Thieme: Biochemie des Menschen

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30 Das Blut
Auf dem gleichen Effekt beruht im Übrigen die Tatsache,
dass die Gefahr einer Sensibilisierung größer ist, wenn Mutter und erstes Kind AB0-kompatibel sind. Sind sie es nämlich
nicht, so führen die Anti-AB0-IgM der Mutter zu einer Zerstörung eingedrungener kindlicher Erythrozyten – wenn sie
schnell genug sind, bevor die Makrophagen auf die Eindringlinge aufmerksam werden.
30.4.4
■
■
Das Kell-System
Das Kell-Antigen ist sehr selten, daher ergibt sich nicht so
oft eine Gelegenheit zur Immunisierung. Allerdings wirkt
es dann als starkes Antigen, sodass weitestgehend versucht
wird, Erythrozyten Kell-verträglich zu transfundieren. Das
soll dazu reichen.
■
Ein Antikörpersuchtest mittels des indirekten Coombstests fahndet dennoch nach Antikörpern gegen MinorAntigene, also irreguläre Antikörper. Das Serum des
Empfängers wird dabei mit definierten Testerythrozyten
vermischt.
Bei der Kreuzprobe nimmt man zunächst wieder Empfängerserum und mischt es mit den Spendererythrozyten (Major-Test). Dann werden noch Empfängererythrozyten mit Spenderserum vermischt – um irreguläre Antikörper gegen nicht getestete Erythrozytenantigene aufzufinden (Minor-Test).
Beim Bedside-Test wird unmittelbar vor der Transfusion
noch einmal die Blutgruppe des Empfängers mittels Antisera gegen A und B bestimmt.
30.5
30.4.5
Die Bluttransfusion
Bluttransfusionen sind therapeutisch häufig eingesetzte
Verfahren, die allerdings keine Fehler tolerieren, da eine
Fehltransfusion das Leben des Patienten akut gefährden
kann.
Was kann man transfundieren?
In Bezug auf die Sauerstoffträger des Blutes, die Erythrozyten, kommt neben der Transfusion von Vollblut vor allem
die Gabe von Erythrozytenkonzentraten (in der Klinik kurz
als EKs bezeichnet) in Frage.
■ Vollblut wird nur noch in Ausnahmefällen gegeben, so
bei fulminanten Hämolysen nach Fehltransfusionen oder
auch nach massiven Blutverlusten im Rahmen von Polytraumen. Der Grund für diese eingeschränkte Indikation
liegt in der Tatsache begründet, dass die verschiedenen
Blutbestandteile eine unterschiedliche Behandlung erfordern. Erythrozyten kann man am besten bei Kühlschranktemperaturen aufbewahren – da stehen Thrombozyten aber gar nicht drauf.
■ Erythrozytenkonzentrate sind daher das Mittel der
Wahl, um einem Patienten Rote Blutkörperchen zu
transfundieren. Neben dem Plasma des Spenders, das
zusätzlich noch unerwünschte Antikörper enthalten
kann, werden durch eine Dichtezentrifugation auch die
meisten Leukozyten und Thrombozyten entfernt. Benötigt man auch diese Bestandteile, so werden sie heutzutage in der Regel extra gegeben.
Notwendige Voruntersuchungen
Vor einer Transfusion ist eine Reihe an Voruntersuchungen
erforderlich, damit keine Fehltransfusion erfolgt.
■ Bei der Blutgruppenuntersuchung werden die wegen
ihrer Wichtigkeit auch als Major-Antigene bezeichneten
AB0- und Rhesus-Antigene bestimmt. Alle anderen (Minor-Antigene) spielen in der Transfusionsmedizin nur
eine untergeordnete Rolle.
Das Hämoglobin
Es ist nun schon viel über die Roten Blutkörperchen gesagt
worden. Nun soll es endlich um ihren wichtigsten Bestandteil gehen: das Hämoglobin – den roten Blutfarbstoff. Zuerst einmal ein paar interessante Zahlen:
Etwa 88 % des Volumens eines Roten Blutkörperchens werden vom Hämoglobin eingenommen. Jeder kleine Erythrozyt ist also fast bis oben hin vollgestopft mit HämoglobinMolekülen. Genauer gesagt enthält ein Erythrozyt in seinem Zytosol etwa 3 × 108 Hämoglobin-Moleküle.
Der mittlere Hämoglobin-Gehalt eines Erythrozyten wird als
Färbekoeffizient (engl. mean corpuscular haemoglobin, MCH)
bezeichnet und liegt bei 30 pg. Insgesamt beträgt der Hämoglobin-Gehalt im Blut, kurz „Hb“ genannt, bei Frauen
etwa 14 g/dl und bei Männern etwa 16 g/dl.
Die Aufgabe des Hämoglobins ist in erster Linie der Sauerstofftransport. Es beteiligt sich aber auch am CO2-Transport
und hilft zu guter Letzt noch bei der Pufferung des Blutes
(sorgt also dafür, dass der pH-Wert bei 7,4 bleibt).
30.5.1
Das Hämoglobin-Molekül
Hämoglobin ist ein großes kugelförmiges Molekül, das aus
vier Untereinheiten besteht ( 30.25). Jede der vier Untereinheiten setzt sich aus einem Porphyrin-Teil („Häm-“) und
einem Protein-Teil („-globin“) zusammen.
Untereinander werden die Untereinheiten durch hydrophobe und ionische Wechselwirkungen sowie durch Wasserstoffbrückenbindungen zusammengehalten.
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30.5 Das Hämoglobin
Auf dem Weg zum fertigen Porphyrin ( 30.27) erhält der
Porphyrinogen-Ring noch zusätzliche Doppelbindungen
(am Ende sind es elf Stück), einige Seitenketten und das
zentrale Eisen-Ion Fe2+. Fertig ist das Porphyrin – in unserem Fall das Häm-Molekül.
30.25 Hämoglobin.
30.27 Porphyrin – das Häm-Molekül.
Das Häm-Molekül
Das Häm-Molekül bildet den Porphyrin-Teil einer Hämoglobin-Untereinheit. Porphyrine sind ringförmige Moleküle, die zusammen mit Proteinen vorliegen und prosthetischen Gruppen entsprechen.
