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Jahrbuch 2010/2011 | Fischer, Gunter | Lichtmodulierte Proteinstrukturen durch chemische Modifizierung des
Proteinrückgrates
Lichtmodulierte Proteinstrukturen durch chemische Modifizierung
des Proteinrückgrates
Light-modulated protein structures using chemical modification of
the backbone
Fischer, Gunter
Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung, Halle/Saale
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Die chemische Komplexität der Proteine ist durch die Kombination von Translation und einer nachgelagerten
chemischen Modifizierung der Eiw eißketten sehr hoch. Dennoch lässt sich mit dem Repertoire der natürlichen
Modifikationen nicht jede Frage zur W irkungsw eise beantw orten. W ir haben anstelle des Sauerstoffatoms im
Rückgrat einer Oligopeptidkette Schw efel oder erstmals auch Selen durch chemische Synthese eingeführt.
Nach ihrer selektiven Anregung durch UV/Vis-Strahlung entsteht eine Population mit einer energiereichen
Raumstruktur, deren funktionale Eigenschaften erstmals zugänglich sind.
Summary
The combination of translational and posttranslational modifications generates structural complexity of
proteins. How ever, a number of problems regarding protein functions escape solution because of the limited
repertoire of chemical modification currently available. We have substituted oxygen atoms of an oligopeptide
backbone w ith sulphur or selenium. Photosw itching of the derivatives produced a fraction of molecules
representing high energy conformers. Their transient existence allow s the evaluation of folding-function
relationships on the one-bond level of conformational interconversions.
Proteine stellen selbstorganisierende Moleküle dar, die aus einem unstrukturierten Zustand spontan in eine
relativ einheitliche, energiegünstige Anordnung der Atome übergehen, das heißt„sich falten“ können.
Bei
fehlerhaften Faltungsvorgängen in der Zelle kann es zu einem Verlust der mit der korrekten Struktur
verbundenen Proteinfunktion kommen. Zusätzlich kann das fehlerbehaftete Protein selbst toxisch w irken und
fatale
Ausw irkungen
auf
den
betroffenen
Organismus
haben.
Um
die
Zusammenhänge
zw ischen
Faltungszustand und Funktion eines Proteins aufzuklären, haben sich ortsgerichtete Mutagenese-Experimente
bew ährt. Hier w erden die Seitenketten und damit die chemische Zusammensetzung in einem Proteinmolekül
innerhalb des Repertoires genkodierter Aminosäuren gezielt verändert. Allerdings spielt das Proteinrückgrat
für die Faltung ebenfalls eine große Rolle. Das Rückgrat der Polypeptidkette besteht aus einer Abfolge von
identischen chemischen Gruppierungen, deren räumliche Anordnung unmittelbar mit der Funktion eines
Proteins zusammenhängt. Die so gebildete dreidimensionale Struktur w ird vorzugsw eise durch intramolekulare
Wechselw irkungen im Proteinrückgrat formiert. Insbesondere w erden die zeitabhängigen Phänomene bei der
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Wechselw irkungen im Proteinrückgrat formiert. Insbesondere w erden die zeitabhängigen Phänomene bei der
Proteinfaltung durch die chemische Zusammensetzung des Proteinrückgrates bestimmt, w obei die flexible
Elektronenanordnung in der Peptidbindung -NH-C(=O)- eine besondere Rolle spielt. Sie vervollständigt die
Möglichkeiten, mit denen ein Organismus die raum-zeitliche Kontrolle der Proteinfunktion gew ährleistet.
Neben den seitenkettenspezifischen Protein-Mutagenesen können auch chemische Veränderungen im
Proteinrückgrat ein w irksames Mittel darstellen, um Beziehungen zw ischen Proteinfunktion und Faltung
zu
untersuchen. Zu besonders detaillierten Einblicken gelangt man, w enn die Raumstruktur des Proteinrückgrates
punktuell durch einen sehr spezifischen, mild w irkenden chemischen oder physikalischen Eingriff definiert
verändert w erden kann. Die Lichtinduktion von
Konformationsänderungen an der Peptidbindung stellt ein
solch universell anw endbares Werkzeug dar, da diese den Ansprüchen an Selektivität, Nebenw irkungsfreiheit
und Vorhersagbarkeit der räumlichen Ausw irkungen genügt. Vorhersagbar ist die Konformationsänderung
desw egen, w eil durch Licht geeigneter Wellenlänge eine Kontraktion der Cα-Atom-Abstände benachbarter
Aminosäuren um etw a 0.8 Å bew irkt w ird. W ie Abbildung 1 zeigt, ist allerdings die generische Peptidbindung,
bedingt durch ihre hohe, für bestimmte Aminosäureseitenketten zerstörerische Anregungsenergie und durch
die Vielzahl der baugleichen Peptidbindungen im Proteinrückgrat, für diese Zw ecke ungeeignet.
