VErMarKtUNG Foto: Monkey Business - Fotolia Konsum- und Kaufverhalten bei Kartoffeln Welchen Einfluss hat das Qualitätsurteil des Verbrauchers? Die alles entscheidende Frage für ein Unternehmen lautet, wie können Produkte erfolgreich am Markt positioniert werden? Dieser Beitrag folgt der These, dass eine erfolgreiche Vermarktung von Produkten nur dann erfolgen kann, wenn die Qualitätsanforderungen der Konsumenten berücksichtigt werden. Dr. Carola Grebitus, Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik, Universität Bonn V iele Produkte im Lebensmitteleinzelhandel sind sehr homogen und unterscheiden sich kaum noch von der Konkurrenz. Eine Möglichkeit, sich von Mitbewerbern abzuheben, besteht über die Qualität der Produkte. Hierbei ist zu beachten, dass Differenzen eines Produktes in objektiven sowie in subjektiv wahrgenommenen Unterschieden bezüglich ihrer Charakteristika liegen können. Die Relevanz dieses Themas liegt im Erkenntnisgewinn bezüglich verbraucherorientierter Forschung und Entwicklung als auch zielgruppenorientierten Vermarktungsstrategien. Wahrnehmung von Qualität Um sich über Produktqualität differenzieren zu können, gilt es zunächst, die Frage zu klären, was unter dem Begriff der Qualität zu verstehen ist. Hierzu schreibt Bruhn (2003), dass es keine eindeutige Definition des Qualitätsbegriffes gibt. Qualität ist vielmehr ein komplexes, mehrdimensionales Konstrukt, bei dem es um die subjektive und individuelle Wahrnehmung und Beurteilung von Produkten und Leistungen geht (Garvin, 1984; Booth, 1994). Um einzugrenzen, was Qualität ausmacht, kann man davon ausgehen, dass die Qua- lität eines Lebensmittels durch all seine Eigenschaften bestimmt wird. Das Qualitätsurteil ist abhängig von den wahrnehmbaren Produktmerkmalen. Hierzu zählen Produkteigenschaften, die physisch mit dem Produkt verbunden sind, wie zum Beispiel Farbe, Form oder Geruch, sowie weiteren Produkteigenschaften wie beispielsweise Verpackung, Preis oder Marke (Northen, 2000; Olson, 1972). Hierbei bevorzugt der Verbraucher solche Produkteigenschaften, die mit bereits im Gedächtnis gespeicherten Merkmalen verbunden sind (KroeberRiel und Weinberg, 2003). n Kartoffelbau 3/2011 (62. Jg.) n 47 VErMarKtUNG Anteil der Verzehrshäufigkeit Täglich Haupteinkaufsstätten von Kartoffeln Supermarkt 7 5–6-mal die Woche Wochenmarkt 12 3–4-mal die Woche 32 1–2-mal die Woche 28 < 1-mal die Woche Nie 15 6 2004, n = 260 Weiterhin können Qualitätsmerkmale auch in Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften eingeteilt werden. Hierbei sind Sucheigenschaften all diejenigen Merkmale, welche vom Verbraucher bereits vor dem Kauf und Konsum beurteilt werden können (Nelson, 1974). Hierzu zählen unter anderem das Aussehen, die Farbe, die Form, die Größe, der Preis oder die Marke. Erfahrungseigenschaften sind solche Eigenschaften, die erst nach dem Kauf und teilweise auch erst nach dem Verzehr bewertet werden können (Nelson, 1974), wie z. B. der Geschmack, die Frische oder die Textur (mehlig versus festkochend) der Kartoffel. Bei Vertrauenseigenschaften handelt es sich um Produktmerkmale, die vom Verbraucher weder vor noch nach dem Kauf und Verzehr beurteilt werden können (Darby und Karni, 1973), wie beispielsweise die Tatsache, ob die gekaufte Kartoffel gentechnisch verändert wurde oder nicht. Weitere Vertrauenseigenschaften sind der Gesundheitswert, die Natürlichkeit, die Umweltverträglichkeit und das angewandte Produktionsverfahren. In diesem Fall müssen Produktsiegel die Information bereitstellen. Konsum und Kaufverhalten von Kartoffeln Ergebnisse einer Verbraucherbefragung aus dem Jahr 2004 in Kiel, Schleswig-Holstein, im Rahmen eines Projektseminars der CAU Kiel unter 260 Befragten zeigen, dass 7 % täglich Kartoffeln verzehren und 12 % 5–6-mal pro Woche Kartoffeln essen. Die Mehrheit der Konsumenten verzehrt 