DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 50 vom 17. Dezember 1982 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Virologische Grundlagen und Diagnostik der Virushepatitiden Reinhart Zachoval, Friedrich Deinhardt, Michael Roggendorf und Gert G. Frösner Aus dem Max-von-Pettenkofer-lnstitut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie (Vorstand: Prof. Dr. med. Friedrich Deinhardt) der Ludwig-Maximilians-Universität München Bei Nadelstichverletzungen sollte mit dem Serum der Infektionsquelle ein Schnelltest zur Bestimmung von HBsAg ausgeführt werden. Bei positivem Schnelltest sollte nicht immunen Personen oder Personen mit unbekanntem Immunstatus sofort Hepatitis-B-Immunglobulin (HBIG) verabreicht und zur gleichen Zeit mit der aktiven Impfung begonnen werden (eine passiv-aktive Immunisierung). Diese Immunisierungsmaßnahmen sollten nicht über die Sechs-Stunden-Frist hinaus verzögert werden. Empfindliche Nachweismethoden erlauben eine exakte Differenzierung zwischen Hepatitis A und Hepatitis B bei akuten und chronischen Lebererkrankungen, während der Nachweis einer Hepatitis Nicht-A, Nicht-B nur eine Ausschlußdiagnostik darstellt. Da heute Impfstoffe zur Verfügung stehen, die keine Nebenwirkungen haben, wird generell die Schutzimpfung gefährdeter Personengruppen empfohlen. Man unterscheidet heute drei Hauptformen der Virushepatitiden: die Hepatitis A (HA), die Hepatitis B (HB) und die Hepatitis Nicht-A, Nicht-B (HNANB) (Tabelle 1). Während für die beiden Erstgenannten empfindliche Nachweismethoden zur Verfügung stehen, ist die Hepatitis vom Typ Nicht-A, Nicht-B bis heute eine Ausschluß„Diagnose”. Die folgenden Ausführungen sollen eine Hilfe zur rationellen Diagnostik viraler Hepatitiden darstellen; unberücksichtigt bleiben seltenere (Begleit-)Hepatitiden im Rahmen anderer viraler (Zytomegalie-, Epstein-Barr-, Herpesgruppe-) oder bakterieller (Leptospiren) Infektionen und weiter toxische (Alkohol, Medikamente, Drogen) sowie durch Autoimmunmechanismen ausgelöste Hepatitiden. 1. Die Erreger wird. (Tabelle 2). Bemerkenswert ist seine Stabilität gegenüber äußeren Einflüssen. Aus dem Viruspartikel konnten EinzelstrangRNS-Moleküle (Molekulargewicht 2,25-2,28 x 10 6 Daltons) freigesetzt werden. Aus dem Kapsidprotein konnten vier Polypeptide (VP 1-4) mit einem Molekulargewicht von 9000 bis 31 000 Daltons und ein fünftes, sogenanntes Vorläuferpolypeptid (VPO) isoliert werden. Dieses Proteinmuster entspricht dem anderer Picornaviren. Ein nicht weiter charakterisiertes Antigen des Virus, das Hepatitis-AAntigen (HAAg) ist die Grundlage der immunologischen Nachweismethoden; gegen dieses Antigen werden im infizierten Menschen (oder Schimpansen und Krallenaffen, die experimentelle Systeme für das Studium von HAV-Infektionen darstellen) virusneutralisierende Antikörper der IgM-, IgAund IgG-Klasse gebildet. 1.1 Hepatitis-A-Virus Das Hepatitis-A-Virus (HAV) ist in den letzten Jahren eindeutig identifiziert und charakterisiert worden (1-5)*). Es ist ein 27-29 nm messendes hüllenloses Virus, das der Picornavirusgruppe zugeordnet In den letzten zwei Jahren ist es gelungen, das Hepatitis-A-Virus in mehreren Zellsystemen (menschlichen Hepatomzellen, foetalen Af*) Die in Klammern stehenden Ziffern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks. Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 50 vom 17. Dezember 1982 21 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Virushepatitiden fennierenzellen, humanen Embryofibroblasten) zu züchten (6-13). Ein Impfstoff ist in der Entwicklung (14). 1.2 Hepatitis-B-Virus (HBV) Das HBV ist komplex aufgebaut (Tabelle 2) und in keine der bisher bekannten Virusfamilien einzuordnen (15). Die von Dane und Mitarbeitern 1970 beschriebenen Partikel (16) (Dane-Partikel) sind das Korrelat des morphologische HBV. Das Virus hat einen Durchmesser von 42-45 nm, bestehend aus Kern (core) und Hülle (surface) und kommt in einer Konzentration von bis zu 10 8 Teilchen/ml im Serum akut erkrankter oder chronischer Virusträger vor. Außerdem findet man im Überschuß 20-22 nm große sphärische Partikel und Filamente mit einer Länge bis zu 1 !.1, und ebenfalls 20-22 nm Durchmesser, die aus Hüll material des Virus bestehen. A B Natürlicher Wirt Mensch Mensch