Original-Text vom 31. Januar 2012: http://bicom.org.uk/analysis

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Original-Text vom 31. Januar 2012: http://bicom.org.uk/analysis-article/4978/
Ist Israel eine "gute" Demokratie?
Von Amichai Magen
Amichai Magen ist Lektor an der Lauder School of Government, Diplomacy and Strategy,
des Interdisciplinary Center (IDC), Herzliya, Visiting Fellow, Hoover Institution der Stanford
University und Mitglied des World Jewish Congress (WJC) Executive Committee.
Israel ist eine Demokratie. Es ist dies seit jeher, sehr konsequent, ohne eine einzige Phase
des Abrutschens in ein autoritäres Regierungssystem. Es ist dies mindestens seit seiner
modernen nationalen Unabhängigkeit im Jahr 1948 und in mancher Hinsicht sogar schon
früher, seit der Bildung von egalitären Institutionen mit Rechenschaftspflicht vor der
vorstaatlichen Jischuw-Regierung. Israel ist eine parlamentarische Demokratie durch
Wahlverfahren, seine politischen Behörden sind souverän, mit allgemeinem Wahlrecht für
Erwachsene; regelmäßige, freie, wettbewerbsfähige und faire Wahlen, eine Vielzahl
(manche würden sagen: einen Überfluss) an politischen Parteien; und alternativen Quellen
zur Information der Öffentlichkeit.
Als 64-jährige Demokratie zählt Israel in der Tat zu den weltweit ältesten und beständigsten.
Zu der Zeit seiner Gründung gab es weniger als zwei Dutzend Demokratien auf der Erde,
eine deutliche Minderheit in einer Welt, die von autoritären Regimes dominiert wurde. Im
Laufe einer wechselvollen Geschichte hat es überlebt, ja gedieh, in einer Region, die
außerordentlich unwirtlich für die Demokratie an sich war. Im Laufe seines vom Krieg
zerrissenen nationalen Lebens blieb es das einzige Land im Nahen Osten und Nordafrika,
das kontinuierlich als "frei" im Rahmen des Freedom House Index gilt.
Israel ist eine Demokratie - aber ist es auch eine "gute"? Wenn man es kritisch aber sachlich
und fair betrachtet, wie funktioniert Israel gemessen an der demokratischen Qualität? Und ist
die Zukunft der israelischen Demokratie eine sichere, oder wird sie ins Stocken geraten, wie
einige Experten sich zu sorgen - oder sich danach zu sehnen scheinen?
Zur Beantwortung dieser Fragen ist es zunächst wichtig, daran zu erinnern, dass selbst die
höchste Qualität der liberalen Demokratie - auch wenn sie zweifellos ein politisches und
moralisches Gut ist - kein Allheilmittel ist. Es ist eine verständliche Versuchung, das
westliche Konzept mit zu vielen Erwartungen zu satteln und sich vorzustellen, dass durch
das Erreichen der liberalen Demokratie alle politischen, ethnischen, religiösen, sozialen,
wirtschaftlichen und kulturellen Konflikte einer Gesellschaft gelöst werden.
Aber das ist zu viel verlangt, von der israelischen und auch von jeder anderen Demokratie.
Als menschliche Systeme mit gesellschaftspolitischer Organisation sind selbst die besten
Demokratien fehlerhaft, bedürfen ständiger Wartung und sind anfällig für periodische Höhen
und Tiefen.
Ebenso wenig garantiert Demokratie immer eine geordnete, einvernehmliche oder stabile
Gesellschaft. Großbritanniens lange Tradition der Rechtsstaatlichkeit war kein Bollwerk
gegen die Unruhen, Plünderungen und Brandstiftungen, die Teile des Landes im August
2011 ins Chaos stürzten. Viele Millionen Bürger der Europäischen Union sehen das
Multilevel-Governance-System, unter dem sie leben, an einem schweren "Demokratiedefizit"
leiden. Und jenseits des Atlantiks werden die berechtigten Erwartungen der Amerikaner,
dass die Institutionen ihrer Regierung effektive Lösungen liefern, um das Land aus dem
ökonomischen Tief zu holen, seit fast einem Jahrzehnt durch die politische Lähmung im
Kongress enttäuscht.