3–4-mal pro Woche Kartoffeln (32 %), gefolgt von 28 %, die 1–2-mal pro Woche Kartoffeln zu sich nehmen. Ein Anteil von 15 % isst seltener 48 n Kartoffelbau 3/2011 (62. Jg.) n 46 34 Discounter 23 Ab Hof Bioladen 10 5 Fachgeschäft 2 2004, n = 260 als 1-mal pro Woche Kartoffeln und 6 % essen nie Kartoffeln. Um den Marktanteil zu erhöhen, erscheint es sinnvoll, sich auf die Käufer, die 1–2-mal pro Woche oder seltener Kartoffeln verzehren, zu konzentrieren. Hierfür kann beispielsweise untersucht werden, wie diese Käufer charakterisiert sind, um sie dann mit gezielten Vermarktungsstrategien anzusprechen. Ein Merkmal der Käufer ist unter anderem die Haupteinkaufsstätte von Kartoffeln. Hier zeigen die Ergebnisse, dass 46 % der Kunden Kartoffeln im Supermarkt beziehen, gefolgt von 34 % die auf dem Wochenmarkt den direkten Kontakt mit dem Produzenten schätzen und dort ihre Kartoffeln kaufen. Etwa ein Viertel der Verbraucher kauft Kartoffeln beim Discounter und 10 % beziehen ihre Kartoffeln direkt ab Hof. Nur 5 % kaufen ihre Kartoffeln überwiegend im Bioladen. Ein weiteres Käufercharakteristikum ist die Präferenz der Angebotsform. Hier zeigt sich, dass vor allem die losen Kartoffeln bzw. das Selbst-Abwiegen bevorzugt wird (Note 2,1 auf einer Skala von 1 = sehr gut bis 5 = sehr schlecht), dicht gefolgt von der Kartoffel im Netz (Note 2,2). Weniger beliebt ist die Papiertüte (Note 2,7). Dies kann damit begründet werden, dass der Verbraucher die Kartoffel in der Tüte nicht sehen kann und folglich Schadstellen nicht ausschließen kann. Dies scheint die „Natürlichkeit“ der Papierverpackung in den Schatten zu stellen, die sonst für Verbraucher häufig an erster Stelle steht. Dieses Argument tritt allerdings beim Plastikbeutel zutage, der mit einer Note von 3,7 am schlechtesten abschneidet. Hier kann die Kartoffel zwar vor dem Kauf begutachtet werden, allerdings scheint das Plastik der natürlichen Kartoffel zu widersprechen, und Käufer bewerten dies eher negativ. Qualitätsurteil bezüglich Kartoffeln In derselben Verbraucherbefragung wurde weiterhin ein Wortassoziationstest durchgeführt (freies Assoziieren nach Vorgabe eines Schlüsselreizes). Der Schlüsselreiz lautete: „Was geht Ihnen so durch den Kopf, wenn Sie an die Qualität von Kartoffeln denken?“. Die Assoziationen konnten in negativ, positiv und neutral eingeteilt werden. Wobei die Äußerungen überwiegend positiv waren. Zu den negativen Assoziationen zählen beispielsweise: schlechter gewordene Qualität, zu viel Kunstdünger, mühseliges Zubereiten, schälen, schlechte Lagerung, Dickmacher, Unsicherheit, Skandale, Schadstoffe im Boden, „Nicht so schnell keimen (eingepudert)“. Positiv bewertet wurde die Kartoffel als Grundnahrungsmittel sowie ihr guter Geschmack. Sie ist beliebt, gesund, eine gute Beilage, enthält Stärke und Kohlenhydrate. Verschiedene Kartoffelsorten wurden direkt durch die Befragten genannt. Hier zeigt sich, dass die Nennungen eher selten sind, aber durchaus im Gedächtnis der Verbraucher gespeichert werden. Daraus wäre abzuleiten, dass diese Sortennamen häufiger im Rahmen der Vermarktung verwendet werden sollten. Nur dann kann der Name langfristig im Gedächtnis verankert und auch positiv belegt werden und bei zukünftigen Käufen kaufentscheidend sein. Kaufentscheidung bei Kartoffeln Weiterhin wurde untersucht, welche Eigenschaften beim Kauf von Kartof- VErMarKtUNG feln eine Rolle spielen (siehe Abbildung). Hierbei zeigte sich, dass vor allem Geschmack (83 %), Frische (77 %), Aussehen (75 %) und Preis (61 %) herangezogen werden, um sich für eine bestimmte Kartoffel zu entscheiden. Auch die Herkunft (62 %) ist wichtig. Weniger wichtig ist den Kunden das Verpackungsdesign (15 %). Allerdings spielt die Verpackungsgröße (45 %) durchaus eine Rolle (Yue, Grebitus, Bruhn und Jensen, 2010). Die Ergebnisse einer ökonometrischen