Mensch? Experimenteller Wirt Krallenaffen Schimpansen Schimpansen Schimpansen Krallenaffen? Inkubationszeit 2-6 Wochen 2-6 Monate 2 Wochen bis einige Monate Übertragungsweg fäkal-oral vorwiegend parenteral parenteral fäkal-oral? Chronifizierung nein möglich möglich NANB Tabelle 1 B A NANB Morphologie Kubisch Kern mit Hülle Größe 27-29 nm Hüllfragmente Kern kompl. Virus Nukleinsäure Einzelstrang RNS zirkuläre doppelsträngige DNS (partiell einsträngig) Dichte (CsClg/ml) 1,34 HBsAg HBc kompl. Virus stabil stabil 100° C 5 min inaktiviert inaktiviert PH 3 stabil nicht untersucht Formalin 1:4000, 37°C,72h inaktiviert inaktiviert Stabilität 20% Äther 40 C 18 h 16-25 nm 27-28 nm 41-45 nm 1,19-1,23 1,30-1,33 1,23-1,24 Tabelle 2: Physikalisch-chemische Charakteristika der Hepatitisviren 22 15-60 nm? 2 2 inaktiviert (1:1000, 96 h, 37° C) Auf der Oberfläche dieser Partikel, ebenso wie in der äußeren Hülle der Dane-Partikel ist ein virusspezifisches Antigen, das Hepatitis-BOberflächenantigen (HBsAg) lokalisiert. HBsAg-Protein ist in der akuten Phase einer Hepatitis B nachweisbar (meist in Konzentrationen von 20-100 p,g) und verschwindet in der Rekonvaleszenz. Man unterscheidet beim HBsAg mehrere Subtypen: neben einer gemeinsamen Determinante „a" gibt es subtypenspezifische Determinanten (d, y bzw. w 1 _4 , r), die sich gruppenweise wechselseitig ausschließen. Diese Unterteilung hat epidemiologische (z. B. bei der Eruierung einer gemeinsamen Infektionsquelle), aber möglicherweise keine klinische oder prognostische Bedeutung. Die Oberfläche des Dane-Partikel und die Membran der sphärischen und filamentösen Formen bei einem Patienten haben jeweils dieselbe HBsAg-Subtypenspezifität. Eine Polypeptidanalyse des HBsAg zeigt zwei niedermolekulare Polypeptide (MG 24 000 und 28 000 Daltons) und einige weitere größere Polypeptide (17). In letzter Zeit hat dieses HBsAg-Protein dadurch große Bedeutung erlangt, daß es nach Reinigung aus dem Serum chronischer Träger als HepatitisB-Impfstoff verwendet wird (Übersicht bei 14, 18). Die Hülle des Viruskerns (HBc) enthält ein vom HBsAg verschiedenes Antigen, das Hepatitis-BKernantigen (HBcAg) (19); außerdem lassen sich im Inneren des Kerns eine zirkuläre doppelsträngige DNS (Molekulargewicht 2,1 x 106 Daltons), eine HBV-spezifische DNS-Polymerase und ferner eine Phosphokinaseaktivität nachweisen (20-22). Einer der beiden DNS-Stränge des HBV hat eine Deletion (etwa ein Drittel der Gesamtlänge); der komplette Strang enthält 3200 Nukleotide, der inkomplette 1700-2800 Nukleotide. Die Einzelstrangregion wird in vitro durch die Polymerase komplettiert (23), eine Reaktion, die man sich als Test zum Heft 50 vom 17. Dezember 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Virushepatitiden indirekten HBV-Nachweis zunutze macht (unter Verwendung radioaktiv markierter Nukleotide). Die biologische Bedeutung der Phosphokinase im Kern des HBV ist noch unklar. Während sich HBsAg, HBcAg, DNS und DNS-Polymerase bestimmten morphologischen Strukturen zuordnen lassen, ist die Lokalisation und biologische Bedeutung eines dritten von Magnius und Mitarbeitern 1972 beschriebenen Antigens, des HBeAg (24), noch nicht geklärt. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, daß HBeAg ein Strukturantigen des Viruskerns ist (25-28). Ähnlich wie HBsAg ist HBeAg in einer bestimmten Phase der Infektion im Serum mit empfindlichen Methoden nachweisbar (29-30), ein Teil liegt in freier nichtpartikulärer Form vor, ein Teil ist an Serumproteine gekoppelt. Durch Immundiffusion lassen sich HBeAg-Subtypen differenzieren (e 1 —e3) (31). Die Reindarstellung und damit Charakterisierung des HBeAg steht noch aus; neuere Forschungen deuten darauf hin, daß HBeAg ein Degradationsprodukt des HBcAg ist (Murray, persönliche Mitteilung). Das Vorhandensein von HBeAg ist eng verknüpft mit dem elektronenoptischen Nachweis von DanePartikeln und dem Nachweis der DNS-Polymerase (32, 33). HBeAg- positive Seren sind deshalb als höchstwahrscheinlich infektiös zu betrachten. Die Persistenz von HBeAg bei einer frischen Infektion für mehr als zehn Wochen deutet auf die Entwicklung einer chronischen Hepatitis hin (30). Die zu den drei HBVspezifischen Antigenen HBsAg, HBcAg und HBeAg korrespondierenden Antikörper heißen AntiHBs, Anti-HBc und Anti-HBe, wobei Anti-HBs der einzige virusneutralisierende Antikörper ist. Die Bedeutung von kürzlich beschriebenen Dane-Partikel agglu- nfektion / Anti-HAV (IgG + IgM) im Serum 11 ........ Anti-HAV (IgM) im Serum 4.... Virus im Stuhl 6 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 10 1 11 1 12 13 114 15 16 Wochen nach der Infektion Darstellung 1: Verlauf einer Hepatitis-A-Infektion tinierenden Antikörpern — d. h. von Antikörpern, die mit HepatitisB-Viren Aggregate bilden aber nicht mit HBsAg oder HBcAg reagieren, die bei der Ausheilung einer HBV-Infektion auftreten — bedarf noch der Klärung (34). Ebenfalls gesichert aber in der Bedeutung noch nicht völlig geklärt ist ein Ag/AK-System, das im Zusammenhang mit HBV-Infektionen gefunden wurde: das Delta-Antigen bzw. Delta-Antikörper (35). DeltaAntigen ist ein Teil eines vom HBV immunologisch verschiedenen RNS-Virus, das sich nur im Beisein des HBV vermehren und ebenfalls eine Hepatitis auslösen kann. 1.3 Nicht A Nicht B Hepatitisviren - - - - Nach Ausschluß einer Hepatitis A oder B und von Zytomegalie oder EBV-Infektionen bleibt die Ursache von etwa 15-70 Prozent der sporadischen Hepatitisfälle (36) und 80-90 Prozent der trotz HBsAg-Screening der Spender noch auftretenden Posttransfusionshepatitiden ungeklärt (36, 37). Der oder die Erreger dieser Form der Hepatitis sind wahrscheinlich Viren. Die Angaben über die Größe von virusähnlichen Partikeln in Leberzellen bei einer NANB-Hepatitis schwanken zwischen 15 und 60 nm (38). Gesi- Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT chert ist die Infektiosität in Schimpansen bei parenteraler Inokulation (39-43) und die Möglichkeit einer seriellen Passage. Aufgrund klinischer Daten, wie sehr variable Inkubationszeiten (44-46) (zwei Wochen bis einige Monate), Mehrfachinfektionen und tierexperimentellen („crosschallenge-Experimenten") Beobachtungen (43, 47) erscheint es möglich, daß es mindestens zwei NANB-Viren gibt. Die Zuordnung dieser Formen zu verschiedenen histologischen Veränderungen (nukleäre oder zytoplasmatische Veränderunge.n (48) ist nicht gesichert. Die Inaktivierung eines NANB-Agens durch Formalin (1:1000, 96 h, 37°C) wurde beschrieben (49). 2. Infektionsverlauf und Labordiagnose 2.1 Hepatitis A Antikörper gegen das HAV (AntiHAV) sind bei Beginn der klinischen Symptome stets nachweisbar (Darstellung 1). Sie gehören in der ersten Phase der Erkrankung überwiegend der IgM-Klasse an, später nimmt dann IgG auf Kosten von IgM laufend zu. Mit empfindlichen Methoden (Radioimmunoas- 79. Jahrgang Heft 50 vom 17. Dezember 1982 23 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Virushepatitiden say, Enzymimmunoassay) können Antikörper der IgM-Klasse gegen das HAV (Anti-HAV IgM) im Serum bis etwa 3-6 Monate nach Erkrankungsbeginn nachgewiesen werden (50). Der einmalige Nachweis von AntiHAV-IgM beweist also eine frische oder kurze Zeit zurückliegende Hepatitis-A-Infektion, das Fehlen schließt sie aus. Die in der Rekonvaleszenzphase gebildeten IgGAntikörper (Anti-HAV-IgG) persistieren in der Regel lebenslang und zeigen Immunität an. Der bei anderen Virusinfektionen geforderte mindestens vierfache Titeranstieg der Antikörper in gepaarten Seren führt bei der Hepatitis A nur in der Hälfte der Fälle zur Diagnose, weil der Antikörpertiter bei Erkrankungsbeginn meist schon hoch ist (1:100 bis 1:800), bedingt durch das quantitativ hohe Anti-HAV-IgM. Auf der anderen Seite bieten einige Patienten nur niedrige Anti-HAV-Titer, trotz frischer HAV-Infektion. Deshalb ist der Nachweis von AntiHAV-IgM in einer einzigen Serumprobe die Methode der Wahl zum Beweis einer frischen Hepatitis-AInfektion (50, 51). Der Gipfel der Virusausscheidung im Stuhl Infizierter liegt in der späten Inkubationsphase (Darstellung 1); bei Beginn der klinischen Symptome nimmt die Ausscheidung rasch ab und chronische Ausscheider sind nicht bekannt. Ein einmaliger Nachweis von HAAg im Stuhl (RIA) beweist deshalb ebenfalls eine Hepatitis-A-Infektion, ein Fehlen schließt diese aber keineswegs aus, da etwa 50 Prozent der Hepatitis-A-Patienten bei Beginn klinischer Symptome schon HAAg-negativ geworden sind. In der zweiten Woche ist das Virus noch bei 25 Prozent, jenseits der dritten Woche praktisch bei keinem der Patienten mehr zu