Chirurgie peripherer Nerven

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Chirurgie peripherer Nerven
Dr. Michael Werth, Abteilung für Neurochirurgie, LKH Feldkirch
Aufbau und Funktion
peripherer Nerven
• Funktion:
– Efferenz (motorische und sekretorische Impulse vom ZNS in die
Peripherie)
– Afferenz (sensible und sensorische Informationen von der Peripherie
in das ZNS
• Aufbau:
– Axone (mit und ohne Myelinscheide)
– Endoneurium
– Faszikel und Perineurium
– Epineurium
Pathophysiologie
• reversible Ischämie
– Lage- bzw. stellungsabhängige reversible
Parästhesien
• Demyelinisierung
– Persistierende Symptome, aggraviert durch
bestimmte Bewegungen und Haltungen,
Schmerzen und Paresen ausgeprägter
• Wallersche Degeneration
– Funktionsverlust
Obere Extremität
• N. medianus: Karpaltunnel-Syndrom,
Interosseus-anterior-Syndrom, Pronator-teresSyndrom
• N. ulnaris: Sulcus-ulnaris-Syndrom,Loge-deGuyon-Syndrom
• N. radialis: Interosseus-posterior-Syndrom
• Selten: N. suprascapularis: Incisura-ScapulaeSyndrom
Nervus medianus
• Ursprung: cervicale
Nervenwurzeln C6-Th1
• Innervation:
– Motorisch: Pronatoren des
Unterarms, ein Teil der
Handgelenks- u. Fingerbeuger
und ein Teil der kleinen
Handmuskulatur (Thenar)
– Sensibel: radiale Hälfte der
Hand, Finger I-III, radiale Hälfte
des Ringfingers
Karpaltunnel-Syndrom
Anatomie:
– Begrenzung:
• Palmar: Lig. Carpi transversum
• Dorsal: proximale und distale
Carpalknochenreihe
• Ulnar: Os pisiforme und
Hamulus ossis hamati
• Radial: Tubercula des Os
scaphoideum und des Os
trapezium
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– Inhalt: Sehnen der
oberflächlichen und tiefen
Fingerbeuger und des langen
Daumenbeugers der Nervus
medianus
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Karpaltunnel-Syndrom
• Ursachen: fibrotische Veränderungen der
Sehnenscheiden, angeborener enger
Karpaltunnel, Raumforderungen (Zysten,
Tumoren, pers. A. mediana etc.), Ödem,
Entzündungszustände im Rahmen system.
Erkrankungen (chron. Polyarthritis u. ä.),
Frakturen, deg. Veränderungen
Neutralposition
Flexion
Extension
Normbefund
2-3 mmHg
~ 30 mmHg
~ 30 mmHg
CTS
13-32 mmHg
94 mmHg
110 mmHg
Karpaltunnel-Syndrom
• Risikofaktoren: Adipositas, weibl. Geschlecht,
Schwangerschaft, Systemerkrankungen
(Diabetes, Hypothyreose,
Bindegewebserkrankungen, etc.), genet.
Prädisposition, Beruf (?)
Inzidenz
auf 100.000
Prävalenz
Verhältnis
♀
324-542
0,7-9,2%
3
♂
125-303
0,4-2.1%
1
Karpaltunnel-Syndrom
Klinik:
– Stadium I: (nächtlich betonte)
Schmerzen und Parästhesien
– Stadium II: Hypästhesie
– Stadium III: Taubheitsgefühl
und Thenarschwäche
– Stadium IV: Thenaratrophie
und permanentes
Taubheitsgefühl ohne
Reizerscheinung oder
Schmerzen
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Thenaratrophie
Karpaltunnel-Syndrom
• Klinische Tests:
–
–
–
–
Hoffmann-Tinel-Test
Phalen-Test
Flaschenzeichen
Karpal-Kompressions-Test.
