e-paper: 0010053370 UniKassel Montag, 13. Juni 2016 HNA, 13. Juni 2016 Ich studiere in Kassel Benjamin Blümchen als Wutbürger Kinderhörspiele aus wissenschaftlicher Sicht: Initiatoren von Vortragsreihe geben jetzt auch Buch heraus VON KATJA RUDOLPH Name: Amelie Morell Alter: 21 Studiengang: Biologie Semester: 2 Heimat: Kaufungen Warum studieren Sie in Kassel? Ich fühle mich in der Region bei Freunden und Familie wohl. Außerdem hat meine Mutter bei ihrem Biologie-Studium hier an der Uni bereits gute Erfahrungen gemacht. Praktisch ist, dass ich mit der Linie 4 von Kaufungen aus direkt zum AVZ fahren kann. Was ist Ihre Meinung zur Uni? Die Professoren sind total nett. Am Campus hier am AVZ in Oberzwehren gefällt mir besonders die gute Atmosphäre, auch unter den Studenten. Die kurzen Wege sparen Zeit, und die Cafeteria ist auch zu empfehlen. Die Ausstattung in den Laboren und der Zustand der Gebäude ist auch in Ordnung. Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? Das ist eine schwierige Frage. Mich interessieren immer wechselnd unterschiedliche Bereiche in der Biologie. Momentan sind Genetik und Botanik meine Favoriten. Von der Wahl der Studienschwerpunkte hängt weitestgehend die berufliche Zukunft ab. Ich bin momentan für alles offen und würde für meinen Arbeitsplatz auch wegziehen. (rax) Foto: Schröder Uni-Notizen Ganztagsschule Der Zukunft der Ganztagsschule widmet sich Prof. Dr. Hans-Peter Kuhn, Fachgebiet Empirische Bildungsforschung, in einem Vortrag am Dienstag, 14. Juni. Die Veranstaltung ist Teil der Ringvorlesung zur Bildung der Zukunft. Beginn ist um 16 Uhr, Diagonale 1, Hörsaal 1. Meisterdiebe „Das perfekte Verbrechen: Meisterdiebe von Staparola über die Brüder Grimm bis hin zum Hollywood-Blockbuster“ sind Thema eines Vortrags von Prof. Dr. Nikola Roßbach und Matthias Ott (Fachgebiet Neuere deutsche Literaturwissenschaft) am Dienstag, 14. Juni. Der Vortrag in der Ringvorlesung zu aktuellen Tendenzen der Grimm-Forschung beginnt um 18.15 Uhr, Kurt-Wolters-Str. 5, Raum 0019. Städtebau-Professur Prof. Stefan Rettich, neuer Leiter des Fachgebiets Städtebau am Institut für Urbane Entwicklungen der Uni Kassel, hält am Mittwoch, 15. Juni, seine Antrittsvorlesung mit dem Titel: „Dilemmata: Eine Selbstkritik“. Beginn der Veranstaltung am Fachbereich Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung ist um 19 Uhr, Henschelstr, 2, Hörsaal 1140. Kurzfilme aus Kassel Sieben Kurzfilme, die an der Kasseler Kunsthochschule entstanden sind, werden in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag, 15./16. Juni, im HR-Fernsehen gezeigt. Die Sendung beginnt um 0.30 Uhr. Auch der Film des Kasseler Studenten Jonas Reinhardt über einen Jungen, der seinen Goldfisch retten muss (wir berichteten), wird dabei erstmals gezeigt. Von Miriam Steen, die zuletzt mit einer Dokumentation über den Wasserrucksack Paul erfolgreich war, wird der Kurzfilm „Die Erbauer“ gezeigt. (rud) KASSEL. Benjamin Blümchen ist der Held vieler Kinderzimmer. Aber verbirgt sich hinter dem netten Elefanten, der so gerne Zuckerstückchen mag, eigentlich ein ökologisch-bewegter Wutbürger? Und entwirft Jim Knopf ein Gegenbild zum Nationalsozialismus? Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich seit zwei Jahren eine Ringvorlesung: Sie beleuchtet Kinderhörspiele aus gesellschafts- und kulturwissenschaftlicher Perspektive. Jetzt haben die drei Initiatoren von der Uni Kassel auch ein Buch mit gesammelten Beiträgen der Reihe herausgegeben. Wir haben dazu drei Thesen aufgestellt. # " ! % $ # # " ! % & ' ( ! $ ) $ 1 Benjamin und Co. sind anders, als wir beim ersten Hinhören denken. Benjamin Blümchen ist politisch? Das würde wohl kein Kind behaupten. Doch wenn der Politikdidaktiker Oliver Emde sich die alten Kassetten einlegt, hört er mehr heraus als früher. Wenn Benjamin Sitzstreiks organisiert oder in Bäume klettert, damit man sie nicht fällen kann, werde auch ein radikales Verständnis von Beteiligung in einer Demokratie vermittelt, sagt Emde. „Er ruft dazu auf, sich nicht alles gefallen zu lassen und sich einzumischen.“ Die Detektivbande TKKG, in der Jugend ein Garant für Spannung, liefert bei näherer Analyse vor allem heiße Spuren zu Klischees und Vorurteilen. „Einer ist dick, einer schlau und das Mädchen muss immer früh nach Hause“, fasst der Erziehungswissenschaftler Dr. Lukas Möller zusammen. „Und der Bösewicht hat ein vernarbtes Gesicht und einen slawischen Akzent.“ Kinderhörspiele in neuem Licht: Die Kasseler Wissenschaftler Oliver Emde (von links), Dr. Andreas Wicke und Dr. Lukas Möller haben zu der Vortragsreihe über Bibi Blocksberg, TKKG und Co. jetzt auch ein Buch veröffentlicht. Foto: Rudolph 2 Kinder-Hörspiele sind ein Spiegel der Gesellschaft. Hörspiele atmen wie Filme, Literatur und andere Kulturprodukte den Geist ihrer Zeit – mitsamt der herrschenden Vorurteile und Menschenbilder. „Sie sind ein Spiegelbild der Gesellschaft“, sagt der Literaturdidaktiker Dr. Andreas Wicke. Die Abenteuer von „Tim und Struppi“, deren Wurzeln in den 1920er-Jahren liegen, strotzen nur so von rassistischen Darstellungen der Kolonialzeit. Auch die später produzierten Hörspiele sind nicht frei davon. Die kleine Hexe Bibi Blocksberg, die auf ihre Hörer zunächst frech und emanzipiert wirkt, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als in den klassischen Rollenbildern gefangen. Ihre Mutter Barbara hext vor al- lem am Herd und am Ende hat in der Familie doch der Vater das Sagen. Seiner Tochter zeigt er immer wieder die Grenzen auf. „Auch Bibi akzeptiert, wie Deutschland in der Kohl-Ära tickt“, sagt Lukas Möller. 3 Wissenschaft darf auch Spaß machen. Die Ringvorlesung, die in diesem Semester in der dritten Runde stattfindet, erfreut sich großer Beliebtheit. Als im Vortrag über Benjamin Blümchen die bekannte Titelmelodie erklang, wippten viele Zuhörer selig grinsend mit. „Man verbindet Gefühle und Erinnerungen damit“, sagt Möller. Bei aller Nostalgie und dem Spaß am Medium Kinderhörspiel sei die wissenschaftliche Analyse jedoch nicht weniger ernsthaft, betonen die drei Initiatoren. Die Vertreter der jeweiligen Fachwissenschaften – von Geschichte bis Geschlechterforschung – wenden ihr Handwerkszeug genauso an wie bei jedem anderen Forschungsgegenstand. Den Spaß an den Helden der Kindheit verderbe der erwachsene, professionelle Blick darauf nicht, finden die Wissenschaftler. „TKKG so zu dekonstruieren“, sagt Lukas Möller, „ist auch ein ziemliches Vergnügen.“ Von „Bibi Blocksberg“ bis „TKKG“: Kinderhörspiele aus gesellschafts- und kulturwissenschaftlicher Perspektive, Hg. v. Oliver Emde, Lukas Möller, Andreas Wicke, Verlag Barbara Budrich, 19,90 Euro. Ringvorlesung Die Reihe wird in diesem Semester fortgesetzt. Die Vorträge finden immer montags ab 18 Uhr im Hörsaal II, Diagonale 3, statt. • Heute, 13. Juni: „Menschen, Tiere und das Herz der Finsternis: Tim und Struppi im Kongo“, Prof. Dr. Winfried Speitkamp. • 20. Juni: „Offene Fragen, bedrohliche Konflikte, knisternde Spannung: Die drei ??? und das Spiel mit der Ungewissheit“, Matthias Ott. • 27. Juni: „Kalif anstelle des Kalifen, Präsident anstelle des Präsidenten, Nicolas ,Isnogud‘ Sarkozy auf dem Weg in den Elysee-Palast“, Prof. Dr. Dietmar Hüser, Saarbrücken • 4. Juli: „Die Alsterdetektive: Jugendkrimi zwischen Lokalkolorit und affirmativer Staatsbürgerkunde“, Oliver Emde. (rud) Mini-Motor aus nur einem Atom Kasseler Physiker bauen die kleinste Wärmekraftmaschine der Welt – Basis für Quantentechnologie VON PETER DILLING KASSEL. Computer werden immer leistungsfähiger und gleichzeitig kompakter. Die Zukunft könnte sogenannten Quantencomputern gehören, die nicht mehr auf Basis der Digitaltechnik funktionieren werden, sondern auf der Grundlage der Quantenmechanik: Das Zusammenspiel kleinster Teilchen, also beispielsweise von elektrisch geladenen Atomen, erledigt die Rechenoperationen auf engstem Raum um ein Vielfaches schneller als heutige Mikroprozessoren. Wissenschaftler der Universität Kassel forschen bereits nach weiteren wichtigen Bausteinen für zukünftige Quantentechnologien. Sie sind dabei, eine Wärmekraftmaschine weiterzuentwiKilian ckeln, so dass Singer sie im Quanten-Regime, also durch die Lenkung eines Systems kleinster Teilchen, betrieben werden kann. Einen Durchbruch hat Prof. Dr. Kilian Singer, Leiter des Forschungsteams am Fachgebiet Experimentalphysik I, bereits während seiner Zeit als Dozent an der Universität Mainz erzielt. Er baute unter anderem mit dem Doktoranden Johannes Roßnagel - Sohn des Kasseler Professors und früherem Uni-Vizepräsiden- ten Alexander Roßnagel - eine Wärmekraftmaschine aus nur einem Atom. Wärmekraftmaschinen wandeln Wärme in mechani- Hochkomplexe Technik: Das Bild zeigt einen Teil des Lasersystems, das das Atom abwechselnd kühlt und erhitzt. Foto: AG Quantum, JGU Mainz/nh sche Energie um. Sie sind beispielsweise als Verbrennungsmotoren im Auto unser ständiger Begleiter. Als Dampfmaschinen leiteten sie die industrielle Revolution ein. Diese Maschinen arbeiten alle nach dem thermodynamischen Prinzip, wonach Wärme von Bereichen höherer Temperatur zu Johannes Roßnagel niedrigerer Temperatur fließt und ein Teil der Wärme in mechanische Arbeit umgewandelt werden kann. atomige Kältemaschine fungieren. Die Leistung des AtomMotors ist - bezogen auf seine winzige Masse - fast so gut wie bei einem Automotor. Der Weg zu einem technisch und wirtschaftlich nutzbaren Quanten-Motor ist aber noch weit. Denn in der Welt der kleinsten Teilchen funktionieren die Gesetze der Thermodynamik anders als in einem Ottomotor. Singer wird in Kassel nun mit mehreren Atomen gleichzeitig einen Motor bauen. „Wir wollen die Grenzen der Quantenmechanik ausloten. Das ist Pionierarbeit“, sagt der Wissenschaftler. Foto: privat/bf In der Vakuumfalle HINTERGRUND Singer und sein Team haben nachgewiesen, dass dieses Prinzip grundsätzlich auch mit einem einzelnen Atom funktioniert. Die Forscher haben ein Kalzium-Atom in einer Vakuumfalle eingefangen, durch elektrische Anregung „geheizt“ und mit einem Laserstrahl gekühlt. Dadurch wird das Atom in Vibrationen versetzt, ein Kreislauf setzt ein. Das Atom arbeitet dabei so ähnlich wie der Kolben eines Motors und speichert gleichzeitig die erzeugte Energie. Durch Umkehrung des Prozesses könnte dieser Motor Wärme abführen und als ein- Volkswagen und DFG als Förderer Das Projekt „Einzelionenwärmekraftmaschine“ ist auf drei Jahre angelegt und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Volkswagenstiftung sponsert das Projekt ebenfalls. Die bisherigen Forschungsergebnisse sind unter dem Titel „A singleatom heat engine“ bei „Science“ auf Englisch veröffentlicht worden. Federführender Autor ist Johannes Roßnagel. (pdi)