Von Haslach nach Bubaneshwar Ein Dokumentarfilm – Motive und Elemente Nachdem im Jahr 2002 eine Musik- und Tanzgruppe aus Orissa im Rahmen des Indienfestivals in Dornbirn zu Gast war und dort mit großem Erfolg ihre traditionelle Musik präsentiert hat, ist ein Gegenbesuch sinnvoll und notwendig geworden. Die beiden Impulsgeber der damaligen Veranstaltung, Kamalakanta Mohanty, Betreiber eines indischen Lokals in Haslach, und Ulrich Gabriel, sind auch die Protagonisten dieses Gegenbesuchs. In Indien wird zudem Giridar Gamang, ein prominenter indischer Musiker und Politiker, an der Reise teilnehmen. Kamalakanta Mohanty stammt aus dem ostindischen Bundesstaat Orissa, lebt seit 40 Jahren in Österreich, ist Restaurantbesitzer (Indisches Restaurant Haslach) mit einer Österreicherin verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Geschichte, seine Herkunft, seine Emigration werden eine zentrale Rolle für die Geschichte des Films spielen. Ulrich Gabriel ist Musiker, deshalb liegt es auf der Hand, den Gegenbesuch in analoger Art und Weise zu begehen. Das heißt: Die Reise ist die einer von einem Filmteam begleiteten vierköpfigen Musikgruppe (siehe Anhang 3), deren Programm aus anspruchsvoller alpenländischer Volksmusik bzw. von der Volksmusik inspirierten Kompositionen und sakraler und weltlicher Kunstmusik bestehen wird. Den formalen Rahmen des Films bilden zwei Konzerte. Eines findet zu Beginn des Films im Lokal Kamalakanta Mohantys in Haslach statt, eines am Ende des Films in Bubaneshwar, seiner Heimatstadt in Orissa. Dazwischen liegt eine einmonatige Reise, die die Gruppe nach der Ankunft in Delhi an des Fuß des Himalaja in die Pilgerstadt Rishikesh im Bundesstaat Uttaranchal führen wird, von dort nach Agra im Westen des Bundesstaats Uttar Pradesh und über Varanasi nach Bubaneshwar, die Hauptstadt des Bundesstaates Orissa, genannt die "Stadt der Tempel". Von Bubaneshwar aus wird unser Gastgeber Kamalakanta Mohanty uns zu den Ureinwohnern von Koraput führen, und außerdem werden wir den traditionellen 40 Kilomenter langen Fußmarsch zum Sonnentempel nach Konarak am Golf von Bengalen unternehmen. In gewisser Weise ist diese Reise also auch als eine Fortsetzung jener Bewegung zu verstehen, die schon im Film Locus Iste (2004) dokumentiert wurde. Nur damals führte der Weg zu berühmten Klöstern im Bodenseeraum und die Reise war ein Versuch, als Chor singend den eigenen kulturellen und religiösen Wurzeln auf die Spur zu kommen. Dieses Mal werden Kulturen und Religionen fremd und die Bedingungen unwägbarer sein. Und die Musik wird naturgemäß einen Kontrapunkt zu den Bildern darstellen Oder auch nicht. Die Gruppe hat nämlich nicht vor, auf die exotischen Reiseeindrücke nur mit bildungsbürgerlicher Aneignung oder mit devotem Staunen zu reagieren, sondern sie wird an verschiedenen Reisezielen, im Rahmen des Möglichen und Statthaften, versuchen, die eigene Musik mit der fremden Kultur zu konfrontieren, spontan, improvisiert und als überraschendes Ereignis für die zufällig an den verschiedenen Orten Anwesenden. Daraus ergibt sich unter anderem die filmisch interessante Möglichkeit, Stilelemente diverser Bollywood-Produktionen unter umgekehrten Vorzeichen ironisch zu zitieren. Denn in vielen dieser Filme werden neuerdings die indischen Lieder und Tänze vor dem aus indischer Sicht exotischen Hintergrund österreichischer Almwiesen, Bergseen und Schneefelder inszeniert. Was auf der Reise wirklich passieren wird, ist nicht exakt plan- und vorhersagbar, auch nicht, welche Reaktionen die Musik bei den Zuhörern auslösen wird. Doch auch diese Ungewissheit ist Teil der Geschichte. Von Interesse wird sein, welchen Einfluss die unterschiedlichen kulturellen Blickwinkel und Erfahrungen haben werden. Denn vom Indienneuling (die meisten Beteiligten), über den Kenner beider Welten K. Mohanty, bis zum einheimischen