• Elektrophysiologie: pathologisch
ab Stadium II
• Bildgebung: kein Standard, eher
als Ergänzung bei unklaren
Befunden
• Differenzialdiagnose:
C6Radiculopathie,
Tendovaginitis
DeQuervain,
Pronator-TeresSyndrom
Hoffmann-Tinel-Test
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Phalen-Test
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Flaschenzeichen
Karpaltunnel-Syndrom
Therapie:
– Konservative Maßnahmen:
• Wirksam: Schiene (meist für die Nacht), Cortison-Injektionen
in den Karpaltunnel, Yoga, Mobilisierung der
Handwurzelknochen
• Unwirksam: Antiphlogistika, Diuretika, Vitamin B6,
Stromtherapie, Magnet- und Lasertherapie
• Indiziert bei leichten bis moderaten Beschwerden, oft nur
vorübergehende Beschwerdebesserung, Kombinationen (zB
Schiene und Cortison-Injektionen) evtl. besser
– Operation: Spaltung des Lig. carpi transversum
• Offen
• Endoskopisch
Karpaltunnel-Syndrom
• Indikationen für eine operative Therapie
–
–
–
–
Beschwerdedauer >6-12 Wochen
Positiver Phalen-Test
Gestörte 2-Punkte-Diskrimination
Pathologische Nervenleitung
• Komplikationen:
– Unzureichende Spaltung des Lig. Carpi
transversum
– Schmerzhafte Narbenbildung
– CRPS (vorher Mb. Sudeck)
– Verletzung des R. palmaris (sensor.
Ausfall) bzw. des R. recurrens thenaris
(motor. Ausfall)
– Hämatom und Wundinfektion
Karpaltunnel-Syndrom
Vergleich endoskopische und offene Operation
– Langzeit-Outcome gleich (Besserung der
Symptomatik in 80-90% der Fälle)
– Weniger Schmerzen postoperativ und geringere
Druckempfindlichkeit der Narbe →
möglicherweise kürzere „Back-to-work-Zeit“
– Höhere Kosten
– Flachere Lernkurve → höhere Komplikationsraten
Karpaltunnel-Syndrom
• Postoperative Maßnahmen:
– Hochlagern in den ersten Tagen, Fingerübungen
bis Faustschluss ab dem ersten postoperativen Tag
– Keine Immobilisation → verlangsamt die Erholung
der Handfunktion
– Physiotherapie: kein Einfluss auf Schmerzen,
allerdings die Erholung der Feinmotorik, der
Handfunktion und somit Wiedereingliederung in
den Arbeitsprozess beschleunigt.
Karpaltunnel-Syndrom
Sonderfälle:
• Schwangerschaft: bis zu 25% im 3. Trimenon! Bessere
Prognose unter konservativer Therapie als bei
Nichtschwangeren Personen. Häufig keine komplette
Rückbildung nach der Geburt; OP-Indikation:
Symptombeginn im 1. Trimenon, positiver Phalen-Test,
gestörte 2-Punkt-Diskrimination und starker
Leidensdruck (allerdings eher nur in Ausnahmefällen)
• Dialysepatienten: Häufigkeit 10-24%! hohe Rezidivrate
(bis zu 50%); keine Blutsperre bei Eingriff am ShuntArm.
Pronator-teres-Syndrom
• Ursache: Kompression des N. medianus beim Durchtritt durch den
M. pronator teres
• Insbesondere bei körperlich aktiven Personen (Radfahrern,
Bogenschützen)
• Klinik: Schmerzen am Unterarm, Hypästhesie der gesamten
radialen Hälfte der Hand, in Ausnahmefällen Paresen der
Medianus-versorgten Muskeln des Unterarms und der Hand.
• Diagnose: Klinik + Neurographie
• Therapie: in erster Linie konservativ (NSAR, lokale
Kortisoninjektionen), bei Therapieresistenz über mehrere Monate
chirurgische Dekompression des Nerven innerhalb des Pronator
teres.
• Zwar selten, aber wichtige Differenzialdiagnose zum KarpaltunnelSyndrom
Interosseus-anterior-Syndrom
• Ursache: Trauma, Kompression durch Sehnen
und Muskulatur.
• Klinik: Parese des langen Daumenbeugers, der
tiefen Fingerbeuger I+II und des Pronator
quadratus, keine Sensibilitätsstörungen,
Pinzettengriff unmöglich
• Therapie: Freilegung des Nerven beginnend ab
dem distalen Oberarm bis etwa 7cm distal der
Ellenbeuge
Nervus ulnaris
• Ursprung: (C7) C8, Th1
• Innervation:
– Motorisch: der ulnare Teil
der tiefen Fingerbeuger, ein
Teil der kleinen
Handmuskulatur.
– Sensibel: die ulnare
Handkante, die Finger IV
(Ulnarseite) u. V
Sulcus-Ulnaris-Syndrom
• Ursache: Kompression des N. ulnaris im
Bereich des Sulcus ulnaris des Epicondylus
medialis humeri (Druck, häufige Beuge/Streckbewegungen, Trauma,
Humerusfrakturen)
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Sulcus-ulnaris-Syndrom
• Klinik: Hypästhesie der Ulnarseite der Hand
inklusive der Finge IV u. V, Parese der langen
Fingerbeuger IV u. V, Parese und Atrophie der
kleinen Handmuskeln, bei längerem Verlauf
Krallenstellung der Finger IV u. V.
