10 Inside Festspiele Highlights Sehenswert Atemberaubend Text: Angelica Pral-Haidbauer Bilder: Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper / Axel Zeininger Jorma Elo mit Olga Esina (Titania) und Vladimir Shishov (Oberon) Sehenswert Inside Festspiele Highlights 11 Jorma Elo zählt zu den spannendsten, ­innovativsten BallettChoreografen. Mit seiner enormen Versiertheit im klassischen sowie im zeitgenössischen Tanz realisiert er zahlreiche umjubelte Choreografien, die ihn zu einem der international gefragtesten Exponenten heutigen Ballettschaffens machen. Am 30. März 2010 feiert er mit dem „Sommernachtstraum“ an der Wiener Staatsoper P­ remiere. Im Salzburger Zuhause seiner Schwester, Mag. Heidi Kumpfmüller, trafen wir uns zum Gespräch. Als kleiner Junge warst du begeisterter Eishockey-Torhüter. In den Ballettstunden deiner Schwester Anna sahst du dann das ideale Training, deine Beweglichkeit zu verbessern – bis dich der Tanz begeisterte und dir dein Lehrer nach 2 Jahren Unterricht in Modern Dance riet, dich beim Finnischen Nationalballett zu bewerben ... Das ist korrekt. Ich wuchs in Helsinki mit drei Schwestern auf. Doch gerade bei mir, dem einzigen Sohn, wurde das Tanzen, die Möglichkeit, meinen Körper als Instrument des Ausdrucks zu gebrauchen, zur Leidenschaft meines Lebens. Weil man an der National Ballet School Helsinki von meinem Talent überzeugt war, wurde ich bereits mit 16 Jahren unter Vertrag genommen. Mikhail Baryshnikov war eine große Inspiration für dich. Du wolltest seine Virtuosität beherrschen und be- kamst durch ihn eine unbändige Lust am Fliegen bei den Sprüngen. Also nahmst du 1979 ein Jahr Auszeit und bist an das berühmte Vaganova Institut in Leningrad gegangen, wo gefeierten Stars wie Rudolf Nureyew, Natalia Makarova und eben Baryshnikov unterrichtet wurden ... Dort war ich aber nicht zufrieden, denn diese Art von Unterricht war mir fremd. Man will alle in die gleiche Bahn, nämlich die der Solisten, pressen. Dabei wird dem Tänzer die Möglichkeit genommen, sich individuell weiterentwickeln zu können, die spezifischen Qualitäten und der Bewegungsstil des Einzelnen werden nicht wirklich berücksichtigt. Ich aber habe damals schon gemerkt, dass mich der moderne Tanz mehr interessiert als die klassischen Prinzenrollen. Das Leben eines Tänzers besteht neben Können aus harter Disziplin. Welche Gelegenheit könnte dich dazu verführen, diese Disziplin für einen Moment zu vergessen? Die harte Disziplin habe ich als aktiver Tänzer sogar geliebt, wollte sogar nach den Trainingsstunden noch weiter tanzen, weil ich so begeistert bei der Arbeit war. Und sie passt mir auch heute noch. Verführen lasse ich mich lediglich zum Basketballspiel oder zum Skifahren. Nach der Premiere deiner Welturaufführung „Brake The Eyes“ mit dem Boston Ballet 2007 lautete die erste Eintragung im Internet: „What a breathtaking piece!“ Was willst du bei den Zusehern erreichen, außer ihnen den Atem zu nehmen? Das habe ich nie gelesen. Also, im Prinzip erzähle ich in jedem meiner Stücke von meinem eigenen Leben als Tänzer sowie von dem meiner Kollegen. Ich hoffe, dass ich mit meinen Choreografien unser Leben als Tänzer, unsere Geschichten dem Publikum nahe bringen und Emotionen dafür erwecken kann. In der „Washington Post“ hast du 2008 die besten Kritiken für dein energiegeladenes, neoklassisches Stück „Slice to sharp“ mit dem New York City Ballet erhalten. Zu der Barockmusik Heinrich Ignaz Franz von Bibers und Antonio Vivaldis hast du wunderbare lebendige Bilder geschaffen. Es hieß, deine Choreografie der Paare sei ein Plädoyer für die Gleichberech- tigung. Ist es dir ein Anliegen, über die Kunst des Tanzes hinaus auch politische, gesellschaftspolitische Aussagen zu transportieren? Ich treffe keine politischen Aussagen, es ist nur die