Sterne und Weltraum - Spektrum der Wissenschaft

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Welt der Wissenschaft: Geschichte der Astronomie
Kepler und der Stern
von Bethlehem
Seit Jahrhunderten spekulieren Astronomen, ob der biblische Stern der Weisen auf ein
reales Himmelsereignis zurückzuführen ist. Auch Johannes Kepler, dessen Weltbild teils
in der antiken Mystik gefangen war und teils die Traditionen auf revolutionäre Weise
durchbrach, suchte nach einer Erklärung. Ein »neuer Stern«, eine Supernova, lieferte
ihm entscheidende Hinweise.
Von Rahlf Hansen
N
och bis ins 20. Jahrhundert
oder seiner Einschätzung der allgemeinen
ser Rudolf II. für dessen Horoskope zustän-
hinein war es für Astronomen
Nachrichtenlage.
dig und überdies mit der Erstellung der
allgemein
schwierig,
eine
Aus heutiger Sicht mag es befremdlich
Rudolfinischen Tafeln beschäftigt war. Im
Arbeit mit geregeltem Ein-
erscheinen, dass einer der bekanntesten
Oktober jenes Jahres beobachtete er eine
kommen zu finden, und für viele begabte
Astronomen, der die Gesetze der Planeten-
stella nova, einen »neuen Stern« am Him-
Nachwuchsforscher ist das auch heute lei-
bewegung erkannte und den modernen
mel, der einige Wochen lang so hell wie der
der noch so. Oft musste eine pragmatische
Naturwissenschaften den Weg ebnete, sich
Planet Jupiter erschien. Heute wissen wir,
Lösung herhalten: Man übernahm eine
mit Astrologie beschäftigte. Kepler stand
dass er eine 20 000 Lichtjahre entfernte Su-
bezahlte Arbeit zur Existenzsicherung
jedoch inmitten des Spannungsfelds zwi-
pernova sah, bei der ein kompakter Stern,
und betrieb die astronomische Forschung
schen Mittelalter und Neuzeit, und neben
ein Weißer Zwerg, in einer thermonukle-
nebenher.
seiner zutiefst religiösen Grundeinstel-
aren Explosion zerstört wurde. (Es gehört
Auch Johannes Kepler (1571 – 1630)
lung war sein Weltbild durch die mystisch-
zu den Eigenwilligkeiten der Natur, dass
musste in seiner Laufbahn solche Kom-
okkulten Traditionen der Antike geprägt
diese Supernova vier Jahre vor der Erfin-
Kepler glaubte an eine Fernwirkung der Planeten und
vermutete dahinter eine physikalische Ursache.
dung des Teleskops aufleuchtete – seither
wurden zwar viele Supernovae in fernen
Galaxien, aber keine mehr in unserem
Milchstraßensystem beobachtet.)
promisse eingehen. Kurz vor Abschluss
(vergleiche SuW 10/2009, S. 42, und SuW
seines Theologiestudiums verließ er 1594
12/2009, S. 42).
Zeitgleich mit dem Erscheinen des
»neuen Sterns« am Himmel und unweit
die Tübinger Universität und wurde in
So war es für Kepler durchaus nicht
davon war eine nahe Begegnung der Pla-
Graz »steirischer Landschaftsmathema-
unlogisch, einen Einfluss der Planeten
neten Jupiter und Mars zu beobachten
tiker«. Zu seinen dortigen Pflichten ge-
auf das irdische Geschehen für möglich
(siehe Bild rechts). Bereits wenige Monate
hörte es, Jahreskalender mit Horoskopen
zu halten. Hinter dieser Fernwirkung ver-
zuvor hatten sich Jupiter und Saturn ein
zu erstellen, die sowohl das Wetter als
mutete er letztlich einen physikalischen
enges Stelldichein gegeben. Kepler vermu-
auch das politische Geschehen vorher-
Hintergrund. Er lehnte aber weite Teile der
tete, das Auftreten »neuer Sterne« könnte
sagen sollten. Damit war er unverhofft
damals populären Astrologie ab, wie etwa
von solchen seltenen Planetenkonjunk­
erfolgreich: So prognostizierte er für 1595
den Einfluss der Tierkreiszeichen auf den
tionen angekündigt werden. Könnte dann,
treffsicher einen Konflikt mit dem Osma-
Charakter eines Menschen.
