Thieme: Taschenatlas Pathophysiologie

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3 Blut
46
Immunabwehr
Gegen Mikroorganismen (Bakterien, Viren,
Pilze, Parasiten) und als „fremd“ identifizierte
Makromoleküle besitzt der Körper eine unspezifische, angeborene und eine (damit verzahnte) spezifische, erworbene oder adaptive
Immunabwehr. Erregerteile und großmolekulare Fremdstoffe stellen Antigene dar, auf die
das spezifische Abwehrsystem mit der Aktivierung und Vermehrung monospezifischer Tund B-Lymphozyten (kurz: B- bzw. T-Zellen)
reagiert. B-Zellen differenzieren dabei zu
Plasmazellen, die Antikörper (Immunglobuline, Ig, mit den Untergruppen IgA, IgD, IgE,
IgG, IgM) produzieren. Deren Aufgabe ist es,
Antigene a) zu neutralisieren und b) zu opsonisieren sowie c) das Komplementsystem zu
aktivieren (s. u.). Diese hochspezifischen Mechanismen der Immunabwehr dienen der Erkennung des jeweiligen Antigens, dessen Eliminierung dann relativ unspezifisch erfolgt.
Außerdem wird das Antigen (mit T- bzw. BGedächtniszellen) „in Erinnerung“ behalten:
immunologisches Gedächtnis.
Aus den lymphatischen Vorläuferzellen, die
noch keine Antigenrezeptoren besitzen, wird
bei der Prägung im Thymus (T-Zellen) bzw. im
Knochenmark (B-Zellen) ein Repertoire von
> 108 verschiedenen monospezifischen, also
jeweils gegen ein bestimmtes Antigen gerichteten, Lymphozytentypen gebildet. Solche,
noch „naive“ Lymphozyten kreisen durch den
Organismus (Blut → peripheres lymphatisches
Gewebe → Lymphe → Blut). Entdecken sie
dabei „ihr“ Antigen, was meist im lymphatischen Gewebe geschieht, vermehrt sich
genau dieser Lymphozytentyp (klonale Selektion und Proliferation), und es entstehen zahlreiche, monospezifische Tochterzellen. Diese
differenzieren sich zu „bewaffneten“ T-Zellen
bzw. Plasmazellen, die schließlich für die Eliminierung des Antigens sorgen.
Lymphozyten mit Rezeptoren gegen körpereigenes
Gewebe werden nach der Erkennung „ihres“ Antigens
frühzeitig im Thymus bzw. im Knochenmark eliminiert. Diese klonale Deletion bewirkt also eine (zentrale) immunologische Toleranz. Solcherart zwischen
fremden und körpereigenen Antigenen zu unterscheiden, „lernt“ das Immunsystem etwa zum Zeitpunkt der Geburt. Die Stoffe, mit denen es zu dieser
Zeit Kontakt bekommt, erkennt es normalerweise lebenslang als körpereigen, alle später dazukommenden als „fremd“. Versagt diese Unterscheidung,
kommt es zu Autoimmunerkrankungen (→ S. 60).
Das unspezifische System alleine kann, z. B. bei
einer erstmaligen Maserninfektion, selten ver-
hindern, dass sich die Viren im Körper vermehren und ausbreiten, d. h., es kommt zur
Erkrankung. Die spezifische Immunabwehr
mit T-Killerzellen (→B 2 auf S. 50 f.) und Immunglobulinen (zuerst IgM, dann IgG; →B 5)
tritt nur langsam in Aktion (Primärantwort
oder Sensibilisierung), schafft es aber dann
doch, die Erreger unschädlich zu machen,
d. h. die Masern heilen ab. Bei einer Zweitinfektion setzt die Antikörperproduktion (v. a.
IgG) schlagartig ein (Sekundärantwort), die
Viren werden gleich anfangs eliminiert, und
eine erneute Erkrankung bleibt aus: Immunität. (Die Primärantwort mit anschließender
Immunität kann auch durch Impfung mit Erreger-Antigen erreicht werden: aktive Immunisierung.)