Dennoch variieren Demokratien in ihrer Qualität und wir können sieben Dimensionen, auf
denen die Qualität und Haltbarkeit der israelischen Demokratie zu identifizieren ist,
benennen: demokratische Partizipation, demokratischer Wettbewerb, Rechtsstaatlichkeit,
Rechenschaftspflicht, die bürgerliche und politische Freiheit, die Reaktionsfähigkeit der
Demokratie und die demokratische Belastbarkeit.
Demokratische Partizipation: Die demokratische Beteiligung in Israel ist in der Regel sehr
hoch. Israelis können sich politisch organisieren, sich versammeln, protestieren und für ihre
Interessen kämpfen. Auch Gruppen aus dem weit linken und weit rechten Spektrum sowie
arabische und ultra-orthodoxe Minderheiten versuchen in der Regel, die Politik auf dem Weg
des demokratischen Prozesses zu beeinflussen, obwohl sich dies unter den Randgruppen
ändern könnte.
Die Wahlbeteiligung bei nationalen Wahlen liegt zwischen 63 und 83 Prozent - ein starker
Indikator für ein hohes Maß an demokratischer Partizipation. Um die Wahlbeteiligung bei
geheimen Abstimmungen zu erhöhen, wurden die Registrierungsmethoden der Wähler
verbessert und Stimmzettel in beiden Amtssprachen - Hebräisch und Arabisch - eingeführt.
Die 2-Prozent-Hürde zählt zu der weltweit niedrigsten Schwelle für eine Partei in die
parlamentarische Vertretung gewählt zu werden. Dies führt nicht nur zu einem ungewöhnlich
hohen Grad der Verhältniswahl bei den 120 Sitzen der Legislative (Knesset), sondern trägt
auch zur Bildung von Nischen-Parteien und Koalitionen bei, die die Stabilität der Regierung
und Wirksamkeit der Exekutive behindern.
Der Grad der Beteiligung von Frauen und Minderheiten bei der nationalen Gesetzgebung ist
gut, wenn auch nicht vorbildlich. Fast 20 Prozent der Mitglieder der Knesset sind Frauen. Im
Oktober 2002 machte Uzi Even Geschichte, indem er das erste offen homosexuelle Mitglied
der Knesset wurde. Andere folgten.
Knapp über 10 Prozent sind arabische Israelis. Während die arabische Bevölkerung ihre
Stimmen für stark sektiererische arabische Parteien abgeben, erhalten linksgerichtete und
zentristische zionistische Parteien auch Unterstützung von der arabischen (muslimischen
und christlichen) Gemeinschaft und von anderen ethnischen Minderheitengruppen und
Immigranten.
Demokratischer Wettbewerb: Die vielleicht auffälligste strukturelle Veränderung in der
israelischen Politik in den letzten drei Jahrzehnten ist die Zersplitterung der bisher
dominierenden ideologischen Parteiblöcke - der sozialdemokratische Labour und des
national-liberalen Likud - und die Ausbreitung von politischen Parteien, die einer
ungewöhnlich weiten Palette von sozialen, ethnischen und religiösen Wählerkreisen in dieser
sehr heterogenen Gesellschaft eine Stimme geben. Der Trend hat in mancher Hinsicht die
alte autoritäre Eliten-Solidarität geschwächt und die Stabilität von Koalitionsregierungen
untergraben, aber es hat die israelische Demokratie auch pluralistischer und
wettbewerbsfähiger gemacht, als sie es in den ersten Jahren gewesen war.
Für viele Israelis scheint es nun merkwürdig, dass für die erste Hälfte der nationalen
Existenz des Landes - von 1948 bis 1977 - im Wesentlichen ihr Gemeinwesen von einer
einzigen, hegemonialen Partei regiert wurde: Ben Gurions Mapai. Der erste richtige
Machtwechsel kam erst mit dem, was Israelis "Mahapach" ("Transformation") nennen Menachem Begins Likud-Sieg von1977 über den Labour-Block, der von Shimon Peres
geführt wurde.
