Jahresbericht 2012

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Jahresbericht 2012
über die in Thüringen
erfassten übertragbaren Krankheiten
Inhaltsverzeichnis
1
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
1.7
1.8
1.9
1.10
1.11
1.12
Infektiöse Darmerkrankungen ...................................................................... 5
Salmonellose ............................................................................................................................ 5
Campylobacter-Enteritis ......................................................................................................... 12
E. coli-Enteritis, sonstige darmpathogene Stämme (außer EHEC) ....................................... 15
Enterohämorrhagische E. coli-Erkrankung (EHEC) ............................................................... 17
Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) ............................................................................. 20
Yersiniose .............................................................................................................................. 21
Shigellose ............................................................................................................................... 23
Norovirus-Infektion ................................................................................................................. 25
Rotavirus-Infektion ................................................................................................................. 29
Giardiasis ............................................................................................................................... 32
Kryptosporidiose .................................................................................................................... 35
Gruppenerkrankungen mit gastrointestinaler Symptomatik ................................................... 38
2
Typhus abdominalis .....................................................................................40
3
Clostridium difficile-Infektion ......................................................................41
4
Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) ............................41
5
Invasive Meningokokken-Erkrankung .........................................................42
6
Virushepatitiden ............................................................................................45
6.1
6.2
6.3
6.4
Hepatitis A .............................................................................................................................. 45
Akute Hepatitis B .................................................................................................................... 48
Hepatitis C .............................................................................................................................. 51
Hepatitis E .............................................................................................................................. 53
7
Influenza ........................................................................................................55
8
Tuberkulose...................................................................................................56
9
Seltene übertragbare Krankheiten...............................................................57
9.1
9.2
9.3
9.4
9.5
9.6
9.7
9.8
9.9
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit .................................................................................................. 57
Dengue-Fieber ....................................................................................................................... 58
Haemophilus influenzae, invasive Erkrankung ...................................................................... 58
Hantavirus-Erkrankung .......................................................................................................... 59
Legionellose ........................................................................................................................... 63
Leptospirose ........................................................................................................................... 64
Listeriose ................................................................................................................................ 65
Ornithose ................................................................................................................................ 66
Q-Fieber ................................................................................................................................. 67
10
Sonstige Infektionskrankheiten ...................................................................67
10.1
10.1.1
10.1.2
10.1.3
10.2
10.3
10.4
11
Übrige Formen der Meningitis/Enzephalitis ........................................................................... 67
Sonstige bakterielle Meningitis (außer Meningokokken-Meningitis)................................. 68
Virus-Meningoenzephalitis ................................................................................................ 68
Meningitis/Enzephalitis ohne Erregernachweis ................................................................ 69
Borreliose ............................................................................................................................... 69
Gasbrand ............................................................................................................................... 73
Pertussis …. ........................................................................................................................... 74
Jahresstatistik 2012 ......................................................................................80
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Erläuterungen und Abkürzungen:
A
Abb.
E
IfSG
IFT
IgA
IgG
IgM
Inz.
- Ausscheider
- Abbildung
- Erkrankungen
- Infektionsschutzgesetz
- Immunfluoreszenztest
- Immunglobulin A
- Immunglobulin G
- Immunglobulin M
- Inzidenz (Anzahl der Erkrankungen je 100.000 Einwohner,
Datenstand: 01.03.2013)
Letalität
- Verhältnis der Todesfälle zur Anzahl der Erkrankten
Mortalität
- Verhältnis der Todesfälle zur Gesamtanzahl der Individuen in einem
bestimmten Zeitraum
St.
- Sterbefälle
Tab.
- Tabelle
ThürIfKrMVO - Thüringer Verordnung über die Anpassung der Meldepflicht für
Infektionskrankheiten von 2003, letzte Änderung 2010)
TLV
- Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz
2
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Epidemiologische Jahresanalyse
über die 2012 in Thüringen erfassten übertragbaren Krankheiten
Grundlagen und Schwerpunkte
In dem hier vorgestellten epidemiologischen Jahresbericht werden die im Jahr 2012 im Freistaat Thüringen gemeldeten und übermittelten meldepflichtigen Infektionskrankheiten zusammengefasst und analysiert. Die Grundlage für die einheitliche Meldepflicht in Deutschland bildet das Infektionsschutzgesetz (IfSG), das am 01.01.2001 in Kraft trat. Wesentliche
Kernelemente sind dabei ein zweiteiliges Meldeverfahren (Einzelfallmeldungen von Ärzten
einerseits und Laboren andererseits, die unabhängig voneinander erfolgen), klar definierte
Meldewege und -fristen sowie die Anwendung einheitlicher Falldefinitionen. Diese wurden
vom Robert Koch-Institut erarbeitet und in Zusammenarbeit mit den Landesstellen bereits
mehrfach aktualisiert. Die Anwendung dieser Falldefinitionen ist für eine Vergleichbarkeit der
eingehenden Meldedaten zwischen einzelnen Kreisen und Bundesländern, aber auch mit
anderen Staaten unerlässlich. In den vergangenen Jahren wurde die Meldepflicht mehrfach
erweitert, um sie der epidemiologischen Lage anzupassen.
Das IfSG bietet die Möglichkeit, die Meldepflicht über die im § 6 IfSG aufgeführten Erkrankungen und im § 7 IfSG genannten Krankheitserreger in Landesverordnungen zu erweitern.
Davon haben Berlin und die neuen Bundesländer, so auch Thüringen, Gebrauch gemacht.
Die Thüringer Infektionskrankheitenmeldeverordnung (ThürIfKrMVO) trat am 16.02.2003 in
Kraft und erfuhr bisher zwei Änderungen (08.03.2005 sowie 23.02.2010). Auch hierfür wurden vom Robert Koch-Institut einheitliche Falldefinitionen erarbeitet.
Die in diesem Bericht erfassten, nach dem IfSG und der ThürIfKrMVO meldepflichtigen Erkrankungen, Verdachts- und Todesfälle sowie Erregernachweise werden an die zuständigen
Gesundheitsämter gemeldet und von dort über die Landesstelle, in Thüringen das Thüringer
Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (TLLV, ab 01.01.2013 Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz, TLV), an das Robert Koch-Institut übermittelt.
Auf der Grundlage dieser Daten wird durch das TLV jährlich ein epidemiologischer Jahresbericht erstellt, der Auskunft über das infektionsepidemiologische Geschehen des vergangenen
Jahres in Thüringen gibt. Neben der Auswertung der aktuellen Zahlen erfolgt hierbei auch
ein Vergleich mit den Thüringer Meldedaten der Vorjahre sowie den für Deutschland erfassten Daten. Neben der Möglichkeit der Analyse des Infektionsgeschehens über einen größeren Zeitraum dient der Jahresbericht aber auch der Rückinformation der lokalen Gesundheitsämter über die geleistete Arbeit im Bereich Infektionsepidemiologie. Die Mitarbeiter vor
Ort schaffen durch ihre umfangreiche Ermittlungstätigkeit die Datengrundlage für diesen Jahresbericht.
In Thüringen kamen im Jahr 2012 18.649 Erkrankungen, darunter 69 Sterbefälle, sowie 599
Ausscheider bzw. Erregernachweise nach IfSG zur Meldung.
Im Rahmen der ThürlfKrMVO gelangten weitere 5.499 Erkrankungen, davon drei Sterbefälle, zur Meldung. Bei 2.647 Erkrankungen gelang ein Erregernachweis.
Auf der Basis einer freiwilligen Meldung wurden 1.651 Erkrankungen und Expositionen
registriert.
Bei der Anzahl der nach IfSG meldepflichtigen Erkrankungen war im Jahr 2012 gegenüber
dem Vorjahr mit 22.961 Erkrankungen ein Rückgang um 18,8 % zu verzeichnen.
3
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Demgegenüber stieg die Zahl der Erregernachweise ohne Vorliegen einer entsprechenden
Symptomatik im Vergleich zu 2011 (544 Erregernachweise) um 10,1 % an.
Die Gesamtzahl der gastroenteritischen Erkrankungen war 2012 gegenüber dem Vorjahr
leicht um 5 % gesunken. Deutliche Rückgänge der Fallzahlen waren bei der Anzahl der
durch enterohämorrhagische E. coli um nahezu die Hälfte, bei durch sonstige darmpathogene Stämme von E. coli hervorgerufenen Erkrankungen sowie durch Rotaviren verursachte
Infektionen um ca. ein Viertel und bei Yersiniosen um 13 % zu verzeichnen.
Bei den Salmonellosen war nach den über mehrere Jahre zu beobachtenden Rückgängen
der Fallzahlen wieder ein moderater Anstieg der Erkrankungszahlen um 12 % aufgefallen.
Dies war hauptsächlich bedingt durch eine umfangreiche territoriale Häufung, in die mehrere
Landkreise Thüringens involviert waren.
Deutlich zunehmende Inzidenzen im Vergleich zum vorangegangenen Berichtsjahr waren
bei Shigellosen (+ 62 %) sowie bei den parasitären Darmerkrankungen Giardiasis und
Kryptosporidiose um 63 % bzw. 160 % zu verzeichnen gewesen. Die Anzahl der weiteren
meldepflichtigen Gastroenteritiden bewegte sich auf einem ähnlichen Niveau wie im vorangegangenen Berichtsjahr.
Als überragendes Ereignis des Jahres 2012 ist ein Ausbruch im September und Oktober
2012 anzusehen, bei dem in fünf ostdeutschen Bundesländern ca. 11.000 Fälle von akuten
Brechdurchfällen, überwiegend bei Kindern und Jugendlichen in Gemeinschaftseinrichtungen, registriert wurden. Als Ursache wurden mit Noroviren kontaminierte Tiefkühlerdbeeren
identifiziert. Dabei handelte es sich um den bisher größten bekannten lebensmittelbedingten
Ausbruch in Deutschland.
Ein überaus deutlicher Anstieg der Erkrankungszahlen in Thüringen wurde bei AdenovirusKonjunktivitiden, Denguefieber und Hantavirus-Infektionen beobachtet. In diesen Meldekategorien wurden bundesweit die bisher höchsten Inzidenzen seit Einführung des IfSG im Jahr
2001 verzeichnet.
Auch bei Hepatitis E-Infektionen wurde sowohl in Thüringen als auch in Gesamtdeutschland
eine deutliche Erhöhung der Fallzahlen registriert.
Moderate Anstiege bei der Anzahl der Neuerkrankungen waren 2012 bei Clostridium difficileassoziierten Erkrankungen, Infektionen mit Haemophilus influenzae, Legionellosen und Tuberkulosen zu verzeichnen gewesen.