so seine Idee, nicht auch der Stern von
nischen Reich – aber wir wissen nicht, ob
Im Jahre 1604 weilte Kepler bereits in
Bethlehem ein »neuer Stern« gewesen
er die Eingebung den Sternen verdankte
Prag, wo er als Hofmathematiker für Kai-
sein, der sich durch eine Planetenkonjunk-
42
Januar 2010
Sterne und Weltraum
Supernova
Jupiter
Foto und Montage: Uwe Reichert
Mars
Saturn
Am frühen Abend des 17. Oktober
1604 bot sich Johannes Kepler dieser
ungewohnte Anblick: Zwischen den
Planeten Mars, Jupiter und Saturn
tion ankündigte? Er rechnete nach, und
ó Eine sehr enge Begegnung von Jupiter
leuchtete ein heller »neuer Stern«.
kam auf die Jahre 6 und 7 v. Chr., in denen
und Venus am 17. Juni 2 v. Chr., wobei die
Kepler mutmaßte, dass die seltene
eine spektakuläre dreifache Konjunktion
beiden Planeten optisch zum hellsten Ge-
Planetenkonstellation und das
der Planeten Jupiter und Saturn stattfand.
stirn nach dem Mond verschmolzen, und
Auftauchen des Sterns ursächlich
der eine dreifache Begegnung von Jupiter
zusammenhingen. Könnte, so seine
mit Regulus, dem Hauptstern im Löwen,
Überlegung, nicht auch der Stern von
Bevor wir uns Keplers Argumentation
vorausging. Der Eindruck, den diese Kon-
Bethlehem durch eine ähnliche
zuwenden, betrachten wir die konkur-
stellation hinterlassen haben muss, stellt
Planetenkonstellation hervorgerufen
rierenden Hypothesen für den Stern von
alles andere in den Schatten.
worden sein?
Bethlehem und die historischen Indizien.
ó Der Stern war keine reale Himmelser-
Einerseits gibt es mehrere astronomische
scheinung, sondern eher die astrologische
Erklärungsversuche; andererseits zwei-
Deutung einer doppelten Bedeckung der
feln Historiker, ob überhaupt eine astro-
Planeten Jupiter und Saturn durch den
nomische Erklärung vonnöten ist, und
Mond im Jahre 6 v. Chr.
Mögliche Szenarien
betrachten die Überlieferung als Legende.
Die wichtigsten Hypothesen sind:
In den maßgeblichen Bibeltexten finden
ó Der Halleysche Komet im Jahre 12 v.
wir gleich mehrere Hinweise, die zunächst
Chr.: Diese Interpretation erscheint aber
als hilfreich für die historische Einord-
zu abwegig, da die zeitliche Einordnung
den allgemein akzeptierten Rahmen deutlich zu sprengen scheint. Sie beruht auf der
Damit Schüler aktiv
Deutung einer angeblichen Mikroschrift
mit den Inhalten dieses
auf Münzen, die aber nur in Zeichnungen
Beitrags arbeiten können,
wiedergegeben und unzuverlässig ist.
stehen auf unserer Inter-
ó Ein anderer Komet im Jahre 5 v. Chr., der
netseite www.wissenschaft-schulen.de didaktische Materialien zur freien Verfügung.
aus fernöstlichen Quellen abgeleitet wird.