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Sulcus-ulnaris-Syndrom
• Klinische Tests: Hoffmann-Tinel-Zeichen, Froment-Zeichen,
Palpation des Nerven im Sulcus-Bereich (Luxierbarkeit,
Druckempfindlichkeit, Nervenverdickung), Ellbogen-Flexion
mit Kompression des Nerven
• Elektrophysiologie: EMG/NLG
• Röntgen des Ellbogen-Gelenks: Ausschluss
posttraumatischer oder degenerativer Veränderungen.
• MRT bzw. US: in der Regel keine Routinediagnostik,
unklaren Fällen, insbesondere bei negativer bzw.
inkonklusiver Elektrophysiologie vorbehalten
• Differenzialdiagnose: Radiculopathie (C8 u. Th1), Loge-deGuyon-Syndrom, Läsionen des Plexus brachialis und des
ZNS
Sulcus-ulnaris-Syndrom
• Therapie
– Konservativ: bei kurzer Anamnese und fehlenden
Paresen; Schonung, Abpolsterung des Sulcus
– Operativ:
• In-situ-Dekompression: Freilegung des Nerven beginnend
knapp proximal des Epicondylus medialis humeri bis zum
Eintritt zwischen die beiden Köpfe des M. flexor carpi ulnaris,
Standardeingriff
• Transposition: hinsichtlich des Outcomes gleichwertig,
jedoch vermutlich eine erhöhte Komplikationsrate, zu
überlegen bei Rezidiv-Eingriffen
• Mediale Ependylektomie
• postoperativ keine Ruhigstellung
Loge-de-Guyon-Syndrom
• Ursache: Kompression des N. ulnarus im
Kanal zwischen Os pisiforme und Hamulus
ossis hamatis.
• Klinik: Schwäche der Hand, Atrophie,
Feinmotorikstörung, je nach Lokalisation
sensible Ausfälle.
• Diagnosestellung: Klinik + elektrophysiolog.
Untersuchungen.
• Therapie:
– Konservativ: bei fehlenden motorischen
Ausfällen zunächst Schonung und Analgetika
– Operativ: bei Versagen konservativer
Maßnahmen oder Paresen Freilegung und
Dekompression des N. ulnaris beginnend
proximal der Loge de Guyon.
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Nervus radialis
• Ursprung: C5-C8
• Innervation:
– Motorisch: M. triceps brachii,
Finger- und
Handgelenksextensoren,
Supinatoren im Unterarm
– Sensibel: Dorsal- und
Lateralseite des Oberarms,
Streckseite des Unterarms und
Handrücken, Streckseite der
Finger I-IV.
Nervus radialis
• Läsion in der Axilla: Krückenlähmung; Parese
aller vom Nerven versorgten Muskeln und
Hypästhesie am Oberarm und Unterarm
• Läsion am Humerusschaft: OberarmSchaftfraktur, Parkbanklähmung; keine
Tricepsparese, Fallhand und ungenügender
Faustschluss.
• Therapie: bei geschlossener Verletzung zunächst
konservativ mit „watchful-waiting“, bei fehlender
Besserung operative Revision
Interosseus-posterior-Syndrom
• Ursache: Kompression des Ramus profundus des
N. medialis am Ein- oder Durchtritt durch den M.
supinator.
• Klinik: rein motor. Ausfall, Parese der
Fingerstrecker, kaum Fallhand, allerdings
Schmerzen (Provokation durch Streckung des
Mittelfingers möglich).
• Operation: langstreckige Dekompression (distaler
Oberarm bis Unterarm) ggf. Rekonstruktion
Seltenere Syndrome
• N. suprascapularis:
– Ursachen: Trauma, Fehlbelastung, Tumoren, Incisura-scapulae-Syndrom
– Klinik: Schulterschmerzen, Aussenrotationsschwäche der Schulter
– Therapie: konservativ, bei Therapieresistenz Durchtrennung des Lig. Scapulae
transversum und Dekompression des Nerven
• N. thoracicus longus:
– Ursachen: Neuralg. Amyotrophie, Trauma, Kompression
– Klinik: Scapula alata
– Therapie: sehr selten Operation notwendig.
• N. axillaris:
– Ursachen: Schulterluxation (insbesondere vordere untere),
Humeruskopffraktur, neuralg. Schulteramyotrophie, Drucklähmung
– Klinik: Abduktionsschwäche der Schulter und Hypästhesie an der
Schulteraussenseite.