Demgegenüber standen Rückgänge der Fallzahlen bei Meningokokken-Meningitiden,
Listeriosen und Q-Fieber. Eine besonders starke Abnahme fiel bei der Anzahl der InfluenzaErkrankungen auf, bedingt durch eine deutlich geringer ausgeprägte Influenza-Saison als in
den Vorjahren. Masern-Erkrankungen wurden im Berichtsjahr in Thüringen nicht übermittelt.
Bei allen anderen nach IfSG meldepflichtigen Erkrankungen blieb die Anzahl der Neuerkrankungen im Jahr 2012 auf einem annähernd gleichen Niveau wie im Vorjahr.
Bei der Anzahl der im Rahmen der ThürlfKrMVO zusätzlich erfassten Erkrankungen wurde
2012 ein deutlicher Anstieg um 39 % gegenüber dem Vorjahr (3.965 E) beobachtet, was insbesondere auf die Zunahme der Anzahl der Erkrankungen an Scharlach und Windpocken
zurückzuführen war. Besonders auffällig war der Anstieg der Fallzahlen bei PertussisErkrankungen um etwas mehr als das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr.
Demgegenüber waren Rückgänge der Erkrankungszahlen bei Virusmeningitiden, Meningitiden ohne Erregernachweis und Borreliosen zu verzeichnen gewesen.
Darüber hinaus wurden von einem Großteil der Thüringer Gesundheitsämter auf der Basis
einer freiwilligen Meldung Befallszahlen von Kopfläusen und Scabies sowie Expositionen
zu Tieren mit unbekanntem Tollwutstatus übermittelt. Im Vergleich zu 2011 erhöhte sich im
Berichtsjahr deren Gesamtzahl um 14 %. Bei der Anzahl der registrierten Scabiesbefälle war
zwar ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr zu beobachten, demgegenüber erhöhte sich jedoch die Anzahl der Kontakte zu Tieren mit unbekanntem Tollwutstatus deutlich um
50 %. Auch die Zahl der übermittelten Kopflausbefälle befand sich im Vergleich zum Vorjahr
auf einem leicht erhöhten Niveau. Hier wurde ein Anstieg um 15,4 % verzeichnet.
4
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
1
Infektiöse Darmerkrankungen
Bei 94 % aller Infektionen, die im Jahr 2012 gemäß IfSG an das TLV übermittelt worden waren, handelte es sich um Darminfektionen, deren Gesamtzahl im Vergleich zum vorangegangenen Jahr um 5 % gesunken war.
Das Spektrum der meldepflichtigen Gastroenteritiden umfasst bakterielle, virale sowie parasitäre Erreger, die sich auch hinsichtlich ihres Übertragungsweges unterscheiden. Nachstehend werden die wesentlichsten Erreger infektiöser Darmerkrankungen sowie deren Auftreten in Thüringen kurz dargestellt (Abb. 1).
Abbildung 1: Häufigkeit von Gastroenteritiden nach Erregern in Prozent (n=17.471) - Thüringen 2012
1.1
Salmonellose
Thüringen: 1327 Erkrankungen (1.314 labordiagnostisch bestätigt,
13 klinisch-epidemiologisch bestätigt), davon 4 Sterbefälle,
153 Ausscheider, Inzidenz 59,7
Deutschland: 20.849 Erkrankungen, Inzidenz 25,5
Die Salmonellose ist eine weltweit verbreitete, durch Salmonellen der Enteritis-Gruppe verursachte infektiöse Gastroenteritis, die sporadisch, in Form von Gruppenerkrankungen, aber
auch als Epidemie in Erscheinung treten kann. Sie wird in der Regel durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel (sog. Risikolebensmittel wie Geflügelfleisch, Eier und Speisen, die
5
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
unter Zusatz von Rohei zubereitet werden, Milch und Milchprodukte, rohes Fleisch von Rind
und Schwein sowie nicht oder nicht ausreichend erhitzte Fleischprodukte dieser Tierarten)
übertragen und deshalb auch als Lebensmittelinfektion bezeichnet. Eine Übertragung ist
aber auch von Mensch zu Mensch durch Schmierinfektionen oder durch Kontakt zu Tieren
möglich. Solche als Salmonellen-Enteritiden bezeichneten Infektionen sind von Typhus und
Paratyphus, die ebenfalls von Salmonellen ausgelöst werden, aber wesentlich bedrohlicher
verlaufen, deutlich abzugrenzen. Zum Krankheitsbild einer Salmonellen-Enteritis gehören
wässriger Durchfall, Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen sowie Fieber. Bei
Säuglingen, kleinen Kindern, immungeschwächten oder älteren Personen kann es zu schwereren Verlaufsformen kommen. Meist heilen die Enteritiden spontan aus und erfordern keine
spezielle Therapie. Eine Antibiotikagabe ist in der Regel nicht angezeigt, da dadurch die
Dauer der Bakterienausscheidung verlängert werden kann. Die Behandlung zielt darauf, den
Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auszugleichen. Zur Prophylaxe zählen vor allem die Einhaltung einer sorgfältigen Händehygiene und eine gute Küchenhygiene bei der Speisenzubereitung sowie ein sorgfältiger Umgang mit Risikolebensmitteln (konsequente Kühlung, strikte
Einhaltung von Verbrauchsfristen usw.).
Die Salmonellosen machten auch 2012 in Thüringen, wie schon in den Vorjahren, gemeinsam mit den durch Noro- und Rotaviren sowie durch Campylobacter hervorgerufenen Erkrankungen den größten Teil aller nach IfSG zur Meldung gelangten infektiösen Darmerkrankungen aus (Abb. 1).
Die Anzahl der in Thüringen übermittelten Salmonellosen war von 2001 bis 2006 kontinuierlich rückläufig und hatte sich auf weniger als die Hälfte gegenüber dem Jahr 2001 reduziert
(Abb. 2). Lediglich im Jahr 2007 war ein Anstieg um 32,2 % gegenüber dem Vorjahr zu beobachten gewesen. Seit 2008 reduzierten sich die Erkrankungszahlen jedoch erneut und
erreichten 2011 mit nur noch 1.188 Erkrankungen den bislang niedrigsten Wert seit der Einführung des IfSG. Im Berichtsjahr stieg hingegen sowohl die Anzahl der Erkrankungen als
auch die der erfassten Ausscheider deutlich um 11,7 % bzw. 62,8 % an. Thüringen hatte
somit die höchste Inzidenz im Vergleich aller Bundesländer zu verzeichnen. Sie lag demzufolge deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt.
6
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 2: Salmonellose-Inzidenz in Thüringen und Deutschland in den Meldejahren 2003 – 2012
Der in Thüringen bis 2011 zu beobachtende Trend spiegelte sich auch in den Fallzahlen für
Deutschland wider. Bundesweit waren die Erkrankungszahlen ebenfalls mit Ausnahme der
Jahre 2006 und 2007 kontinuierlich zurückgegangen. Dieser Rückgang setzte sich im Gegensatz zu Thüringen auch 2012 fort, sodass mit 25,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner
die niedrigste Inzidenz für Deutschland seit Einführung des IfSG erreicht wurde.
Der saisonale Schwerpunkt der Erkrankungen lag auch in diesem Berichtsjahr in den Sommermonaten. Der Höhepunkt wurde dabei bereits im Juni (22. - 26. Meldewoche) mit 345
Fällen erreicht (Abb. 3).
Die Erkrankungen verteilten sich über ganz Thüringen. Die höchste Inzidenz wurde im Landkreis Eichsfeld mit 203,7 Erkrankungen/100.000 Einwohner erfasst. Aber auch im Kyffhäuserkreis (Inz. 104,1), im Landkreis Nordhausen (Inz. 95,2) und in der kreisfreien Stadt Suhl
(Inz. 93,6) waren hohe Inzidenzen zu verzeichnen. Die niedrigste Inzidenz wurde in der
kreisfreien Stadt Weimar mit 16,9 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner registriert. In allen
weiteren Städten und Landkreisen Thüringens bewegten sich die Inzidenzen zwischen 24,8
und 69,3 Erkrankungen/100.000 Einwohner (Abb. 4).
7
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 3: Salmonellosen in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen
Abbildung 4: Territoriale Verteilung der Salmonellosen – Inzidenz nach Kreisen, Thüringen 2012
8
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Hauptsächlich betroffen war, wie auch in den Vorjahren, die Altersgruppe der 1- bis 4Jährigen (Inzidenz 340,4). Aber auch bei den Säuglingen unter einem Jahr sowie bei den
Kindern im Alter zwischen 5 und 9 Jahren wurden hohe Erkrankungszahlen verzeichnet (Inzidenzen 222,2 bzw. 195,2). Während im Vorjahr geschlechtsspezifische Unterschiede kaum
aufgefallen waren, erkrankten im Jahr 2012 in den Altersgruppen der Säuglinge und Kleinkinder bis zu 4 Jahren deutlich mehr Mädchen als Jungen. In allen anderen Altersgruppen
überwogen Erkrankungen beim männlichen Geschlecht (Tab. 1, Abb. 5).
377 Patienten, das entspricht 28,4 % aller an Salmonellose erkrankten Personen, mussten
stationär behandelt werden. Vier Patienten verstarben infolge einer Salmonellen-Infektion.
Tabelle 1: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Salmonellose 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
16
22
38
222,16
1 bis 4
105
131
236
340,43
5 bis 9
96
66
162
195,20
10 bis 14
67
39
106
129,00
15 bis 19
29
19
48
69,75
20 bis 24
35
37
72
55,37
25 bis 29
37
18
55
39,55
30 bis 39
42
29
71
28,53
40 bis 49
56
51
107
30,71
50 bis 59
78
56
134
36,13
60 bis 69
59
42
101
37,20
70 und älter
90
107
197
50,25
gesamt
710
617
1327
59,74
9
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 5: Verteilung der übermittelten Salmonellosen nach Altersgruppen und Geschlecht,
Inzidenz, Thüringen 2012
Im Jahr 2012 wurden insgesamt 1.467 Salmonellen isoliert (Abb. 6). Davon wurden 1.393
(95,0 %) in unterschiedlichem Grad weiter differenziert. Elf Proben (0,8 %) wurden nur bis
zur Subspezies typisiert (9 x Subspezies I und 2 x Subspezies IIIb) und 175 Proben (12,6 %)
bis zur Serogruppe (5 Serogruppen, davon 138 x Serogruppe B, 20 x Serogruppe C, 14 x
Serogruppe D, 2 x Serogruppe O, 1 x Serogruppe F). 1.207 Salmonellenstämme (86,6 %)
wurden in 45 Serovare differenziert. Wie schon im vergangenen Jahr dominierte dabei das
Serovar S. Typhimurium mit 504 Erkrankungen und 32 Ausscheidern; das entspricht
44,4 % aller bis zum Serovar typisierten Erreger (Abb. 6). Es folgte das Serovar S. Panama
mit 262 Erkrankungen und 52 Ausscheidern (26,0 %). S. Enteritidis wurde bei 139 Erkrankten und 11 Ausscheidern (12,3 %) und S. Derby bei 56 Erkrankten und 11 Ausscheidern (5,5
% aller bis zum Serovar typisierten Salmonellen) nachgewiesen.
