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Letzte Chance für den Klimaschutz
Im Wortlaut von Eva Bulling-Schröter, 14. Dezember 2015
Von Eva Bulling-Schröter, Sprecherin für Energie- und Klimapolitik der Fraktion DIE LINKE. im
Bundestag
Sonnabend, 19:28 Uhr, es ist so weit. "L´accord de Paris, il est accepté!", spricht Frankreichs
Außenminister und Präsident der 21. Konferenz der Vertragsstaaten der UNKlimarahmenkonvention (COP21) Laurent Fabius der versammelten Staatenwelt ins Mikrofon. Seine
Stimme ist erstaunlich ruhig, noch herrscht Anspannung auf dem Gipfelgelände. Doch dann, ins
Satzende, bricht sich lauter Jubel im "La Seine", dem Saal der Vollversammlung auf dem
Flughafengelände von Le Bourget, seine Bahn. Stehender Applaus bei MinisterInnen, Delegationen,
VerhandlerInnen aller Kontinente. Zu Freuen gibt es mehr als genug. Über 20 Jahre liegen hinter
dem "Klimaprozess". Zähe Verhandlungen, bittere Enttäuschungen, kleinste Tippelschritte liegen
hinter den KlimadiplomatInnen. Fachleute die meisten, viel zu oft belächelt für ihre ParagraphenManie, ihr Fachkauderwelsch, ihren langweiligen Kampf um Adjektive, Klammern und KlimaschutzMechanismen. Viel Häme auch für die immer neuen Beteuerungen, dass Klimakonferenzen in
Durban, Cancún und Kopenhagen keine sinnlosen Quasseltreffen seien, bei denen am Ende eh nichts
Neues herauskomme als noch mehr Treibhausgase, ausgestoßen in die angekratzte Atmosphäre von
der COP-Karawane bei ihren Reisen rund um den Globus.
Rettet der Klimavertrag von Le Bourget jetzt das Weltklima? Hat sich die interessengeleitete
Staatenwelt in Paris tatsächlich zu einer Weltgemeinschaft zusammengerafft, die den Klimawandel
als ernste Gefahr für den Planeten anerkennt und gemeinsam handelt? Ein Blick in die 31 Seiten des
Vertragswerks und auf die harte Realität von Politik und Wirtschaft lassen erahnen, dass die
Konferenz von Paris ein Meilenstein ist, aber eben auch keine Schlusskonferenz war. Auf der HabenSeite steht das 2-Grad-Limit. Erstmals haben sich alle Staaten der Erde auf dieses Minimalziel des
Klimaschutzes verpflichtet. Ab 2050 solle die Weltwirtschaft "klimaneutral" über die Runden
kommen. Worauf vor Paris niemand einen Lolli gewettet hätte: Selbst das 1,5-Grad-Limit, wenn auch
in abgeschwächter Formulierung, hat es in den Vertragstext geschafft. Es ist dieser Korridor
zwischen 1,5 bis 2 Grad, den die Wissenschaft als Erderwärmung definiert, die noch zu
verantworten wäre. Überschreitet die Menschheit diese rote Linie, ist es so wahrscheinlich, dass wir
auf einen Klimakollaps mit katastrophalen Folgen zusteuern.
Nur eine Knallpatrone der Geschichte?
Aber das Pariser Abkommen droht eine Lebenslüge zu begründen. Schon heute hat sich die Erde
gegenüber der vorindustriellen Zeit um nahezu ein Grad erwärmt. Das 1,5-Grad-Limit im Abkommen
könnte als Knallpatrone in die Geschichte einzugehen, die nur laut zerplatzt statt ihr Ziel zu treffen.
Alle Klimaschutzpolitik im Abkommen ist freiwillig. Die von den Regierungen vorgelegten
Klimaschutzziele sind in der Summe zu schwach. Der Völkerrechtsvertrag ist ein Minimalkonsens.