Im Gegensatz dazu wurde die Rekordzahl von 43 Parteien vor den nationalen Wahlen 2009
registriert, im Vergleich zu 31 zu den vorigen Wahlen im Jahr 2006. Nicht weniger als 33
Parteien wetteiferten am Wahltag miteinander, und die darauf folgende Koalitionsregierung
von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu umfasst nun sechs politische Parteien.
Wer vom Wettbewerb um die politische Macht in Israel ausgeschlossen ist? Parteien oder
Kandidaten, die das Existenzrecht Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes
leugnen, die die Demokratie ablehnen oder Rassismus verbreitet. Bis dato war die einzige
politische Partei, die tatsächlich von der Teilnahme an nationalen Wahlen ausgeschlossen
wurde, die rechtsextreme jüdische Kach-Partei. Im Jahr 2009 stimmte die zentrale
Wahlkommission der Knesset zu, den zwei arabischen Parteien - Balad und die Vereinigte
Arabische Liste (UAL) - Ta'al die Wahlteilnahme zu verbieten - unter Berufung auf deren
angebliche Unterstützung der Terrororganisation Hamas. Der israelische Oberste
Gerichtshof hob das Verbot umgehend auf und die Parteien durften teilnehmen. UAL-Ta'al
gewann vier Sitze, Balad gewann drei.
Rechtsstaatlichkeit: Die Qualität der israelischen Demokratie leidet unter gemischten, und
sich in mancher Hinsicht verschlechternden rechtsstaatlichen Bedingungen. Auf der einen
Seite ist die persönliche Sicherheit in Israel hoch, mit einer entsprechenden Quote an
Gewaltverbrechen, in einigen Bereichen sogar niedriger als die in Westeuropa. Alle
israelischen Bürger leben in einem System von Gesetzen, die öffentlich bekannt sind, die
universal, nicht rückwirkend, fair und konsequent durch eine unabhängige Justiz
durchgesetzt werden, die auch regelmäßig gegen die Regierung richtet.
Prozesskostenhilfe, angemessene Verfügbarkeit von Sozial- und Familiengerichten, die
Beilegung von Rechtstreits und Vergleiche verbessern den allgemeinen Zugang zu Recht.
Direkte Petitionen werden von israelischen Bürgern ebenso sowie von palästinensischen
Bewohnern des Westjordanlands und des Gazastreifens vom Obersten Gerichtshof
angehört. Historisch gesehen befolgt der Staat für gewöhnlich erlassene Gerichtsurteile.
Außerdem beweist die Reihe von hochrangigen Beamten, die Haftstrafen verbüßen
(einschließlich des bisherigen Präsident Moshe Katzav, Finanzminister Avraham Hirschson
und Gesundheitsminister Schlomo Benizri), dass letztlich niemand über dem Gesetz in Israel
steht.
Gleichzeitig ist die Korruption ein zunehmend bedeutendes Problem. Israel wurde vom
Transparency International Korruptions-Index 2011 auf Platz 36 von 176 befragten Ländern
gewählt, sechs Plätze schlechter als 2010, und acht Plätze schlechter im Vergleich zum Jahr
2005. Die Korruptionsskandale der letzten Jahre betrafen eine Reihe hoher Beamter,
darunter ein ehemaliger Premierminister, ein Außenminister, ein Finanzminister, ein
ehemaliger Bürgermeister der Hauptstadt Jerusalem und die Führung der Finanzbehörde
und der Polizei.
Es gibt darüber hinaus ein wachsendes Bewusstsein, dass in bestimmten geographischen
Regionen dieses kleinen Landes, und unter bestimmten Gruppen am Rand der Bevölkerung
- vor allem in der radikalen Linken, unter Islamisten, in der rechtsextremen Bewegungen und
unter bestimmten Siedlern aus extrem orthodoxen Kreisen - die Autorität des Staates in
Frage gestellt wird und die Überlegenheit des israelischen Rechts in Frage gestellt wird.
