498 30 Das Blut Auf dem gleichen Effekt beruht im Übrigen die Tatsache, dass die Gefahr einer Sensibilisierung größer ist, wenn Mutter und erstes Kind AB0-kompatibel sind. Sind sie es nämlich nicht, so führen die Anti-AB0-IgM der Mutter zu einer Zerstörung eingedrungener kindlicher Erythrozyten – wenn sie schnell genug sind, bevor die Makrophagen auf die Eindringlinge aufmerksam werden. 30.4.4 ■ ■ Das Kell-System Das Kell-Antigen ist sehr selten, daher ergibt sich nicht so oft eine Gelegenheit zur Immunisierung. Allerdings wirkt es dann als starkes Antigen, sodass weitestgehend versucht wird, Erythrozyten Kell-verträglich zu transfundieren. Das soll dazu reichen. ■ Ein Antikörpersuchtest mittels des indirekten Coombstests fahndet dennoch nach Antikörpern gegen MinorAntigene, also irreguläre Antikörper. Das Serum des Empfängers wird dabei mit definierten Testerythrozyten vermischt. Bei der Kreuzprobe nimmt man zunächst wieder Empfängerserum und mischt es mit den Spendererythrozyten (Major-Test). Dann werden noch Empfängererythrozyten mit Spenderserum vermischt – um irreguläre Antikörper gegen nicht getestete Erythrozytenantigene aufzufinden (Minor-Test). Beim Bedside-Test wird unmittelbar vor der Transfusion noch einmal die Blutgruppe des Empfängers mittels Antisera gegen A und B bestimmt. 30.5 30.4.5 Die Bluttransfusion Bluttransfusionen sind therapeutisch häufig eingesetzte Verfahren, die allerdings keine Fehler tolerieren, da eine Fehltransfusion das Leben des Patienten akut gefährden kann. Was kann man transfundieren? In Bezug auf die Sauerstoffträger des Blutes, die Erythrozyten, kommt neben der Transfusion von Vollblut vor allem die Gabe von Erythrozytenkonzentraten (in der Klinik kurz als EKs bezeichnet) in Frage. ■ Vollblut wird nur noch in Ausnahmefällen gegeben, so bei fulminanten Hämolysen nach Fehltransfusionen oder auch nach massiven Blutverlusten im Rahmen von Polytraumen. Der Grund für diese eingeschränkte Indikation liegt in der Tatsache begründet, dass die verschiedenen Blutbestandteile eine unterschiedliche Behandlung erfordern. Erythrozyten kann man am besten bei Kühlschranktemperaturen aufbewahren – da stehen Thrombozyten aber gar nicht drauf. ■ Erythrozytenkonzentrate sind daher das Mittel der Wahl, um einem Patienten Rote Blutkörperchen zu transfundieren. Neben dem Plasma des Spenders, das zusätzlich noch unerwünschte Antikörper enthalten kann, werden durch eine Dichtezentrifugation auch die meisten Leukozyten und Thrombozyten entfernt. Benötigt man auch diese Bestandteile, so werden sie heutzutage in der Regel extra gegeben. Notwendige Voruntersuchungen Vor einer Transfusion ist eine Reihe an Voruntersuchungen erforderlich, damit keine Fehltransfusion erfolgt. ■ Bei der Blutgruppenuntersuchung werden die wegen ihrer Wichtigkeit auch als Major-Antigene bezeichneten AB0- und Rhesus-Antigene bestimmt. Alle anderen (Minor-Antigene) spielen in der Transfusionsmedizin nur eine untergeordnete Rolle. Das Hämoglobin Es ist nun schon viel über die Roten Blutkörperchen gesagt worden. Nun soll es endlich um ihren wichtigsten Bestandteil gehen: das Hämoglobin – den roten Blutfarbstoff. Zuerst einmal ein paar interessante Zahlen: Etwa 88 % des Volumens eines Roten Blutkörperchens werden vom Hämoglobin eingenommen. Jeder kleine Erythrozyt ist also fast bis oben hin vollgestopft mit HämoglobinMolekülen. Genauer gesagt enthält ein Erythrozyt in seinem Zytosol etwa 3 × 108 Hämoglobin-Moleküle. Der mittlere Hämoglobin-Gehalt eines Erythrozyten wird als Färbekoeffizient (engl. mean corpuscular haemoglobin, MCH) bezeichnet und liegt bei 30 pg. Insgesamt beträgt der Hämoglobin-Gehalt im Blut, kurz „Hb“ genannt, bei Frauen etwa 14 g/dl und bei Männern etwa 16 g/dl. Die Aufgabe des Hämoglobins ist in erster Linie der Sauerstofftransport. Es beteiligt sich aber auch am CO2-Transport und hilft zu guter Letzt noch bei der Pufferung des Blutes (sorgt also dafür, dass der pH-Wert bei 7,4 bleibt). 30.5.1 Das Hämoglobin-Molekül Hämoglobin ist ein großes kugelförmiges Molekül, das aus vier Untereinheiten besteht ( 30.25). Jede der vier Untereinheiten setzt sich aus einem Porphyrin-Teil („Häm-“) und einem Protein-Teil („-globin“) zusammen. Untereinander werden die Untereinheiten durch hydrophobe und ionische Wechselwirkungen sowie durch Wasserstoffbrückenbindungen zusammengehalten. aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 30.5 Das Hämoglobin Auf dem Weg zum fertigen Porphyrin ( 30.27) erhält der Porphyrinogen-Ring noch zusätzliche Doppelbindungen (am Ende sind es elf Stück), einige Seitenketten und das zentrale Eisen-Ion Fe2+. Fertig ist das Porphyrin – in unserem Fall das Häm-Molekül. 30.25 Hämoglobin. 