Vierundsiebzig Nachweise (68 E, 6 A), das entspricht 5,0 % aller Salmonellenbefunde, wurden nicht näher differenziert.
10
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 6: Verteilung der Salmonellen-Serovare (n=1.207) in Prozent, Thüringen 2012
Bei den zur Meldung gelangten Salmonellosen handelte es sich überwiegend um Einzelerkrankungen. Es wurden jedoch auch 16 durch Salmonellen verursachte Erkrankungshäufungen registriert (Rückgang im Vergleich zum Vorjahr um 16 %, n=19). Im Rahmen dieser
Ausbrüche wurden 306 Erkrankungen, davon 294 labordiagnostisch und 12 klinischepidemiologisch bestätigte Infektionen, und 68 Ausscheider erfasst (siehe Kapitel 1.12
Gruppenerkrankungen mit gastrointestinaler Symptomatik). Das bedeutet trotz des leichten
Rückgangs bei der Gesamtzahl der Ausbrüche eine Zunahme der Anzahl der Erkrankten um
252 % sowie der Zahl der im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen erfassten Ausscheider um mehr als das Vierfache (2011: 87 E, 15 A).
Fünfunddreißig Erkrankungen, das entspricht 2,6 % der insgesamt 1.327 Salmonellosen,
standen mit Auslandsaufenthalten in siebzehn Ländern in Verbindung. Dabei waren die
meisten Erkrankungen mit Urlaubsaufenthalten in der Türkei (10 E), Ägypten und Tunesien
(je 5 E) assoziiert.
Sterbefälle an Salmonellose:
Vier männliche Patienten im Alter zwischen 54 und 85 Jahren verstarben 2012 infolge einer
Salmonellensepsis. Im Stuhl bzw. in der Blutkultur der Patienten gelang in zwei Fällen der
Nachweis von S. Enteritidis sowie in je einem Fall der Nachweis von S. Typhimurium bzw.
S. Panama.
11
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
1.2
Campylobacter-Enteritis
Thüringen: 1.905 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, 33 Ausscheider, Inzidenz 85,8
Deutschland: 62.880 Erkrankungen, Inzidenz 76,8
Bakterien der Gattung Campylobacter sind Erreger von Zoonosen und können eine akute
infektiöse Enteritis (Darmentzündung) auslösen. Als Infektionsquelle kommen tierische Lebensmittel wie Milch- und Fleischprodukte (z. B. nicht durchgegartes Hühnerfleisch) in Frage.
Daneben ist auch eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch (bei Kindern) oder über
infizierte Haustiere möglich. Für das Krankheitsbild sind Bauchschmerzen und wässrige,
mitunter auch blutige und schleimige Durchfälle charakteristisch. Daneben können hohes
Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen auftreten. In der Regel verläuft eine CampylobacterInfektion komplikationslos und heilt nach wenigen Tagen spontan aus. Nur in seltenen Fällen
kommt es in der Folge zu schweren Krankheitsbildern in Form von Gelenkentzündungen.
Nachdem bei der Inzidenz der Campylobacter-Enteritis im Jahr 2011 in Thüringen ein Anstieg um 12,8 % im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen gewesen war, ging die Anzahl der
Erkrankungen 2012 wieder leicht um 5,9 % zurück (Abb. 7). Auch bundesweit war ein Rückgang der Fallzahlen zu beobachten gewesen. Trotzdem machten diese Erkrankungen, nun
bereits seit mehreren Jahren in Folge, den Großteil der bakteriell übertragenen Darmerkrankungen aus (Abb. 1).
Wie auch bei den Salmonellosen lag der saisonale Schwerpunkt der CampylobacterInfektionen in den Sommermonaten. Höchstwerte wurden im Juli und August mit 248 bzw.
240 Erkrankungen erreicht (Abb. 8).
Abbildung 7: Campylobacter-Enteritis, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
12
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 8: Campylobacter-Enteritis in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen
Die Erkrankungen waren sehr heterogen über ganz Thüringen verteilt. So wurden die höchsten Inzidenzen in den kreisfreien Städten Erfurt (Inz. 112,8), Jena (Inz. 111,1) und Suhl (Inz.
113,9) registriert, die niedrigste dagegen in Eisenach mit 51,0 Erkrankungen/100.000 Einwohner.
Die altersspezifische Verteilung dieser Erkrankungen weist zum Teil Unterschiede zu der der
Salmonellosen auf. Zwar waren Kleinkinder im Alter von 1 - 4 Jahren auch hier am stärksten
betroffen, aber auch bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 29
Jahren wurden hohe Inzidenzen registriert. In den Altersgruppen der 20- bis 49-Jährigen fiel
die Inzidenz bei Frauen deutlich höher aus als die bei Männern, bei den 50- bis 69-jährigen
Frauen lag sie nur noch geringfügig höher. In allen anderen Altersgruppen waren Jungen
und Männer etwas häufiger betroffen als Mädchen und Frauen (Tab. 2, Abb. 9).
13
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Tabelle 2: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Campylobacter-Enteritis 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
11
8
19
111,08
1 bis 4
92
74
166
239,46
5 bis 9
65
60
125
150,62
10 bis 14
62
36
98
119,27
15 bis 19
59
45
104
151,13
20 bis 24
86
107
193
148,43
25 bis 29
86
101
187
134,48
30 bis 39
101
112
213
85,60
40 bis 49
110
128
238
68,30
50 bis 59
114
123
237
63,90
60 bis 69
69
74
143
52,67
70 und älter
79
103
182
46,43
gesamt
934
971
1905
85,76
Abbildung 9: Verteilung der übermittelten Campylobacter-Enteritiden nach Altersgruppen und
Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012
315 Patienten, das entspricht 16,5 % aller an einer Campylobacter-Enteritis erkrankten Personen, mussten stationär behandelt werden.
14
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Für den Großteil der Erkrankungen wurde Deutschland als Infektionsland angegeben. Lediglich bei 46 Fällen, das entspricht 2,4 % der insgesamt 1.095 Campylobacteriosen, handelte
es sich um reiseassoziierte Erkrankungen, die mit Aufenthalten in 21 Ländern in Verbindung
standen. Dabei war die Türkei mit zehn Erkrankungen das meistgenannte Infektionsland.
Differenzierte Angaben zum Erreger lagen bei 1.216 Infektionen vor. So wurde bei 612 Erkrankten und zehn Ausscheidern (51 %) Campylobacter jejuni nachgewiesen, bei weiteren
128 Erkrankten und drei Ausscheidern (11 %) gelang der Nachweis von Campylobacter coli.
In 461 Fällen (453 E, 8 A – 38 %) wurde nicht zwischen C. jejuni und C. coli differenziert.
Weiterhin wurden C. lari und C. upsaliensis bei je einem Erkrankten nachgewiesen. Bei 686
Infektionen wurde nur die Angabe C. spp. übermittelt. Ohne nähere Angaben zum Erreger
waren 36 Übermittlungen erfolgt.
Sterbefall:
Eine 78-jährige Frau aus dem Landkreis Nordhausen verstarb laut Totenschein an toxischem
Herz-Kreislauf-Versagen und Gastroenteritis bei Nachweis von Campylobacter in Stuhl.
1.3
E. coli-Enteritis, sonstige darmpathogene Stämme (außer EHEC)
Thüringen: 434 Erkrankungen, 28 Ausscheider, Inzidenz 19,5
Deutschland: 7.065 Erkrankungen, Inzidenz 8,6
Escherichia coli-Bakterien sind Bestandteil der normalen menschlichen und tierischen Darmflora. Einige darmpathogene Vertreter von Escherichia coli sind in der Lage, heftige Durchfallerkrankungen mit Erbrechen, krampfartigen Bauchschmerzen und Fieber hervorzurufen.
In der Regel verlaufen solche Erkrankungen komplikationslos. Gelegentlich bedingen sie
jedoch sehr schwere Verlaufsformen mit Dehydration, Elektrolytstörungen und Kreislaufproblemen. Betroffen sind meist Kinder und Personen im höheren Lebensalter oder mit beeinträchtigtem Immunsystem. Als mögliche Infektionsquelle kommen gesunde Ausscheider,
aber auch infizierte Haus- oder Nutztiere, kontaminierte tierische und pflanzliche Lebensmittel oder fäkal verunreinigtes Trink- oder Badewasser in Betracht.
Der Ausgleich von Flüssigkeitsverlust und Elektrolythaushalt steht bei der Behandlung solcher E. coli-Enteritiden im Vordergrund. Die strikte Einhaltung grundlegender Hygienemaßnahmen beim Umgang mit Lebensmitteln hat große Bedeutung für die Prävention.
Nachdem in Thüringen im Jahr 2010 die bislang höchste Inzidenz bei den durch E. coli hervorgerufenen Erkrankungen seit Einführung des IfSG verzeichnet wurde, gingen seit 2011
die Erkrankungszahlen überaus deutlich zurück. Somit wurde 2012 ein ähnlich niedriges Niveau wie in den Jahren 2005 und 2006 erreicht (Abb. 10). Auch die Zahl der erfassten Ausscheider reduzierte sich im aktuellen Berichtsjahr deutlich im Vergleich zum Vorjahr (45 A).
15
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 10: E. coli-Enteritis, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
Trotz des starken Rückgangs der Erkrankungszahlen lagen die Fallzahlen in Thüringen noch
immer deutlich über dem Bundesdurchschnitt.
Größtenteils waren Säuglinge unter einem Jahr (Inz. 502,8) und Kleinkinder bis zu 4 Jahren
(Inz. 373,6) erkrankt. Die Erkrankungen älterer Kinder und Erwachsener spielten dagegen
nur eine untergeordnete Rolle (Tab. 3, Abb. 11).
Tabelle 3: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – E. coli-Enteritis 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
47
39
86
502,78
1 bis 4
119
140
259
373,61
5 bis 9
11
11
22
26,51
10 bis 14
1
8
9
10,95
15 bis 19
2
0
2
2,91
20 bis 24
2
3
5
3,85
25 bis 29
2
3
5
3,60
30 bis 39
1
5
6
2,41
40 bis 49
0
5
5
1,43
50 bis 59
5
7
12
3,24
60 bis 69
2
3
5
1,84
70 und älter
5
13
18
4,59
197
237
434
19,54
16
gesamt
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 11: Verteilung der übermittelten E. coli-Enteritiden nach Altersgruppen und Geschlecht,
Inzidenz, Thüringen 2012
Für alle Infektionen wurden Angaben zum Pathovar übermittelt. So wurden 423 Erkrankungen (97,4%) und 27 Ausscheider (96,4%) den enteropathogenen Coli-Stämmen (EPEC klassische Dyspepsiecoli) zugeordnet. Am häufigsten waren dabei die Serovare O 44 (41 E,
1 A), O 119 (31 E), O 26 (25 E, 1 A) und O 145 (23 E, 2 A) vertreten.
Enterotoxische E. coli (ETEC) wurden in acht Fällen (7 E, 1 A) isoliert, während
enteroinvasive E. coli (EIEC) bei zwei Erkrankten nachgewiesen wurden. In zwei weiteren
Fällen wurden diffus adhärente E. coli (EaggEC) bzw. enteroaggregative E. coli (EaggEC)
isoliert.