finden. Die Untersuchung auf HAAg im Stuhl dient in erster Linie zur Früherkennung von Kontakterkrankungen und zur Beurteilung 24 der Isolierungsbedürftigkeit eines Patienten in besonderen Fällen (Kinder, Stuhlinkontinente). Die Virämie bei der Hepatitis A ist kurz (um den Zeitpunkt des Ikterusbeginns). Mit immunhistologischen Methoden findet man das Virus zu Beginn der Erkrankung im Zytoplasma infizierter Leberzellen. Der klinische Verlauf ist meist gutartig, letale Ausgänge sind selten (— 0,1 Prozent), jedoch gibt es protrahierte Verläufe mit Transaminasenerhöhungen über Monate. Eine chronische Hepatitis A wurde bisher nicht beschrieben. 2.2 Nachweis einer Hepatitis-B-Infektion Darstellung 2 zeigt schematisch das zeitliche Auftreten und die Persistenz von HBV-assoziierten Antigenen und Antikörpern bei einer typischen Hepatitis-B-Infektion. HBsAg ist bereits einige Wochen vor Beginn der klinischen Symptome nachweisbar, gefolgt vom Auftreten des HBeAg. HBcAg ist in freier Form im Serum nicht zu finden, kann aber durch Detergentienbehandlung aus kompletten Viren freigesetzt werden. HBsAg und HBeAg erreichen höchste Titer kurz vor oder bei Beginn der klinischen Symptomatik und sinken bei unkompliziertem Verlauf in einigen Wochen unter die Nachweisgrenze (HBeAg verschwindet vor HBsAg). Antikörper gegen das HBeAg (Anti-HBe) werden innerhalb weniger Wochen nach Verschwinden des HBeAg gebildet und sind einige Jahre (2-5) nachzuweisen (52). Anti-HBc ist bei Erkrankungsbeginn immer nachweisbar und gehört in dieser Phase überwiegend der IgM-Klasse an (53-55). In der Rekonvaleszenz herrscht Anti-HBc-IgG vor; diese Antikörper persistieren jahrelang und fallen nur langsam im Titer ab. Die Antikörper gegen das Oberflächenantigen (Anti-HBs), die virusneutralisierende Eigenschaften haben, werden meist mit einer La- tenz von einigen Monaten gebildet. Sie zeigen Immunität an und persistieren in der Regel viele Jahre. Einige Patienten bilden jedoch nach einer Hepatitis-B-Virus-Infektion zu keiner Zeit Anti-HBs. AntiHBc ist der am längsten persistierende Antikörper bei einer abgelaufenen Hepatitis-B-Infektion. Dieser Marker ist zur Feststellung der Durchseuchung einer (Bevölkerungs)-Gruppe sehr geeignet. Aufgrund der Tatsache, daß man bisweilen ein deutlich positives Anti-HBs in sonst HBV-Marker negativen Seren findet, ist denkbar, daß in Einzelfällen nach einer HBV-Infektion Anti-HBs länger persistiert als Anti-HBc. Bei einem Teil der Patienten (— 5 Prozent) mit einer akuten Hepatitis B ist HBsAg zum Zeitpunkt der ersten Blutabnahme nicht mehr nachweisbar. Anti-HBc ist in dieser Phase der Infektion („diagnostisches Fenster") der einzige Marker, der auf eine HBV-Infektion hinweist. Durch den Nachweis von Anti-HBs- und/oder Anti-HBe-Serokonversion oder den Nachweis von Anti-HBc der IgM-Klasse in hohem Titer lassen sich diese Fälle als akute Hepatitis B klassifizieren (54, 55). Die Letalität frischer HBV-Infektionen liegt bei etwa 1 Prozent. 2.3 Chronische HBV-Infektionen 5-10 Prozent der akuten HepatitisB-Infektionen nehmen einen chronischen Verlauf: Wenn HBsAg (und meist auch HBeAg) länger als 6 Monate nachweisbar ist, spricht man von einem chronischen HBsAg-(HBeAg-)Träger. In aller Regel bestehen auch Zeichen einer chronischen Hepatitis (chronischaktive Hepatitis [CAH], chronischpersistierende Hepatitis [CPH]). Klinisch unauffällige HBsAg-positive Personen geben anamnestisch meist keine Hepatitis an; serologisch ist neben HBsAg AntiHBe nachweisbar, histologisch bestehen keine oder nur minimale pathologische Veränderungen; Heft 50 vom 17. Dezember 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Virushepatitiden man spricht von einem "gesunden" HBsAg-Träger (56). Das Serum dieser Personengruppe ist, wenn überhaupt, nur gering infektiös, wie die Analyse von soge"Nadelstich"-Studien nannten zeigt: HBeAg-positive Infektionsquellen ziehen häufig, Anti-HBepositive dagegen sehr selten Hepatitis-B-Infektionen nach sich (57). Auch die seltene Infektion eines Neugeborenen einer AntiHBe-positiven HBsAg-Trägerin unterstützt diese Interpretation (Zusammenfassung bei 56). Infektion l ~ I Die Wahrscheinlichkeit eines chronischen Verlaufs einer akuten Hepatitis B kann serologisch schon 20 Tage nach Beginn der klinischen Symptome