30.27 Porphyrin – das Häm-Molekül. Das Häm-Molekül Das Häm-Molekül bildet den Porphyrin-Teil einer Hämoglobin-Untereinheit. Porphyrine sind ringförmige Moleküle, die zusammen mit Proteinen vorliegen und prosthetischen Gruppen entsprechen. Ein Häm-Molekül enthält viele Doppelbindungen, die ihm aufgrund ihrer besonderen Lichtbrechung eine rote Färbung verleihen. Häm ist also der Bestandteil des Hämoglobins, dem es seine schöne rote Farbe verdankt. Porphyrine neigen zur Chelatbildung mit Metallionen. Im Fall des Hämoglobins ist das zentrale Metallion das zweiwertige Eisen (Fe2+). Aufbau des Häms. Die Grundstruktur eines Porphyrins und somit auch des Häms ist ein Ring aus vier Pyrrolringen: das Porphyrinogen ( 30.26). Das zentrale Eisen-Ion besitzt sechs Koordinationsstellen, mit denen es nicht-kovalente koordinative Bindungen eingehen kann. Koordinativ bedeutet, dass beide Bindungselektronen von einem Bindungspartner stammen. Vier dieser Koordinationsstellen werden von den Stickstoffatomen der Pyrrol-Ringe besetzt, die fünfte Stelle dient der Verbindung des Häms mit dem Globin – genauer gesagt mit einem Histidinrest der Polypeptidkette. Nun ist noch eine Bindungsstelle übrig. Die O2-Bindung. Für die Hauptaufgabe des roten Blutfarbstoffs, den Sauerstofftransport, steht die sechste und letzte Koordinationsstelle des Häm-Eisenions zur Verfügung. Dort lagert sich ein Sauerstoffmolekül (O2) an ( 30.28). Das gesamte Hämoglobin mit seinen vier Untereinheiten kann also vier Moleküle Sauerstoff transportieren. 30.26 Porphyrinogen ist ein Ring aus vier Pyrrol-Ringen. 30.28 Die O2-Bindung. aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 499 500 30 Das Blut Das Globin-Molekül Der Protein-Teil einer Untereinheit, das Globin, ist eine Polypeptidkette. Es gibt davon vier verschiedene Sorten: eine α-, eine β-, eine γ- und eine δ-Kette, die sich durch ihre Aminosäuresequenz unterscheiden. Eine Untereinheit des Hämoglobins besitzt jeweils eine dieser Ketten. Ein Hämoglobin-Molekül enthält somit insgesamt vier Peptidketten, davon sind zwei immer α-Ketten und die anderen zwei immer vom gleichen Typ (β, γ oder δ). Anhand der enthaltenen Globine kann man drei Hämoglobin-Arten unterscheiden. Das Hämoglobin der Erwachsenen. Beim Erwachsenen werden zwei verschiedene Hämoglobine unterschieden, das Hb A1 und das Hb A2 („A“ steht dabei für adult). ■ Hb A1, das 98 % des Hämoglobins eines Erwachsenen ausmacht, besteht dabei aus zwei α- und zwei β-Ketten. ■ Hb A2, das im Erwachsenen zu zwei Prozent vorliegt, besteht aus zwei α-und zwei δ Ketten. Das fetale Hämoglobin (Hb F) liegt während der meisten Zeit der fetalen Entwicklung zu 100 % vor, wird dann aber gegen den Geburtstermin hin zunehmend durch die adulten Formen ersetzt. Hb F besteht aus zwei α- und zwei γ-Ketten. Das fetale Hämoglobin hat eine höhere Affinität zu Sauerstoff als das Hämoglobin des Erwachsenen, also der Mutter. Es zieht ihn sozusagen mit viel größerer Kraft zu sich hin, als das Hämoglobin der Mutter an ihm festhält, was den Übergang des Sauerstoffs vom mütterlichen ins kindliche Blut ermöglicht und gewährleistet. Nach der Geburt wird im Laufe der ersten Lebensmonate das fetale Hämoglobin dann vollständig durch Hb A1 (und Hb A2) ersetzt. Dieser Wandel der Hämoglobin-Arten vollzieht sich durch Umschalten der Genexpression und ist auch durch die unterschiedliche Expression in verschiedenen Organen während der Ontogenese begründet. 30.5.2 Liegt eine Störung in Form eines Enzymmangels vor, entwickelt sich ein gefährlicher Anstau von Häm-Vorstufen, eine so genannte Porphyrie. Die Häm-Biosynthese Man kann die Biosynthese des Häms in die unbedingt wichtigen Schritte und die etwas weniger wichtigen Reaktionen einteilen. Grundsätzlich kann in der Klinik zwar jede Reaktion der Häm-Biosynthese große Bedeutung erlangen, denn sie werden alle jeweils durch ein Enzym katalysiert, das auch mangelhaft arbeiten kann. Es reicht später aber aus, wenn man weiß, welche Enzyme generell der Häm-Biosynthese zuzuordnen sind. δ-Aminolävulinsäure. Bei der Startreaktion entsteht aus Succinyl-CoA und Glycin die δ-Aminolävulinsäure (δ-ALS). Succinyl-CoA ist ein Zwischenprodukt des Citratzyklus (S. 203), der ausschließlich in den Mitochondrien abläuft. Damit nicht einfach so Succinyl-CoA aus dem Citratzyklus abgezogen und (eventuell grundlos) ins Zytosol geschafft wird, läuft auch die Schlüsselreaktion der Häm-Biosynthese noch in den Mitochondrien ab. Das Enzym, das diese Reaktion ermöglicht, ist die δ-ALSSynthase ( 30.29), die PALP (Pyridoxalphosphat, also Vitamin B6) als Coenzym für die Decarboxylierung benötigt (S. 181). Hämoglobin-Biosynthese Die Bildung des Hämoglobins erfolgt vor allem im Knochenmark in den verschiedenen Vorläuferzellen der Erythrozyten, solange diese noch ihre Organellen besitzen. Verliert der Erythroblast seine Mitochondrien und seinen Zellkern, geht ihm damit auch die Fähigkeit zur Hämoglobin-Biosynthese verloren. Das Globin wird ganz normal im Zytosol an den Ribosomen synthetisiert. Die Herstellung des Häms ist komplexer, wobei die grundsätzlichen Schritte oben schon beschrieben wurden. Sie beginnt in den Mitochondrien, um nach einem Ausflug ins Zytosol auch dort wieder zu enden. 