projekt werde ich Zähne der ältesten überlieferten Kulturgruppen Südamerikas untersuchen, um
direkte Hinweise auf die initiale Besiedlung des
Kontinents zu bekommen“, erzählt der Wissenschaftler. Die Skelette stammen aus einem Zeitraum von circa 8000 bis 4000 vor Christus.
Katja Voigt
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