1.4
Enterohämorrhagische E. coli-Erkrankung (EHEC)
Thüringen: 55 Erkrankungen, 11 Ausscheider, Inzidenz 2,5
Deutschland: 1.531 Erkrankungen, Inzidenz 1,9
Bestimmte Stämme von Escherichia coli, die vor allem im Darm von Rindern, aber auch in
Schweinen, Hühnern und Kaninchen vorkommen, verfügen über ein sehr hohes pathogenes
Potential, weil sie in der Lage sind, bestimmte Zellgifte (sogenannte Shiga-Toxine) zu bilden.
Über die Nahrung aufgenommen, können sie insbesondere bei Säuglingen und älteren Menschen schwerste Krankheitsbilder hervorrufen, die intensivmedizinisch behandelt werden
müssen. Heftige, zum Teil blutige Durchfälle, Erbrechen, Fieber und schmerzhafte Darmkoliken sind typisch für solche Infektionen. Gefürchtet sind Komplikationen wie das Hämolytischurämische Syndrom (HUS), das mit akutem Nierenversagen (oft Dialyse erforderlich),
17
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
hämolytischer Anämie (Zerfall der roten Blutkörperchen) und Verschlüssen kleinster Blutgefäße (thrombotische Mikroangiopathie) oder einer hämorrhagischen Kolitis (blutiger Durchfall) einhergehen kann (siehe 1.5).
Die Behandlung einer Infektion durch EHEC/STEC erfolgt symptomorientiert; eine
Antibiotikatherapie könnte den Krankheitsverlauf infolge erhöhter Toxinfreisetzung noch verschlimmern.
Im Berichtsjahr 2012 wurde sowohl in Thüringen als auch bundesweit die zweithöchste Zahl
von EHEC-Infektionen seit 2001 erfasst (Abb. 12). Höhere Erkrankungszahlen wurden nur im
Zusammenhang mit dem durch enterohämorrhagische E. coli verursachten Erkrankungsausbruch im Jahr 2011 registriert, der besonders Norddeutschland betraf, aber auch Auswirkungen auf andere Bundesländer, darunter Thüringen, hatte. Es ist zu vermuten, dass insbesondere die erhöhte Sensibilisierung der Ärzte und Patienten und die damit verstärkt durchgeführte Labordiagnostik infolge des vorjährigen Ausbruchs zu diesem Niveau der Erkrankungszahlen beitrugen.
Abbildung 12: EHEC-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
Säuglinge und Kleinkinder im Alter bis zu 4 Jahren waren am häufigsten erkrankt. In diesen
Altersgruppen wurden Inzidenzen von 11,7 bzw. 17,3 verzeichnet (Tab. 4, Abb. 13). Nur in
den Altersgruppen der 5- bis 14-Jährigen lag die Inzidenz bei Jungen höher als bei Mädchen. In allen anderen Altersgruppen fiel die Inzidenz bei Mädchen und Frauen deutlich höher aus als bei Jungen und Männern. Bei 28 Patienten, das entspricht 51 % der Erkrankten,
war eine stationäre Behandlung erforderlich.
18
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Tabelle 4: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – EHEC 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
0
2
2
11,69
1 bis 4
3
9
12
17,31
5 bis 9
5
1
6
7,23
10 bis 14
5
1
6
7,30
15 bis 19
0
0
0
0,00
20 bis 24
0
1
1
0,77
25 bis 29
1
0
1
0,72
30 bis 39
0
1
1
0,40
40 bis 49
0
3
3
0,86
50 bis 59
1
3
4
1,08
60 bis 69
3
4
7
2,58
70 und älter
4
8
12
3,06
gesamt
22
33
55
2,48
Abbildung 13: Verteilung der übermittelten EHEC-Erkrankungen nach Altersgruppen und Geschlecht,
Inzidenz, Thüringen 2012
Für die überwiegende Mehrzahl der Infektionen erbrachten die Ermittlungen der Gesundheitsämter keine Hinweise auf eine mögliche Infektionsursache. Lediglich die Erkrankung
einer 65-jährigen Frau wurde ursächlich mit einer Rundreise durch Jordanien in Zusammenhang gesehen.
19
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Elf Ausscheider wurden im Rahmen der Umgebungsuntersuchungen zu erkrankten Familienangehörigen bzw. anlässlich arbeitsmedizinischer Untersuchungen erfasst.
1.5
Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)
Thüringen: 3 Erkrankungen, Inzidenz 0,13
Deutschland: 69 Erkrankungen, Inzidenz 0,1
Für das hämolytisch-urämische Syndrom ist eine schwere Schädigung der Blutgefäße, der
Blutzellen und der Nieren (bis hin zum akuten Nierenversagen) charakteristisch. Dieses lebensbedrohliche Krankheitsbild, das eine intensivmedizinische Betreuung erfordert, tritt
meist als gefürchtete Komplikation einer Infektion mit bestimmten enterohämorrhagischen
Escherichia coli auf. Die Bakterien heften sich an den Darmepithelien an, ihre abgesonderten
Gifte (Verotoxine) zerstören die Darmzellen, wodurch Durchfall ausgelöst wird. Die Toxine
gehen in die Blutbahn über und greifen dort die Zellen der Blutgefäße insbesondere der Niere, aber auch Zellen des Gehirns an. Weitere Faktoren zerstören die roten Blutkörperchen.
Unbehandelt kann ein hämolytisch-urämisches Syndrom letal verlaufen. Infektionen können
durch den Verzehr fäkal verunreinigter pflanzlicher oder tierischer Lebensmittel ausgelöst
werden, aber auch die Übertragung mittels Schmierinfektion ist möglich. Konsequente Einhaltung grundlegender Standards in der persönlichen Hygiene (Händehygiene) und der Küchenhygiene (sorgfältiger Umgang mit Lebensmitteln und größte Sauberkeit bei der Speisenzubereitung) besitzen eine große präventive Bedeutung. Besonders gefährdete Personen
(Kleinstkinder, Immungeschwächte, sehr betagte Menschen) sollten keine Risikolebensmittel
(Rohmilch oder daraus hergestellte Speisen, nicht vollständig durchgegarte Fleischspeisen,
rohe Sprossen) verzehren.
Nachdem 2011, bedingt durch den bundesweiten EHEC-/HUS-Ausbruch, sowohl in Deutschland als auch in Thüringen die höchste Fallzahl an HUS-Erkrankungen seit Einführung des
IfSG erfasst worden war, ging deren Anzahl im Berichtsjahr wieder auf das Niveau der Vorjahre zurück.
In Thüringen wurden drei Fälle eines hämolytisch-urämischen Syndroms erfasst. Dabei handelte es sich um:
• ein 9 Monate altes Mädchen aus dem Unstrut-Hainich-Kreis, erkrankt am 13.06.2012,
• eine 29-jährige Frau aus dem Landkreis Gotha, erkrankt am 22.07.2012 und
• einen 93-jährigen Mann aus dem Ilm-Kreis, erkrankt am 10.11.2012.
In einer Stuhlprobe des Kindes gelang der labordiagnostische Nachweis einer EHECInfektion. Die beiden anderen Patienten zeigten den typischen klinischen Verlauf eines HUS;
ein labordiagnostischer Nachweis wurde jedoch nicht erbracht. Die Ermittlungen der zuständigen Gesundheitsämter erbrachten keine Hinweise auf die Infektionsursachen.
20
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
1.6
Yersiniose
Thüringen: 264 Erkrankungen, 3 Ausscheider, Inzidenz 11,9
Deutschland: 3.397 Erkrankungen, Inzidenz 4,2
Yersiniose ist die Sammelbezeichnung für weltweit vorkommende Infektionen, die durch
darm-pathogene Bakterien der Gattung Yersinia - Y. enterocolitica und Y.
pseudotuberculosis (vorwiegend in Osteuropa vorkommend) - hervorgerufen werden. Die
Erreger sind im Tierreich weit verbreitet. Die Übertragung erfolgt insbesondere durch Aufnahme kontaminierter tierischer Nahrungsmittel, die nicht oder nur unvollständig erhitzt wurden (Hackfleisch, Rohwurst, Milch und Milchprodukte), aber auch über verunreinigtes Trinkwasser. Die Yersiniose weist unterschiedliche Verlaufsformen in Abhängigkeit vom Alter des
Erkrankten auf. Bevorzugt bei Kleinkindern kommt es zur Yersinien-Gastroenteritis mit Diarrhö und Flüssigkeitsverlust. Bei älteren Kindern und Jugendlichen äußert sich die Erkrankung meist als Pseudoappendizitis mit Fieber und heftigen Bauchschmerzen, Unwohlsein
und Erbrechen oder als Enterokolitis (vorwiegend im Erwachsenenalter) mit Durchfall und
kolikartigen Beschwerden. Als Spätfolge kann sich u. a. eine reaktive Arthritis entwickeln. Die
Behandlung zielt auf den Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes und des Elektrolythaushaltes.
Komplizierte Verläufe können den Einsatz von Antibiotika erfordern. Bei der Verhütung von
Infektionen haben die Schlacht- und Fleischhygiene sowie die Lebensmittel- und Küchenhygiene eine große Bedeutung, da Yersinien selbst bei Kühlschranktemperaturen noch überlebensfähig sind.
Nachdem 2011 bei der Anzahl der Yersiniosen – meldepflichtig nach IfSG sind nur die darmpathogenen Stämme der Spezies Yersinia enterocolitica – im Vergleich zu den Vorjahren
sowohl in Thüringen als auch bundesweit ein Anstieg zu beobachten gewesen war, gingen
die Erkrankungszahlen im aktuellen Berichtsjahr wieder zurück und erreichten ihren bisherigen Tiefststand seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes.
Wie auch schon in den vergangenen Jahren lag die Inzidenz in Thüringen deutlich über dem
Bundesdurchschnitt (Abb. 14).