30.29 Die δ-ALS-Synthase macht aus Succinyl-CoA und Glycin die δ-Aminolävulinsäure (δ-ALS). Die δ-ALS-Synthase ist das Schlüsselenzym der gesamten Häm-Biosynthese. Das Endprodukt Häm hemmt dieses Enzym (es wirkt als allosterischer Inhibitor) und unterdrückt zusätzlich auf Genebene als Repressor seine Herstellung. aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 30.5 Das Hämoglobin Vom Mitochondrium ins Zytosol. Die entstandene δ-ALS verlässt nun das Mitochondrium und gelangt ins Zytosol ( 30.30). Porphobilinogen. Im Zytosol katalysiert die δ-ALS-Dehydratase die Kondensation von zwei Molekülen δ-ALS zu Porphobilinogen, das schon den Pyrrol-Ring enthält. 30.30 Die δ-ALS-Dehydratase katalysiert die Reaktion zu Porphobi- Vom Zytosol zurück ins Mitochondrium. Coproporphyrinogen III wandert vom Zytosol wieder zurück ins Mitochondrium und wird dort zu Protoporphyrinogen IX umgewandelt. Durch dessen Oxidation entsteht Protoporphyrin IX. Dieses ist der letzte Stoff in der Häm-Biosynthese vor Einfügen des zentralen Eisen-Ions. Protoporphyrin ( 30.32) besitzt außer dem Eisen-Ion schon alles, was so ein richtiges, fertiges Häm braucht: die gesamten elf Doppelbindungen, die ihm bereits seine typische rote Farbe verleihen, sowie die fertigen Seitenketten. 30.32 Protoporphyrin. linogen. Protoporphyrin. Aus vier Molekülen Porphobilinogen entsteht (über den Zwischenstoff Hydroxymethylbilan) Uroporphyrinogen III mit dem für die Porphyrine typischen Tetrapyrrol-Ring ( 30.31). Im nächsten Schritt wird Coproporphyrinogen III hergestellt. 30.31 gen III. Einfügen des Eisen-Ions. So, jetzt fehlt als Tüpfelchen auf dem „i“ nur noch das zentrale Eisen-Ion Fe2+, der wichtigste Bestandteil des Hämoglobins. Um seinen Einbau kümmert sich das Enzym Ferrochelatase, und schon ist es fertig – das Häm-Molekül ( 30.33). Aus vier Molekülen Porphobilinogen entsteht Uroporphyrino- aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 501 502 30 Das Blut 30.33 Häm-Biosynthese im Überblick. Regulation der Häm-Biosynthese Welche Menge Häm zu einem bestimmten Zeitpunkt hergestellt werden soll, wird durch das Zusammenspiel von drei unterschiedlichen Regulationsmechanismen bestimmt: ■ auf Enzymebene ■ durch die Sauerstoffkonzentration und ■ durch Succinyl-CoA. Enzymbeeinflussung durch Häm. Als erster Punkt ist die Regulation auf Enzymebene zu nennen. Die Aktivität des Schlüsselenzyms der gesamten Häm-Synthese, der δ-ALSSynthase, wird durch das Endprodukt Häm auf zwei verschiedenen Wegen herabgesetzt. Zum einen sorgt Häm für eine Rückkopplungshemmung des vorhandenen Enzyms (es wirkt als allosterischer Inhibitor), zum anderen unterdrückt es auf Genebene als Repressor bereits seine Herstellung. Diese Rückkopplungshemmung funktioniert natürlich nur, weil sich sowohl die Schlüsselreaktion zu Beginn als auch das Endprodukt im gleichen zellulären Kompartiment befinden, nämlich im Mitochondrium. Dies ist ein zusätzlicher – und häufiger – Grund, warum die definitive Fertigstellung eines Moleküls noch einmal in das Ausgangskompartiment zurückgelangt. Sauerstoffpartialdruck. Weiterhin wird die Biosynthese durch die Sauerstoffkonzentration beeinflusst. Ein niedriger O2-Partialdruck, z. B. in großer Höhe, stimuliert die Häm-Biosynthese. Succinyl-CoA. Der dritte regulierende Punkt ist die Bereitstellung von Succinyl-CoA aus dem Citratzyklus. Auch hier spielt der Sauerstoff eine entscheidende Rolle: SuccinylCoA kann in den Mitochondrien sowohl den Citratzyklus durchlaufen (Reaktion zu Succinat), als auch für die HämBiosynthese abgezweigt werden. Ist viel Sauerstoff vorhanden, läuft die Atmungskette auf Hochtouren, und Succinyl-CoA durchläuft dementsprechend fast ausschließlich den Citratzyklus. Das kann es auch ruhig tun, denn Häm wird bei hohem O2-Angebot sowieso nicht vermehrt gebraucht. Andersherum funktioniert es genauso: Wenn wenig O2 zur Verfügung steht, kann die Atmungskette nur „auf Sparflamme“ laufen, Succinyl-CoA also vermehrt für die Häm-Biosynthese verwendet werden. Das Häm wird in diesem Fall auch dringend gebraucht, damit trotz niedrigen Sauerstoffs eine möglichst gute O2-Versorgung des Körpers gewährleistet ist. aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 30.5 Das Hämoglobin Störungen der Häm-Biosynthese. Jedes Enzym, das bei der Biosynthese des Häms beteiligt ist, kann einen Defekt aufweisen. Dieser ist allerdings nie absolut, weil ein solcher Defekt nicht mit dem Leben vereinbar wäre. In der Folge kommt es zu Störungen in der Porphyrin-Biosynthese, und es stauen sich Vorstufen des Häms an. Man spricht dann von einer so genannten Porphyrie. Die angestauten Stoffe werden letztendlich über Urin und Stuhl ausgeschieden, die dadurch, je nach fehlendem Enzym, rot gefärbt sein können. Die Häm-Vorstufen lagern sich in den Organen, unter anderem auch in der Haut, ab, die dadurch überempfindlich gegenüber Lichteinwirkung