Darin wird gezeigt, wie das Thema im Rahmen des Physikunterrichts in der gymnasi-
ó Die dreifache Konjunktion der Planeten
alen Oberstufe behandelt werden kann. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!«
Jupiter und Saturn in den Jahren 6/7 v. Chr.:
führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad
Das ist die am weitesten verbreitete, aber
Wildbad und dem Haus der Astronomie in Heidelberg durch.
nicht unbedingt glaubwürdigste Deutung.
www.astronomie-heute.de
Januar 2010
43
Die Großen Konjunktionen von Jupiter und Saturn
Astrologen übernahmen die Vier-Elemente-Theorie der griechischen Naturphilosophen und teilten die zwölf Tierkreiszeichen
nach den klassischen Elementen (Erde, Wasser, Feuer, Luft) in vier
Gruppen zu je drei Zeichen ein: Als feuriges Zeichen galt das erste
(Widder), das fünfte (Löwe) und das neunte (Schütze). Ein Versatz
um vier Zeichen führt somit in ein Zeichen der gleichen Qualität.
Die Konjunktionen zwischen Jupiter und Saturn wiederholen
sich im Mittel alle zwanzig Jahre, allerdings im Tierkreis um acht
Zeichen und drei Grad verschoben. Diese Regelmäßigkeit der
»Großen Konjunktionen« von Jupiter und Saturn faszinierten
Kepler Gesammelte Werke, München 1937
Kepler. Drei aufeinanderfolgende Konjunktionen verband er zu
einem »Trigon«. Aus Keplers Zeichnung ist ersichtlich, dass jede
dritte Konjunktion wieder im gleichen Tierkreiszeichen stattfindet, aber um neun Grad versetzt (Bild). Die Konjunktionen finden
solange in Zeichen der gleichen Qualität statt, bis sich nach 200
Jahren die Verschiebungen zu einem weiteren Zeichen addieren.
Nun haben die Konjunktionen 80 Zeichen plus 30 Grad (= ein
Zeichen) durchwandert, womit die Konjunktion in eine neue
Qualität wechselt. Nach 800 Jahren ist der Zyklus komplett, und
die Konjunktion tritt wieder in ein Zeichen der anfänglichen
Qualität ein. Nach drei solcher Zyklen hat ein Eckpunkt des
Trigons den kompletten Tierkreis durchlaufen.
nung erscheinen. Die Evangelisten Matt-
Damit bleibt als wichtigstes Hilfsmit-
nuar 1 v. Chr. scheint dagegen besser zu
häus (2, 1–16) und Lukas (2, 1–4; 3, 1–3, 23)
tel die zeitliche Einordnung von König
passen: Mit ihr wäre der Zeitraum bis zum
liefern mit der bekannten Weihnachtsge-
Herodes, zu dessen Lebzeiten die Sternge-
Passahfest (8. April) nicht nur hinreichend
schichte und chronologischen Angaben
schichte spielt. Verwertbare Nachrichten
lang für die historische Handlung, son-
den ersten Schlüssel. Die Erscheinung
zu Herodes liefert aber weiterhin nur Fla-
dern sie war in Palästina auch viel besser
des Sterns, der den Weisen aus dem Mor-
vius Josephus.
zu sehen als andere Mondfinsternisse je-
genland den Weg zur Geburtsstätte Chris­
Das Werk »Jüdische Altertümer« von
ner Jahre. Diese Neufestlegung des Todes-
ti weist, ist zudem die Erfüllung einer
Josephus enthält eine ausführliche Schil-
jahres von Herodes ist zentral für Martins
Prophezeiung aus dem Alten Testament
derung der letzten Monate des Königs.
Deutung des Sterns von Bethlehem, den
(4. Mose 24, 17).
Historisch betrachtet erscheinen aber
Als Datierungshilfe eignen sich eine dort
er nun in der optischen Verschmelzung
erwähnte Mondfinsternis und ein darauf
von Venus und Jupiter am 17. Juni 2 v. Chr.
zwei Aspekte der Bibeltexte falsch. Erstens:
folgendes Passahfest, das etwa zu He-
sieht.