– Operation: bei ausgeprägter Symptomatik oder fehlender Besserung
Untere Extremität
N. ischiadicus:
– Kräftigster peripherer Nerv des menschlichen Körpers
– Schädigung vor allem nach Eingriffen am Hüftgelenk,
traumatisch, äußere Druckeinwirkung, Tumoren,
Injektionen
– Piriformis-Syndrom: lokaler starker Schmerz in
Glutealregion mit Ausstrahlung in das Sacrum,
Hüftgelenk bis gelegentlich in die Fußsohle;
umschriebener Druckschmerz im Bereich des
Foramen ischiadicum maius; Exploration mit Lösen
von Verwachsungen des M. piriformis, evtl.
Durchtrennung
– Klinik: Ausfall sämtlicher Unterschenkelmuskeln,
teilweise der ischiokruralen Muskulatur, Hypästhesie
im Tibialis-, Peroneus- und Suralis-Versorgungsgebiet
– Therapie: meist konservativ, gute Prognose (spontane
Besserung in etwa 75% berichtet)
Untere Extremität
N. peroneus:
– Ursache: meist Kompression am FibulaKöpfchen; Kompartement, Trauma,
Operation, (Gips-)Verband, vorderes
Tarsaltunnel-Syndrom
– Klinik: Vorfußheber- u.
Eversionsschwäche, Hypästhesie
lateraler Unterschenkel, Hypästhesie
Fußrücken und Interdigitalraum I
– Therapie: hinsichtlich Operation
schlechte Ergebnisse bei Revision und
Rekonstruktion, ggf. Sehnentransfer
(M. tibialis post.) auf die Streckseite.
Physiotherapie, Peroneus-Schiene.
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Untere Extremität
N. Tibialis posterior:
– hinteres Tarsaltunnel-Syndrom: Kompression
des Nerven im Retinaculum flexorum.
• Klinik: Dysästhesien an der Fußsohle,
Druckschmerz über dem Retinaculum, spät motor.
Ausfälle (Krallenzehen)
• Therapie: großzügige Spaltung des Retinaculums,
postoperativ 1-2 Immobilisation in leichter
Dorsalextension
– Morton-Neuralgie: Schädigung eines sensiblen
interdigitalen Endastes des N. tibialis mit
Ausbildung einer neuromatösen Veränderung
• Klinik: „Spreitzfußschmerzen“,
belastungsabhängige brennende Dysästhesien der
Fußsohle interdigital (meist III/IV), Besserung
durch Testinjektion
• Therapie: Anpassung des Schuhwerks, bei starken
Beschwerden operative Entlastung
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Untere Extremität
•
N. femoralis:
– Ursachen: Trauma mit Beckenfrakturen, Raumforderung im
M. iliacus wie Hämatome, Abszesse, nach Angiographien,
Hüft-TEP, vaginaler Hysterektomie, Laparoskopien etc.
– Klinik: Kniestreckerparese, Hüftbeugerparese
unterschiedlicher Ausprägung, Hypästhesie des
ventromedialen Oberschenkels und medialen
Unterschenkels
– Therapie: Darstellung des Nerven, ggf. Verwendung von
Transplantation mit guter Prognose
•
N. saphenus:
– Ursache: Kompression im Hunter-Kanal oder distalen Verlauf
– Klinik: Schmerzen und Hypästhesie am medialen
Unterschenkel und Fuß
– Gonyalgia paraesthetica: isolierte Hypästhesie mit
intermittierenden Schmerzen in einem kleinen vom R.
infrapatellaris versorgten Gebietes knapp unterhalb des
Kniegelenks.
Untere Extremität
N. cutaneus femoris lateralis:
– Ursache: Kompression des Nerven
unterhalb des Leistenbandes
insbesondere bei Adipositas oder
regelmäßigem Tragen einschnürender
Kleidung
– Klinik: Dysästhesien an der Lateralseite
des Oberschenkels
– Wichtige Differenzialdiagnose bei
Lumboischialgie
– Therapie: Gewichtsreduktion. Lokale
Injektionen. Bei Therapieresistenz
operative Dekompression.
Untere Extremität
N. obturatorius:
– Ursache: Kompression bei
Frakturen des Beckens, nach
Geburt oder Schwangerschaft,
Obturatorius-Hernien
– Klinik: Adduktionsschwäche,
Hypästhesie an der
Medialseite des
Oberschenkels.
– Therapie: Ausfall kann meist
gut kompensiert werden, evtl.
Dekompression oder lokale
Injektionen.
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