wird. Es kommt zu Blasenbildung und zu schweren Nekrosen, wenn sich die Patienten dem Tageslicht aussetzen. Außerdem können neurologische Störungen auftreten. Draculas Problem. Es ist möglich, dass die berühmte und berüchtigte Legende von Dracula auf dem Boden häufig auftretender Porphyrien entstand. Die gar nicht bösen, sondern im Gegenteil eher zu bemitleidenden Erkrankten zeigten aufgrund der Blasenbildung der Haut ein seltsames Äußeres, waren lichtscheu und durch die neurologischen Symptome verhaltensverändert. Sie haben womöglich Blut getrunken, um den durch ihre Krankheit hervorgerufenen Häm-Mangel auszugleichen. Globin-Biosynthese Wie oben schon einmal beschrieben wird der Globin-Teil – wie jedes Protein – ganz normal an den Ribosomen synthetisiert. Seine Bildung findet somit im Zytosol statt. Der Zusammenbau – Fertigstellung des Hämoglobins Jetzt fehlt auf dem Weg zum Hämoglobin nur noch der Zusammenbau von Häm und Globin. Zu diesem Zweck erfolgt erneut ein kleiner Ortswechsel: Häm verlässt das Mitochondrium und wird im Zytosol mit dem Globin verbunden. 30.5.3 Der Sauerstofftransport Wir wissen nun, wie Hämoglobin aussieht und wie es gebildet wird. Wie genau transportiert es aber seine kostbare Fracht, den Sauerstoff? Sauerstoff ist schlecht wasserlöslich und benötigt im Blut deshalb einen Transporter – das Hämoglobin. Ein Hämoglobin-Molekül hat vier O2-Bindungsstellen (je eine an jedem Fe2+-Ion des Häms), kann also vier O2-Moleküle gleichzeitig transportieren. Die Aufnahme von Sauerstoff ist reversibel. Bei hohem Partialdruck (in der Lunge) nimmt Hämoglobin Sauerstoff auf, bei niedrigem (im Gewebe) gibt es ihn wieder ab. Die Oxygenierung – Aufnahme des Sauerstoffs Bei der Bindung des Sauerstoffs an das Eisen-Ion des Häms handelt es sich um eine Oxygenierung, nicht zu verwechseln mit einer Oxidation! Bei der Oxygenierung ändert sich die Wertigkeit des Eisens nicht, es bleibt zweiwertig. Eine Oxidation hingegen geht mit einer Elektronenabgabe des Eisens einher, es entsteht dabei Fe3+. Es kommt leider ständig vor, dass Hämoglobin spontan oxidiert wird, man nennt es dann Methämoglobin. Im Zuge des Sauerstofftransportes geschieht dies jedoch normalerweise nicht. Das sauerstoffbeladene Oxyhämoglobin des arteriellen Blutes ist hellrot. Die dunkelrote Farbe des sauerstofffreien Desoxyhämoglobins verleiht hingegen dem venösen Blut seine dunkle Färbung. Regulation der Sauerstoffbindung Hämoglobin ist ein allosterisches Protein. Bei der Bindung eines Sauerstoffmoleküls ändert sich die Konformation des Hämoglobins, das nächste Molekül O2 kann leichter binden als das erste. Die Affinität zum Sauerstoff steigt also mit zunehmender Sauerstoffbeladung immer weiter an. Je mehr O2-Moleküle schon am Hämoglobin gebunden sind, desto leichter geht noch ein weiteres dran. Man nennt dies kooperative Wechselwirkung. Die Sauerstoff-Bindungskurve des Hämoglobins verläuft als Folge dieser kooperativen Wechselwirkung sigmoidal, das heißt erst flach, dann steiler – aufgrund steigender Affinität –, dann ist es gesättigt ( 30.34). Eine Rechtsverschiebung der Kurve (Abnahme der Affinität) bedeutet, dass der Sauerstoff leichter abgegeben wird, eine Linksverschiebung (Zunahme der Affinität) geht mit einer verstärkten O2-Aufnahme einher. Die Kurve zeigt, dass erstaunlicherweise weniger als die Hälfte des in der Lunge aufgenommenen Sauerstoffs im Gewebe abgegeben wird! Zu einer Rechtsverschiebung der Kurve, also zu einer höheren Bereitschaft zur Abgabe von Sauerstoff, kommt es bei folgenden Änderungen: 1. Abnahme des pH-Wertes 2. Anstieg der CO2-Konzentration 3. Temperaturerhöhung 4. erhöhte 2,3-Bisphosphoglycerat-Konzentration aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 503 504 30 Das Blut Genau diese Verhältnisse in stark arbeitenden Teilen des Körpers sorgen für eine Rechtsverschiebung der Sauerstoff-Bindungskurve und bringen so das Hämoglobin im Erythrozyten dazu, seine Fracht an das umliegende Gewebe abzugeben. Der Einfluss von CO2 und pH-Wert auf die Sauerstoffaffinität wird Bohr-Effekt genannt. Bei Erhöhung von CO2 und Abnahme des pH-Wertes kommt es zu einer Rechtsverschiebung der Sauerstoff-Bindungskurve, bei umgekehrten Verhältnissen zu einer Linksverschiebung. Dies erleichtert sowohl die Sauerstoffabgabe im Gewebe, als auch seine Aufnahme in der Lunge. Der CO2-Transport 30.34 Die Sauerstoff-Bindungskurve. Der pH-Wert, CO2, Temperatur und 2,3-BPG sind also, neben dem Sauerstoff selbst, vier weitere allosterische Effektoren des Hämoglobins. Eine leichtere Abgabe des Sauerstoffs an das Gewebe sollte sinnvollerweise dort erfolgen, wo viel Sauerstoff benötigt wird, zum Beispiel in der arbeitenden Muskulatur. Wie kommt es dort aber zu den oben aufgezählten Bedingungen, die einen Erythrozyten dazu veranlassen, Sauerstoff abzugeben? Obwohl Kohlenstoffdioxid immerhin eine etwa 20-mal höhere physikalische Löslichkeit besitzt als Sauerstoff, reicht dies noch lange nicht aus, um ausschließlich in gelöster Form im Blut transportiert werden zu können. Für Kohlenstoffdioxid gibt es im Gegensatz zum Sauerstoff drei verschiedene Möglichkeiten des Transportes, die allerdings in unterschiedlichem Maße genutzt werden. ■ 80 % des CO2 werden als Bicarbonat-Ionen (HCO3-) im Blut gelöst transportiert, ■ 10 % in den Erythrozyten an Hämoglobin gebunden und ■ 10 % des CO2 werden direkt physikalisch im Blut gelöst. Auch auf dem Weg von der Gewebszelle, wo es im Zuge des Stoffwechsels als Abfallprodukt entsteht, durch das Blutplasma in die Erythrozyten liegt CO2 physikalisch gelöst vor. Transport als Bicarbonat. 