Die Aussage im Matthäusevangelium, wo-
rodes’ Tod stattfindet. Allerdings fehlen
nach König Herodes alle Kinder ermorden
eindeutige Verbindungen zur bekannten
Thesen zu Keplers Zeiten
ließ, »die zweijährig und darunter waren«,
römischen Geschichte, so dass allein aus
Zu Keplers Zeiten waren das Kalender-
wird unter Historikern und Theologen
der Mondfinsternis auf das Todesjahr von
wesen und die Chronologie beliebte Ar-
als Legende angesehen. Ansonsten hätte
Herodes geschlossen werden muss. Histo-
beitsfelder – was sich zum Beispiel in der
der jüdische Schriftsteller Flavius Jose-
riker geben sein Todesjahr allgemein mit
Kalenderreform des Jahres 1582 manifes­
phus (um 37 – 100), ein Herodesverächter,
4 v. Chr. an, wobei sie sich auf eine parti-
tierte, durch die der julianische auf den
der ausführlich dessen Regierungszeit
elle Mondfinsternis vom 13. März jenes
gregorianischen Kalender umgestellt wur-
schildert, den Kindermord nicht ausgelas-
Jahres berufen.
de. Kepler widmete sich ihnen besonders
im Hinblick auf die zeitliche Einordnung
sen. Zweitens: Die Steuerschätzung, nach
Lukas »zur Zeit, da Quirinius Statthalter in
suchte in seinem Werk »The birth of Christ
Syrien war«, kann nicht zu Lebzeiten des
recalculated« von 1980 die zeitliche Zu-
Damals war es bereits gängige Lehr-
Herodes stattgefunden haben, da sie nur
ordnung ausführlich, und er verwarf die
meinung, dass die Jahreszählung der
im direkten römischen Herrschaftsbereich
bis dahin vorherrschende Lehrmeinung.
christlichen Zeitrechnung, die der Mönch
möglich war. Herodes’ Reich war aber for-
Er argumentierte, dass der Zeitraum zwi-
Dionysius Exiguus 525 n. Chr. eingeführt
mal selbstständig, wenn auch nur durch rö-
schen der Mondfinsternis (13. März) und
hatte, nicht exakt auf Jesu Geburt zurück-
mische Duldung. Mit der Steuerschätzung
dem Passahfest (11. April) im Jahr 4 v. Chr.
führt. Die meisten Kirchenväter gaben
bei Lukas ist vermutlich eine solche im
zu kurz gewesen sei, um alle bei Josephus
das Geburtsjahr Jesu mit 2 oder 3 v. Chr.
Jahre 6 n. Chr. gemeint, als eine römische
geschilderten Geschehnisse unterzubrin-
an. Dabei stützten sie sich auf die Angabe
Provinz in Judäa eingerichtet wurde.
gen. Die totale Mondfinsternis vom 10. Ja-
von Lukas (3, 1–3, 23), dass Jesus im Alter
44
Januar 2010
Der Historiker Ernest L. Martin unter-
des Lebens Jesu.
Sterne und Weltraum
von etwa dreißig Jahren seine Lehrtätig-
vor, welche die Winkel zu den anderen
Saturn stattfand. Und auch in diesem
keit aufgenommen habe, und dies im 15.
Planeten wahrnehmen können und auf
Falle gesellte sich Mars später hinzu. Da-
Regierungsjahr des römischen Kaisers
bestimmte Winkelbeziehungen reagieren.
mit glich der Ablauf jenem, den Kepler
Tiberius geschah, also 28/29 n. Chr. Eine
Diese Aspektenlehre der Astrologie ver-
1603/4 selbst beobachtet hatte. Er postu-
simple Rückrechnung ergab dann den
knüpfte er mit der magnetischen Kraft,
lierte nun, dass auch das Planetentreffen
Zeitpunkt seiner Geburt.