Eine globale Energiewende, weg von Kohle, Öl und Gas, wurde nicht erklärt. Der "Schwur von
Elmau", bei denen die G7-Staaten eine "Dekarbonisierung" angekündigt hatten, ist aus dem Papier
von Paris getilgt. Stattdessen soll eine "Balance" zwischen dem Ausstoß und der Speicherung von
Klimagasen in der zweiten Jahrhunderthälfte erreicht werden. Es darf kompensiert werden. Ein
Kohleschlot kann dann weiter qualmen, mit CCS-Technik, mit mehr Wald oder durch GeoEngineering soll die CO2-Bilanz ausgeglichen werden. Auch Atomkraft bleibt übrigens weiter im
Rennen, und auch in Le Bourget warben Energiefirmen wieder schamlos für Kernkraftmeiler als
"klimafreundliche Energie".
Und auch das muss gesagt werden: Der "Accord de Paris" erinnert frappierend an
Selbstverpflichtungserklärungen der Wirtschaft. Die zwar imagemäßig gut dastehen will, ohne sich
jedoch auf Konkretes zu versteigen. Gut, vielleicht war nur durch die Unverbindlichkeit eine
Einigung in Paris möglich. Aber wie die Klimaneutralität erreichen, wenn die freiwilligen
Klimaschutzziele der Staaten derzeit schnurstracks auf eine Erwärmung bis zu 3 Grad Celsius
führen? Eine kleine Rechnung zeigt, wie schnell jetzt gehandelt werden muss. Um die Zwei-GradLeine nicht zu reißen darf die ganze Weltwirtschaft seit 2011 insgesamt nur noch 1000 Gigatonnen
CO2 ausstoßen. Die nationalen Klimaschutzbeiträge (INDC) führen zu 800 Gigatonnen bis 2030. Für
die 20 Jahre bis 2050 reichen die restlichen 200 Gigatonnen niemals. Die Inselstaaten sind dann
schon untergegangen. Die Korallenriffe abgestorben, denn das passiert bei 1,5 Grad mehr auf dem
Thermometer. Die im Vertrag festgehaltenen Finanzzusagen der Industriestaaten reichen bei
Weitem nicht aus, um die Mammutaufgabe Energiewende, Anpassung an den Klimawandel und
Entschädigung für entstandene Schäden in den Entwicklungsländern zu schultern.
EU muss Klimaziele nachbessern, Deutschland muss raus aus der Kohle
Schon ziehen erste Wolken auf. Gleich nach Fabius' Schlussformel haben die klimaskeptischen
Republikaner in den USA, dem zweitgrößten CO2-Emittenten der Welt, einen harten Kampf gegen
das Abkommen angekündigt. Ratifizieren nur zwei große Klimasünder-Staaten nicht, tritt das
Abkommen wegen der Klausel, dass mindestens 55 Parteien mit 55 Prozent der globalen
Treibhausgasemissionen das Abkommen ratifiziert haben müssen, ab 2020 nicht in Kraft. Ihre
jüngsten, ersten vorsichtigen Schritte für weniger Kohlekraftkraftwerke werden sich China und
Indien dann sicher nochmal genauer unter die Lupe nehmen.
Das Abkommen von Paris ist der letzte Startschuss. Global denken, lokal handeln muss das Motto
bleiben. Die EU muss ihre Klimaziele nachbessern. Deutschland muss raus aus der Kohle, wofür ein
nationales Klimaschutzgesetz sorgen soll. Und es muss dem großen Verschmutzer Verkehr an den
Kragen, der seit 1990 seine Klimabilanz nicht verbessert hat. Es braucht Klimaschutz per Gesetz,
nicht per Akklamation. Darum will DIE LINKE ein Klimaschutzgesetz, mit ambitionierten Zielen, die
dem 1,5-Grad-Limit entsprechen. Die Regierungen dieser Erde, die Merkels, Gabriels und Seehofer
dieser Welt, seit dem Wochenende müssen sie sich am Paris Abkommen messen lassen.
linksfraktion.de, 14. Dezember 2015
Das Pariser Abkommen (Englisch)
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