80 % des CO2 werden im Erythrozyten durch die Carboanhydrase zunächst zu Kohlensäure hydriert, die dann in HCO3- und Protonen dissoziiert ( 30.35). Die Bicarbonat-Ionen sind im Gegensatz zum Kohlenstoffdioxid gut wasserlöslich. Abgabe des Sauerstoffs Erreicht ein Erythrozyt – vollgeladen mit oxygeniertem Hämoglobin – auf seinem Weg durch die Arterien einen Ort mit Sauerstoffbedarf, wie z. B. die Muskulatur, bietet sich ihm folgendes Bild: 1. Wegen des hohen Energieverbrauchs laufen hier die abbauenden, energieliefernden Stoffwechselwege (Glykolyse, Citratzyklus und Atmungskette) auf Hochtouren. Dabei entstehen vermehrt Säuren (z. B. Zitronensäure), der pH-Wert sinkt. 2. Aufgrund des hohen Umsatzes im Citratzyklus nimmt die CO2-Konzentration zu. 3. Durch den Wärmeverlust in der Atmungskette steigt auch die Temperatur leicht an. 4. Innerhalb der Erythrozyten wird bei Sauerstoffbedarf vermehrt der Nebenweg der Glykolyse über 2,3Bisphosphoglycerat beschritten, die Konzentration an 2,3-BPG erhöht sich. 30.35 Transport als Bicarbonat. aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 30.5 Das Hämoglobin HCO3- diffundiert aus dem Erythrozyten hinaus ins Blut. Das Verlassen des Erythrozyten geschieht im Austausch gegen Cl–-Ionen, ist also elektrisch neutral. Die ChloridVerschiebung vom Blutplasma in den Erythrozyten wird nach einem niederländischen Chemiker namens Hamburger als „Hamburger-Shift“ bezeichnet. Im Blutplasma gelöst wird das Bicarbonat zur Lunge transportiert. Dort soll CO2 abgeatmet werden, die BicarbonatIonen müssen also wieder zu Kohlenstoffdioxid umgewandelt werden. Dies ist nicht weiter schwierig. Wir schaffen HCO3–-Ionen im Austausch gegen Cl–-Ionen diesmal in die Erythrozyten hinein und kehren dort die Reaktionen um ( 30.36). Hämoglobin als Puffer Wie wir oben gesehen haben, entstehen im Zuge des CO2Transports sowohl bei der Bildung von HCO3--Ionen als auch bei der Bindung von Kohlenstoffdioxid an Hämoglobin Protonen. CO2 macht sauer. Würde man diese Protonen nicht weiter beachten und im Blut einfach ungehindert ihres Weges ziehen lassen, fiele der pH-Wert des Blutes ab. Dies muss jedoch auf jeden Fall verhindert werden, da ein konstanter pH-Wert von 7,4 für den Körper unerlässlich ist. Wir brauchen also einen Puffer, der die Protonen abfängt. Hämoglobin bindet Protonen. Für die Lösung dieses Problems ist es sehr praktisch, dass Hämoglobin in der Lage ist, Protonen zu binden. Die Bindung erfolgt an HistidinSeitenketten und Sulfhydryl-(SH-)Gruppen der Polypeptidketten. Natürlich kann Hämoglobin auch Protonen abfangen, die auf anderem Wege entstanden sind (die Zellmembran ist für H+ frei durchgängig). Es stellt aufgrund dieser Fähigkeit eines der wichtigen Puffersysteme des Blutes dar. Weitere Puffer sind Bicarbonat (HCO3-), Plasmaproteine (Albumin) und Phosphat in Form des Hydrogenphosphats (HPO42-). 30.36 Transport des CO2 als Bicarbonat. Transport von CO2 an Hb gebunden. 10 % des CO2 werden in den Erythrozyten an Hämoglobin gebunden und so zur Lunge transportiert. Kohlenstoffdioxid bindet dabei kovalent an die NH2-Gruppe am α-C-Atom (aminoterminales Ende) jeder der vier Globinketten (nicht an das zentrale Fe2+!), es entsteht Carbaminohämoglobin ( 30.37). 30.37 Carbaminohämoglobin. Physikalisch gelöstes CO2. Die restlichen 10 % des Kohlenstoffdioxids gelangen ganz unspektakulär in physikalisch gelöster Form mit dem Blutstrom zur Lunge. Pufferkapazität des Hb. Die Fähigkeit des Hämoglobins zur Aufnahme von Protonen hängt stark davon ab, ob es in oxygenierter oder in desoxygenierter Form vorliegt. Desoxyhämoglobin ist eine stärkere Base als oxygeniertes Hämoglobin, nimmt also gerne Protonen auf. Diese Tatsache passt wunderbar zu den Bedürfnissen an den verschiedenen Orten des Körpers. Im Gewebe, in dem im Zuge des Stoffwechsels vermehrt Säuren und damit Protonen entstehen, wird ein wirkungsvoller Puffer besonders dringend gebraucht. Genau dort gibt Oxyhämoglobin seinen Sauerstoff ab (Rechtsverschiebung der Sauerstoff-Bindungskurve!), es entsteht Desoxyhämoglobin. Dieses ist wie erwähnt eine stärkere Base als Oxyhämoglobin und nimmt bereitwillig die störenden Protonen auf. Die Pufferkapazität des Hämoglobins ist somit im Gewebe sehr hoch. Gleichzeitig wird durch die leichte