Ein Häm-Molekül enthält viele Doppelbindungen, die ihm
aufgrund ihrer besonderen Lichtbrechung eine rote Färbung verleihen. Häm ist also der Bestandteil des Hämoglobins, dem es seine schöne rote Farbe verdankt.
Porphyrine neigen zur Chelatbildung mit Metallionen. Im
Fall des Hämoglobins ist das zentrale Metallion das zweiwertige Eisen (Fe2+).
Aufbau des Häms. Die Grundstruktur eines Porphyrins
und somit auch des Häms ist ein Ring aus vier Pyrrolringen: das Porphyrinogen ( 30.26).
Das zentrale Eisen-Ion besitzt sechs Koordinationsstellen,
mit denen es nicht-kovalente koordinative Bindungen eingehen kann. Koordinativ bedeutet, dass beide Bindungselektronen von einem Bindungspartner stammen.
Vier dieser Koordinationsstellen werden von den Stickstoffatomen der Pyrrol-Ringe besetzt, die fünfte Stelle
dient der Verbindung des Häms mit dem Globin – genauer
gesagt mit einem Histidinrest der Polypeptidkette. Nun ist
noch eine Bindungsstelle übrig.
Die O2-Bindung. Für die Hauptaufgabe des roten Blutfarbstoffs, den Sauerstofftransport, steht die sechste und letzte
Koordinationsstelle des Häm-Eisenions zur Verfügung. Dort
lagert sich ein Sauerstoffmolekül (O2) an ( 30.28). Das
gesamte Hämoglobin mit seinen vier Untereinheiten kann
also vier Moleküle Sauerstoff transportieren.
30.26 Porphyrinogen ist ein Ring aus vier Pyrrol-Ringen.
30.28 Die O2-Bindung.
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30 Das Blut
Das Globin-Molekül
Der Protein-Teil einer Untereinheit, das Globin, ist eine
Polypeptidkette. Es gibt davon vier verschiedene Sorten:
eine α-, eine β-, eine γ- und eine δ-Kette, die sich durch
ihre Aminosäuresequenz unterscheiden. Eine Untereinheit
des Hämoglobins besitzt jeweils eine dieser Ketten.
Ein Hämoglobin-Molekül enthält somit insgesamt vier Peptidketten, davon sind zwei immer α-Ketten und die anderen zwei immer vom gleichen Typ (β, γ oder δ). Anhand der
enthaltenen Globine kann man drei Hämoglobin-Arten unterscheiden.
Das Hämoglobin der Erwachsenen. Beim Erwachsenen
werden zwei verschiedene Hämoglobine unterschieden,
das Hb A1 und das Hb A2 („A“ steht dabei für adult).
■ Hb A1, das 98 % des Hämoglobins eines Erwachsenen
ausmacht, besteht dabei aus zwei α- und zwei β-Ketten.
■ Hb A2, das im Erwachsenen zu zwei Prozent vorliegt,
besteht aus zwei α-und zwei δ Ketten.
Das fetale Hämoglobin (Hb F) liegt während der meisten
Zeit der fetalen Entwicklung zu 100 % vor, wird dann aber
gegen den Geburtstermin hin zunehmend durch die adulten Formen ersetzt. Hb F besteht aus zwei α- und zwei
γ-Ketten.
Das fetale Hämoglobin hat eine höhere Affinität zu Sauerstoff als das Hämoglobin des Erwachsenen, also der Mutter.
Es zieht ihn sozusagen mit viel größerer Kraft zu sich hin,
als das Hämoglobin der Mutter an ihm festhält, was den
Übergang des Sauerstoffs vom mütterlichen ins kindliche
Blut ermöglicht und gewährleistet.
Nach der Geburt wird im Laufe der ersten Lebensmonate
das fetale Hämoglobin dann vollständig durch Hb A1 (und
Hb A2) ersetzt.
Dieser Wandel der Hämoglobin-Arten vollzieht sich durch
Umschalten der Genexpression und ist auch durch die unterschiedliche Expression in verschiedenen Organen während der Ontogenese begründet.
30.5.2
Liegt eine Störung in Form eines Enzymmangels vor, entwickelt sich ein gefährlicher Anstau von Häm-Vorstufen,
eine so genannte Porphyrie.
Die Häm-Biosynthese
Man kann die Biosynthese des Häms in die unbedingt
wichtigen Schritte und die etwas weniger wichtigen Reaktionen einteilen.
Grundsätzlich kann in der Klinik zwar jede Reaktion der
Häm-Biosynthese große Bedeutung erlangen, denn sie werden alle jeweils durch ein Enzym katalysiert, das auch
mangelhaft arbeiten kann. Es reicht später aber aus, wenn
man weiß, welche Enzyme generell der Häm-Biosynthese
zuzuordnen sind.
δ-Aminolävulinsäure. Bei der Startreaktion entsteht aus
Succinyl-CoA und Glycin die δ-Aminolävulinsäure (δ-ALS).
Succinyl-CoA ist ein Zwischenprodukt des Citratzyklus
(S. 203), der ausschließlich in den Mitochondrien abläuft.
Damit nicht einfach so Succinyl-CoA aus dem Citratzyklus
abgezogen und (eventuell grundlos) ins Zytosol geschafft
wird, läuft auch die Schlüsselreaktion der Häm-Biosynthese noch in den Mitochondrien ab.
Das Enzym, das diese Reaktion ermöglicht, ist die δ-ALSSynthase ( 30.29), die PALP (Pyridoxalphosphat, also Vitamin B6) als Coenzym für die Decarboxylierung benötigt
(S. 181).
Hämoglobin-Biosynthese
Die Bildung des Hämoglobins erfolgt vor allem im Knochenmark in den verschiedenen Vorläuferzellen der Erythrozyten, solange diese noch ihre Organellen besitzen. Verliert
der Erythroblast seine Mitochondrien und seinen Zellkern,
geht ihm damit auch die Fähigkeit zur Hämoglobin-Biosynthese verloren.
Das Globin wird ganz normal im Zytosol an den Ribosomen synthetisiert.
Die Herstellung des Häms ist komplexer, wobei die
grundsätzlichen Schritte oben schon beschrieben wurden.
Sie beginnt in den Mitochondrien, um nach einem Ausflug
ins Zytosol auch dort wieder zu enden.