nachgewiesen werden; die höchste Konzentration von HBsAg findet man bei Erkrankungsbeginn, in der darauffolgenden Zeit nimmt HBsAg ständig ab. Untersucht man die Konzentration von HBsAg quantitativ (Titration, quantitative Immunelektrophorese nach Laurell) in zwei getrennten Serumproben, die im Abstand von 20 Tagen abgenommen wurden, zeigt eine Abnahme von weniger als 50 Prozent an, daß der Übergang in den chronischen HBsAgTrägerstatus und damit meist auch in eine chronische Hepatitis (CPH, CAH) zu befürchten ist (59). Ein prognostisch ebenfalls ungünstiges Zeichen ist das Persistieren von HBeAg über einen Zeitraum von mehr als zehn Wochen (30). Eher günstig ist eine deutliche Abnahme (~ 50 Prozent) des HBsAg und eine Serokonversion von HBeAg zu Anti-HBe. I •- 80-90% der Patienten sind bei Erkrankungsbeginn HBeAg-positiv ,,• .~ ,' I I / 1"'1 I I -2 /# ,~, I I I 2.4 Prognostische Marker bei einer frischen HBV-Infektion -5-15% der Patienten werden Träger des HBsAg HBsAg ; .. , I Der immunhistologische Nachweis von HBV-assoziierten Antigenen im Lebergewebe, der in einigen wissenschaftlichen Laboratorien durchgeführt wird, kann bei der Beurteilung einer chronischen Hepatitis B als zusätzlicher Parameter herangezogen werden. *- 5-10% der Patienten sind HBsAg-negativ Erkrankungsbeginn I -1 I l,t 1,' I '' '' 1/ 0 2 3 4 5 6 Monate Darstellung 2: Verlauf einer unkomplizierten Hepatitis-8-lnfektion 2.5 Serologische Kontrollen bei chronischen HBV-Infektionen Bei HBsAg-positiven chronischen Hepatitiden, ebenso wie bei klinisch unauffälligen Trägern des HBsAg empfiehlt sich neben der histologischen Abklärung und Kontrolle der klinisch-chemischen Laborparameter die langfristige Kontrolle (6 bis 12 Monate) von HBsAg und HBeAg/Anti-HBe , da ein Teil der chronischen HBsAgTräger das Antigen verliert. Der Nachweis von HBeAg ist prognostisch eher ungünstig zu werten, d. h., diese Personen sind meist "leberkrank", das Vorhandensein oder Auftreten von AntiHBe ist eher günstig. Den Schwankungen der HBsAg-Konzentration bei chronischen HBV-Trägern kommt keine prognostische Bedeutung zu . Es besteht aber bei chronischen Hepatitiden eine Korrelation zwischen dem Nachweis von Anti-HBc der lgM-Kiasse, der entzündlichen Aktivität und der HBcAg-Konzentration im Lebergewebe (60). Daher ist die Bestimmung von Anti-HBc der lgM-Kiasse bei chronischen Hepatitiden mit HBV-Ätiologie eine sinnvolle Untersuchung . Titerabfall bzw. -anstieg des AntiHBc-lgM signalisieren eine Ab- oder Zunahme der Entzündungsaktivität im Lebergewebe. Für eine Zusammenfassung der Bedeutung der HBV-Marker siehe Referat 61. 2.6 Routinemäßige Labordiagnose der Hepatitis Nicht-A, Nicht-B (HNANB) noch nicht möglich Ein Routinetestsystem für die HNANB gibt es zur Zeit noch nicht. Die Spezifität bisher veröffentlichter Teste (ID, CEP, lmmunhistologie, RIA) bedarf noch der Überprüfung . Die "Diagnose " kann bisher nurperAusschluß gestellt werden. 3. Epidemiologie der Virushepatitiden 3.1 Hepatitis A Die Hepatitis-A-Infektion wird fäkal-oral übertragen. Infektionsquelle ist der Stuhl klinisch oder subklinisch infizierter Personen. Auch kontaminierte Nahrungsmittel oder Gegenstände kommen als Übertragungsweg in betracht. Aufgrund verbesserter hygienischer Verhältnisse hat die Durchseuchung mit Hepatitis A in Mitteleuropa abgenommen; nur noch 30 Prozent der 20- bis 30jährigen Deutschen sind Anti-HAV-positiv (62). Aus diesem Grund ist die Hepatitis A in der Bundesrepublik Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 50 vom 17. Dezember 1982 25 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Virushepatitiden Deutschland auch zunehmend eine Erkrankung nichtimmuner Erwachsener typischerweise im Anschluß an Urlaubsreisen in Länder, in denen die Hepatitis A endemisch ist (Mittelmeerländer, Afrika, Südamerika, Südostasien) (für die Prophylaxe der Hepatitis A siehe Referat 63). nisches und zahnmedizinisches Personal, Laborpersonal, Hämodialysepatienten, Patienten mit häufigen Bluttransfusionen, Drogenabhängige, Homosexuelle, Prostituierte und Familienkontakte zu HBsAg-positiven Personen. Eine Ausheilung auch nach Jahren ist aber nicht selten (64). Chronische Virusträger sind beschrieben (65). Der Hauptübertragungsweg ist parenteral oder aber durch engen körperlichen Kontakt. Inwieweit eine fäkal-orale Übertragung möglich ist, ist bisher noch unklar. 