Aufnahme der Protonen die Bildung von HCO3--Ionen und damit der CO2-Abtransport unterstützt. In der Lunge wird Desoxyhämoglobin mit O2 beladen, es entsteht das weniger alkalische Oxyhämoglobin. Dieses gibt Protonen ab, die genau jetzt auch benötigt werden, damit CO2 entsteht und abgeatmet werden kann. Durch die Freisetzung der Protonen kann im Erythrozyten HCO3zu H2CO3 reagieren, das durch die Carboanhydrase zu CO2 und H2O zerlegt wird. In der Lunge ist die Pufferkapazität des Hämoglobins also wesentlich geringer als in den Geweben, was aber auch genau den Bedürfnissen entspricht. aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 505 506 30 Das Blut 30.5.4 Hämoglobin-Abbau Pro Sekunde wird das Hämoglobin von etwa 2,5 Millionen altersschwachen Erythrozyten abgebaut (aus viel mehr als aus Hämoglobin bestehen sie ja nicht). Endprodukt ist der Gallenfarbstoff, der klinisch ein wichtiger Parameter ist ( 30.38). Der Abbau findet an zwei Orten statt: Er beginnt im mononukleären Phagozytensystem (MPS) der Milz, aber auch der Leber und des Knochenmarks, und wird in der Leber fortgesetzt. Sollten es die Erythrozyten einmal nicht heil bis in das MPS schaffen, sondern bereits direkt im Blut kaputt gehen, wird das freigesetzte Hämoglobin an sein Transportprotein Haptoglobin gebunden. Dieses Plasmaprotein ist ein Glykoprotein; es läuft in der Elektrophorese in der α2-Fraktion, gehört also zu den α2-Globulinen (S. 519). Trennung von Häm und Globin Zu Beginn des Hämoglobinabbaus werden der Proteinteil (Globin) und der Porphyrinteil (Häm) voneinander getrennt. Das Globin wird zu Aminosäuren abgebaut, die dann für Neusynthesen zur Verfügung stehen. Die Entsorgung des Häms ist jedoch wesentlich komplexer. Das Endprodukt des Häm-Abbaus ist das orangefarbene Bilirubin-Diglukuronid – der Farbstoff, der der Galle ihre Farbe gibt. Bildung von Bilirubin Im MPS wird zunächst der Ring des Häms durch die HämOxygenase aufgespalten. Der Schritt ist Cytochrom-P450-abhängig, und es werden O2 und NADPH/H+ benötigt. Biliverdin. Produkt dieser Reaktion ist das grüne Biliverdin (lat. bilis = Galle und verdin = grün), außerdem entsteht Kohlenstoffmonoxid (CO). Das in Form von Fe2+-Ionen freiwerdende Eisen wird an die Oberfläche der Makrophagen transportiert, von Transferrin aufgenommen und dann ins Knochenmark transportiert, um dort erneut in Hämoglobin eingebaut zu werden (S. 501). Bilirubin. Die Biliverdin-Reduktase reduziert nun mittels NADPH/H+ (aus dem Pentosephosphatweg, S. 96) Biliverdin zu orangefarbenem Bilirubin (lat. rube = rot). Bluterguss. Man kann diese beim Abbau von Häm auftretende beeindruckende Farbfolge nach kleinen Missgeschicken wunderbar an sich selbst beobachten: Das Blut in einem Hämatom (Bluterguss) wird durch Makrophagen abgebaut. Der zunächst „blaue Fleck“ wird dabei grünlich, später nimmt er eine orangene oder gelbliche Farbe an! Transport von Bilirubin im Blut Der Abbau im MPS ist abgeschlossen. Das Bilirubin wird über den Blutweg in die Leber geschafft ( 30.39). (Wenn es sich bereits im MPS der Leber befindet, bleibt es natürlich einfach in den Hepatozyten). Bei der Frage des Transportes des Bilirubins im Blut tut sich wie so oft ein kleines Problem auf: Das Molekül ist schlecht wasserlöslich. Es hängt sich deshalb an Albumin (wieder einmal...). In den Sinusoiden der Leber dissoziiert es vom Albumin ab und wird mithilfe eines Transporters in die Hepatozyten aufgenommen. Man bezeichnet es in dieser Form – an Albumin gebunden – als indirektes Bilirubin, weil es im Labor erst gemessen werden kann, wenn vorher das Albumin chemisch entfernt worden ist. 30.38 Hämoglobin-Abbau. aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 30.5 Das Hämoglobin Das konjugierte Bilirubin der Leber wird direktes Bilirubin genannt, weil es im klinisch-chemischen Labor sofort gemessen werden kann (es schwimmt ja alleine – ohne Albumin – im Blut). Indirektes und direktes Bilirubin. Man unterscheidet deshalb so pingelig zwischen diesen beiden Formen, da bei einer Störung des Hämoglobin-Abbaus je nach Lokalisation (vor der Leber oder in der Leber) entweder das indirekte, unkonjugierte oder das direkte, konjugierte Bilirubin erhöht sein kann und sich so durch eine Blutuntersuchung die Art der Schädigung feststellen lässt (S. 552). Abgabe in die Galle 30.39 Transport von Bilirubin im Blut. Kopplung an Glukuronsäure Die nun in der Leber folgenden Reaktionen sind dazu da, Bilirubin polarer und damit besser wasserlöslich zu machen, damit es am Ende als Gallenfarbstoff mit der Gallenflüssigkeit ausgeschieden werden kann. Zu diesem Zweck werden jeweils zwei stark polare Moleküle an ein Molekül Bilirubin gehängt: Bilirubin wird zweifach mit aktivierter Glukuronsäure (UDP-Glukuronsäure) konjugiert. Das zuständige Enzym ist die GlukuronylTransferase. Es entsteht Bilirubin-Diglukuronid ( 30.40). Das entstandene, gut wasserlösliche Bilirubin-Diglukuronid muss nun in die