A bb. 1: Da s UV/Vis-Absorptionsspe k trum e ine s
tryptopha nha ltige n P rote ins ze igt, da ss die P hotoa nre gung
de r ge ne rische n P e ptidbindung, a be r a uch de r
Thiox ope ptidbindung, die Ge fa hr de r P hotoze rse tzung in sich
birgt. Erst e ine Se le nox ope ptidbindung k a nn be i e ine r
W e lle nlä nge a nge re gt we rde n, die e ine P hotoze rse tzung de s
P rote ins m inim ie rt.
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P rote infa ltung/Fische r
Die Max-Planck-Forscher in Halle haben das Problem dadurch gelöst, dass an einer einzelnen Peptidbindung
durch eine chemische Operation das Sauerstoffatom durch die Chalkogene Schw efel oder Selen ersetzt
w orden ist.
W ährend
die
Eignung
der
schw efelsubstituierten
Thioxopeptidbindung
-NH-C(=S)- für
UV-getriggerte
Photoschalt-Experimente an dem Enzym RNase S bereits früher gezeigt w erden konnte [1], w aren
Selenoxopeptide –NH-C(=Se)- bisher synthetisch nicht zugänglich. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen
Synthese und für die nachfolgende Photoschaltung lag in einer angepassten Schutzgruppenstrategie und
einer unerw artet hohen Stabilität der Selenoxopeptide in w ässrigen Lösungen [2]. Die Rotverschiebung der
UV/Vis-Absorption nach einer Selensubstitution in einem Tetrapeptid gestattete es nun, Photoschaltungen in
einem
UV-Bereich
>290
nm,
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außerhalb
der
intrinsischen
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Lichtabsorption
eines
typischen
Proteins,
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vorzunehmen
und
damit
Photozersetzung
zu
vermeiden. Das
Repertoire
der bei uns
entw ickelten
photoschaltbaren Substitutionen im Rückgrat einer Peptidkette erlaubt völlig neue Experimente. Diese können
erstmals Aufschluss darüber geben, inw iew eit sich einzelne, gut definierte Konformationsänderungen in ihrer
Dynamik gegenseitig beeinflussen und dadurch eine Kopplung der Atombew egungen w ährend einer
biochemischen Funktion herbeiführen.
A bb. 2: Da s P rinzip e ine s Doppe lscha lte x pe rim e nte s durch
P hotoinduk tion von zwe i ze itlich ve rse tzte n
Konform a tionsä nde runge n. Ge ze igt ist die sche m a tische
Da rste llung e ine s doppe lt substituie rte n P rote inrück gra te s.
W ä hre nd die Thiox ope ptidbindung na ch Abscha ltung de s
Lichte s m it de m Ene rgie be tra g hn 1 in de r Dunk e lre a k tion
sponta n wie de r in de n Ausga ngszusta nd zurück fä llt (re la x ie rt),
wird na ch unte rschie dliche n Ze itpunk te n de r Dunk e lpha se die
Se le nox ope ptidbindung m it hn 2 a nge re gt und de re n
R e la x a tion ge m e sse n. Eine Kopplung de r
Konform a tionsä nde runge n ze igt sich a nha nd e ine r
Ve rä nde rung de r R e la x a tionsze ite n ge ge nübe r e ine m
Einfa chscha lte x pe rim e nt.
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P rote infa ltung/Fische r
Abbildung
2
zeigt
das
generelle
Prinzip
solcher
zeitversetzten
Doppelschaltexperimente.
Dieser
Versuchsaufbau setzt voraus, dass eine Thioxopeptidbindung photogeschaltet w erden kann, ohne dass die
Selenoxostruktur mit angeregt w ird und, umgekehrt, dass die Thioxoeinheit unbeeinflusst bleibt, w enn die
Konformationsänderung der Selenoxopeptidbindung induziert w ird. Das Team um Gunter Fischer konnte für
ein doppeltsubstituiertes Dekapeptid geeignete Wellenlängen auffinden, in denen diese Voraussetzung gilt.
Erste Doppelschaltexperimente sind in Arbeit (Yun Huang, Günther Jahreis, Christian Lücke).
[1] D. Wildemann, C. Schiene-Fischer, T. Aumüller, A. Bachmann, T. Kiefhaber, C. Lücke und G. Fischer:
A nearly isosteric photosensitive amide-backbone substitution allows enzyme activity switching in
ribonuclease S.
Journal of the American Chemical Society 129, 4910-4918 (2007).
[2] Y . Huang, G. Jahreis, C. Lücke, D. Wildemann und G. Fischer:
Modulation of the peptide backbone conformation by the selenoxo photoswitch.
Journal of the American Chemical Society 132, 7678-7679 (2010).
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