3.3 Hepatitis Nicht-A, Nicht-B (HNANB) 3.2 Hepatitis B Ständiges Virusreservoir für die Weiterverbreitung der HBV-Infektion ist in erster Linie das Blut eines Teils der chronischen Virusträger und akut Erkrankter. HBsAg wurde aber auch in fast allen Körpersekreten und Exkreten akut Erkrankter oder chronischer HBVTräger gefunden; die Infektiosität für Speichel und Samenflüssigkeit wurde experimentell bewiesen; die parenterale Übertragung des Virus von Müttern, die eine chronische HBV-Infektion haben (und HBeAg-positiv sind), auf das Kind bei der Geburt stellt in den Ländern, wo die Hepatitis B endemisch ist (Südostasien, Teile von Afrika) einen der Hauptübertragungswege dar. In den USA und Europa sind die am meisten gefährdeten Personengruppen Individuen, die engen Kontakt mit HBsAg- (und besonders HBeAg-) positiven Personen haben: Medizi- Anamnestische Hinweise, wie die Gabe von Blut oder Blutprodukten (Faktor-VIII-Präparate) legen nach Ausschluß einer HA und HB (und anderer Formen) den Verdacht einer HNANB nahe. 80-90 Prozent der Posttransfusionshepatitiden sind HNANB. Allerdings tritt ein beträchtlicher Teil der Fälle (15-70 Prozent) auch sporadisch, d. h. ohne diese „klassische" Anamnese, auf (36). Die Inkubationszeit variiert von wenigen Tagen bis mehrere Monate. Diese Tatsache und Mehrfachinfektionen sind Indiz dafür, daß es mehrere HNANB-Viren geben könnte. Der klinische Verlauf ist oft mild (— 25 Prozent anikterisch), allerdings ist die Tendenz zur Chronifizierung hoch (höher als bei der Hepatitis B, bis zu 50 Prozent). 4. Differentialdiagnostischer Leitfaden Darstellung 3 soll ein Leitfaden zur Interpretation der verschiedenen serologischen Befunde bei einer Virushepatitis sein. Als minimales Untersuchungsprogramm bei Verdacht auf eine akute Virushepatitis sollten folgende virologische Untersuchungen durchgeführt werden: HBsAg qualitativ, wenn positiv, HBsAg quantitativ in 2 Serumproben im Abstand von 3 Wochen, HBeAg und Anti-HBe, wenn HBsAg negativ Anti-HBc und nach Möglichkeit Anti-HBc IgM; Anti-HAV IgM (HAAg im Stuhl), EBV- und CMVAntikörper im Serum (IgM-spezifischer oder 4facher Titeranstieg in 2 getrennten Serumproben); bei chronischen Hepatitiden, HBsAg (wenn positiv HBeAg/Anti-HBe), Anti-HBc (wenn positiv Anti-HBc IgM) (Tabelle 3 und 4). Differentialdiagnostischer Leitfaden. akute Virushepatitis IAVH, akute ! - toxisch (C,I,OH Med Drogen, bakteriell - Autogrnmun- Exazerbation einer chronischen Hepatitis 1 Anti-HAV IgM HBsAg HBsAg Anti-HBc IgM - • • Anti-HBc IgM Anti-HBc IgG - - Anti-HB, iIgG Anti-HBc • ,IgG 101, ‚1, chronische HBsAg-Trager Nicht-B-Hepatitis Anti-HBs IgM • Anti-HBc IgG • Anti-HBc IgM Primar, Antikörper Antwort abgelaufene Hepatitis B - Nicht-B-Hepatitis frische frische EBV-Infektion CMV-Infektion frische Infektion durch andere Viren iDoxsackie. Herpesgruppe, Sonderform der Immunantwort nach HBV-Infektion mit frohem Nachweis von Anti-HBs bei fehlendem HBsAg Darstellung 3: Differentialdiagnostischer Leitfaden: Akute Virushepatitis (AVH) 26 Heft 50 vom 17. Dezember 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B akute Nicht-A-nicht-B Hepatitis Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Virushepatitiden 5. Praktische Hinweise, Testsysteme Anti-HAV lgM Für die Durchführung eines Hepatitis-Suchprogramms (HBsAg , Anti-HBs, Anti-HBc , Anti-HAV) sind etwa 2-3 ml Serum oder 5 ml Vollblut ohne Zusätze erforderlich . Der Versand eines Serums sollte nicht am Wochenende erfolgen. Genaue Kennzeichnung der Proben hilft Serumverwechslungen zu vermeiden . Anamnestische (z. B. Transfusionen) und klinis'Che Angaben (z. B. Transaminasenerhöhung , lkterusbeginn) erleichtern die Interpretation. Passiv übertragene Antikörper können eine abgelaufene Infektion und Immunität vortäuschen. Für HBsAg, Anti-HBs, Anti-HBc, HBeAg und Anti-HBe stehen kommerziell erhältliche Teste zur Verfügung. (Radioimmunassays, Enzymimmunassays, Empfindlichkeit etwa gleich). Dasselbe gilt für Anti-HAV (RIA) und Anti-HAV lgM (RIA, EIA) . Diese Teste werden in aller Regel von größeren Labors angeboten . Lediglich die Bestimmung von Anti-HBc lgM und die Untersuchung von Stuhlproben auf HAAg wird derzeit nur in einigen wissenschaftlichen Labors durchgeführt. 