30.29 Die δ-ALS-Synthase macht aus Succinyl-CoA und Glycin die
δ-Aminolävulinsäure (δ-ALS).
Die δ-ALS-Synthase ist das Schlüsselenzym der gesamten
Häm-Biosynthese. Das Endprodukt Häm hemmt dieses
Enzym (es wirkt als allosterischer Inhibitor) und unterdrückt zusätzlich auf Genebene als Repressor seine Herstellung.
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30.5 Das Hämoglobin
Vom Mitochondrium ins Zytosol. Die entstandene δ-ALS
verlässt nun das Mitochondrium und gelangt ins Zytosol
( 30.30).
Porphobilinogen. Im Zytosol katalysiert die δ-ALS-Dehydratase die Kondensation von zwei Molekülen δ-ALS zu
Porphobilinogen, das schon den Pyrrol-Ring enthält.
30.30 Die δ-ALS-Dehydratase katalysiert die Reaktion zu Porphobi-
Vom Zytosol zurück ins Mitochondrium. Coproporphyrinogen III wandert vom Zytosol wieder zurück ins Mitochondrium und wird dort zu Protoporphyrinogen IX umgewandelt. Durch dessen Oxidation entsteht Protoporphyrin IX.
Dieses ist der letzte Stoff in der Häm-Biosynthese vor Einfügen des zentralen Eisen-Ions. Protoporphyrin ( 30.32)
besitzt außer dem Eisen-Ion schon alles, was so ein richtiges, fertiges Häm braucht: die gesamten elf Doppelbindungen, die ihm bereits seine typische rote Farbe verleihen,
sowie die fertigen Seitenketten.
30.32 Protoporphyrin.
linogen.
Protoporphyrin. Aus vier Molekülen Porphobilinogen entsteht (über den Zwischenstoff Hydroxymethylbilan) Uroporphyrinogen III mit dem für die Porphyrine typischen
Tetrapyrrol-Ring ( 30.31). Im nächsten Schritt wird Coproporphyrinogen III hergestellt.
30.31
gen III.
Einfügen des Eisen-Ions. So, jetzt fehlt als Tüpfelchen auf
dem „i“ nur noch das zentrale Eisen-Ion Fe2+, der wichtigste Bestandteil des Hämoglobins. Um seinen Einbau kümmert sich das Enzym Ferrochelatase, und schon ist es fertig
– das Häm-Molekül ( 30.33).
Aus vier Molekülen Porphobilinogen entsteht Uroporphyrino-
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30 Das Blut
30.33 Häm-Biosynthese im Überblick.
Regulation der Häm-Biosynthese
Welche Menge Häm zu einem bestimmten Zeitpunkt hergestellt werden soll, wird durch das Zusammenspiel von
drei unterschiedlichen Regulationsmechanismen bestimmt:
■ auf Enzymebene
■ durch die Sauerstoffkonzentration und
■ durch Succinyl-CoA.
Enzymbeeinflussung durch Häm. Als erster Punkt ist die
Regulation auf Enzymebene zu nennen. Die Aktivität des
Schlüsselenzyms der gesamten Häm-Synthese, der δ-ALSSynthase, wird durch das Endprodukt Häm auf zwei verschiedenen Wegen herabgesetzt. Zum einen sorgt Häm für
eine Rückkopplungshemmung des vorhandenen Enzyms
(es wirkt als allosterischer Inhibitor), zum anderen unterdrückt es auf Genebene als Repressor bereits seine Herstellung.
Diese Rückkopplungshemmung funktioniert natürlich nur,
weil sich sowohl die Schlüsselreaktion zu Beginn als auch
das Endprodukt im gleichen zellulären Kompartiment befinden, nämlich im Mitochondrium. Dies ist ein zusätzlicher –
und häufiger – Grund, warum die definitive Fertigstellung
eines Moleküls noch einmal in das Ausgangskompartiment
zurückgelangt.
Sauerstoffpartialdruck. Weiterhin wird die Biosynthese
durch die Sauerstoffkonzentration beeinflusst. Ein niedriger O2-Partialdruck, z. B. in großer Höhe, stimuliert die
Häm-Biosynthese.
Succinyl-CoA. Der dritte regulierende Punkt ist die Bereitstellung von Succinyl-CoA aus dem Citratzyklus. Auch hier
spielt der Sauerstoff eine entscheidende Rolle: SuccinylCoA kann in den Mitochondrien sowohl den Citratzyklus
durchlaufen (Reaktion zu Succinat), als auch für die HämBiosynthese abgezweigt werden.
Ist viel Sauerstoff vorhanden, läuft die Atmungskette auf
Hochtouren, und Succinyl-CoA durchläuft dementsprechend fast ausschließlich den Citratzyklus. Das kann es
auch ruhig tun, denn Häm wird bei hohem O2-Angebot
sowieso nicht vermehrt gebraucht. Andersherum funktioniert es genauso: Wenn wenig O2 zur Verfügung steht,
kann die Atmungskette nur „auf Sparflamme“ laufen, Succinyl-CoA also vermehrt für die Häm-Biosynthese verwendet werden. Das Häm wird in diesem Fall auch dringend
gebraucht, damit trotz niedrigen Sauerstoffs eine möglichst
gute O2-Versorgung des Körpers gewährleistet ist.
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30.5 Das Hämoglobin
Störungen der Häm-Biosynthese. Jedes Enzym, das bei
der Biosynthese des Häms beteiligt ist, kann einen Defekt
aufweisen. Dieser ist allerdings nie absolut, weil ein solcher
Defekt nicht mit dem Leben vereinbar wäre. In der Folge
kommt es zu Störungen in der Porphyrin-Biosynthese, und
es stauen sich Vorstufen des Häms an. Man spricht dann
von einer so genannten Porphyrie. Die angestauten Stoffe
werden letztendlich über Urin und Stuhl ausgeschieden, die
dadurch, je nach fehlendem Enzym, rot gefärbt sein können.
Die Häm-Vorstufen lagern sich in den Organen, unter anderem auch in der Haut, ab, die dadurch überempfindlich
gegenüber Lichteinwirkung wird. Es kommt zu Blasenbildung und zu schweren Nekrosen, wenn sich die Patienten
dem Tageslicht aussetzen. Außerdem können neurologische Störungen auftreten.
