Es muss Maßstäbe für richtig oder falsch geben

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21.04.15 - Kategorie: Neues von
ZEIT FÜR MENSCHEN
Von: Emanuel K. Schürer
Es muss Maßstäbe für richtig oder falsch geben
Stephan Schlensog, Generalsekretär der Stiftung Weltethos, über Moral in der Wirtschaft,
Krisen und Werte
PFULLINGEN. »Krisen haben nicht nur eine politische und ökonomische
Dimension, sondern auch eine ethische«, stellte Dr. Stephan Schlensog im
Saal der Pfullinger Kreissparkasse fest. Der studierte katholische Theologe
und Indologe ist Generalsekretär der Stiftung Weltethos und seit
Jahrzehnten ein enger Mitarbeiter des Tübinger Theologen Hans Küng.
Schlensog wundert sich, wie schnell die Menschen Krisen und ihre Ursachen
verdrängen. Erst kürzlich habe ihm ein Anlageberater gestanden: »Eigentlich
hat sich in den sieben bis acht Jahren seit Ausbruch der jüngsten Krise gar
nichts geändert.«
Standards für alle
In den herkömmlichen Wirtschaftswissenschaften heiße es oft, der Mensch sei ein auf Eigeninteressen fixierter
Gewinnmaximierer und es gebe ideale, effiziente Märkte, so Schlensog, der auf Einladung der »Pfullinger Stiftung – Zeit
für Menschen« sprach. Generationen von Führungskräften würden dazu erzogen, ihren Erfolg nur in Kennzahlen und
Quartalsabschlüssen zu messen. Dass aber auch ein »Minimum an gemeinsamen Spielregen, Normen oder ethischen
Standards nötig ist, die für alle gelten, werde dabei häufig vernachlässigt«, kritisierte Schlensog. Es müsse eben
Maßstäbe für Richtig und Falsch, für Fair und Unfair geben.
Das gilt nach Ansicht des Experten umso mehr, als sich im Zuge der Globalisierung die »Folgen verantwortungsloser
Praktiken in kurzer Zeit global auswirken«. Schlensog: »Diese Globalität definiert auch unsere Verantwortung neu. Die
geht weit über die eigene Firma, die eigene Region hinaus.«
Für den Ethiker sind die Finanzkrisen von 2001 und 2007 »Lehrbuchbeispiele«, dass nicht handwerkliche Fehler die
Ursache waren, sondern dass elementare Grundsätze von Verantwortung und Moral über Bord geworfen wurden.
Schlensog erinnerte an den Enron-Skandal 2001, bei dem Topmanager »in dramatischem Ausmaß gelogen und
gestohlen« hätten und so die Krise auslösten, die Pensionsfonds und viele Anleger ihr Vermögen kostete. 2007 seien es
strukturierte Finanzprodukte gewesen, die kein Mensch mehr durchschaute und in ihren Risiken abschätzen konnte.
Schlensog: »Das Desaster heute im Euroraum ist immer noch die Folge des moralischen Versagens der
Investmentbanker damals.«
Nicht nur Geld, auch viel Vertrauen sei im Zuge der Krisen vernichtet worden, so Schlensog. Es gehe bei der Frage der
Ethik also nicht nur um Erbauung. Eine ethische Unternehmensführung könne im Übrigen auch ein »riesiges Kapital und
ein Schlüssel zum Erfolg« für eine Firma sein.
Allein auf »Compliance« (Regeltreue), Leitbildprozesse oder »Corporate social Responsibility« (Unternehmerische
Gesellschaftsverantwortung) zu setzen, wie oft üblich, reicht nach Ansicht des Ethikers allein nicht aus. »Die inneren
Haltungen müssen auch den Leitbildern entsprechen. Das muss eingeübt werden.« Bei Beförderungen müssten »nicht
die mit den spitzesten Ellenbogen, sondern die mit Fachkompetenz und sozialer Kompetenz« berücksichtigt werden.
»Der Mensch hat Werte erfunden, weil das Zusammenleben in immer komplexeren Gemeinschaften das erfordert
hatte«, sagt Schlensog. Verlässlichkeit und Ehrlichkeit seien Grundvoraussetzung für das Zusammenleben der
Menschen. Es habe zum Beispiel Vorteile, wenn Interessen ohne Gewalt durchgesetzt würden, wenn Alte als Träger von
Erfahrung geschützt würden.
»Empathie, Kooperation und Verständigung sind die Vorteile des Menschen«, so der Ethiker. Die großen Kulturen und
Religion stimmten in vielem überein, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen – »deshalb sprechen wir von
Weltethos«, sagt Schlensog. So finde sich die Goldene Regel in allen großen Weltreligionen. Im Volksmund lautet sie:
»Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.« Eng verbunden damit sei das Grundprinzip der
Menschlichkeit: »Jeder Mensch soll menschlich behandelt werden.«
Die Stiftung Weltethos kümmert sich seit nun bald zwanzig Jahren um das Thema. Den finanziellen Grundstock dazu
stiftete der Badener Unternehmer Karl Konrad Graf von der Groeben. Schlensog zitierte einen von dessen Leitsätzen:
»Reich zu sein ist keine Schande, reich zu sterben schon.« Und er verwies auf Gandhis »Sieben soziale Sünden«:
»Politik ohne Prinzipien, Reichtum ohne Arbeit, Genuss ohne Gewissen, Wissen ohne Charakter, Religion ohne eigene
Opfer, Wissenschaft ohne Menschlichkeit, Geschäft ohne Moral.« (GEA)
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