Werden diese Entwicklungen nicht aufgehalten, werden sie wahrscheinlich eine wachsende
Gefahr für den Zusammenhalt und die Stabilität der israelischen Demokratie darstellen.
Eine weitere, diffusere Herausforderung für die Rechtsstaatlichkeit in Israel ergibt sich aus
der Überlastung derjenigen Institutionen, die dafür verantwortlich sind, dass Recht und
Ordnung durchgesetzt werden. Die Anzahl der Polizisten, Staatsanwälte, Richter,
Umweltschutzinspektoren, Strafvollzugspersonal - alle müssen erheblich erhöht werden, um
den Bedürfnissen einer wachsenden und zunehmend individualistischen und heterogenen
Gesellschaft gerecht zu werden.
Verantwortlichkeit: Wir verstehen unter Verantwortlichkeit die Verpflichtung der gewählten
politischen Führer, ihre politischen Entscheidungen zu verantworten, wenn sie von Bürgern
oder anderen Verfassungsorganen dazu aufgefordert werden - Gerichten,
Bürgerbeauftragten und Regulierungsbehörden. Verantwortlichkeit besteht daher vertikal und
horizontal und eine gute Demokratie zeigt ein solides Niveau von beidem auf.
Die Bilanz der Rechenschaftspflicht in Israel ist gemischt. Es besteht grundlegende vertikale
Rechenschaftspflicht in regelmäßigen, freien und wettbewerbsfähigen Wahlen. Dennoch wird
die vertikale Verantwortlichkeit durch ein Wahlsystem geschwächt, in dem Mitglieder der
Knesset durch eine nationale Liste in und aus dem Amt gewählt werden, anstatt durch lokale
Wahlkreise. Die Notwendigkeit von Koalitionsregierungen, wo der Austritt von einem
einzigen Koalitionspartner auch den Zusammenbruch der gesamten Koalition selbst
bedeuten kann, schwächt ebenfalls die effektive vertikale Rechenschaftspflicht.
Horizontale Verantwortlichkeit wird von einem starken, unabhängigen Obersten Gerichtshof,
lebendigen, kritischen Medien und starken Aufsichtsbehörden erleichtert, einschließlich einer
leistungsstarken Zentralbank, Steuerbehörde und Staatskontrolleur. Gleichzeitig muss Israel
die Kultur der politischen Rechenschaftspflicht verbessern. Die Feuertragödie in Galliläa, die
im Dezember 2010 das Leben von 44 Menschen kostete, ist ein typischer Fall. Trotz der
Enthüllungen über Missstände bei den Planungen und Durchführungen sowie der
öffentlichen Empörung ist der zuständige Minister, Eli Yishai, nicht zurückgetreten, noch hat
Ministerpräsident Netanyahu ihn des Amtes enthoben, dessen Regierung von der
Koalitionsteilhabe von Yishai abhing.
Bürgerliche und politische Freiheiten: Wie der Freedom House-Index dokumentiert, ist
Israel eine freie Gesellschaft, die im Allgemeinen ein hohes Maß an politischen Rechten und
bürgerlichen Freiheiten gewährt. Israel liegt auf Platz 1 bei den politischen Rechten, und auf
Platz 2 für bürgerliche Freiheiten - im Durchschnitt in der Tat etwas höher als die der EUMitgliedsstaaten.
Obwohl als "jüdischer und demokratischer Staat" definiert, respektiert Israel die
Religionsfreiheit. Christen, Muslime und Baha’i-Gemeinden regeln mit ihrer eigenen
Gerichtsbarkeit die persönlichen und familiären Angelegenheiten ihrer eigenen Mitglieder,
einschließlich Heirat, Scheidung und Beerdigung.
Primär- und Sekundarbildung ist jedem frei zugänglich. Israels Universitäten sind offen für
alle Studierenden auf der Grundlage der Leistung und sind seit jeher Zentren des
gesellschaftlichen und politischen Dissens.