Galle gelangen, um ausgeschieden werden zu können. Wie kommt es aber aus dem Inneren der Hepatozyten in die Gallenkanälchen? Die Gallenkanälchen laufen direkt zwischen den Hepatozyten, der Weg ist also nicht weit. Bilirubin-Diglukuronid ist in der Galle und auch in den Gallenkanälchen hoch konzentriert und muss deshalb aus den Hepatozyten per aktivem Transport gegen ein Konzentrationsgefälle dort hinein gezwungen werden. Die Abgabe in die Galle ist der langsamste Schritt des Bilirubin-Abbaus in der Leber und bestimmt deshalb dessen Geschwindigkeit. Abgabe in den Darm Mit der Galle gelangt das Bilirubin-Diglukuronid (der Gallenfarbstoff) in den Darm ( 30.41). Hier wären der Abbau des Häms und die Ausscheidung eigentlich zu Ende (und unser Stuhlgang folglich orange!), wenn es nicht die vielen Bakterien in unserem Darm gäbe. Diese spalten von einem Teil des Bilirubin-Diglukuronids mithilfe ihrer β-Glukuronidase die Glukuronsäure wieder ab, und das frei werdende Bilirubin wird zu farblosem Urobilinogen und zu Stercobilinogen reduziert. Diese beiden Moleküle oxidieren bei Sauerstoffanwesenheit zu Urobilin und Stercobilin, die eine bräunliche Farbe haben und den Ausscheidungen des Darms die uns bekannte Farbe verleihen. Enterohepatischer Kreislauf. Der größte Teil dieser Endprodukte wird, wie nicht anders zu erwarten, mit dem Stuhl ausgeschieden, ein kleiner Teil jedoch tritt in den enterohepatischen Kreislauf ein, das heißt, er wird aus dem Darm resorbiert und gelangt so zurück ins Blut. 30.40 Kopplung an Glukuronsäure. aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 507 508 30 Das Blut (konjugierten) Bilirubins (Bilirubin-Diglukuronid) in erster Linie nach einem Gallenstein forschen. Allerdings könnte auch hier die Störung innerhalb der Leber liegen, wenn diese trotz Schädigung noch zur Konjugation fähig ist. 30.5.5 Unbrauchbare Hämoglobinformen Wie mit vielen anderen Stoffen in unserem Körper, kann auch mit dem Hämoglobin einiges schief laufen. Es können vorübergehend inaktive Hämoglobinformen entstehen, die nicht mehr für den Sauerstofftransport zur Verfügung stehen. Außerdem gibt es angeborene Krankheiten, bei denen fehlerhaftes Hämoglobin oder zu geringe Mengen an Hämoglobin produziert werden. Inaktive Hämoglobinformen Zu den inaktiven Hämoglobinformen zählen CO-Hämoglobin (Carboxy-Hb) und Methämoglobin. CO-Hämoglobin (Carboxyhämoglobin). Kohlenstoffmonoxid (CO) bindet auf die gleiche Art und Weise an Hämoglobin wie Sauerstoff. Diese Bindung erfolgt bei CO allerdings mit etwa 300fach höherer Affinität als bei O2, Kohlenstoffmonoxid verdrängt aus diesem Grund den Sauerstoff aus seiner Bindung mit Hämoglobin. 30.41 Abgabe in den Darm. Gelbsucht. Zur so genannten Gelbsucht (dem Ikterus) kommt es bei einer Erhöhung der Bilirubin-Konzentration im Blut über den Normalwert (1 mg/dl Gesamtbilirubin). Das Bilirubin diffundiert in diesem Fall in die Gewebe und färbt sie gelb. Sehr gut kann man dies an der weißen Bindehaut der Augen erkennen (Sklerenikterus, ab 1,2 mg/dl). Bei höheren Konzentrationen (ab 2 mg/dl) bekommt auch die Haut eine gelbliche Färbung. Folgende Ursachen für einen Anstau des Bilirubins sind denkbar. ■ Ein vermehrtes Anfallen von Hämoglobin, das abgebaut werden muss (z. B. bei Zerfall von Erythrozyten). ■ Ein verminderter Abbau durch Störungen in der Leber (z. B. bei Leberzirrhose). ■ Eine gestörte Abgabe in die Galle (z. B. bei Steinen im Gallengang. Sucht man nach der Ursache eines bestehenden Ikterus, kann einem die Bestimmung von direktem und indirektem Bilirubin weiterhelfen. Ist das indirekte (unkonjugierte, an Albumin gebundene) Bilirubin erhöht, liegt die Störung vor der Leber oder auch in der Leber. Hingegen sollte man bei Erhöhung des direkten Das entstandene Carboxyhämoglobin fällt für den Sauerstofftransport aus. Ein Anteil von 1 % CO-Hämoglobin am gesamten Hämoglobin ist physiologisch, Raucher bringen es bereits auf 15 %. Kohlenstoffmonoxid-Vergiftung. Ab 20 – 30 % CarboxyHb stellen sich Symptome ein: Es kommt aufgrund des Sauerstoffmangels zu Kopfschmerzen, Schwindel und Bewusstseinsstörungen. Bei 30 – 40 % Carboxy-Hb-Anteil tritt Luftnot und eventuell Bewusstlosigkeit ein, es besteht die Gefahr eines Kreislaufzusammenbruchs. Ab 60 – 70 % befindet man sich in Lebensgefahr, der Tod erfolgt durch inneres Ersticken. Ursachen für eine Kohlenstoffmonoxid-Vergiftung sind defekte Öfen, die nur unvollständig verbrennen, Schwelbrände und Suizidversuche mit Autoabgasen. Es ist problematisch, eine CO-Vergiftung zu erkennen. Die Betroffenen werden nämlich trotz des im Körper herrschenden Sauerstoffmangels nicht zyanotisch (bläulich), sondern sehen im Gegenteil sehr rosig aus, da Carboxy-Hämoglobin selbst eine kirschrote Farbe besitzt. Die Behandlung einer CO-Vergiftung erfolgt durch Einatmen von reinem Sauerstoff, eventuell in einer Überdruckkammer. Man versucht auf diese Weise, CO aus seiner Bindung mit Hämoglobin zu