die erst kurz zuvor, in dem 1600 erschie-
im Jahre 6 v. Chr. von einer hellen Nova
Diese Angaben stimmen auch mit der
nenen Werk »De Magnete« von William
begleitet wurde – und eben diese sollte
Analyse eines Zeitgenossen Keplers über-
Gilbert (1544 – 1603) beschrieben worden
der Stern von Bethlehem sein. Keplers
ein: Joseph Justus Scaliger (1540 – 1609)
war. Ein Einfluss der Planeten auf die Erde
astronomische Rückrechnungen, gepaart
war als wichtiger Herausgeber antiker
und eine Planetenastrologie erschien Kep-
mit seiner astrologischen Interpretation,
Schriften und großer Kenner der alten
ler somit physikalisch plausibel.
bestärkten ihn in seiner chronologischen
Geschichte bekannt. Er gab das Todesjahr
Eine Konjunktion zwischen Jupiter
von Herodes nach Prüfung der Angaben
und Saturn, wie sie 1603/4 stattfand, er-
bei Flavius Josephus mit 1 v. Chr. an und
eignet sich nur rund alle zwanzig Jahre.
Die These »6/7 v. Chr.« im Wandel
verwies auf die totale Mondfinsternis in
Ihre Position am Himmel folgt dabei
Kepler war nicht der Erste, der diese Zeit-
jenem Jahr. Er kam also schon damals zu
einem regelmäßigen Muster, nach dem
rechnung zum Stern von Bethlehem favo-
den gleichen Schlüssen wie rund 400 Jahre
sie die Tierkreissternbilder durchläuft
risierte. Unseres Wissens gab erstmals der
später Ernest L. Martin.
(siehe Infokasten links). Kepler wies der
persisch-jüdische Astrologe Masha’allah
Konjunktion von 1603/4 eine besondere
ibn Athari (um 740 – 815) die dreifache
Bedeutung zu, weil sie erstmals nach 800
Konjunktion von Jupiter und Saturn
Kepler indes verwarf die Mondfinsternis,
Jahren wieder in einem so genannten
als möglichen Stern von Bethlehem an.
auf die Scaliger sich stützte, und bevor-
»feurigen«
stattfand.
Auch in den Annalen des Münsters von
zugte statt dessen die Finsternis des Jah-
Anschließend trat noch Mars hinzu. Nach
Worcester im Jahr 1285 wird diese zur
res 4 v. Chr. – worin ihm die Historiker
diesem Planetenreigen flammte unweit
Geburt Christi in Bezug gesetzt. Kepler
bis heute folgen. Erst diese Verschiebung
davon am Himmel der neue Stern auf.
entwickelte dann seine These auf die Nova
Keplers neuer Ansatz
Tierkreiszeichen
Einordnung der Geburt Jesu.
des Todesjahres von Herodes von 1 v. Chr.
Die Planeten und die stella nova bildeten
1604 hin: Die ähnliche Planetenkonstella-
auf 4 v. Chr. erlaubte Kepler eine neue
ein flaches Dreieck (siehe Bild S. 43). Ein
tion 6/7 v. Chr. sollte ebenfalls von einer
Deutung des Sterns von Bethlehem nach
feuriges Dreieck am Himmel in einem
Nova begleitet gewesen sein, die er für den
seiner astrologischen Logik. Zu Keplers
feurigen Zeichen! Kepler folgerte, dass
Stern von Bethlehem hielt.
Zeit wurden biblische Angaben noch nicht
die Nova und die Planetenkonstellation
so kritisch betrachtet wie heutzutage, und
zusammenhängen mussten.