Spezialisten indischer Verhältnisse G. Gamang sind alle Wissensstände vertreten. Wissen wollen wir auch, inwieweit die Musik, und die profunden Kenntnisse der meisten Beteiligten um ihre Struktur und Wirkung, tatsächlich als universales Verständigungs- und Erkenntnisinstrument taugen. Und wie mit Hilfe dieses Instrumentariums vielleicht ein anderes Reisen, ein anderer Blick auf das Exotische und ein neues Mischungsverhältnis von Fremdem und Eigenem entsteht. Teil 1 - Das Musikprogramm Die Gruppe möchte den Zuhörern europäische Kunstmusik, alpenländische Volksmusik bis hin zu gestischer experimenteller Musik näher bringen. Bestandteile dieser Musik sind Volkslieder, Jodler, aber auch einige für diesen Zweck von österreichischen Komponisten geschaffene Musikstücke, sowie einigermaßen kühn anmutende Musikverschnitte. Dabei geht es vor allem um das direkt „praktizierte Musizieren und Improvisieren“ in der unmittelbaren Begegnung mit der indischen Bevölkerung. In Gesprächen zwischen Walter Deutsch, Gerold Amann, Rolf Aberer, Evelyn Fink und Ulrich Gabriel wird versucht, ein Musikprogramm aufzustellen, das typisch alpenländisches Musizieren, einfache barocke Polyphonie, klassische Homophonie und Melodik, gestische / szenische Musik, nonverbale Lautmusik und den Jodler nebeneinander stellt und ineinander fließen lässt. Es wird versucht, in den Kompositionen auch Elemente indischer Musik aufzunehmen oder etwa durch Einbeziehen des Borduns Anklänge an indische Musikformen zu geben. Musikstücke: Kyrie Cunctipotens / 2-stimm Parallelorganum (Santiago de Compostela 12. Jhdt), Sumer is icumen (erster sechstimmiger Kanon aus England 13. Jhdt.), „Loba“ (BetRuf aus den Schweizere Voralpen), Vite perdite ( aus der Sammlung Carmina burana 13. Jhdt), Tiergesänge - Komposition Gerold Amann / „Tragösser“ – dreistimmiger Jodler mit zusätzl. Improvisation der Frauenstimme / Rumpedibung – SprechSingstück mit instrumentaler Fortführung / Die Fischerin am Bodensee / Altes Wienerlied mit Moll-Jodler / Volkslieder / Div. Volksmusik - Arrangements von Evelyn Fink und Ulrich Gabriel / „Forget – Remember- Forget“ 4- stimm. vokales Sprech-Singstück v. Ulrich Gabriel / Zigeunerwalzer / Brigettierer – Schleuniger … Die Musik wird in wechselnden Besetzungen dargeboten, mit dabei: Akkordeon, CKlarinette, Violine, Mundharmonika, Vokal: Bass, Bariton ,Tenor, Sopran, als Schlaginstrument dienet die Teufelsgeige. Teil 2 - Die musikalischen Gegensätze Während die indische Musik durchwegs auf der modalen Einstimmigkeit gekoppelt mit variantenreichem Rhythmus gründet, ist die europäische mehrstimmig und der Rhythmus tritt hinter der homophonen und polyphonen Mehrstimmigkeit zurück. Vergleicht man die beiden Musikkulturen miteinander, so ergeben sich zahlreiche grundlegend verschiedene Schwerpunkte in Struktur, Form, Instrumentierung, Impetus, Gehalt, Ritual, gesellschaftlicher Zuordnung, Interpretation, Wort-TonVerhältnis, Musikleben, Musiklehre, Musikvermittlung, Improvisation, Komposition usw. Teil 3 – Spannend sind die Interaktionen (von Evelyn Fink) „Als Musikerin habe ich selten die Möglichkeit, ohne vorfixierte Spieltermine mit einer „Band“ auf den Weg zu gehen (als quasi Schausteller und fahrende MusikantInnen). Ein ethnologischer Ansatz, der mir als Volksmusikforscherin vertraut ist, nicht aber als Musikerin. Ist eine Frau in der indischen Gesellschaft als fahrende Musikantin akzeptiert? Eindrücke einer (vielleicht auch anderen) indischen Kultur und Musik, von der man in Europa v.a. und fast ausschließlich „nur“ die Kunstmusik kennt und wenig bis nicht die musikalischen Traditionen und Rituale der breiten Bevölkerung. Durch unseren „auf dem Weg“- Ansatz zu den Leuten kommen, ins Leben integriert sein mit allen Konsequenzen und nicht von Hotel zu Hotel tingeln, abgehoben vom normalen Leben und ohne jemals Durchfall gehabt zu haben.“