Draculas Problem. Es ist möglich, dass die berühmte und
berüchtigte Legende von Dracula auf dem Boden häufig
auftretender Porphyrien entstand. Die gar nicht bösen,
sondern im Gegenteil eher zu bemitleidenden Erkrankten
zeigten aufgrund der Blasenbildung der Haut ein seltsames
Äußeres, waren lichtscheu und durch die neurologischen
Symptome verhaltensverändert. Sie haben womöglich Blut
getrunken, um den durch ihre Krankheit hervorgerufenen
Häm-Mangel auszugleichen.
Globin-Biosynthese
Wie oben schon einmal beschrieben wird der Globin-Teil –
wie jedes Protein – ganz normal an den Ribosomen synthetisiert. Seine Bildung findet somit im Zytosol statt.
Der Zusammenbau – Fertigstellung des
Hämoglobins
Jetzt fehlt auf dem Weg zum Hämoglobin nur noch der
Zusammenbau von Häm und Globin. Zu diesem Zweck
erfolgt erneut ein kleiner Ortswechsel: Häm verlässt das
Mitochondrium und wird im Zytosol mit dem Globin verbunden.
30.5.3
Der Sauerstofftransport
Wir wissen nun, wie Hämoglobin aussieht und wie es gebildet wird. Wie genau transportiert es aber seine kostbare
Fracht, den Sauerstoff?
Sauerstoff ist schlecht wasserlöslich und benötigt im Blut
deshalb einen Transporter – das Hämoglobin. Ein Hämoglobin-Molekül hat vier O2-Bindungsstellen (je eine an jedem
Fe2+-Ion des Häms), kann also vier O2-Moleküle gleichzeitig
transportieren.
Die Aufnahme von Sauerstoff ist reversibel. Bei hohem Partialdruck (in der Lunge) nimmt Hämoglobin Sauerstoff auf,
bei niedrigem (im Gewebe) gibt es ihn wieder ab.
Die Oxygenierung – Aufnahme des Sauerstoffs
Bei der Bindung des Sauerstoffs an das Eisen-Ion des Häms
handelt es sich um eine Oxygenierung, nicht zu verwechseln mit einer Oxidation! Bei der Oxygenierung ändert sich
die Wertigkeit des Eisens nicht, es bleibt zweiwertig.
Eine Oxidation hingegen geht mit einer Elektronenabgabe
des Eisens einher, es entsteht dabei Fe3+. Es kommt leider
ständig vor, dass Hämoglobin spontan oxidiert wird, man
nennt es dann Methämoglobin. Im Zuge des Sauerstofftransportes geschieht dies jedoch normalerweise nicht.
Das sauerstoffbeladene Oxyhämoglobin des arteriellen
Blutes ist hellrot. Die dunkelrote Farbe des sauerstofffreien
Desoxyhämoglobins verleiht hingegen dem venösen Blut
seine dunkle Färbung.
Regulation der Sauerstoffbindung
Hämoglobin ist ein allosterisches Protein. Bei der Bindung
eines Sauerstoffmoleküls ändert sich die Konformation des
Hämoglobins, das nächste Molekül O2 kann leichter binden
als das erste.
Die Affinität zum Sauerstoff steigt also mit zunehmender
Sauerstoffbeladung immer weiter an. Je mehr O2-Moleküle
schon am Hämoglobin gebunden sind, desto leichter geht
noch ein weiteres dran. Man nennt dies kooperative Wechselwirkung.
Die Sauerstoff-Bindungskurve des Hämoglobins verläuft
als Folge dieser kooperativen Wechselwirkung sigmoidal,
das heißt erst flach, dann steiler – aufgrund steigender
Affinität –, dann ist es gesättigt ( 30.34).
Eine Rechtsverschiebung der Kurve (Abnahme der Affinität) bedeutet, dass der Sauerstoff leichter abgegeben wird,
eine Linksverschiebung (Zunahme der Affinität) geht mit
einer verstärkten O2-Aufnahme einher. Die Kurve zeigt,
dass erstaunlicherweise weniger als die Hälfte des in der
Lunge aufgenommenen Sauerstoffs im Gewebe abgegeben
wird!
Zu einer Rechtsverschiebung der Kurve, also zu einer höheren Bereitschaft zur Abgabe von Sauerstoff, kommt es
bei folgenden Änderungen:
1. Abnahme des pH-Wertes
2. Anstieg der CO2-Konzentration
3. Temperaturerhöhung
4. erhöhte 2,3-Bisphosphoglycerat-Konzentration
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Genau diese Verhältnisse in stark arbeitenden Teilen des
Körpers sorgen für eine Rechtsverschiebung der Sauerstoff-Bindungskurve und bringen so das Hämoglobin im
Erythrozyten dazu, seine Fracht an das umliegende Gewebe abzugeben.
Der Einfluss von CO2 und pH-Wert auf die Sauerstoffaffinität wird Bohr-Effekt genannt. Bei Erhöhung von CO2 und
Abnahme des pH-Wertes kommt es zu einer Rechtsverschiebung der Sauerstoff-Bindungskurve, bei umgekehrten
Verhältnissen zu einer Linksverschiebung. Dies erleichtert
sowohl die Sauerstoffabgabe im Gewebe, als auch seine
Aufnahme in der Lunge.
Der CO2-Transport
30.34 Die Sauerstoff-Bindungskurve.
Der pH-Wert, CO2, Temperatur und 2,3-BPG sind also,
neben dem Sauerstoff selbst, vier weitere allosterische Effektoren des Hämoglobins.
Eine leichtere Abgabe des Sauerstoffs an das Gewebe sollte
sinnvollerweise dort erfolgen, wo viel Sauerstoff benötigt
wird, zum Beispiel in der arbeitenden Muskulatur. Wie
kommt es dort aber zu den oben aufgezählten Bedingungen, die einen Erythrozyten dazu veranlassen, Sauerstoff
abzugeben?
Obwohl Kohlenstoffdioxid immerhin eine etwa 20-mal höhere physikalische Löslichkeit besitzt als Sauerstoff, reicht
dies noch lange nicht aus, um ausschließlich in gelöster
Form im Blut transportiert werden zu können.