Der unspezifischen Abwehr (→ A) dienen
gelöste Abwehrstoffe wie Lysozym und Komplementfaktoren (→ A 1) sowie Phagozyten,
also v. a. Makrophagen (entstehen im Gewebe
aus eingewanderten Monozyten) und neutrophile Granulozyten (→ A 2). Letztere werden,
ebenso wie Monozyten und eosinophile Granulozyten, im Knochenmark gebildet, durchstreifen den Körper und werden schließlich
an Orte, wo sich Erreger befinden, durch Chemokine angelockt (Chemotaxis). Dort setzen
sie über die Ausschüttung weiterer Mediatoren die Entzündung in Gang (→ A 2, 4 u.
S. 52 ff.). Die Phagozyten endozytieren den Erreger oder „fangen“ ihn in extrazellulären
Pseudopodien-Netzen, schädigen ihn (vor
allem nach ihrer Aktivierung, s. u. und B 6)
durch Lysozym, durch Oxidantien wie Wasserstoffperoxid (H2O2) und Sauerstoffradikale
(O2–, OH·, 1O2), durch Stickstoffmonoxid (NO)
u. a. und „verdauen“ ihn mit ihren lysosomalen Enzymen (Lyse). Ist das Antigen zu
groß (z. B. Würmer), werden die genannten
Abwehrstoffe auch exozytiert (in diesem
Fall v. a. von eosinophilen Granulozyten;
→ S. 170). Normalerweise wird die Konzentration der genannten Oxidanzien durch reduzierende Enzyme wie Katalase und Superoxid-Dismutase niedrig gehalten. Diese „Zügelung“ wird bei der Aktivierung des Phagozyten aufgegeben, wobei allerdings auch der
Phagozyt selbst und u. U. sogar andere körpereigene Zellen geschädigt werden.
Phagozytose und Lyse werden verstärkt
(und bei Bakterien mit Polysaccharidkapsel
erst ermöglicht), wenn die Antigenoberfläche
mit IgM, IgG oder der Komplementkom- ▶
aus: Silbernagl u. a., Taschenatlas Pathophysiologie (ISBN 9783131021939) © 2009 Georg Thieme Verlag KG
Tafel 3.8
Immunabwehr I
3 Blut
A. Unspezifische Immunabwehr, verstärkt durch spezifische Antikörper
zellulär
humoral
Rezeptoren
für Fc und C3b
Lysozym
schädigt Membranen
Interferone (IFN)
neutrophile
Granulozyten,
Monozyten
® Makrophagen
IFNa, b und g hemmen
Virusvermehrung;
IFNg aktiviert Makrophagen,
Killerzellen,
B- und T-Zellen
Phagozytose
Komplementaktivierung
alternativ
C3
An
Antigenopsonisierung
durch Ig und C3b
Freisetzung von:
Oxidanzien
Proteasen
Entzündungsmediatoren
C1q
Membranschädigung
aktivierte
Makrophagen
(s. B6)
en
tig
An
C3a
C4a
C5a
Entzündung
Antigenopsonisierung
An
tig
en
Entzündungsmediatoren
Aktivierung
Membranangriffskomplex (C5 – C9)
4
tig
en
Mastzellen,
basophile
Granulozyten
Zytolyse
Proteasen
+
Na Perforine
H2O
natürliche
Killerzelle
An
+
Na
3
H2O
Oxidanzien
Antigen:
Erreger,
Fremdzelle,
virusinfizierte
Körperzelle
Ig
Lyse
Antigen-AntikörperKomplexe
C3b
C3b
1
klassisch
C1q
Mikroorganismen
en
tig
2
eosinophile
Granulozyten
ADCC
Fc-Rezeptor
IgE
IgG
Fc
IgG
47
IgA
IgE IgM IgG
Immunglobuline
(s. B5)
aus: Silbernagl u. a., Taschenatlas Pathophysiologie (ISBN 9783131021939) © 2009 Georg Thieme Verlag KG
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