Die Gewerkschaftsarbeit ist lebendig. Während der Anteil der Arbeitnehmer, deren Arbeit
durch Tarifverträge geregelt wird, allmählich in den vergangenen Jahrzehnten
zurückgegangen ist, sind drei Viertel der Arbeitnehmer entweder in der "Histadrut", der
„National Labour Federation“ oder werden von deren sozialen Programmen und
Tarifverträgen vertreten. Arbeitnehmer können Gewerkschaften ihrer Wahl beitreten und das
Recht auf Streik wird regelmäßig von der Histadrut oder einer ihrer Partner ausgeübt.
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird gewährleistet. Im Sommer des Jahres 2011
gingen fast 500.000 Israelis auf die Straße, um gegen die hohen Lebenshaltungskosten zu
demonstrieren und forderten mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung des Wohlstands. Nicht
ein einziger Demonstrant wurde festgenommen, noch wurden Polizisten tätlich angegriffen
oder Geschäfte geplündert.
Israel beherbergt vielfältige und aktive Organisationen der Zivilgesellschaft. Im Jahr 2010
wurde ein Gesetz verabschiedet, das von allen Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
fordert, alle ausländischen Geldgeber offen zu legen.
Die Frauen genießen erhebliche Gleichberechtigung auf fast allen Ebenen der israelischen
Gesellschaft, obwohl Lohnunterschiede noch existieren und Gewalt gegen Frauen ein
Problem bleibt, vor allem unter äthiopischen Einwanderern und in der arabischen
Gemeinschaft, in der es die so genannten "Ehrenmorde" gibt. Der Handel mit Frauen zur
Prostitution ist erst im letzten Jahrzehnt ein Thema geworden. Ein Gesetz von 2006
ermöglicht Haftstrafen von bis zu 20 Jahren für die Täter, und eine gemeinsame Kampagne
von Regierung und NGOs hat das Bewusstsein dafür geschärft und die Zahl der
bereitgestellten Frauenhäuser erhöht.
Obwohl sie die vollen politischen Rechte haben und sich mehr in die israelische Gesellschaft
in den vergangenen zwei Jahrzehnten integriert haben, sind die rund eine Million arabischen
Bürger Israels (etwa 19 Prozent der Bevölkerung) immer noch nicht gleichberechtigt, wenn
man sie in den Bereichen Bildung, Wohnraum und soziale Dienste mit der jüdischen
Bevölkerung vergleicht. Eine Handvoll arabischer Dörfern vor allem in der Negev-Region ist
nicht voll anerkannt. Arabische Israelis, mit Ausnahme der drusischen Minderheit,
unterliegen nicht der Wehrpflicht, obwohl sie sie freiwillig ableisten können. Diejenigen, die
nicht dienen, sind allerdings im Rahmen der damit verbundenen Vorteile, einschließlich
Stipendien und Wohnungsbaukrediten, nicht förderfähig.
Das israelische Gesetz räumt gleiche Rechte für die Vormundschaft und Adoption für nichtbiologische Eltern und bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ein. Israel ist bei weitem
das Homosexuellen-freundlichste Land im Nahen Osten mit einem weltweit der höchsten
Prozentsätze von 61 Prozent zur Unterstützung für die gleichgeschlechtliche Ehe. Offen
homosexuelle Israelis können zudem uneingeschränkt in den Streitkräften dienen.
Demokratische Reaktionsfähigkeit: Demokratische Regierungen gehen auf die Bürger ein,
indem sie die von den Bürgern geforderten demokratische Prozesse umsetzen. Von allen
Indikatoren der demokratischen Qualität ist die Reaktionsfähigkeit der vielleicht am
Schwierigsten messbare, nicht zuletzt, weil von einer verantwortungsvollen Regierung ein
komplizierter Kompromiss zwischen kurzfristig gewünschten Vorlieben und langfristigen
gesellschaftlichen und nationalen Interessen gefordert wird. Dennoch, die Reaktionsfähigkeit
kann verstärkt werden, wenn die Zivilgesellschaft informiert und engagiert ist, das politische
Parteiensystem kohärent und stabil ist und wenn ein demokratischer Staat die
administrativen Kapazitäten und Stärken zur Entwicklung und Umsetzung wirksamer
Reformen besitzt.