Für Kohlenstoffdioxid gibt es im Gegensatz zum Sauerstoff
drei verschiedene Möglichkeiten des Transportes, die allerdings in unterschiedlichem Maße genutzt werden.
■ 80 % des CO2 werden als Bicarbonat-Ionen (HCO3-) im
Blut gelöst transportiert,
■ 10 % in den Erythrozyten an Hämoglobin gebunden und
■ 10 % des CO2 werden direkt physikalisch im Blut gelöst.
Auch auf dem Weg von der Gewebszelle, wo es im Zuge des
Stoffwechsels als Abfallprodukt entsteht, durch das Blutplasma in die Erythrozyten liegt CO2 physikalisch gelöst
vor.
Transport als Bicarbonat. 80 % des CO2 werden im Erythrozyten durch die Carboanhydrase zunächst zu Kohlensäure hydriert, die dann in HCO3- und Protonen dissoziiert
( 30.35). Die Bicarbonat-Ionen sind im Gegensatz zum
Kohlenstoffdioxid gut wasserlöslich.
Abgabe des Sauerstoffs
Erreicht ein Erythrozyt – vollgeladen mit oxygeniertem Hämoglobin – auf seinem Weg durch die Arterien einen Ort
mit Sauerstoffbedarf, wie z. B. die Muskulatur, bietet sich
ihm folgendes Bild:
1. Wegen des hohen Energieverbrauchs laufen hier die abbauenden, energieliefernden Stoffwechselwege (Glykolyse, Citratzyklus und Atmungskette) auf Hochtouren.
Dabei entstehen vermehrt Säuren (z. B. Zitronensäure),
der pH-Wert sinkt.
2. Aufgrund des hohen Umsatzes im Citratzyklus nimmt
die CO2-Konzentration zu.
3. Durch den Wärmeverlust in der Atmungskette steigt
auch die Temperatur leicht an.
4. Innerhalb der Erythrozyten wird bei Sauerstoffbedarf
vermehrt der Nebenweg der Glykolyse über 2,3Bisphosphoglycerat beschritten, die Konzentration an
2,3-BPG erhöht sich.
30.35 Transport als Bicarbonat.
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30.5 Das Hämoglobin
HCO3- diffundiert aus dem Erythrozyten hinaus ins Blut.
Das Verlassen des Erythrozyten geschieht im Austausch
gegen Cl–-Ionen, ist also elektrisch neutral. Die ChloridVerschiebung vom Blutplasma in den Erythrozyten wird
nach einem niederländischen Chemiker namens Hamburger als „Hamburger-Shift“ bezeichnet.
Im Blutplasma gelöst wird das Bicarbonat zur Lunge transportiert. Dort soll CO2 abgeatmet werden, die BicarbonatIonen müssen also wieder zu Kohlenstoffdioxid umgewandelt werden. Dies ist nicht weiter schwierig. Wir schaffen
HCO3–-Ionen im Austausch gegen Cl–-Ionen diesmal in die
Erythrozyten hinein und kehren dort die Reaktionen um
( 30.36).
Hämoglobin als Puffer
Wie wir oben gesehen haben, entstehen im Zuge des CO2Transports sowohl bei der Bildung von HCO3--Ionen als
auch bei der Bindung von Kohlenstoffdioxid an Hämoglobin Protonen.
CO2 macht sauer. Würde man diese Protonen nicht weiter
beachten und im Blut einfach ungehindert ihres Weges
ziehen lassen, fiele der pH-Wert des Blutes ab. Dies muss
jedoch auf jeden Fall verhindert werden, da ein konstanter
pH-Wert von 7,4 für den Körper unerlässlich ist. Wir brauchen also einen Puffer, der die Protonen abfängt.
Hämoglobin bindet Protonen. Für die Lösung dieses Problems ist es sehr praktisch, dass Hämoglobin in der Lage
ist, Protonen zu binden. Die Bindung erfolgt an HistidinSeitenketten und Sulfhydryl-(SH-)Gruppen der Polypeptidketten.
Natürlich kann Hämoglobin auch Protonen abfangen, die
auf anderem Wege entstanden sind (die Zellmembran ist
für H+ frei durchgängig). Es stellt aufgrund dieser Fähigkeit
eines der wichtigen Puffersysteme des Blutes dar. Weitere
Puffer sind Bicarbonat (HCO3-), Plasmaproteine (Albumin)
und Phosphat in Form des Hydrogenphosphats (HPO42-).
30.36 Transport des CO2 als Bicarbonat.
Transport von CO2 an Hb gebunden. 10 % des CO2 werden
in den Erythrozyten an Hämoglobin gebunden und so zur
Lunge transportiert. Kohlenstoffdioxid bindet dabei kovalent an die NH2-Gruppe am α-C-Atom (aminoterminales
Ende) jeder der vier Globinketten (nicht an das zentrale
Fe2+!), es entsteht Carbaminohämoglobin ( 30.37).
30.37 Carbaminohämoglobin.
Physikalisch gelöstes CO2. Die restlichen 10 % des Kohlenstoffdioxids gelangen ganz unspektakulär in physikalisch
gelöster Form mit dem Blutstrom zur Lunge.
Pufferkapazität des Hb. Die Fähigkeit des Hämoglobins
zur Aufnahme von Protonen hängt stark davon ab, ob es
in oxygenierter oder in desoxygenierter Form vorliegt.
Desoxyhämoglobin ist eine stärkere Base als oxygeniertes
Hämoglobin, nimmt also gerne Protonen auf. Diese Tatsache passt wunderbar zu den Bedürfnissen an den verschiedenen Orten des Körpers.
Im Gewebe, in dem im Zuge des Stoffwechsels vermehrt
Säuren und damit Protonen entstehen, wird ein wirkungsvoller Puffer besonders dringend gebraucht. Genau dort
gibt Oxyhämoglobin seinen Sauerstoff ab (Rechtsverschiebung der Sauerstoff-Bindungskurve!), es entsteht Desoxyhämoglobin. Dieses ist wie erwähnt eine stärkere Base als
Oxyhämoglobin und nimmt bereitwillig die störenden
Protonen auf. Die Pufferkapazität des Hämoglobins ist
somit im Gewebe sehr hoch.