21
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 14: Yersiniosen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
Die Erkrankungen waren über das ganze Jahr verteilt, wobei im Januar die meisten Übermittlungen (40 E) zu verzeichnen gewesen waren. Besonders betroffen waren Kinder, insbesondere Jungen, der Altersgruppe 1 – 4 Jahre, die die weitaus höchste Inzidenz aufwiesen
(Tab. 4, Abb. 15). Mit zunehmendem Alter war ein deutlicher Rückgang der Erkrankungszahlen zu beobachten gewesen. Im Erwachsenenalter spielt die Erkrankung kaum eine Rolle. Bei 37 Patienten (14 % der Erkrankten) war eine stationäre Behandlung erforderlich.
Tabelle 4: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Yersiniose 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
2
1
3
17,54
1 bis 4
82
61
143
206,28
5 bis 9
28
33
61
73,50
10 bis 14
21
10
31
37,73
15 bis 19
7
2
9
13,08
20 bis 24
1
1
2
1,54
25 bis 29
2
1
3
2,16
30 bis 39
0
1
1
0,40
40 bis 49
1
3
4
1,15
50 bis 59
2
2
4
1,08
60 bis 69
0
1
1
0,37
70 und älter
2
0
2
0,51
148
116
264
gesamt
11,89
22
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 15: Verteilung der übermittelten Yersiniosen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz,
Thüringen 2012
Es handelte sich ausschließlich um Einzelerkrankungen. Für alle Erkrankungen wurde als
Infektionsort Deutschland angegeben.
Zu 243 (92 %) der 264 übermittelten Yersiniosen lagen Angaben zum Serotyp vor. Bei 218
Erkrankungen (83 % aller Erkrankungen) wurde der Serotyp O:3 nachgewiesen, in 24 Fällen
(9,0 %) gelang der Nachweis von O:9 und nur in einem Fall (0,4%) wurde O:5,27 isoliert.
1.7
Shigellose
Thüringen: 21 Erkrankungen (17 E labordiagnostisch bestätigt, 4 E klinischepidemiologisch bestätigt), 2 Ausscheider, Inzidenz 0,9
Deutschland: 526 Erkrankungen, Inzidenz 0,6
Die Shigellose (Bakterienruhr) wird durch vier Bakterienspezies aus der Gattung Shigella
hervorgerufen (Sh. dysenteriae, Sh. flexneri, Sh. boydii und Sh. sonnei), die unterschiedlich
schwere Krankheitsbilder verursachen. Erreger der meisten in Deutschland erfassten
Shigellosen ist Sh. sonnei, gefolgt von Sh. flexneri. Ruhrerkrankungen sind typisch für warme Länder, insbesondere dort, wo mangelhafte hygienische Bedingungen herrschen. In
Deutschland gemeldete Erkrankungen sind fast ausschließlich reiseassoziiert. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral oder durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch. Der Krankheitsverlauf variiert in Abhängigkeit vom beteiligten Erreger und der individuellen Immunsituation
des Betroffenen stark. Die Erkrankung kann einen milden Verlauf mit wässriger Diarrhö
23
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
nehmen, aber auch von schweren Verlaufsformen mit Fieber, blutig-schleimiger Diarrhö und
heftigen Bauchkrämpfen geprägt sein.
Je nach Schwere des Krankheitsbildes werden Antibiotika zur Therapie herangezogen; bei
leichten Fällen genügt eine symptomatische Behandlung, die Flüssigkeits- und Elektrolytverluste ausgleicht. Die Prävention richtet sich in erster Linie auf die Einhaltung grundlegender
persönlicher Hygieneregeln (Händewaschen) sowie die Einhaltung angemessener Hygieneregeln im Umgang mit Lebensmitteln und Trinkwasser; des Weiteren zählt die Bekämpfung
von Fliegen zu den wichtigen Maßnahmen.
Nachdem in den vergangenen Jahren eine stetige Abnahme der Fallzahlen in Thüringen zu
verzeichnen gewesen war, stieg im Berichtsjahr die Anzahl der Erkrankungen wieder deutlich an. Bundesweit hingegen war die Inzidenz weiter rückläufig (Abb. 16).
In den ersten Monaten des Jahres wurden in Thüringen nur zwei Shigellosen übermittelt. Ab
den Sommermonaten nahm deren Anzahl jedoch deutlich zu.
Bei dreizehn Erkrankungen handelte es sich um Einzelfälle, die sich über verschiedene
Landkreise und Städte verteilten. Außerdem wurden vier familiäre Häufungen mit je zwei
Erkrankten registriert, die mit Aufenthalten in verschiedenen Ländern in Verbindung standen.
Abbildung 16: Shigellosen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
Die Altersverteilung der gemeldeten Shigellosen ist in Tabelle 5 dargestellt. Überwiegend
waren Erwachsene im erwerbsfähigen Alter betroffen, aber auch drei Kinder im Alter zwischen einem und zehn Jahren.
24
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Tabelle 5: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Shigellose 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
0
0
0
0,00
1 bis 4
1
0
1
1,44
5 bis 9
0
0
0
0,00
10 bis 14
2
0
2
2,43
15 bis 19
0
0
0
0,00
20 bis 24
1
1
2
1,54
25 bis 29
0
2
2
1,44
30 bis 39
1
3
4
1,61
40 bis 49
1
2
3
0,86
50 bis 59
2
3
5
1,35
60 bis 69
1
1
2
0,74
70 und älter
0
0
0
0,00
gesamt
9
12
21
0,95
Eine Erkrankung wurde in Deutschland erworben, wobei die Infektionsursache unbekannt
blieb. Alle weiteren Infektionen waren reiseassoziiert und traten nach der Rückkehr aus
Ägypten (8 E), Indien, Marokko, Usbekistan (je 2 E), Kenia, Georgien, Tadschikistan, Bangladesch, der Türkei und den Kapverdischen Inseln (je 1 E) auf. Zwei Asylbewerber aus Afghanistan wurden im Rahmen der Einreiseuntersuchungen als Ausscheider erfasst.
Jeweils elf Infektionen wurden durch S. sonnei (zehn klinisch-labordiagnostisch bestätigte
Fälle, ein Fall in epidemiologischem Zusammenhang) sowie S. flexneri (sechs labordiagnostisch bestätigte Fälle, drei Fälle in epidemiologischem Zusammenhang und zwei Ausscheider) verursacht. In einem weiteren Fall (klinisch-labordiagnostisch bestätigt) gelang die Isolierung von S. dysenteriae.
1.8
Norovirus-Infektion
Thüringen: 10.997 Erkrankungen (6.612 labordiagnostisch bestätigt /
4.385 klinisch-epidemiologisch bestätigt),
davon 5 Sterbefälle, 131 Ausscheider, Inzidenz 495,1
Deutschland: 113.286 Erkrankungen, Inzidenz 138,4
Das weltweit verbreitete Norovirus ist hochinfektiös und zählt zu den häufigsten viralen Erregern von Gastroenteritiden. Kinder unter 5 Jahren und ältere Personen erkranken besonders
häufig. Akute Erkrankungsgeschehen werden insbesondere aus Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen gemeldet. Die Erkrankungen treten das ganze Jahr
über auf mit einer saisonal bedingten Häufung während der Wintermonate. Die Übertragung
erfolgt fäkal-oral über Handkontakt mit kontaminierten Flächen, über die Einnahme von
Speisen und Getränken, die mit Viren kontaminiert sind, oder durch direkte Aufnahme regerhaltiger Tröpfchen, die während des Erbrechens freigesetzt werden. Für das Krankheitsbild
25
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
sind heftiges, schwallartiges Erbrechen und Durchfall (mitunter auch nur Erbrechen oder nur
Durchfall) typisch. Es kommt zu einem ausgeprägten Krankheitsgefühl mit Bauchschmerzen,
Kopfschmerzen, Übelkeit und Mattigkeit. Leichte oder sogar asymptomatische Verläufe sind
möglich. Die Symptome klingen in der Regel nach ein bis zwei Tagen komplikationslos ab.
Bei sehr kleinen Kindern oder betagten Personen kann wegen des bedrohlichen Flüssigkeitsverlustes eine Hospitalisierung erforderlich sein.
Hauptsächlich verantwortlich für das hohe Niveau der Erkrankungszahlen bei den Gastroenteritiden waren, wie auch schon in den Vorjahren, die durch Noroviren verursachten Erkrankungen.
Die Anzahl dieser Erkrankungen blieb im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr nahezu konstant. Damit bewegte sich die Inzidenz in Thüringen auch 2012 wiederum deutlich über dem
bundesweiten Vergleichswert, der mit 138 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner angegeben
wurde (Abb. 17).
Zum 01.01.2011 trat eine Änderung der Falldefinition für die Übermittlung von NorovirusInfektionen in Kraft, die die Datengrundlage für die Surveillance der Norovirus-Gastroenteritis
entscheidend geändert hat. Seitdem sind ausschließlich labordiagnostisch bestätigte
Norovirus-Infektionen an das RKI zu übermitteln. Diese neue Falldefinition führte bundesweit
zu einer deutlichen Unterschätzung der tatsächlich aufgetretenen Norovirus-Erkrankungen.
Insbesondere betrifft dies Fälle, die im Rahmen von Ausbrüchen auftreten, da nur bei einem
Bruchteil der Erkrankten auch eine Labordiagnostik veranlasst wird.
In Thüringen wurde allerdings das bisherige Übermittlungsschema beibehalten, sodass hier
nach wie vor auch die klinisch-epidemiologisch bestätigten Erkrankungen übermittelt werden.
Nur dadurch ist es möglich, Ausbrüche von Norovirus-Erkrankungen nach Fallzahlen, zeitlichem Verlauf, Altersverteilung etc. zu bewerten.
Den durch Noroviren verursachten Ausbruchsgeschehen kam auch in diesem Berichtsjahr
wiederum ein besonderer Stellenwert zu. 5.593 Erkrankungen, das entspricht 51 % aller
Norovirus-Erkrankungen in Thüringen, wurden im Rahmen von Erkrankungshäufungen erfasst.
26
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 17: Norovirus-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
Die höchsten Inzidenzen traten in den Altersgruppen der 1- bis 4-Jährigen (Inz. 4.112,6) sowie der Säuglinge (Inz. 2.490,5) auf. Aber auch bei den Kindern der Altersgruppe 5 – 9 Jahre
und den über 70-Jährigen war mit 1.065 bzw. 793 Erkrankungen/100.000 Einwohner eine
große Anzahl von Neuerkrankungen zu beobachten (Tab. 6, Abb. 18).
Tabelle 6: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Norovirus-Infektion 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
218
208
426
2490,50
1 bis 4
1497
1354
2851
4112,57
5 bis 9
449
435
884
1065,19
10 bis 14
113
112
225
273,83
15 bis 19
72
95
167
242,67
20 bis 24
103
213
316
243,02
25 bis 29
112
230
342
245,95
30 bis 39
212
321
533
214,19
40 bis 49
233
467
700
200,89
50 bis 59
343
549
892
240,49
60 bis 69
274
278
552
203,29
70 und älter
955
2154
3109
793,07
gesamt
4581
6416
10997
495,09
27
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 18: Verteilung der übermittelten Norovirus-Erkrankungen nach Altersgruppen
und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012
Abbildung 19: Norovirus-Erkrankungen in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen
28
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Nahezu die Hälfte der Erkrankungen trat in den Monaten Januar bis März auf. Im weiteren
Jahresverlauf waren die Erkrankungszahlen stark rückläufig, bis sie ab Oktober (40. Kalenderwoche) bis zum Jahresende wieder deutlich anstiegen (Abb. 19).