Ästhetik der Körper, die Kunst der Tänzer, die ich zeigen will. Es ist mir auch kein Anliegen, die Gleichberechtigung der Paare besonders herauszuheben, weil sie selbstverständlich ist. Es gibt für mich gar keine andere Form des Zusammenlebens als die der gleichberechtigten Paare. Das wird dann auch in meiner Choreografie deutlich als Pas de deux gleichwertiger Partner. Die permanent wechselnden getanzten Bildnisse deiner Choreografien erzeugen bei den Zusehern eine Art Kamera im Kopf, einen Film, welcher der jeweils eigenen Interpretation Raum lässt. Woher nimmst du die Inspirationen, neue Geschichten zu kreieren? Aus der Musik. Ich liebe die klassische Musik, verwende aber durchaus auch Fragmente von Eminem oder anderen Hip-Hop-Künstlern. Ich höre viel und finde ständig neue Möglichkeiten. Das Ballett entwickelt sich aber nicht aus Bildern, die ich in meinem Kopf entwerfe, sondern erst in einem permanenten Prozess mit den Tänzern. Das ist das Spannendste überhaupt. Am 30. März hast du an der Wiener Staatsoper mit dem „Sommernachtstraum“ Premiere. Du bist ein großer Bewunderer dieses zeitlosen Werkes sowie der kongenialen Schauspielmusik Mendelsohn Bartholdys. Nun gibt es ja viele „Sommernachtsträumer“. Youri Vàmos verlegte mit dem Düsseldorfer Ballett die Handlung aus dem antiken Griechenland ins heutige Südtirol, machte aus einem Puck gleich zwei. Erst im Februar choreografierte Heinz Spoerli in Zürich eine neue Version, sparsam, abstrakt und sehr subtil im Einsatz der Mittel. Wie wirst du Shakespeares antike Liebeskomödie anlegen? Vorerst bin ich sehr glücklich, nach meiner „Glow-Stop“ Premiere vor zwei Jahren wieder in Wien arbeiten zu dürfen. Ich liebe diese Stadt, mich inspirieren ihre Gebäude, die Museen, die allgegenwärtige Kunst und die Musik natürlich. Mein „Sommernachtstraum“ wird daher 12 Inside Festspiele Highlights auch nicht sparsam, nicht abstrakt. Ich lehne mich eher an die klassischen Erzählballette, die Kostüme sind opulent, neben den großartigen Tänzern sind auch Kinder auf der Bühne. Aber ich verrate nicht zuviel, lasst euch überraschen! Sehenswert Woher nimmst du die Kraft für so viele Uraufführungen? Ich liebe meine Arbeit, sie ist für mich wie eine Droge. Es wäre viel härter für mich, nicht arbeiten zu dürfen. Daher hasse ich auch Pausen, die länger als eine Woche andauern, denn mein Gehirn gehört wie meine Muskeln ständig trainiert. Die Liebe zu meiner Arbeit hört nie auf. It never ends ... Jorma Elo, 1960 in Finnland geboren, studierte an den Ballettschulen des Finnischen Nationalballetts und des Kirov Balletts in Leningrad. 1990 trat er dem Nederlands Dans Theater bei und arbeitete mit Choreografen wie Jirí Kylián, Hans van Manen, Mats Ek, William Forsythe und Paul Lightfoot. Seit 2004 kreierte er zahlreiche Stücke für weltbekannte Ensembles, u.a. für das American Ballet Theatre, Royal Danish Ballet, Finnish National Ballet, New York City Ballet, American Ballet Theatre, San Francisco Ballet und Hubbard Street Dance Chicago. Für das Boston Ballet schuf er fünf Uraufführungen und wurde 2005 zum Hauschoreografen berufen. Jorma Elo erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Wiener Staatsoper EIN SOMMERNACHTSTRAUM Ballett in zwei Akten von Jorma Elo nach der Komödie von William Shakespeare Uraufführung: 30. März 2010 Reprisen: 31. März, 3., 6., 15., 18. April 2010 Mit: Olga Esina (Titania), Vladimir Shishov (Oberon), Mihail Sosnovschi (Puck), ­ Karina Sarkissova (Hermia), Eno Peci (Lysander), Nina Poláková (Helena), András Lukács (Demetrius), Ketevan Papava (Hippolyta), Wolfgang Grascher (Theseus), Gabor Oberegger (Zettel) u. a. Simina Ivan (Sopran), Lydia Rathkolb (Sopran) Studierende der Ballettschule der Wiener Staatsoper Orchester der Wiener Staatsoper Zusatzchor der Wiener Staatsoper