Handlungsempfehlungen Ernährung im Kleinkindalter Berthold Koletzko Professor für Kinder- und Jugendmedizin, Dr. von Haunersches Kinderspital, Univ. München Vorsitzender Wissenschaftlicher Beirat, Netzwerk Junge Familie im Aktionsplan INFORM Vorsitzender Ernährungskommission, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin Übergang von der Säuglingszur Kleinkindernährung Stark zunehmende Diversifizierung Rückgang des Milchanteils Zunehmende Misch-/Familienkost Aktive Auswahl durch das Kind Prägung der Gewichtsentwicklung Erhöhtes Risiko f. Unterversorgung [email protected] Starke Zunahme der Adipositas vom Kleinkind- zum Schulalter [email protected] Starke Zunahme der Adipositas vom Kleinkind- zum Schulalter [email protected] Häufige Unterversorgung bei Kleinkindern v.a. mit Omega-3 Fettsäuren (ALA und DHA) Eisen Vitamin D Iod [email protected] Kleinkind-Ernährung: Themen Ernährungsweise Getränke Vegetarische Ernährung Schutz vor Lebensmittelinfektionen und -intoxikationen [email protected] Ausgewogene Familienernährung Eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung kann grundsätzlich den Bedarf des Kleinkindes decken 1,8 mg Eisen/MJ 1,7 mg Eisen/MJ Ähnlicher Nährstoffbedarf pro kcal bei Kleinkindern und Eltern Kleinkinder können und sollen an den Mahlzeiten der Familie teilnehmen. 1,4 mg Eisen/MJ 2,7 mg Eisen/MJ D-A-CH Referenzwerte 2000 pro MJ empfohlene Energiezufuhr für Kinder (1-4 J.) und Erwachsene (25-51 J.), 1 MJ = 239 kcal. [email protected] Ausgewogene Familienernährung Reichlich Getränke und pflanzliche Lebensmittel Mäßig tierische Lebensmittel Sparsam Zucker und Süßigkeiten, Salz, Fette mit hohen Anteil gesättigter Fettsäuren sowie Snackprodukte © aid infodienst e.V., Idee: S. Mannhardt [email protected] Reichlich verzehren Wasser Reichlich Getränke: am besten Wasser u.a. ungesüßte /zuckerfreie Getränke Pflanzliche Lebensmittel: Gemüse, Obst, Getreide, Getreideprodukte, Kartoffeln Vit. B1, Mg, Ballaststoffe Vit. C, Folat, Provit. A, K, Mg, Ballaststoffe [email protected] Täglicher Wasserbedarf (ml/kg Körpergewicht) Säugling 90 – 140 Kleinkind 90 – 110 Schulkind 60 – 80 Jugendlicher 40 – 60 [email protected] Zu geringe Flüssigkeitszufuhr bei Kleinkindern in Deutschland 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre ml. weibl. ml. weibl. ml. weibl. ml. weibl. Median 508 462 592 526 562 524 638 561 P10 188.9 217.0 329.3 237.2 270.9 289.8 378.7 98.5 P90 934.5 893.1 1145 939.7 920.0 840.2 981.7 766.7 Ziel 820 820 820 820 ml/Tag, Verzehrsstudie, Kiel, Hamburg, Paderborn, Berlin, Dortmund, Bonn, Fulda, Jena, Sigmaringen, Regensburg Banasiak et al, Bundesgesundheitsbl 2005; 48:84-98. [email protected] Zuckerhaltige Getränke (z.B. Limonade, Saft, zuckerhaltige Tees) Fördern überhöhte Energiezufuhr Erhöhen Adipositasrisiko (z. B. Wang et al. 2009) (z. B. Hu/Malik 2010, Muckelbauer et al, Peds 2009. Similar results in NL: de Ruyter et al, NEJM 2012, Deboer et al. 2013) Können Süßpräferenz befördern Schlechtere Nährstoffversorgung Erhöhen Risiko für Zahnkaries (Marshall et al. 2005) (WHO 2003) Säuren fördern erosive Zahnschmelzschäden (Vadiakas 2008) [email protected] Kinder sollen Wasser trinken Wasser und andere ungesüßte, zuckerfreie Getränke Regelmßig anbieten, zu jeder Mahlzeit und zwischendurch aus Glas, Tasse oder offenem Becher [email protected] Empfohlene Zufuhr kritischer Nährstoffe Angemessene Zufuhr, 1-3 Jahre (EFSA): Alpha-Linolensäure (omega-3) 0,5 E% Docosahexaensäure (DHA, omega-3) 100 mg/Tag (bis 2 J.) DHA + EPA (omega-3) 250 mg/Tag (ab 2 J.) Jod 90 m/Tag Eisen 8 mg/Tag Vitamin D 10 mg=400 IE/Tag [email protected] Häufig Eisenmangel bei Kleinkindern Deutlich erhöhtes Risiko für Vegetarier Gute Eisenquellen: Fleisch Dunkle Gemüse plus Vit- C-reiche Produkte [email protected] Ausgewogene Ernährung Mäßig verzehren Eiweiß, Vit. D, DHA/EPA, Jod tierische Lebensmittel Eiweiß, Ca, J, Vit. B2, B12, Jod Eiweiß, Vit. B1, B6, B12, Niacin, Biotin, Fe, Zn, Jod [email protected] Schlechte Vitamin D-Versorgung nach dem Säuglingsalter [email protected] Fischzufuhr 1–2 Portionen Fisch pro Woche, davon mind. 1 x fettreicher Fisch Fettreicher Fisch liefert DHA, Vit. D und Jod [email protected] Kleinkinder verzehren zu viel gesättigte und zu wenig mehrfach ungesättigte Fette Kinder 1-4 Jahre, VELS-Studie Fett Gesättigt PUFA Jungen 34,2 E% 15,9 E% 3,7 E% Mädchen 35,2 E% 16,4 E% Soll: <10 E% 3,7 E% Soll: 6-8 E% „Verzehrsstudie zur Ermittlung der Lebensmittelaufnahme von Säuglingen und Kleinkindern“ (VELS) [email protected] Fettzufuhr Weniger Fette mit hohem Anteil gesättigter Fettsäuren Mehr pflanzliche Öle, fettreiche Fische [email protected] Vegetarische Ernährung Je einseitiger die Ernährung und je jünger das Kind, desto größer Risiko für Nährstoffmangel Ovo-lacto-vegetarische Ernährung (mit Milch & Ei) Schlechtere Versorgung bei Eisen, Zink, langkettigen omega-3-Fettsäuren Vegane Ernährung (nur pflanzliche Lebensmittel) Ohne Supplementierung entsteht Nährstoffmangel, Gedeihstörungen, Entwicklungsstörungen [email protected] Ovo-lacto-vegetarische Ernährung für Kleinkinder? Eine ausgewogene pflanzliche Ernährung, die Milch/-produkte und Eier beinhaltet, ist bei Kleinkindern möglich Erhöhtes Risiko für Unterversorgung mit Eisen, Zink, omega-3 Fettsäuren, Vit. D Kinderärztliche Beratung sinnvoll Vit. C verbessert Eisenausnutzung [email protected] Vegane Ernährung für Kleinkinder? Von einer veganen Ernährung (rein pflanzlich) wird dringend abgeraten Bei veganer Kinderernährung ist eine spezielle medizinische Beratung und die Supplementierung von Nährstoffen erforderlich, da ein hohes Risiko für Nährstoffmangel besteht [email protected] Verschlucken - Aspiration [email protected] Verschlucken - Aspiration Besonders hohes Risiko für Kleinkinder Stationäre Aufnahme nach Fremdkörperaspiration 2009 45 15-19 Jahre 10-14 Jahre 77 5 -9 Jahre 135 1-4 Jahre 688 unter 1 Jahr 216 0 200 400 600 800 Fälle Link (2012) Fremdkörperaspiration bei Kindern. Verteilung der Fälle mit stationärer Aufnahmediagnose „Fremdkörper in den Atemwegen“ (ICD-10: T17) in der Altersgruppe 0 bis 19 Jahren (n=1161) im Jahr 2009 in der Bundesrepublik Deutschland. Datenquelle: Statistisches Bundesamt; http://www.qucosa.de/fileadmin/data/qucosa/documents/8660/Fremdk%C3%B6rperaspiration%20bei%20Kindern%20Bibliotheksversion.pdf [email protected] Keine harten Stückchen Nüsse, Mandeln und andere harte Lebensmittelstücke in “Erdnussgröße” bergen Aspirationsgefahr (Verschlucken in die Luftröhre) Sie sollten für Kleinkinder nicht zugänglich sein [email protected] Aspirationsrisiko Kritische Lebensmittel Nüsse und Samen Beeren, Weintrauben mit Kernen Hülsenfrüchte Rohes Wurzelgemüse im Ganzen und in Stücken Fisch mit Gräten Große Fleischstücke Harte Lutschbonbons, Kaugummi Bubble Tea [email protected] Lebensmittelinfektionen und -intoxikationen Größere Gefahr im Kleinkindalter Kleinkinder bis 5 Jahre: Immunabwehr noch nicht vollständig ausgereift Vor allem Salmonellen, Campylobakter, Yersinien, EHEC Rohe tierische Lebensmittel können diese Erreger enthalten EHEC auch in pflanzlichen Lebensmitteln, z. B. Sprossen (im Sommer 2011) Noroviren und Hepatitisviren in Tiefkühlobst (Erdbeeren in Kitas & Schulen, 2012) [email protected] Keine rohen tierischen Lebensmittel für Kleinkinder Nicht für Kleinkinder: rohes / nicht durchgebratenes Fleisch Rohwurst roher Fisch Rohmilch, Weichkäse aus Rohmilch rohe Eier und daraus hergestellte, nicht ausreichend erhitzte Speisen [email protected] Warme Speisen bald nach Zubereitung verzehren Wenn Reste übrig bleiben … Schnell abkühlen lassen Wiedererwärmen: +70°C für mindestens 2 min [email protected] Hygiene bei Zubereitung und Lagerung von Lebensmitteln Vor dem Kochen und dem Essen Hände gründlich waschen Rohe und gegarte Lebensmitttel getrennt und bei empfohlener Temperatur lagern Für rohe und gegarte Lebensmittel nicht dieselben Küchengeräte verwenden Auf Sauberkeit und hygienischen Umgang achten [email protected] Kleinkinder sind großartig! Danke für Ihre freundliche Aufmerksamkeit! [email protected]