Israel muss sich auf diesen Parametern verbessern, wenn es zum Beispiel um begründete
Beschwerden zur Gleichheit im Militärdienst geht, um bestehende Markteintrittsbarrieren und
Wettbewerbsfähigkeit, um hohe Steuern und Lebenshaltungskosten, die zur Belastung für
den Mittelstand werden.
Gleichzeitig bietet Israel allen seinen Bürgern freien Zugang zu öffentlichen Gütern Infrastruktur, Bildung, Gesundheit, Umwelt und so weiter – und ist ein kompetenter Akteur in
Situationen des nationalen Notstands. Zuletzt sah man dies z. B. beim Bau einer
Sperranlage im Westjordanland als Reaktion auf die Terroranschlagswelle in der Zweiten
Intifada, bei den Abwehrmaßnahmen gegen die Hamas und den Raketenbeschuss aus dem
Gazastreifen - einschließlich militärischer Aktionen und massiven Investitionen in AntiRaketen-Technologie - , und beim Bau einer Barriere an der Grenze zu Ägypten um die
illegale afrikanische Einwanderung nach Israel zu verhindern.
Demokratische Belastbarkeit: Kann man von der Tatsache, dass eine Demokratie unter
besonders unwirtlichen Bedingungen entsteht und überlebt, auf ihre demokratische Qualität
schließen? Ich wage ja zu sagen. Wie Alexander Yakobson kürzlich beobachtete, ist die
israelische Demokratie "unter Bedingungen und in einer Umgebung entwickelt worden, die
ebenso günstig für den Liberalismus sind wie das Tote Meer zum Angeln." Die
Aufrechterhaltung einer liberalen Demokratie in einem homogenen, reichen und friedlichen
Skandinavien ist bewundernswert, aber an einem Ort wie Israel ist es nichts weniger als ein
Wunder. Israel hat Millionen von Flüchtlingen aufgenommen - vor allem aus Ländern mit
schwachen oder gar keinen demokratischen Traditionen. Dennoch wurden sie in liberaldemokratischen Praktiken sozialisiert, die nicht durch eine autoritäre Kultur untergraben
wurden. Israel hat sechs große Kriege und fast unaufhörliche Terrorangriffe überwunden,
doch hat es seine offene Gesellschaft und seine Achtung der politischen Freiheiten und
Bürgerrechte aufrechterhalten. In der Folge des Yom Kippur-Krieges 1973, in dem Israel
kurz davor stand vernichtet zu werden, hat es sein Recht ausgeübt, die Angreifer mit allen
Mitteln zurückzudrängen, aber es hat weder sein politisches System über Bord geworfen,
noch an den „großen starken Mann“ appelliert, um es zu retten. Als die Inflationsrate im Jahr
1984 auf 445 Prozent wuchs, blieb das Militär in den Kasernen.
Israel ist eine Demokratie von relativ hoher Qualität. Es bietet seinen Bürgern ein allgemein
hohes Maß an individueller Freiheit, politischer Gleichheit, Verständnis für deren
gesellschaftliche Bedürfnisse und gewährleistet legitime und rechtmäßige Kontrolle der
öffentlichen Politik und der Entscheidungsträger über die effektiven staatlichen Institutionen.
Steht die israelische Demokratie vor erheblichen Herausforderungen? Ja. Kann sie noch
immer verbessert und vertieft werden? Auf jeden Fall. Müssen Israelis täglich danach
streben, sie zu schützen und ihre Demokratie im Hinblick auf Verfahren, Inhalte und
Ergebnisse zu stärken? Absolut. Aber so macht es auch jede andere existierende westliche
Demokratie. Ewige Wachsamkeit ist schließlich der Preis der Freiheit.
Übersetzung durch: http://israelkompetenzkollektion.wordpress.com
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