Sterbefälle:
Drei Männer und eine Frau im Alter zwischen 78 und 84 Jahren verstarben laut Totenschein
infolge einer Norovirus-Infektion. In drei Fällen aus dem Unstrut-Hainich-Kreis handelte es
sich um Einzelerkrankungen; ein Patient aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt erkrankte
und verstarb während eines Ausbruchs in einem Alten- und Pflegeheim.
1.9
Rotavirus-Infektion
Thüringen: 2.327 Erkrankungen (2.021 labordiagnostisch bestätigt,
306 klinisch-epidemiologisch bestätigt), davon 2 Sterbefälle,
49 Ausscheider, Inzidenz 104,8
Deutschland: 39.289 Erkrankungen, Inzidenz 48,0
Rotaviren sind weltweit die häufigste Ursache viraler Darminfektionen im Kindesalter und
tragen in den Entwicklungsländern maßgeblich zur Sterblichkeit in diesen Altersgruppen bei.
In den westlichen Industrieländern erkranken am häufigsten Säuglinge und Kinder im Alter
bis zu 2 Jahren. Im Erwachsenenalter spielen Rotaviren als Ursache einer Reisediarrhö, bei
Eltern/Angehörigen erkrankter Kinder oder bei Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen eine
große Rolle. In den letzten Jahren hat in Deutschland die Anzahl der Norovirusinfektionen
stark zugenommen und dabei die Rotaviren als Hauptursache gastrointestinaler Infektionen
im Kindesalter verdrängt.
Das Rotavirus ist sehr umweltstabil und wird leicht übertragen. Es reichen bereits wenige
Viruspartikel, um eine Infektion auszulösen. Die Erkrankungen können unterschiedlichste
Verlaufsformen annehmen - von leichtem Durchfall bis hin zu einer schweren Gastroenteritis
mit einem lebensbedrohlichen Ausmaß an Dehydration (Flüssigkeitsverlust).
Die Therapie umfasst in der Regel lediglich den Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes, in schweren Fällen ist eine Hospitalisierung unumgänglich, um eine intravenöse
Flüssigkeitszufuhr durchzuführen. Eine durchgemachte Infektion hinterlässt keine dauerhafte
Immunität.
Obwohl bei den Rotavirus-Infektionen 2012 in Thüringen ein deutlicher Rückgang der Erkrankungszahlen um 28 % zu beobachten gewesen war, lag die Inzidenz deutlich über dem
bundesweiten Durchschnitt (Abb. 20). Auch für Deutschland fiel eine Abnahme der
Rotavirus-Infektionen um 28 % auf.
Die Rotavirus-Aktivität lag, wie auch schon in den Vorjahren, im 1. Halbjahr wesentlich höher
als in den darauffolgenden Monaten und hatte im März ihren Höhepunkt erreicht. (Abb. 21).
29
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 20: Rotavirus-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
30
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 21: Rotavirus-Erkrankungen in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen
Hauptsächlich betroffen waren in Thüringen Säuglinge und Kleinkinder im Alter bis zu 4 Jahren mit einer Inzidenz von 1.374 bzw. 1.493 Erkrankungen/100.000 Einwohner (Tab. 7, Abb.
22).
Tabelle 7: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Rotavirus-Infektion 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
119
116
235
1373,87
1 bis 4
561
474
1035
1492,99
5 bis 9
87
83
170
204,84
10 bis 14
17
14
31
37,73
15 bis 19
9
12
21
30,52
20 bis 24
11
17
28
21,53
25 bis 29
17
31
48
34,52
30 bis 39
39
43
82
32,95
40 bis 49
34
47
81
23,25
50 bis 59
51
68
119
32,08
60 bis 69
69
52
121
44,56
70 und älter
152
204
356
90,81
gesamt
1166
1161
2327
104,76
31
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 22: Verteilung der übermittelten Rotavirus-Erkrankungen, Inzidenz nach Altersgruppen
und Geschlecht – Thüringen 2012
Sterbefälle:
Eine 78-jährige Frau und ein 90-jähriger Mann, beide aus dem Unstrut-Hainich-Kreis, verstarben laut Totenschein infolge einer Rotavirus-Infektion. Bei beiden Erkrankungen handelte
es sich um Einzelfälle.
1.10
Giardiasis
Thüringen: 75 Erkrankungen, 97 Ausscheider, Inzidenz 3,4
Deutschland: 4.228 Erkrankungen, Inzidenz 5,2
Diese Durchfallerkrankung wird durch den weltweit vorkommenden Dünndarmparasiten
Giardia lamblia hervorgerufen. Der Erreger, ein einzelliger Parasit, wird in der Regel über
Wasser und Nahrungsmittel, die mit Fäkalien verunreinigt sind, übertragen. Besonders häufig kommen diese Infektionen in Regionen mit schlechten hygienischen Verhältnissen vor.
Die Inkubationszeit variiert zwischen wenigen Tagen bis Monaten. Die Erkrankung kann
symptomlos verlaufen (in der Mehrzahl der Fälle); sie kann aber auch über Jahre mit wiederkehrenden Durchfällen, Bauchbeschwerden (Blähungen) und Gewichtsverlust einhergehen.
Am häufigsten erkranken Kinder und Personen, die wenig Magensäure bilden. Der massive
Befall der Dünndarmschleimhaut führt dann zu einer ausgeprägten Symptomatik mit Übelkeit, Erbrechen, kolikartigen Bauchschmerzen und schaumigen Durchfällen, gelegentlich mit
Blutbeimengungen. Vorbeugen kann man einer Erkrankung am besten, indem man eine gute
32
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
persönliche Hygiene (Händewaschen) praktiziert und insbesondere bei Reisen in Regionen
mit niedrigem Hygienestandard auf den Verzehr unabgekochter Speisen oder Getränke verzichtet und Trinkwasser nur aus industriegefertigten, originalverschlossenen Flaschen zu
sich nimmt.
In Thüringen war bei der Anzahl der durch Giardia lamblia hervorgerufenen Erkrankungen
nach starken Rückgängen in den vergangenen Jahren im Jahr 2012 wieder ein deutlicher
Anstieg der Erkrankungszahlen um 63 % zu beobachten. Trotzdem lag die Inzidenz in Thüringen deutlich unter dem bundesweiten Vergleichswert, der mit 5,2 Erkrankungen/100.000
Einwohner angegeben wurde und im Vergleich zum Vorjahr stabil blieb (Abb. 23).
Abbildung 23: Giardiasis, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
Die Erkrankungen waren über das ganze Jahr verteilt. Betroffen waren alle Altersgruppen,
wobei die Inzidenz bei den Säuglingen unter einem Jahr mit 11,7 Erkrankungen/100.000
Einwohner am höchsten lag (Tab. 8, Abb. 24).
33
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Tabelle 8: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Giardiasis 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
1
1
2
11,69
1 bis 4
2
1
3
4,33
5 bis 9
6
2
8
9,64
10 bis 14
2
1
3
3,65
15 bis 19
2
1
3
4,36
20 bis 24
2
2
4
3,08
25 bis 29
4
4
8
5,75
30 bis 39
5
3
8
3,21
40 bis 49
7
7
14
4,02
50 bis 59
4
4
8
2,16
60 bis 69
7
3
10
3,68
70 und älter
2
2
4
1,02
gesamt
44
31
75
3,38
Abbildung 24: Verteilung der übermittelten Giardiasis-Erkrankungen nach Altersgruppen
und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012
Nur bei neunzehn der insgesamt 46 Erkrankten wurde ein Infektionsort außerhalb Deutschlands angegeben. Am häufigsten (in 9 Fällen) wurde dabei Indien als Expositionsort genannt.
51 Erkrankungen (68 %) wurden mittels Antigennachweis bestätigt, in 24 Fällen erfolgte ein
mikroskopischer Nachweis in Stuhl bzw. Duodenalsekret.
34
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Bei den Ausscheidern handelte es sich überwiegend um Asylbewerber, die im Rahmen der
Einreiseuntersuchungen erfasst worden waren. Der Großteil dieser Nachweise (n=63; 65 %)
wurde mikroskopisch erbracht, 26 Bestätigungen (27 %) erfolgten mittels Antigennachweis
und acht weitere in Kombination beider Methoden.
1.11
Kryptosporidiose
Thüringen: 60 Erkrankungen, Inzidenz 2,7
Deutschland: 1.385 Erkrankungen, Inzidenz 1,7
Kryptosporidiose ist eine durch Parasiten der Gattung Cryptosporidium verursachte Darminfektion, die weltweit verbreitet ist. Kryptosporidien wurden bei mehr als 40 Wirbeltierarten
festgestellt, das Reservoir stellen insbesondere Rinder, Pferde, Ziegen und Schafe, aber
auch Hunde, Katzen und Vögel dar. Die Übertragung erfolgt über verunreinigtes Wasser
oder verunreinigte Lebensmittel. Die Erreger der Kryptosporidiose bilden Oozysten, welche
die infektiöse Form darstellen. Nach der Aufnahme von Oozysten kommt es im Dünndarm
zur Freisetzung der Sporozoiten, die die Infektion hervorrufen. Mit der Ausscheidung von
Oozysten im Stuhl, die auch noch mehrere Wochen nach Rückgang der Symptome erfolgen
kann, besteht Ansteckungsfähigkeit. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 7 bis 10 Tage.
Das klinische Bild variiert von asymptomatischen Infektionen bis zu erheblichen wässrigen
Durchfällen, die teilweise mit großen Flüssigkeitsverlusten einhergehen können und manchmal in Verbindung mit Bauchschmerzen, Übelkeit, Fieber und/oder Gewichtsverlust auftreten. Bei Säuglingen und immunsupprimierten Patienten kann der Durchfall chronisch werden
und durch Komplikationen im Extremfall zum Tode führen. Es gibt bisher keine spezifische
Therapie. Die Behandlung erfolgt daher im Allgemeinen symptomatisch durch Ersatz von
Flüssigkeit und Elektrolyten.
In Thüringen war bei der Anzahl der durch Kryptosporidien hervorgerufenen Erkrankungen
nach einem starken Rückgang im Jahr 2011 im aktuellen Berichtsjahr ein deutlicher Anstieg
der Erkrankungszahlen auf nahezu das Dreifache zu beobachten. Die Inzidenz in Thüringen
lag damit auch über dem bundesweiten Vergleichswert, der mit 1,7 Erkrankungen/100.000
Einwohner angegeben wurde. Auch in Deutschland war eine deutliche Erhöhung der Fallzahlen gegenüber den Vorjahren aufgefallen (Abb. 25).