6. Maßnahmen bei Nadelstichverletzungen ln Notfallsituationen (Nadelstichverletzungen, Spritzer von möglicherweise infektiösem Material auf Schleimhäute , etc.) sollte ein Schnel ltest zur Bestimmung von HBsAg mit dem Serum der " lnfektionsquelle" ausgeführt werden (Dauer etwa zwe i Stunden). Nichtimmunen Personen oder Personen mit unbekanntem Immunstatus sollten dann bei positivem HBsAg-Schnelltest sofort Hepatitis-B-Immunglobulin (HBIG, Immunglobulin mit hohen Anti-HBsTitern) gegeben , weiter sollte mit der aktiven Impfung begonnen werden. HBIG-Gabe und erste aktive Impfung sollten möglichst innerhalb von sechs Stunden erfolgen. Verzögerungen bei der Be- Ausgabe 8 eventuell Hepatitis-A-Antigen im Stuhl H8sAg, wenn positiv wenn negativ 1) H8eAg, Anti-H8e 2) H8sAg quantitativ (2 Proben im Abstand von 3 Wochen) Anti-H8c/Anti-H8c lgM Zytomegal ie-Anti körper (CMV lgM oder 4facher Titeranstieg) Epstein-8arr-Antikörper Heterophile Antikörper (Paul Bunell Test) VCA {lgG , lgM) " Early Antigen " (EA) " Nuclear Antigen " (E8NA) Nicht-A-N icht-8-Test in Entwicklung Tabelle 3: Suchprogramm bei akuter Hepatitis HBsAg wenn positiv H8eAg , Anti-HBe Anti-H8c wenn positiv Anti-HBc lgM Nicht-A-Nicht-8-Test in Entwicklung Tabelle 4: Suchprogramm bei chronischer Hepatitis stimmungder Infektiosität der " lnfektionsquelle " sollten im begründeten Verdachtsfall die Immunisierungsmaßnahmen zeitl ich auf keinen Fall hinausschieben. Eine Bestimmung des Immunstatus exponierter Personen bei Eintritt in eine Risikosituation , noch bevor eine Infektion stattfinden kann, ist dringend zu empfehlen, und nichtimmune Personen sollten passiv-aktiv oder aktiv geimpft werden. ~ Die Gruppen des medizinischen und Zahnmedizinischen Personals, die besonders infektionsgefährdet sind , d. h. häufigen Kontakt mit Blut haben ; ~ Dialysepatienten , Patienten, denen häufig Blut oder Blutbestandteile übertragen werden, sowie Patienten vor ausgedehnten chirurgischen Eingriffen ; ~ Patienten und Pflegepersonal in psychiatrischen Anstalten oder vergleichbaren Fürsorgeeinrichtungen für Zerebralgeschädigte oder Verhaltensgestörte mit erhöhtem Auftreten von Hepatitis-B-Infektionen; ~ Personen mit engem Kontakt mit Hepatitis-B-Virus-positiven Trägern , Neugeborene Hepatitis-B-positiver Mütter ~ sowie besondere Risikogruppen wie z. B. Personen mit häufigem Wechsel der Sexual- 7. Aktive Impfung gegen Hepatitis B Zwei Totimpfstoffe, bestehend aus hochgereinigtem HBsAg, sind seit Juli 1982 auch in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen. Die Impfung mit diesen Impfstoffen wird von der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e. V. und der Ständigen Impfkommission des Bundesgesundheitsamtes für folgende Risikogruppen empfohlen (66, 67): DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 50 vom 17. Dezember 1982 27 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Virushepatitiden partner, Drogenabhängige oder länger einsitzende Strafgefangene ..,.. und auch Reisende in Hepatitis-B-Endemiegebiete, bei denen ein enger Kontakt zur einheimischen Bevölkerung zu erwarten ist. Der Impfstoff induziert bei etwa 96 bis 98 Prozent der Geimpften eine Immunität mit praktisch vollständigem Schutz gegen eine nachfolgende Hepatitis-B-Infektion. Die Impfung verursacht keine systemischen Nebenwirkungen, lokale Reaktionen sind äußerst gering, weiter ist der Impfstoff nicht infektiös (68, 69, 70, 71 ). Eine passivaktive Impfung durch simultane Verabreichung von HBIG und auf der kontralateralen Seite des Hepatitis-B-Impfstoffes ist möglich und induziert eine sofortige vorübergehende passive Immunität, die dann durch die aktive Impfung in eine länger andauernde Immunität übergeleitet wird (72). Eine Impfung gefährdeter Personengruppen wird deshalb ohne Einschränkung empfohlen. Literatur Aktive Immunprophylaxe der Hepatitis B. 19, Sitzung der Ständigen Kommission des Bundesgesundheitsamtes, Bundesgesundhbl. 25 (1982) Nr. 9, 272-Coulepis, A. G.; Locarnini, S. A. ; Westaway, E. G. ; Tannock, G. A.; Gust, I. D.: Biophysical and biochemical characterization of hepatitis A virus, lntervirology 18 (1982) 107-127- Deinhardt, F. ; Maas, G.; Zoulek, G.: Schutzimpfung gegen Hepatitis B wird empfohlen, DMW 107 (1982) 1603-1606 - Deinhardt, F.: Predictive value of markers of hepatitis virus infection . J. lnfect, Dis. 141 (1980) 299--305- Kolloquium über den heutigen Stand und die zukünftige Entwicklung der Hepatitis B-lmpfung in der Bundesrepublik Deutschland, Bundesgesundhbl. 