Gleichzeitig wird durch die leichte Aufnahme der Protonen
die Bildung von HCO3--Ionen und damit der CO2-Abtransport unterstützt.
In der Lunge wird Desoxyhämoglobin mit O2 beladen, es
entsteht das weniger alkalische Oxyhämoglobin. Dieses
gibt Protonen ab, die genau jetzt auch benötigt werden,
damit CO2 entsteht und abgeatmet werden kann. Durch
die Freisetzung der Protonen kann im Erythrozyten HCO3zu H2CO3 reagieren, das durch die Carboanhydrase zu CO2
und H2O zerlegt wird.
In der Lunge ist die Pufferkapazität des Hämoglobins also
wesentlich geringer als in den Geweben, was aber auch
genau den Bedürfnissen entspricht.
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30 Das Blut
30.5.4
Hämoglobin-Abbau
Pro Sekunde wird das Hämoglobin von etwa 2,5 Millionen
altersschwachen Erythrozyten abgebaut (aus viel mehr als
aus Hämoglobin bestehen sie ja nicht). Endprodukt ist der
Gallenfarbstoff, der klinisch ein wichtiger Parameter ist
( 30.38). Der Abbau findet an zwei Orten statt: Er beginnt
im mononukleären Phagozytensystem (MPS) der Milz, aber
auch der Leber und des Knochenmarks, und wird in der
Leber fortgesetzt.
Sollten es die Erythrozyten einmal nicht heil bis in das MPS
schaffen, sondern bereits direkt im Blut kaputt gehen, wird
das freigesetzte Hämoglobin an sein Transportprotein Haptoglobin gebunden. Dieses Plasmaprotein ist ein Glykoprotein; es läuft in der Elektrophorese in der α2-Fraktion, gehört also zu den α2-Globulinen (S. 519).
Trennung von Häm und Globin
Zu Beginn des Hämoglobinabbaus werden der Proteinteil
(Globin) und der Porphyrinteil (Häm) voneinander getrennt. Das Globin wird zu Aminosäuren abgebaut, die
dann für Neusynthesen zur Verfügung stehen.
Die Entsorgung des Häms ist jedoch wesentlich komplexer.
Das Endprodukt des Häm-Abbaus ist das orangefarbene
Bilirubin-Diglukuronid – der Farbstoff, der der Galle ihre
Farbe gibt.
Bildung von Bilirubin
Im MPS wird zunächst der Ring des Häms durch die HämOxygenase aufgespalten. Der Schritt ist Cytochrom-P450-abhängig, und es werden O2 und NADPH/H+ benötigt.
Biliverdin. Produkt dieser Reaktion ist das grüne Biliverdin
(lat. bilis = Galle und verdin = grün), außerdem entsteht
Kohlenstoffmonoxid (CO). Das in Form von Fe2+-Ionen freiwerdende Eisen wird an die Oberfläche der Makrophagen
transportiert, von Transferrin aufgenommen und dann ins
Knochenmark transportiert, um dort erneut in Hämoglobin
eingebaut zu werden (S. 501).
Bilirubin. Die Biliverdin-Reduktase reduziert nun mittels
NADPH/H+ (aus dem Pentosephosphatweg, S. 96) Biliverdin
zu orangefarbenem Bilirubin (lat. rube = rot).
Bluterguss. Man kann diese beim Abbau von Häm auftretende beeindruckende Farbfolge nach kleinen Missgeschicken wunderbar an sich selbst beobachten: Das Blut in
einem Hämatom (Bluterguss) wird durch Makrophagen abgebaut. Der zunächst „blaue Fleck“ wird dabei grünlich,
später nimmt er eine orangene oder gelbliche Farbe an!
Transport von Bilirubin im Blut
Der Abbau im MPS ist abgeschlossen. Das Bilirubin wird
über den Blutweg in die Leber geschafft ( 30.39). (Wenn
es sich bereits im MPS der Leber befindet, bleibt es natürlich einfach in den Hepatozyten).
Bei der Frage des Transportes des Bilirubins im Blut tut sich
wie so oft ein kleines Problem auf: Das Molekül ist schlecht
wasserlöslich. Es hängt sich deshalb an Albumin (wieder
einmal...). In den Sinusoiden der Leber dissoziiert es vom
Albumin ab und wird mithilfe eines Transporters in die
Hepatozyten aufgenommen.
Man bezeichnet es in dieser Form – an Albumin gebunden
– als indirektes Bilirubin, weil es im Labor erst gemessen
werden kann, wenn vorher das Albumin chemisch entfernt
worden ist.
30.38 Hämoglobin-Abbau.
aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG
30.5 Das Hämoglobin
Das konjugierte Bilirubin der Leber wird direktes Bilirubin
genannt, weil es im klinisch-chemischen Labor sofort gemessen werden kann (es schwimmt ja alleine – ohne Albumin – im Blut).
Indirektes und direktes Bilirubin. Man unterscheidet
deshalb so pingelig zwischen diesen beiden Formen, da
bei einer Störung des Hämoglobin-Abbaus je nach Lokalisation (vor der Leber oder in der Leber) entweder das indirekte, unkonjugierte oder das direkte, konjugierte Bilirubin
erhöht sein kann und sich so durch eine Blutuntersuchung
die Art der Schädigung feststellen lässt (S. 552).
Abgabe in die Galle
30.39 Transport von Bilirubin im Blut.
Kopplung an Glukuronsäure
Die nun in der Leber folgenden Reaktionen sind dazu da,
Bilirubin polarer und damit besser wasserlöslich zu machen, damit es am Ende als Gallenfarbstoff mit der Gallenflüssigkeit ausgeschieden werden kann.
Zu diesem Zweck werden jeweils zwei stark polare Moleküle an ein Molekül Bilirubin gehängt: Bilirubin wird zweifach mit aktivierter Glukuronsäure (UDP-Glukuronsäure)
konjugiert. Das zuständige Enzym ist die GlukuronylTransferase. Es entsteht Bilirubin-Diglukuronid ( 30.40).
Das entstandene, gut wasserlösliche Bilirubin-Diglukuronid muss nun in die Galle gelangen, um ausgeschieden
werden zu können. Wie kommt es aber aus dem Inneren
der Hepatozyten in die Gallenkanälchen?