Schätzung zeigen, dass Verbraucher, denen das Aussehen besonders wichtig ist, beim Kauf von Kartoffeln eher konventionelle Kartoffeln als Biokartoffeln bevorzugen. Das Gegenteil ist der Fall, wenn es um die Bedeutung von Lebensmittelsicherheit geht. Verbraucher, die besonders auf die Sicherheit ihrer Lebensmittel achten, ziehen Biokartoffeln anstatt konventionell angebauter Kartoffeln vor. Auch Käufer, die auf Herkunft und Inhaltsstoffe achten, verzehren eher Biokartoffeln als konventionelle Kartoffeln. Dies gilt aber nicht, wenn Sortenvielfalt ein wichtiges Einkaufskriterium ist. Falls Kunden besonderen Wert auf Nährwertangaben und Verpackungsdesign legen, werden sie eher konventionelle Kartoffeln als Biokartoffeln verzehren. Sollten Gütesiegel ein Merkmal sein, um die Kaufentscheidung zu treffen, so sinkt die Wahrscheinlichkeit des Kartoffelkonsums allgemein. Haushalte mit Kindern und einem höheren Bildungsniveau haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, Biokartoffeln zu verzehren als solche ohne Kinder und mit niedrigerem Bildungsstatus. Allerdings sinkt mit zunehmender Haushaltsgröße die Bereitschaft, Biokartoffeln zu konsumieren. Dies kann damit erklärt werden, dass Biokartoffeln als gesünder (für Kinder) angesehen werden, aber ab einer bestimmten Haushaltsgröße das Budget nicht mehr ausreicht, die höheren Preise für Biokartoffeln zu decken. Weiterhin zeigt die Analyse, dass mit steigendem Alter eher konventionelle Kartoffeln gegessen werden (Yue, Grebitus, Bruhn und Jensen, 2010). Nicht signifikant und somit bislang ohne Einfluss auf die Kaufentscheidung sind der Geschmack, die Frische, der Preis, der Gesundheitsfaktor, die Verpackungsgröße, die Marke, der Service, das Einkommen und das Geschlecht des Käufers. Hierin bestehen folglich Chancen für zukünftige Vermarktung. Wenn auf diese Faktoren verstärkt Wert gelegt wird bei der Bewerbung von Kartoffeln, könnten so Marktanteile gesteigert werden (Yue, Grebitus, Bruhn und Jensen, 2010). Wichtig beim Kartoffelkauf Geschmack 82 % Frische 78 % Aussehen 77 % Preis 64 % Herkunft 60 % Gesundheit 50 % Verpackungsgröße 46 % Sortenvielfalt 30 % Gütesiegel 29 % Nährwertangabe 27 % Marke 25 % Lebensmittelsicherheit 21 % Inhaltsstoffe 19 % Service Verpackungsdesign 17 % 13 % 2004, n = 260 Fazit Das verbraucherorientierte Qualitätsverständnis ist gekennzeichnet durch Dynamik, Komplexität und Heterogenität (Grebitus, 2008). Produkteigenschaften wie Geschmack und Frische dominieren das Qualitätsurteil bezüglich Qualität von Kartoffeln. Bei Kartoffeln dient das Aussehen als Indikator für die Beurteilung der Erfahrungseigenschaft Geschmack, bei der Bewertung von Vertrauenseigenschaften (Dünger, Herkunft) werden Qualitätsindikatoren wie vom Bauern und Gütesiegel genutzt (Bruhn und Grebitus, 2007). Diese Zusammenhänge können einen Beitrag zur Gestaltung von qualitätsbezogenen Marketingmaßnahmen leisten. Generell kann eine steigende Bedeutung von Vertrauenseigenschaften, wie Gentechnik etc., beim Lebensmittelein- kauf festgestellt werden. Um Vertrauenseigenschaften zu kommunizieren, müssen sie durch Qualitätsindikatoren wahrnehmbar und glaubhaft sein. Weitere Kennzeichen gewinnen umso mehr an Bedeutung, je weniger die Produkte selbst ihre Qualität kommunizieren, z. B. Glaubwürdigkeit und Vertrauen gegenüber dem Unternehmen. Allerdings dürfen die Erfahrungseigenschaften den Vertrauenseigenschaften nicht widersprechen. << n KONTAKT n n n Dr. Carola Grebitus Institut für lebensmittel- und ressourcenökonomik landwirtschaftliche Fakultät, rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn [email protected] – Lüftungstechnik – Kältetechnik – Kisten Alleringersleber Weg 3b · 39343 Ostingersleben Tel.: 03 90 52 / 62 33 · Fax: 03 90 52 / 62 34 E-Mail: [email protected] · Internet: www.vanamerom.de n Kartoffelbau 3/2011 (62. Jg.) n 49