Im Jahr 1821 deutete Friedrich Münter
(1761 – 1830), Bischof von Seeland, dann
Kepler zog noch den Kindermord des He-
Durch Zurückrechnen fand Kepler,
nur noch die Planetenkonstellation als
rodes heran. Aus der biblischen Angabe,
dass in den Jahren 6/7 v. Chr. eine ähn-
Stern von Bethlehem. Auch der Astronom
wonach Herodes alle Kinder unter zwei
liche Konjunktion zwischen Jupiter und
Ludwig Ideler (1766 – 1846) hielt die drei-
Jahren töten lies und kurz darauf starb,
schloss Kepler auf ein Geburtsjahr Jesu
Widder
zwei Jahre vor dem Tod des Herodes.
Dies führte ihn vom Herodestod im Jahr
4 v. Chr. auf Jesu Geburt im Jahr 6 v. Chr.
und somit zu der von ihm bevorzugten
Planetenkonjunktion.
Fische
Keplers Ideen gründeten sich auf die
stella nova, die 1604 aufleuchtete, und
die er ausführlich beschrieb. Er sah eine
astrologische Verbindung zwischen diesem »neuen Stern« und dem Lauf der Planeten. Diese Haltung beruhte auf seinem
Saturn
Jupiter
Pegasus
Verständnis der Physik im Sonnensys­
tem. Als Anhänger des heliozentrischen
Weltsystems vermutete er eine Art Kraft,
die von der Sonne ausgeht und mit einer
entsprechenden Kraft der Planeten in
SuW-Grafik
Wechselwirkung tritt. Die Planeten sollten
aber auch untereinander solche »Kräfte«
austauschen.
Kepler war die Schwerkraft noch unbekannt, deren Konzept Isaac Newton erst
Dreimal in den Jahren 6/7 v. Chr. begegneten sich der »Königsplanet« Jupiter
gut sechzig Jahre später entwickelte. Statt
und der »Schicksalsplanet« Saturn (der Schutzstern Israels) im Sternbild
dessen stellte er sich »Planetengeister«
Fische, das die Astrologen der Antike dem Land Palästina zuordneten.
www.astronomie-heute.de
Januar 2010
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Stern von Bethlehem aus astronomischer
wird, muss es sich um einen Kometen ge-
Sicht« erschienen) eine Art Drehbuch der
handelt haben. Immerhin liegen mit die-
These für Präsentationen in Planetarien.
sen beiden »neuen Sternen« zwei weitere
Die Deutung war also im Laufe der
H. A. Seaby, Roman Silver Coins I
Zeit diversen Änderungen unterworfen.
Kandidaten für den Stern von Bethlehem
vor.
Als wichtiges Element tritt bei Kepler auf,
Interessant ist die Frage, was die Mo-
dass die Jupiter-Saturn-Konjunktion, die
tivation für Kepler war, nach dem Stern
er 1603/4 beobachtete, gerade in ein »feu-
von Bethlehem zu suchen. Die Chronolo-
riges Zeichen«, den Schützen, hineinge-
gie war ein beliebtes Betätigungsfeld für
wandert war. Kepler erkannte, dass knapp
Gelehrte, in dem besonders die zeitliche
1600 Jahre vor »seiner« Konjunktion eine
Einordnung der Bibel in den profanen
entsprechende Konjunktion erstmals im
Geschichtsablauf ausführlich diskutiert
feurigen Widder stattfand. Die Konjunk-
wurde. Papst Gregors Neuregelung des
tion 6/7 v. Chr. ereignete sich aber noch,
Kalenders von 1582 wurde von den protes­
Ein römischer Denar aus dem Jahr 36 v. Chr.
letztmalig im 200-jährigen Zyklus, in
tantischen Ländern noch abgelehnt und
zeigt den Tempel des Julius Cäsar auf dem
dem wässrigen Zeichen der Fische. Doch
verlieh dem Arbeitsgebiet eine religiöse
Forum Romanum. Der Stern am Giebel
die Jupiter-Mars-Konjunktion, die im An-
Aufladung. Nur vor diesem Hintergrund
symbolisiert den Kometen, der nach Cäsars
schluss daran schon im feurigen Widder
lassen sich manche Kontroversen ver-
Ermordung 44 v. Chr. erschien.