Die Gallenkanälchen laufen direkt zwischen den Hepatozyten, der Weg ist also nicht weit. Bilirubin-Diglukuronid
ist in der Galle und auch in den Gallenkanälchen hoch
konzentriert und muss deshalb aus den Hepatozyten per
aktivem Transport gegen ein Konzentrationsgefälle dort
hinein gezwungen werden.
Die Abgabe in die Galle ist der langsamste Schritt des Bilirubin-Abbaus in der Leber und bestimmt deshalb dessen
Geschwindigkeit.
Abgabe in den Darm
Mit der Galle gelangt das Bilirubin-Diglukuronid (der Gallenfarbstoff) in den Darm ( 30.41). Hier wären der Abbau
des Häms und die Ausscheidung eigentlich zu Ende (und
unser Stuhlgang folglich orange!), wenn es nicht die vielen
Bakterien in unserem Darm gäbe. Diese spalten von einem
Teil des Bilirubin-Diglukuronids mithilfe ihrer β-Glukuronidase die Glukuronsäure wieder ab, und das frei werdende Bilirubin wird zu farblosem Urobilinogen und zu Stercobilinogen reduziert. Diese beiden Moleküle oxidieren bei
Sauerstoffanwesenheit zu Urobilin und Stercobilin, die
eine bräunliche Farbe haben und den Ausscheidungen des
Darms die uns bekannte Farbe verleihen.
Enterohepatischer Kreislauf. Der größte Teil dieser Endprodukte wird, wie nicht anders zu erwarten, mit dem
Stuhl ausgeschieden, ein kleiner Teil jedoch tritt in den
enterohepatischen Kreislauf ein, das heißt, er wird aus
dem Darm resorbiert und gelangt so zurück ins Blut.
30.40 Kopplung an Glukuronsäure.
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507
508
30 Das Blut
(konjugierten) Bilirubins (Bilirubin-Diglukuronid) in erster
Linie nach einem Gallenstein forschen. Allerdings könnte
auch hier die Störung innerhalb der Leber liegen, wenn
diese trotz Schädigung noch zur Konjugation fähig ist.
30.5.5
Unbrauchbare Hämoglobinformen
Wie mit vielen anderen Stoffen in unserem Körper, kann
auch mit dem Hämoglobin einiges schief laufen. Es können
vorübergehend inaktive Hämoglobinformen entstehen, die
nicht mehr für den Sauerstofftransport zur Verfügung stehen. Außerdem gibt es angeborene Krankheiten, bei denen
fehlerhaftes Hämoglobin oder zu geringe Mengen an Hämoglobin produziert werden.
Inaktive Hämoglobinformen
Zu den inaktiven Hämoglobinformen zählen CO-Hämoglobin (Carboxy-Hb) und Methämoglobin.
CO-Hämoglobin
(Carboxyhämoglobin).
Kohlenstoffmonoxid (CO) bindet auf die gleiche Art und Weise an
Hämoglobin wie Sauerstoff.
Diese Bindung erfolgt bei CO allerdings mit etwa 300fach
höherer Affinität als bei O2, Kohlenstoffmonoxid verdrängt
aus diesem Grund den Sauerstoff aus seiner Bindung mit
Hämoglobin.
30.41 Abgabe in den Darm.
Gelbsucht. Zur so genannten Gelbsucht (dem Ikterus)
kommt es bei einer Erhöhung der Bilirubin-Konzentration
im Blut über den Normalwert (1 mg/dl Gesamtbilirubin).
Das Bilirubin diffundiert in diesem Fall in die Gewebe und
färbt sie gelb. Sehr gut kann man dies an der weißen Bindehaut der Augen erkennen (Sklerenikterus, ab 1,2 mg/dl).
Bei höheren Konzentrationen (ab 2 mg/dl) bekommt auch
die Haut eine gelbliche Färbung.
Folgende Ursachen für einen Anstau des Bilirubins sind
denkbar.
■ Ein vermehrtes Anfallen von Hämoglobin, das abgebaut
werden muss (z. B. bei Zerfall von Erythrozyten).
■ Ein verminderter Abbau durch Störungen in der Leber
(z. B. bei Leberzirrhose).
■ Eine gestörte Abgabe in die Galle (z. B. bei Steinen im
Gallengang.
Sucht man nach der Ursache eines bestehenden Ikterus,
kann einem die Bestimmung von direktem und indirektem
Bilirubin weiterhelfen.
Ist das indirekte (unkonjugierte, an Albumin gebundene)
Bilirubin erhöht, liegt die Störung vor der Leber oder auch in
der Leber. Hingegen sollte man bei Erhöhung des direkten
Das entstandene Carboxyhämoglobin fällt für den Sauerstofftransport aus. Ein Anteil von 1 % CO-Hämoglobin am
gesamten Hämoglobin ist physiologisch, Raucher bringen
es bereits auf 15 %.
Kohlenstoffmonoxid-Vergiftung. Ab 20 – 30 % CarboxyHb stellen sich Symptome ein: Es kommt aufgrund des
Sauerstoffmangels zu Kopfschmerzen, Schwindel und Bewusstseinsstörungen. Bei 30 – 40 % Carboxy-Hb-Anteil tritt
Luftnot und eventuell Bewusstlosigkeit ein, es besteht die
Gefahr eines Kreislaufzusammenbruchs. Ab 60 – 70 % befindet man sich in Lebensgefahr, der Tod erfolgt durch inneres
Ersticken.
Ursachen für eine Kohlenstoffmonoxid-Vergiftung sind defekte Öfen, die nur unvollständig verbrennen, Schwelbrände
und Suizidversuche mit Autoabgasen.
Es ist problematisch, eine CO-Vergiftung zu erkennen. Die
Betroffenen werden nämlich trotz des im Körper herrschenden Sauerstoffmangels nicht zyanotisch (bläulich), sondern
sehen im Gegenteil sehr rosig aus, da Carboxy-Hämoglobin
selbst eine kirschrote Farbe besitzt.