verdrängen und wieder durch O2 zu ersetzen. aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 30.6 Der Eisenstoffwechsel Der Eisenstoffwechsel Methämoglobin 30.6 Zum Zwecke des Sauerstofftransportes wird Hämoglobin oxygeniert, die Wertigkeit des Eisens ändert sich dabei nicht. Es passiert aber ständig, dass Hämoglobin – ungewollt – spontan oxidiert wird. Dabei entsteht aus Fe2+ durch Elektronenabgabe Fe3+. Oxidiertes Hämoglobin mit Fe3+-Ionen im Zentrum wird Methämoglobin oder auch Hämiglobin genannt. Methämoglobin kann – genauso wie Carboxyhämoglobin – keinen Sauerstoff transportieren. Bei einer Anreicherung von Methämoglobin auf einen Anteil von 10 – 20 % am Gesamt-Hb (physiologisch sind 0,5 – 2 %) kommt es deshalb auch in diesem Fall zu Symptomen des Sauerstoffmangels (Schwindel, Bewusstseinsstörungen, Zyanose). Damit eine solche Anreicherung vermieden wird, gibt es das Enzym Methämoglobin-Reduktase. Es sorgt für die Reduktion von Methämoglobin zu normalem Hämoglobin. Als Elektronenlieferant dient bei dieser Reaktion NADH/H+. Zu erhöhten Methämoglobin-Konzentrationen kommt es bei einem genetisch bedingten Fehlen der Methämoglobin-Reduktase oder bei einer Vergiftung mit Oxidationsmitteln (z. B. Nitrit in Pökelsalz). Fundierte Kenntnisse des Eisenstoffwechsels sind für einen Arzt von großer Bedeutung, da weltweit fast zwei Milliarden Menschen an einem Eisenmangel leiden. Dies ist die häufigste Ursache für eine Blutarmut (Anämie), von der vor allem Frauen betroffen sind, weil sie durch die Monatsblutung regelmäßig eine nicht unerhebliche Menge an Eisen verlieren. Der Bedarf an Eisen beträgt für Männer etwa 1 mg/d, für Frauen im gebärfähigen Alter 2 mg/d; in unseren Breiten schaut es daher bei den Damen etwas knapp mit der Eisenversorgung aus. Im klinischen Alltag werden neben dem Eisen selbst auch viele seiner molekularen Mitspieler gemessen. In diesem Kapitel sollen die notwendigen biochemischen Grundlagen für die zu Grunde liegenden Störungen sowie deren Diagnosestellung erklärt werden. Problematisch am Eisen ist, dass es zwar auf der einen Seite lebensnotwendig für viele biochemische Reaktionsabläufe, auf der anderen Seite aber in freier Form ziemlich toxisch für unsere Zellen ist. Hier hat unser Organismus ein ausgefeiltes System entwickeln müssen, das beiden Punkten angemessen gerecht wird. Hämoglobinopathien. Zu den Hämoglobinopathien gehören verschiedene angeborene, also auf einem genetischen Defekt beruhende Störungen. Klinisch am wichtigsten sind dabei die Sichelzellanämie und die Thalassämie. Sichelzellanämie. Bei dieser angeborenen Krankheit wird bei der Biosynthese des Globins in der β-Kette eine falsche Aminosäure eingebaut (Valin statt Glutamat an Position 6). Das dabei entstehende so genannte Sichelzellhämoglobin (Hb S) hat in O2-freiem (reduziertem) Zustand eine wesentlich geringere Löslichkeit als normales Hämoglobin. Es kommt intrazellulär zur Ausfällung des Hb S, die Erythrozyten nehmen dabei eine sichelförmige Struktur an. Klinische Folgen sind Infarkte durch Verschlüsse kleiner Gefäße und eine Anämie, da die Erythrozyten verstärkt abgebaut werden. Thalassämie. Da die folgende Krankheit besonders häufig im Mittelmeerraum auftritt, hat man sie Thalassämie (gr. thalassa = Meer) getauft. Es handelt sich um eine angeborene quantitative Störung der Hämoglobinbiosynthese, bei der die Herstellung der αoder der β-Kette entweder reduziert ist oder überhaupt nicht mehr stattfindet. Stattdessen werden andere Ketten in das Hämoglobin eingebaut, es entsteht vermehrt Hb F und Hb A2. Da diese jedoch physiologisch nur in geringen Mengen gebildet werden, kommt es zur mikrozytären, hypochromen Anämie, einer Blutarmut mit zu kleinen Erythrozyten, die zu wenig Hämoglobin enthalten. 30.6.1 Wozu brauchen wir überhaupt Eisen? Eisen gehört in die Gruppe der Übergangsmetalle, die nicht nur in der Lage sind, in Proteinen feste koordinative Bindungen einzugehen, sondern auch verschiedene Oxidationsstufen zu bilden. Die wichtigste Rolle spielt Eisen dabei als Zentralatom in den Porphyrinen Hämoglobin und Myoglobin. Außerdem nimmt es an vielen Redoxreaktionen teil, so auch im Rahmen der Atmungskette. Eisen und der Sauerstoff Die Hauptfunktion des Eisens liegt in einer maßgeblichen Beteiligung am Transport von Sauerstoff im Hämoglobin (dort sind etwa 75 % des Körpereisens anzutreffen). Ein Eisenmangel macht sich daher auch am häufigsten bei der Sauerstoffversorgung bemerkbar; es kommt zu einer Anämie. Auch im Myoglobin kommt Eisen (etwa 5 % des Körpereisens) seiner Funktion als Sauerstoffbinder nach. Eisen und die Redoxreaktionen Im Rahmen von Redoxreaktionen übernimmt Eisen eine wichtige Rolle. Viele Oxidoreduktasen arbeiten unter Zuhilfenahme von Eisen-Ionen, die zwischen dem zweiwertigen und dem dreiwertigen Zustand wechseln können und so ideal für Elektronenübertragungen sind. aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG 509