35
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 25: Kryptosporidiose, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
Die Erkrankungen waren über das ganze Jahr verteilt. Ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen
wurde lediglich im September beobachtet. Betroffen waren alle Altersgruppen, wobei die
Inzidenz bei den Kindern im Alter von einem bis neun Jahren am höchsten lag (Tab. 8,
Abb. 26).
36
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Tabelle 8: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Kryptosporidiose 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
0
1
1
5,85
1 bis 4
4
4
8
11,54
5 bis 9
7
6
13
15,66
10 bis 14
3
3
6
7,30
15 bis 19
1
4
5
7,27
20 bis 24
2
1
3
2,31
25 bis 29
6
3
9
6,47
30 bis 39
4
1
5
2,01
40 bis 49
3
4
7
2,01
50 bis 59
1
0
1
0,27
60 bis 69
0
1
1
0,37
70 und älter
0
1
1
0,26
gesamt
31
29
60
2,70
Abbildung 26: Verteilung der übermittelten Kryptosporidiosen nach Altersgruppen
und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012
Angaben zum Infektionsort wurden für 48 Fälle übermittelt. Lediglich bei elf Erkrankten wurde ein Infektionsort außerhalb Deutschlands angegeben. Am häufigsten (in 4 Fällen) wurde
Ägypten als Expositionsort genannt.
37
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Vierundfünfzig Erkrankungen wurden mittels Antigennachweis bestätigt, in drei Fällen erfolgte ein mikroskopischer Nachweis. Bei weiteren drei Fällen erfolgte keine Labordiagnostik; sie
standen im epidemiologischen Zusammenhang zu einer labordiagnostisch bestätigten Erkrankung.
1.12
Gruppenerkrankungen mit gastrointestinaler Symptomatik
Im Berichtszeitraum 2012 wurden insgesamt 639 Geschehen mit 8.732 Erkrankungen und
98 Ausscheidern erfasst. Im Vergleich zum Vorjahr (550 Geschehen mit 8.245 Erkrankungen
und 84 Ausscheidern) wurde bei der Anzahl der Geschehen ein Anstieg um 16,2 % registriert, die Zahl der Erkrankungen stieg im selben Zeitraum um 5,9 % an.
Folgende Erreger wurden bei den Geschehen nachgewiesen:
Noroviren:
Rotaviren:
Salmonellen:
Adenoviren:
Astroviren:
340 Geschehen - 5.593 E (davon bestätigt 1.140 E), 29 A
46 Geschehen - 476 E (davon bestätigt 118 E), 1 A
16 Geschehen - 306 E (davon bestätigt 294 E), 68 A
7 Geschehen 81 E (davon bestätigt
14 E)
3 Geschehen 55 E (davon bestätigt
6 E)
Campylobacter:
Clostridium perfringens:
EHEC:
E. coli:
Kryptosporidiose:
Shigellen:
kein Erregernachweis:
4 Geschehen 12 E (davon bestätigt
1 Geschehen 2 E (davon bestätigt
2 Geschehen 4 E (davon bestätigt
2 Geschehen 7 E (davon bestätigt
1 Geschehen 4 E (davon bestätigt
4 Geschehen 8 E (davon bestätigt
213 Geschehen - 2.184 E
12 E)
1 E)
4 E)
2 E)
1 E)
5 E)
Die Gruppenerkrankungen traten in nachstehend genannten Einrichtungen auf (Tab. 9):
Tabelle 9: Erkrankungsgeschehen 2012
Einrichtungen
Anzahl der Geschehen
Erkrankungszahlen
absolut
%
absolut
%
Kindereinrichtungen
361
56,5
4.531
51,9
Alten- und Pflegeheime/
Betreutes Wohnen
114
17,8
2.420
27,7
Krankenhäuser/
Kureinrichtungen
64
10,0
884
10,1
Familienerkrankungen
Schulen/Internate
Sonstige Einrichtungen
Territoriale Häufungen
60
26
12
2
9,4
4,1
1,9
0,3
215
301
123
258
2,5
3,5
1,4
2,9
gesamt
639
100
8.732
100
38
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Bei den 16 Salmonellen-Geschehen wurden folgende Serovare nachgewiesen:
6 Geschehen S. Typhimurium:
17 E (16 E labordiagnostisch bestätigt/ 1 E klinischepidemiologisch bestätigt), 2 A
3 Geschehen S. Enteritidis:
11 E (7 E labordiagnostisch bestätigt, 4 E klinischepidemiologisch bestätigt)
2 Geschehen S. Stanley:
3 E (3 E labordiagnostisch bestätigt), 2 A
2 Geschehen S. Panama:
249 E (249 E labordiagnostisch bestätigt), 56 A
1 Geschehen S. Goldcoast:
14 E (7 E labordiagnostisch bestätigt)
1 Geschehen S. Kentucky:
11 E (11 E labordiagnostisch bestätigt), 5 A
1 Geschehen S. Ohio:
1 E (1 E labordiagnostisch bestätigt), 2 A
Im Ergebnis der Ermittlungen durch die Gesundheitsämter konnte bei den zwei nachstehend
aufgeführten Salmonellen-Geschehen eine Aussage zur Infektionsursache getroffen werden:
Von einer ausgedehnten territorialen Häufung von Salmonellosen, verursacht durch S. Panama, waren besonders der Landkreis Eichsfeld, aber auch neun weitere benachbarte
Landkreise Thüringens betroffen. Im Zeitraum vom 05.04. – 21.07.2012 erkrankten in diesem
Territorium 247 Personen. Bei allen Patienten gelang in Stuhlproben der Nachweis von
S. Panama, ebenso bei 56 nicht erkrankten Kontaktpersonen. Auch in den angrenzenden
Bundesländern Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt wurden 63 durch S. Panama
verursachte Erkrankungen erfasst.
Die Erkrankungen standen überwiegend mit dem Verzehr von rohen Hackfleischzubereitungen und Rohwurstwaren aus verschiedenen Einkaufsstätten des Territoriums im Zusammenhang. Bei den Ausscheidern handelte es sich sowohl um Kontaktpersonen der Erkrankten als auch um Mitarbeiter der Verkaufsstätten.
Aus zwei Lebensmittel-Verdachtsproben („Knacker geräuchert“ und „frisch geräucherte
Mettwurst“) wurde ebenfalls S. Panama isoliert. Im Rahmen der betrieblichen Eigenkontrollen wurde in weiteren Fleisch- und Wurstwaren (Gehacktes, rohe Schinkenwurst und rohe
Bratwurst) S. Panama nachgewiesen. Als Eintragsquelle wurde ein Schweinemastbetrieb im
Landkreis Eichsfeld ermittelt. Sammelkot-, Staub- und Tupferproben aus der betreffenden
Anlage wurden positiv auf S. Panama getestet.
Im Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Salmonellen in Wernigerode wurden verschiedene
Isolate, die während des Ausbruchsgeschehens aus humanen Stuhlproben, aus Lebensmitteln, aus Tupferproben bei Umgebungsuntersuchungen und Schweinekotproben gewonnen
und als S. Panama typisiert wurden, mittels Pulsfeldgelelektrophorese untersucht. Anhand
dieser Analysen wurde ein einheitliches Geschehen in Thüringen und in benachbarten Bundesländern bestätigt.
Ein Ausbruch durch S. Kentucky mit elf Erkrankten und vier Ausscheidern wurde im August
2012 in der kreisfreien Stadt Suhl erfasst. In der Lebensmittelanamnese wurde mehrheitlich
der Verzehr von Dönern von verschiedenen Imbissständen im Stadtbereich angegeben. In
zwei Lebensmittelproben Dönerfleisch vom Spieß gelang im TLV der Nachweis von S. Kentucky.
Ausbruch von akuter Gastroenteritis in fünf ostdeutschen Bundesländern
In fünf ostdeutschen Bundesländern, darunter in Thüringen, ereignete sich in der 39. Kalenderwoche 2012 ein großer Ausbruch akuter gastroenteritischer Erkrankungen. Betroffen waren überwiegend Kinder und Jugendliche, die an der Gemeinschaftsverpflegung in Betreuungseinrichtungen und Schulen teilgenommen hatten, sowie Personal dieser Einrichtungen. Es handelte sich dabei um den bisher mit Abstand größten bekannten lebensmittelbedingten Ausbruch in Deutschland. Insgesamt waren 390 Einrichtungen, hauptsächlich Kin-
39
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
dergärten und Schulen, betroffen, in denen ca. 11.000 Erkrankungen auftraten, die meisten
davon nicht laborbestätigt. In Thüringen wurden insgesamt 991 Erkrankungen erfasst.
Die ersten Erkrankungen traten in Sachsen bereits am 20.09.2012 auf, das Geschehen stellte sich dort in drei Wellen mit geringer zeitlicher Trennung dar.
Der Höhepunkt des Geschehens fiel in allen betroffenen Bundesländern auf den Zeitraum
vom 25.09. – 28.09.2012. Die Erkrankungen waren von einem akuten Beginn mit Brechdurchfällen innerhalb weniger Stunden nach Nahrungsaufnahme gekennzeichnet, die Verläufe waren kurz und unkompliziert. Nur wenige Patienten mussten stationär behandelt werden. Sekundärinfektionen wurden aus allen Bundesländern berichtet.
Nahezu alle betroffenen Einrichtungen in den genannten Bundesländern wurden von einem
gemeinsamen Betreiber über regionale Küchen mit Essen versorgt. In allen entsprechenden
Einrichtungen waren in den Tagen vor Ausbruchsbeginn Tiefkühlerdbeeren angeboten worden, die in den Regionalküchen in verschiedener Weise weiterverarbeitet und im Rahmen
der Gemeinschaftsverpflegung ausgegeben wurden. Aufgrund des Nachweises von Noroviren in Tiefkühlerdbeeren wurden diese als Ursache für den Ausbruch identifiziert. Die verunreinigte Charge wurde aus dem Verkehr gezogen. Auch in einer größeren Anzahl von Patientenproben wurden Noroviren nachgewiesen.
