8. Mai 2017 Sehr geehrte Damen und Herren, zu den letzten Premieren der Intendanz von Anselm Weber am Schauspielhaus Bochum und zu unserer Themenwoche „Wir und die. Vom Blick auf die anderen“ laden wir Sie herzlich ein. Am 8. Juni hat unter der Künstlerischen Leitung von Martina van Boxen unser diesjähriges „Schulen in Bewegung“Projekt Premiere in den Kammerspielen. Rund sechzig Bochumer Schülerinnen und Schüler aus sechs Schulformen haben über fünf Monate hinweg gemeinsam „Der Herr der Fliegen“ von William Golding in der Dramatisierung von Nigel Williams erarbeitet. Golding stellt in seinem 1954 veröffentlichten Roman zwei unvereinbare Wahrheiten gegenüber: Am Beispiel der heranwachsenden Jugendlichen zeigt er, wie sich ein totalitäres System etablieren und soziale Bemühungen verdrängen kann. „Schulen in Bewegung“ hat sich über die letzten Jahre zu einer kreativen Plattform entwickelt, die jedes Jahr junge Talente entdeckt, fördert und auch fordert. Unter professioneller Leitung realisieren die Schüler ihre Ideen innerhalb der Arbeitsgruppen Schauspiel, Tanz, Musik, Video, Multimedia & PR, Kostüm und Bühnenbild und zeigen die bühnenreife Inszenierung am Ende dem Publikum in den Kammerspielen. Hagar, „die Fremde“, ist eine für Christentum, Judentum und Islam gleichermaßen wichtige Figur. Als ägyptische Magd und Neben-Frau Abrahams gebiert sie diesem einen Sohn, Ismael, während Abraham mit seiner Frau Sara kinderlos bleibt. Als Sara doch schwanger wird und Isaak gebiert, werden Hagar und Ismael verstoßen und fliehen in die Wüste. Ismael, Stammvater der Araber, wird Prophet der islamischen, Isaak Protagonist der jüdisch-christlichen Welt. Die Geschichte der drei Religionen ist damit auch als verwickelte Familiengeschichte lesbar. In Kooperation mit Kulturvereinen und Gemeinden verschiedener Konfessionen und Nationalitäten in Bochum entwickelt kainkollektiv mit „Hagar“ eine zeitgenössische Globe Opera: Zwischen szenischem Konzert und OpernPerformance wird der Theaterraum zur Versammlungsstätte, in der sich die lokal-globale Weltfamilie (Bochums) selbst begegnet. Die Uraufführung ist am 29. Juni in den Kammerspielen. Thema „Wir und die. Vom Blick auf die Anderen“: Die Politik der einfachen Lösungen, die aktuell weltweit an Zuspruch gewinnt, fußt auf einer grundlegenden Trennung: Die Rede ist stets vom „Wir“, die wir hier sind (und vermeintlich immer schon hier waren) und vom „Die“, von den Illegalen und Migranten, die angeblich nicht zu uns gehören. Wahlweise lässt sich diese Achse der Unterscheidung auch von der Horizontalen in die Vertikale drehen – dann liest sich dieselbe Gleichung als „Wir“, die wir hier unten sind, denen nicht zugehört wird, und „Die“, die da oben, die korrupten Politiker, die Gutmenschen-Lobby und Lügenpresse. „Wir und die“ ist die Kernformel, der erste Glaubenssatz des Populismus. In einer erweiterten Themenwoche vom 3. bis 11. Juni wollen wir anhand von Gesprächen und Vorträgen die politischen Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit im Kontext von Identität, Integration und Segregation untersuchen. Dazu zeigen wir passende Filme sowie Theaterproduktionen unseres Repertoires. Alle Infos und Termine finden Sie im beiliegenden Flyer. Lassen Sie uns gern wissen, ob Sie zu unseren Premieren und zu den Veranstaltungen unserer Themenwoche kommen. Wir würden uns freuen, Sie begrüßen zu dürfen. Herzliche Grüße Anstalt des öffentlichen Rechts – Königsallee 15 – 44789 Bochum – www.schauspielhausbochum.de Christine Hoenmanns – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – Tel.: 