eintrat, hatte für Kepler ebenfalls große
stehen. Auch Scaliger und Kepler waren
Bedeutung.
religiös motiviert und konnten den Stand-
Die späteren Autoren ersetzten die
punkt des jeweiligen Kontrahenten schon
fache Große Konjunktion von Saturn und
Bedeutung der »elementaren Qualitäten«
aus Glaubensgründen nicht unwiderspro-
Jupiter für bedeutend genug, um auch
durch die Besonderheit, dass die Kon-
chen hinnehmen. Vielleicht erwuchs hie-
ohne Nova die Aufmerksamkeit der Wei-
junktion der Jahre 6/7 v. Chr. in dreifacher
raus der Widerstand, mit dem Kepler der
sen aus dem Morgenland zu erregen. Da
Folge im Zeichen der Fische auftrat. Dies
landläufigen Chronologie entgegen trat,
Idelers 1825/26 erschienenes »Handbuch
hatte Kepler zwar bemerkt, aber nicht als
die Scaliger vorlegte.
der Chronologie« viel häufiger gelesen
astrologisch bedeutsam betrachtet.
wurde als Keplers Schrift, setzte sich diese
Meinung durch.
Musste die Deutung des Sterns von
Bethlehem, wie sie Kepler vorlegte, nur
Was motivierte Kepler?
herhalten, um auch astrologische Argu-
Heute wissen wir, dass Keplers Vermutung
mente gegen Scaliger vorzubringen, de-
Idelers These, wonach die Konjunktion
über Zusammenhänge von Planetenkon-
nen dieser nicht gewachsen war? Oder war
der Planeten Saturn und Jupiter mit dem
junktion und »neuen Sternen« keinerlei
die Überzeugung von Kepler, dass eine Be-
biblischen Stern der Weisen gleichzuset-
Grundlage hat. Aus fernöstlichen Quellen
obachtung wie die seines »neuen Sterns«
zen sei, durch das 1922 erschienene Buch
ist uns aber bekannt, dass es in den Jah-
auch die Weisen geleitet haben könnte,
»Der Stern des Messias« des Theologen
ren 4 und 5 v. Chr. tatsächlich zwei »neue
so groß, dass er die Chronologie entspre-
Oswald Gerhardt. Und 1968 lieferte der ös-
Sterne« gegeben hat. Allerdings ist für
chend gestaltete? Vielleicht kamen beide
terreichische Astronom Konradin Ferrari
denjenigen im Jahre 4 v. Chr. die zeitliche
Begründungen zusammen, und Kepler
d’Occhieppo mit »Der Stern der Weisen«
Zuordnung unzuverlässig. Und da für das
sah in ihnen eine wechselseitige Bestäti-
(in neueren Auflagen unter dem Titel »Der
zweite Objekt eine Bewegung angegeben
gung für seine Argumentation.
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Sterne und Weltraum
Der Stern von Bethlehem aus Sicht der Historiker
Außerdem war das Motiv eines verfolgten
Heute sehen Theologen und Historiker den
sehr beliebt, besonders in Verbindung mit
Stern von Bethlehem als Legende an. Er hat
einem astralen Zeichen.
und dann geretteten Königskinds damals
wichtige theologische Funktionen, die aber
Eine ähnliche Verehrungsgeschichte
Rahlf Hansen ist wissen-
unabhängig von seiner historischen Beleg-
mit einem himmlischen Zeichen gibt es
schaftlicher Mitarbeiter im
barkeit sind. Eine wichtige Anregung, das
im Mithraskult, der sich in frühchristlicher
Planetarium Hamburg. An
Motiv eines Sterns über Bethlehem einzu-
Zeit im Römischen Reich ausbreitete. Hier
der dortigen Universität
führen, könnte von dem hellen Kometen
könnte eine Übernahme des Motivs oder
forschte er über Kepler.
des Jahres 44 v. Chr. ausgegangen sein. Er
gar der Handlung der Legende vorliegen.