25 (1982) Nr. 9, 272- Viral Hepatitis, 1981 International Symposium. W. Szmuness, H. J. Alter, J . E. Maynard, The Franklin Institute Press, Philadelphia (1982)- WHO Bulletin Vol. 6, No. 5 (im Druck) - Zachova I, R.; Frösner, G.; Deinhardt, F. : Impfung gegen Hepatitis B. Ergebnisse einer lmmunogenitätsstudie , Münch . med. Wschr. 123 (1981) 1504-1508 Anschrift für die Verfasser: Professor Dr. med. Friedrich Deinhardt Vorstand des Max-vonPettenkofer-1 nstituts für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie Pettenkoferstraße 9a 8000 München 2 30 FÜR SIE GELESEN Benzoat- und tartrazinfreie Diät in der Behandlung des chronischen Asthmas Hohe Antazida-Dosen reduzieren die Bioverfügbarkeil von Ranitidin Ein nicht unbeträchtlicher Prozentsatz (je nach Autor 2--40 Prozent) der Asthmatiker reagiert auf Azetylsalizylsäure mit einer Exazerbation des Asthmas. Ein Teil dieser Patienten reagiert in ähnlicher Weise auch auf Nahrungsmittelfarbstoffe und Konservierungsmittel. Der neue H2-Rezeptor-Antagonist Ranitidin hat sich in weltweit durchgeführten Studien als hochwirksam in der Therapie der peptischen Ulkuserkrankung erwiesen. ln einer Doppelblindstudie sollte die Bedeutung einer entsprechenden Diät auf die Behandlung des Asthmas untersucht werden: 28 Patienten wurden mit Tartrazin, Benzoat und Azetylsalizylsäure oral belastet. Dabei reagierten je ein Patient positiv auf Tartrazin und Benzoat, zwei Patienten reagierten auf Azetylsalizylsäure. 8 weitere Patienten wurden nicht getestet, da eine sichere Anamnese bestand. ln der Folge wurden 24 Patienten je einen Monat lang mit Normalkost und dann einen Monat lang mit einer entsprechenden benzoatund tartrazinfreien Kost behandelt. Unter dieser Diät verbesserte sich nur ein Patient mit einer Überempfindlichkeit auf Azetylsalizylsäure. Ähnlich wie Cimetidin werden zu Beginn der Behandlung zusätzlich zu diesem H2-Biocker Antazida eingenommen. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, inwieweit die gleichzeitige Einnahme eines Mg-AI-haltigen Antazidagemisches mit hoher Pufferkapazität die Bioverfügbarkeit von Ranitidin beeinflußt. Diese Fragestellung wurde an 6 gesunden Probanden im Alter von 21 bis 29 Jahren untersucht. Nach einer nächtlichen Fastenperiode erhielten die Versuchspersonen 1 x 150 mg Ranitidin mit bzw. ohne 30 ml eines AI-Mg-haltigen Antazidagemisches (Mylanta II; Neutralisationskapazität 150 mmol HCI/30ml). Die Plasmaspiegel von Ranitidin wurden unter beiden Bedingungen über einen Zeitraum von 12 Stunden untersucht. Paradoxerweise verschlechterten sich einige der Patienten, die ebenfalls darauf überempfindlich waren; bei den übrigen Patienten blieb die Intensität des Asthmas unverändert. Nach Ansicht der Autoren ist die benzoat- und tartrazinfreie Diät zur Behandlung des chronischen Asthmas (jedenfalls im untersuchten Kollektiv) selbst bei Patienten mit nachgewiesener Überempfindlichkeit nicht von wesentlicher Bedeutung. Sie Eine gleichzeitige Verabreichung von Antazida reduziert signifikant die Bioverfügbarkeit von Ranitidin. So sank die maximale Plasmakonzentration von Ranitidin in den Kontrolluntersuchungen von 613 ± 188 auf 432 ± 249 t-tgl l ab. Auch die Fläche unter der Plasmakonzentrationskurve reduzierte sich um etwa ein Drittel. Die Elimination von Ranitidin war hingegen unverändert. Aus den Ergebnissen kann gefolgert werden, daß Ranitidin, ebenso wie Cimetidin, nicht gemeinsam mit Antazida eingenommen werden sollten. Smn Tarlo, S. M., I. Broder: Tartrazine and benzoate challenge and dietary avoidance in ehrenie asthma, Clin. Allergy 12 (1982) 303-312, Dr. S. M. Tarlo, The Gage Research Institute, 223 College Street, Toronto, Ontario, Canada M5T IR4 Mihaly, G. W.; Marine, A. T. ; Webster, L. K.; Jones. D. B.; Louis, W. J. und Smallwood, R. A.; High dose of antacid (Mylanta II) reduces bioavailability of ranitidine, British Medical Journal, 285 (1982) 998-999 Heft 50 vom 17. Dezember 1982 7'd. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B