0234 / 33 33 55 23, [email protected] PREMIERE HAGAR Eine Globe Opera Performance von kainkollektiv Hagar, „die Fremde“, ist eine für Christentum, Judentum und Islam gleichermaßen wichtige Figur. Als ägyptische Magd und Neben-Frau Abrahams gebiert sie diesem einen Sohn, Ismael, während Abraham mit seiner Frau Sara kinderlos bleibt. Als Sara doch schwanger wird und Isaak gebiert, werden Hagar und Ismael verstoßen und fliehen in die Wüste. Ismael, Stammvater der Araber, wird Prophet der islamischen, Isaak Protagonist der jüdisch-christlichen Welt. Die Geschichte der drei Religionen ist damit auch als verwickelte Familiengeschichte lesbar. In Kooperation mit Kulturvereinen und Gemeinden verschiedener Konfessionen und Nationalitäten in Bochum entwickelt kainkollektiv eine zeitgenössische Globe Opera: Zwischen szenischem Konzert, begehbarer Installation und Opern-Performance wird in „Hagar“ der Theaterraum zur Versammlungsstätte, in der sich die lokal-globale Weltfamilie (Bochums) selbst begegnet. Was heißt es heute, in Bochum zusammen zu leben, zu singen, zu beten? Während die Verwicklungen der Gegenwart ins Unabsehbare wuchern, inszeniert kainkollektiv ein Familienfest unter fremden Verwandten und entfernten Nachbarn. kainkollektiv besteht im Kern aus Fabian Lettow (*1978) und Mirjam Schmuck (*1984), die als Regisseure, Dramaturgen, Theaterwissenschaftler, Autoren, Musiker und Performer arbeiten und mit unterschiedlichen freien Künstlern und Gruppen aus den Bereichen Theater, Musik, Tanz, bildende Kunst und neue Medien kooperieren. Im Rahmen von „Das Detroit-Projekt“ entwickelten sie „Die Kinder von Opel“. Seit 2012 (bis 2018) erhält kainkollektiv die Spitzenförderung Theater NRW des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport. 2015 wurden sie mit der Konzeptionsförderung sowie dem George Tabori Förderpreis des Fonds Darstellende Künste ausgezeichnet. Inszenierung, Text & Musikalische Leitung: kainkollektiv (Fabian Lettow, Mirjam Schmuck) / Bühne und Kostüme: Zdravka Ivandija Kirigin / Musik: Rasmus Nordholt-Frieling / Produktionsleitung: Mina Novakova, Christina Schabert / Dramaturgie: Mina Novakova Mit: Antoine Effroy, Catherine Jodoin, David Guy Kono, Bianca Künzel, Florian Lauss, Kristina Peters, Kerstin Pohle, Simin Soraya, Edith Voges Nana Tchuinang Uraufführung am 29. Juni in den Kammerspielen In Zusammenarbeit mit dem Ringlokschuppen Ruhr PREMIERE SCHULEN IN BEWEGUNG DER HERR DER FLIEGEN von William Golding / Dramatisierung von Nigel Williams Eine Gruppe Minderjähriger findet sich nach einem Flugzeugabsturz auf einer unbewohnten Insel inmitten des Pazifiks wieder. Die Ungewissheit darüber, ob sie gerettet werden, zwingt die Jugendlichen, sich mit der neuen Situation vertraut zu machen. Während sich Piggy um eine liberale Ordnung innerhalb der Gruppe bemüht, versucht Jack die Gruppe demonstrativ unter ihr Kommando zu bringen. Die Wahl zum Anführer fällt jedoch auf Ralph. Sichtlich gekränkt, lässt Jack keinen Zweifel daran, dass sie Ralph diese Position nicht widerspruchslos überlassen wird. Wann immer sich die Möglichkeit bietet, sorgen sie und ihre Gefolgschaft dafür, Überlegenheit zu demonstrieren, um schließlich auch vor blutiger Gewalt nicht zurückzuschrecken. Im Projekt „Schulen in Bewegung“ entwickeln rund sechzig Schülerinnen und Schüler aus sechs Bochumer Schulen aller Schulformen in fünfmonatiger Probenarbeit ein genreübergreifendes Theaterstück. Künstlerische Leitung: Martina van Boxen / Schauspiel: Martina van Boxen, Jens Niemeier / Tanz: Arthur Schopa, Ruth Hengel / Musik: Manuel Loos, Maria Trautmann / Bühne: Angela Weyer / Kostüme: Rabea Stadthaus / Video: Michael Habelitz / Multimedia & PR: Christopher Deutsch, Anna Schopa / Dramaturgie: Eva Bormann, Miriam Wendschoff Mit: 60 Schülerinnen und Schülern im Alter von 13 bis 17 Jahren Premiere am 8. Juni in den Kammerspielen Die nächsten Vorstellungen: 9., 13., 14., 19. & 20. Juni, 3. & 4. Juli Gefördert vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen THEMENWOCHE WIR UND DIE Vom Blick auf die Anderen Eine Themenwoche zur Frage wer wir sind, was uns verbindet und was uns trennt 3.-11. Juni 2017 Die Politik der einfachen Lösungen, die aktuell weltweit an Zuspruch gewinnt, fußt auf einer grundlegenden Trennung: Die Rede ist stets vom „Wir“, die wir hier sind (und vermeintlich immer schon hier waren) und vom „Die“, von den Illegalen und Migranten, die nicht zu uns gehören. Wahlweise lässt sich diese Achse der Unterscheidung auch von der Horizontalen in die Vertikale drehen – dann liest sich dieselbe Gleichung als „Wir“, die wir hier unten sind, denen nicht zugehört wird, und „Die“, die da oben, die korrupten Politiker, die GutmenschenLobby und Lügenpresse. „Wir und die“ ist die Kernformel, der erste Glaubenssatz des Populismus. Beide Varianten der Formel bewirken das Gleiche: Sie fingieren das Authentische und Autochthone, konstruieren zusammen mit dem Gegenpol einer angeblichen Bedrohung einen Pol der Selbstvergewisserung. Sie reduzieren damit die zunehmende Komplexität der Welt auf ein Schema, dem selbst der einfachste Geist noch folgen kann. Schuld sind nie „wir“, sondern immer nur „die“. Und wie wird es besser? Ganz einfach, „Die“ müssen weg. Aber können wir die Formel nicht auch anders verwenden? Wenn wir Identität (mit Kwame Anthony Appiah) als „Aktivität, nicht als Ding“ begreifen – kann aus der starren Unterscheidung die Beschreibung eines konstruktiven Prozesses werden? Oder taugt die Rede vom „Wir und die“ doch nur zur rhetorischen Waffe politischer Brandstifter? In einer aktuellen Themenwoche vom 3. bis 11. Juni wollen wir anhand von Gesprächen und Vorträgen die politischen Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit im Kontext von Identität, Integration und Segregation untersuchen. Dazu zeigen wir passende Filme sowie Theaterproduktionen. Vorstellungen aus dem Repertoire „Kampf des Negers und der Hunde“ am 3. Juni 2017 in den Kammerspielen „Schule in Bewegung: Der Herr der Fliegen“ am 8. Juni 2017 in den Kammerspielen „Kurze Interviews mit fiesen Männern“ am 10. Juni 2017 im Theater Unten „Biedermann und die Brandstifter“ am 11. Juni 2017 im Schauspielhaus „Lampedusa“ am 11. Juni 2017 in den Kammerspielen Gespräche und Vorträge mit der Historikerin Dagmar Kift, Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Goch und Mitglied des Landtags Serdar Yüksel (6. Juni), dem Sozialpsychologen Prof. Dr. Jürgen Straub (8. Juni), dem Gewaltforscher Prof. Dr. Andreas Zick, Historiker Prof. Dr. Stefan Berger und Chefdramaturg Olaf Kröck (11. Juni) Der Eintritt zu allen Vorträgen und Gesprächen ist frei. Dokumentarfilme im Endstation.kino „Café Waldlust“ von Matthias Koßmehl, 7. Juni 2017 „Ferne Söhne“ von Andres Rump, 10. Juni 2017 Karten: 5,00 € (im endstation.kino erhältlich) Alle Informationen zur Themenwoche „Wir und die? Vom Blick auf die anderen“ im Programmflyer anbei und unter www.schauspielhausbochum.de Schauspielhaus Bochum in Kooperation mit der Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets und endstation.kino. Programmplanung: Prof. Dr. Stefan Berger, Alexander Leiffheidt, Nina Selig