Die Behandlung einer CO-Vergiftung erfolgt durch Einatmen von reinem Sauerstoff, eventuell in einer Überdruckkammer. Man versucht auf diese Weise, CO aus seiner Bindung mit Hämoglobin zu verdrängen und wieder durch O2
zu ersetzen.
aus: Horn, Biochemie des Menschen (ISBN 9783131308856) © 2012 Georg Thieme Verlag KG
30.6 Der Eisenstoffwechsel
Der Eisenstoffwechsel
Methämoglobin
30.6
Zum Zwecke des Sauerstofftransportes wird Hämoglobin
oxygeniert, die Wertigkeit des Eisens ändert sich dabei
nicht. Es passiert aber ständig, dass Hämoglobin – ungewollt – spontan oxidiert wird. Dabei entsteht aus Fe2+
durch Elektronenabgabe Fe3+. Oxidiertes Hämoglobin mit
Fe3+-Ionen im Zentrum wird Methämoglobin oder auch
Hämiglobin genannt.
Methämoglobin kann – genauso wie Carboxyhämoglobin –
keinen Sauerstoff transportieren. Bei einer Anreicherung
von Methämoglobin auf einen Anteil von 10 – 20 % am Gesamt-Hb (physiologisch sind 0,5 – 2 %) kommt es deshalb
auch in diesem Fall zu Symptomen des Sauerstoffmangels
(Schwindel, Bewusstseinsstörungen, Zyanose). Damit eine
solche Anreicherung vermieden wird, gibt es das Enzym
Methämoglobin-Reduktase. Es sorgt für die Reduktion von
Methämoglobin zu normalem Hämoglobin. Als Elektronenlieferant dient bei dieser Reaktion NADH/H+.
Zu erhöhten Methämoglobin-Konzentrationen kommt es
bei einem genetisch bedingten Fehlen der Methämoglobin-Reduktase oder bei einer Vergiftung mit Oxidationsmitteln (z. B. Nitrit in Pökelsalz).
Fundierte Kenntnisse des Eisenstoffwechsels sind für einen
Arzt von großer Bedeutung, da weltweit fast zwei Milliarden Menschen an einem Eisenmangel leiden. Dies ist die
häufigste Ursache für eine Blutarmut (Anämie), von der
vor allem Frauen betroffen sind, weil sie durch die Monatsblutung regelmäßig eine nicht unerhebliche Menge an
Eisen verlieren.
Der Bedarf an Eisen beträgt für Männer etwa 1 mg/d, für
Frauen im gebärfähigen Alter 2 mg/d; in unseren Breiten
schaut es daher bei den Damen etwas knapp mit der Eisenversorgung aus.
Im klinischen Alltag werden neben dem Eisen selbst auch
viele seiner molekularen Mitspieler gemessen. In diesem
Kapitel sollen die notwendigen biochemischen Grundlagen
für die zu Grunde liegenden Störungen sowie deren Diagnosestellung erklärt werden.
Problematisch am Eisen ist, dass es zwar auf der einen
Seite lebensnotwendig für viele biochemische Reaktionsabläufe, auf der anderen Seite aber in freier Form ziemlich
toxisch für unsere Zellen ist. Hier hat unser Organismus
ein ausgefeiltes System entwickeln müssen, das beiden
Punkten angemessen gerecht wird.
Hämoglobinopathien. Zu den Hämoglobinopathien gehören verschiedene angeborene, also auf einem genetischen Defekt beruhende Störungen. Klinisch am wichtigsten sind dabei die Sichelzellanämie und die Thalassämie.
Sichelzellanämie. Bei dieser angeborenen Krankheit wird
bei der Biosynthese des Globins in der β-Kette eine falsche
Aminosäure eingebaut (Valin statt Glutamat an Position 6).
Das dabei entstehende so genannte Sichelzellhämoglobin
(Hb S) hat in O2-freiem (reduziertem) Zustand eine wesentlich geringere Löslichkeit als normales Hämoglobin. Es
kommt intrazellulär zur Ausfällung des Hb S, die Erythrozyten nehmen dabei eine sichelförmige Struktur an. Klinische
Folgen sind Infarkte durch Verschlüsse kleiner Gefäße und
eine Anämie, da die Erythrozyten verstärkt abgebaut werden.
Thalassämie. Da die folgende Krankheit besonders häufig
im Mittelmeerraum auftritt, hat man sie Thalassämie (gr.
thalassa = Meer) getauft.
Es handelt sich um eine angeborene quantitative Störung
der Hämoglobinbiosynthese, bei der die Herstellung der αoder der β-Kette entweder reduziert ist oder überhaupt
nicht mehr stattfindet. Stattdessen werden andere Ketten
in das Hämoglobin eingebaut, es entsteht vermehrt Hb F
und Hb A2. Da diese jedoch physiologisch nur in geringen
Mengen gebildet werden, kommt es zur mikrozytären, hypochromen Anämie, einer Blutarmut mit zu kleinen Erythrozyten, die zu wenig Hämoglobin enthalten.
30.6.1
Wozu brauchen wir überhaupt Eisen?
Eisen gehört in die Gruppe der Übergangsmetalle, die
nicht nur in der Lage sind, in Proteinen feste koordinative
Bindungen einzugehen, sondern auch verschiedene Oxidationsstufen zu bilden.
Die wichtigste Rolle spielt Eisen dabei als Zentralatom in
den Porphyrinen Hämoglobin und Myoglobin. Außerdem
nimmt es an vielen Redoxreaktionen teil, so auch im Rahmen der Atmungskette.
Eisen und der Sauerstoff
Die Hauptfunktion des Eisens liegt in einer maßgeblichen
Beteiligung am Transport von Sauerstoff im Hämoglobin
(dort sind etwa 75 % des Körpereisens anzutreffen). Ein
Eisenmangel macht sich daher auch am häufigsten bei
der Sauerstoffversorgung bemerkbar; es kommt zu einer
Anämie.
Auch im Myoglobin kommt Eisen (etwa 5 % des Körpereisens) seiner Funktion als Sauerstoffbinder nach.
Eisen und die Redoxreaktionen
Im Rahmen von Redoxreaktionen übernimmt Eisen eine
wichtige Rolle. Viele Oxidoreduktasen arbeiten unter Zuhilfenahme von Eisen-Ionen, die zwischen dem zweiwertigen und dem dreiwertigen Zustand wechseln können und
so ideal für Elektronenübertragungen sind.
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