Schwerpunkt seiner
tauchte über den Festspielen auf, die der
Diese Erklärung für den Stern von Beth-
historischen Interessen
junge Oktavian zu Ehren des ermordeten
lehem setzt sich aber nur mühsam durch.
Julius Cäsar veranstaltete, dessen Adoptiv-
Zum einen wirkt die Autorität Keplers bis
Bronzezeit bis zur Erfindung des Fernrohrs und
sohn er war. Oktavian propagierte ihn als
auf unsere Zeit – auch wenn sich nicht
die Kalenderentwicklung.
himmlisches Zeichen, wonach die Götter
mehr sein postulierter »neuer Stern«
die Taten Cäsars gutheißen würden und so
als Deutung hält, sondern nur noch die
auch ihm als Adoptivsohn wohl gesonnen
zugrunde liegende Konjunktion der Pla-
seien. Der Komet wurde in einem Tempel
neten. Zum andern liefern Bücher wie das
verehrt und auf Münzen geprägt (siehe
von d’Occhieppo eine schöne Vorlage für
Bild links und SuW 5/2006, S. 34). Oktavian
Planetariumsvorträge, und popularisieren
– der spätere Kaiser Augustus – wurde als
die Legende weiter. Ob, wie damals, auch
Garant des römischen Friedens verehrt.
hier religiöse Motive zugrunde liegen?
Könnte dies eine Motivation gewesen sein,
Die Astronomen in den Planetarien
für Jesus Christus ein ähnliches Zeichen
jedenfalls nehmen diese Geschichte gerne
einzuführen?
Als direkte Vorlage für die Gestaltung
auf. Die Ansicht der Historiker in einem
des Sterns von Bethlehem könnte die
die Zerstörung eines schönen Mythos bei
Reise des armenischen Königs Tiridates
erwartungsvollen Besuchern. Schon 1923
zum römischen Kaiser Nero 66 n. Chr. ge-
hat der Althistoriker Eduard Mayer in
dient haben, dem er sich als seinem Gott
seiner »Urgeschichte des Christentums«
zu Füßen warf. Der Halleysche Komet
gegen die Astronomen polemisiert: »Zu
zierte währenddessen den Himmel. Ein
den
östlicher König unterwirft sich dem west-
Pseudowissenschaft,
lichen Herrn der Welt, begleitet von einem
immer wiederkehrt und auf Dilettanten
himmlischen Zeichen: Dieses Geschehen
eine magische Anziehungskraft ausübt,
verursachte in der damaligen Welt großes
gehören die immer neuen Versuche,
Aufsehen. Auch die Verfasser der Evan-
diesen wandelnden Stern astronomisch
gelien, die wenige Jahre später schrieben,
nachzuweisen und in eine Konstellation
dürften davon Kenntnis gehabt haben.
der Planeten umzusetzen.«
Planetarium zu erzählen, erschiene wie
wunderlichsten
Verirrungen
die
der
unausrottbar
ist die Astronomie ab der
Literaturhinweise
Josephus, F.: Jüdische Altertümer. Marix
Verlag, Wiesbaden 2004.
Ideler, L.: Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie,
Band 2. August Rücker, Berlin 1826.
Kepler, J.: Gesammelte Werke. Beck,
München 1936ff.
Kepler, J.: Warnung an die Gegner der
Astrologie. Hrsg. von Fritz Krafft, Kindler,
München 1971.
Kepler, J.: Astronomia Nova. Neue,
ursächlich begründete Astronomie.
Marix Verlag, Wiesbaden 2005.
Martin, E. L.: The birth of Christ recalculated. Foundation for Biblical Research,
Pasadena 1980.
Meyer, E.: Urgeschichte des Christentums. Phaidon, Stuttgart 1923.
Ferrari d’Occhieppo, K.: Der Stern von
Bethle­hem in astronomischer Sicht.
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