2
Typhus abdominalis
Thüringen: 1 Erkrankung
Deutschland: 58 Erkrankungen, Inzidenz 0,07
Diese durch das Bakterium Salmonella Typhi verursachte systemische Infektion (auch
Bauchtyphus genannt) stellt insbesondere in Ländern mit geringem hygienischen Standard
ein großes gesundheitliches Problem dar. Der Erreger wird fäkal-oral übertragen, beispielsweise durch Nahrungsmittel oder Wasser, die mit dem Erreger kontaminiert sind. Nach einer
Inkubationszeit von in der Regel ein bis zwei Wochen (mitunter bis zu 60 Tagen) entwickeln
sich zunächst unspezifische Beschwerden wie Kopf- und Muskelschmerzen, gefolgt von einem stufenförmigen Fieberanstieg bis 41 °C. Die hochfieberhafte Phase kann über mehrere
Wochen anhalten und geht mit schwerem Krankheitsgefühl (z. B. beginnende Somnolenz)
einher. Etwa 3 Wochen nach Krankheitsbeginn kommt es zu erbsbreiähnlichen Durchfällen,
mitunter treten typische Hauterscheinungen (Roseolen) auf. Unbehandelt kann die Erkrankung dramatisch, mitunter sogar tödlich verlaufen. Nach überstandener Erkrankung scheiden
2 - 5 % der Infizierten die Erreger länger als 6 Monate aus, mitunter lebenslang, und werden
somit zum Dauerausscheider und zur möglichen Infektionsquelle. Vor Reisen in tropische
Gebiete ist die Impfung angeraten. Maßnahmen der Individualhygiene (Verzicht auf den Genuss unzureichend gegarter Speisen und Leitungswasser) sollten konsequent eingehalten
werden.
Nachdem im vorherigen Berichtsjahr in Thüringen kein Fall von Typhus abdominalis zur Meldung gelangt war, wurde 2012 eine Erkrankung übermittelt. Dabei handelte es sich um einen
43-jährigen Inder, der am 02.06.2012 mit Fieber und Durchfall erkrankt war und am
13.06.2012 hospitalisiert wurde. In der Blutkultur gelang am 18.06.2012 der Nachweis von
S. Typhi. Der Patient hatte sich vom 19.04. – 25.05.2012 in seinem Heimatland aufgehalten.
40
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
3
Clostridium difficile-Infektion
Thüringen: 79 Erkrankungen, davon 20 Sterbefälle, Inzidenz 3,6
Dieses sporenbildende und daher sehr umweltresistente Bakterium kommt im menschlichen
Darm vor und ist für den Gesunden harmlos. Gerät jedoch die normale Darmflora aus dem
Gleichgewicht, kann sich C. difficile unverhältnismäßig stark vermehren und die durch den
Erreger produzierten Toxine können den Darm schädigen. Auslöser hierfür ist in erster Linie
eine Antibiotikatherapie, aber auch eine Chemotherapie, eine gastrointestinale Grundkrankheit, eine Immunsuppression oder ein großer bauchchirurgischer Eingriff kommen in Frage.
In Abhängigkeit von der Virulenz des C. difficile-Stammes und der individuellen Immunlage
variiert die Schwere des klinischen Bildes zwischen Bauchkrämpfen mit und ohne Durchfall
bis hin zur lebensbedrohlichen pseudomembranösen Kolitis, als deren Komplikationen Perforation, Sepsis und toxisches Megakolon (Erweiterung des Dickdarmes), teilweise mit letalem
Ausgang, gefürchtet sind. In erster Linie sind immungeschwächte Patienten oder Personen
im fortgeschrittenen Lebensalter gefährdet. Die Übertragung erfolgt durch direkten oder indirekten Kontakt mit erregerhaltigen Fäkalien bzw. damit kontaminierten Flächen. Zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen zählen daher eine restriktive, kontrollierte Antibiotikagabe
und die strikte Einhaltung grundlegender Hygienemaßnahmen (Händehygiene).
Da in Deutschland, wie auch in den EU-Nachbarländern, im Jahr 2007 ein gehäuftes nosokomiales Auftreten von Infektionen mit dem C. difficile Ribotyp 027 mit erhöhter Letalität zu
beobachten gewesen war, wurde Ende 2007 auf die Meldepflicht gemäß § 6 Abs. 1, Nr. 5a
IfSG und die Übermittlungspflicht gemäß § 11 Abs. 1 IfSG hingewiesen. Somit lagen erstmalig für 2008 gemäß IfSG Daten über die Zirkulation von C. difficile in Thüringen vor.
Insgesamt wurden von nahezu allen Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten mit Ausnahme der Landkreise Nordhausen, Saalfeld-Rudolstadt, dem Saale-Holzland-Kreis sowie
der kreisfreien Städte Erfurt und Jena insgesamt 79 durch C. difficile hervorgerufene Infektionen übermittelt. Gegenüber dem Vorjahr, in dem 69 Infektionen in Thüringen registriert
worden waren, bedeutete dies einen Anstieg um 14 %. Betroffen waren ein männliches
Kleinkind im Alter von einem Jahr sowie 35 Männer und 43 Frauen zwischen 39 und 96 Jahren, wobei allein 70 Infektionen auf die Altersgruppe der über 70-Jährigen entfielen.
In Stuhlproben aller Patienten gelang der Nachweis von C. difficile mit Toxinbildung.
Sterbefälle:
Acht Männer und zwölf Frauen im Alter zwischen 51 und 96 Jahren verstarben laut Totenschein infolge der Clostridien-Infektion.
4
Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA)
Thüringen: 105 Nachweise, davon 16 Sterbefälle, Inzidenz 4,7
Deutschland: 4.462 Nachweise, Inzidenz 5,4
Das Bakterium Staphylococcus aureus gehört zur Hautflora und löst in der Regel keine Erkrankungen beim gesunden Menschen aus; man spricht von einer asymptomatischen Kolonisation. Unter bestimmten Voraussetzungen, z. B einer schlechten Immunlage, vermag dieser Erreger Hautinfektionen, Muskelerkrankungen und, nur äußerst selten, lebensbedrohliche Erkrankungen (wie Lungenentzündungen) hervorzurufen.
41
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Anders ist die Situation, wenn der Keim multiresistent geworden ist und sich in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen ungehindert ausbreiten kann. Solche Infektionen stellen aufgrund der dann eingeschränkten Therapiemöglichkeiten und der daraus resultierenden erheblich verzögerten Genesung des Patienten zunehmend ein großes
gesundheitspolitisches Problem dar. Für medizinische und andere Einrichtungen des
Gesundheitswesens sind sie mit einem gravierenden finanziellen und materiellen Mehraufwand verbunden. Präventiv müssen deshalb ein verantwortungsbewusster Einsatz von Antibiotika durchgesetzt und grundlegende Maßnahmen der Standardhygiene strikt eingehalten
werden (z. B. ordnungsgemäße Händehygiene).
Im Jahr 2012 wurden in Thüringen 105 Nachweise einer invasiven MRSA-Infektion in Blut
und Liquor übermittelt. Dabei handelte es sich um 96 klinisch-labordiagnostisch bestätigte
Fälle und 9 labordiagnostisch bestätigte Fälle bei nicht erfülltem oder unbekanntem klinischen Bild. Dies entspricht einer Inzidenz von 4,7 Fällen pro 100.000 Einwohner und somit
einer Abnahme um 9,5 % gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zu Gesamtdeutschland lag
die Inzidenz invasiver MRSA-Infektionen 2012 in Thüringen leicht unter dem Durchschnitt
von 5,45 Fällen pro 100.000 Einwohner. Achtunddreißig Prozent der Infektionen wurden als
nosokomial eingestuft. Hauptsächlich betroffen waren Personen, insbesondere Männer, die
älter als 50 Jahre waren.
Die regionalen Inzidenzen der verschiedenen Land- und Stadtkreise zeigten, ähnlich wie im
Vorjahr, eine große Varianz und lagen zwischen 0 und 10,9. Als Symptome wurden am häufigsten Fieber, ein septisches Krankheitsbild sowie pulmonale Symptomatik angegeben. Als
meistgenannte Risikofaktoren fungierten zentralvenöse Katheter oder invasive Zugänge anderer Art, MRSA-Infektionen der Haut- und Weichteile sowie stattgehabte Operationen.
Ausführliche Informationen zu MRSA-Infektionen 2012 in Thüringen können dem aktuellen
MRSA-Jahresbericht 2012 entnommen werden:
https://www.thueringen.de/imperia/md/content/tllv/medizinaluntersuchung/mrenetzwerke/jahresbericht
_mrsa_2012_finalversion.pdf
5
Invasive Meningokokken-Erkrankung
Thüringen: 8 Erkrankungen, Inzidenz 0,36
Deutschland: 354 Erkrankungen, Inzidenz 0,43
Meningokokken sind Bakterien der Gattung Neisseria meningitidis, die die sog. Meningitis
epidemica (eitrige Hirnhautentzündung) hervorrufen. Von den 13 bekannten Serogruppen
dominieren in Deutschland die Serogruppen B und C. Meningokokken-Erkrankungen kommen ganzjährig vor mit einer leichten Häufung während der Wintermonate und im Frühjahr.
In besonders hohem Maße sind kleine Kinder bis 5 Jahre betroffen, aber auch im Jungendalter (14 bis 19 Jahre) ist eine Zunahme der Erkrankungshäufigkeit zu beobachten. Bei ca. 10
% der gesunden Bevölkerung besiedelt der Erreger die Schleimhaut im Nasen-Rachenraum,
ohne eine Erkrankung hervorzurufen. Unter besonderen Bedingungen gelingt es den
Meningokokken, die natürliche Schleimhautbarriere zu überwinden, um dann eine invasive
Erkrankung mit sehr schwerwiegenden Verlaufsformen aus zulösen. Die Meningitis beginnt
mit schwerem Krankheitsgefühl, verbunden mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen
und Nackensteifigkeit. Im Verlauf kann sich auch eine Meningokokken-Sepsis („Blutvergiftung“) entwickeln. Als schwere Komplikation tritt das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom auf,
das mit Blutungsneigung und septischem Schock einhergeht. Unbehandelt verläuft ein goßer
Teil der Meningokokken-Erkrankungen letal. Bei rechtzeitiger effizienter Antibiotika-Therapie
lässt sich die Sterblichkeit maßgeblich senken. Enge Kontaktpersonen zu Erkrankten erhalten zu ihrem Schutz eine Prophylaxe mit Antibiotika. Die Impfung gegen Meningokokken C
42
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
gehört zu den Standardimpfungen im Kleinkindalter und sollte ggf. auch bei Jugendlichen
nachgeholt werden. Gegen die am häufigsten vorkommende Serogruppe B wurde ein Impfstoff entwickelt, der seit 2013 verfügbar ist.
Im Berichtsjahr traten in vier Landkreisen und drei Städten Thüringens acht MeningokokkenMeningitiden auf. Die Anzahl der Erkrankungen war damit gegenüber dem Vorjahr (15 E)
deutlich zurückgegangen. Somit lag die Thüringer Inzidenz erstmals seit 2008 niedriger als
der für Deutschland registrierte Vergleichswert (Abb. 27).
Abbildung 27: Meningokokken-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
Vier Erkrankungen traten bereits im Januar auf, weitere vier Infektionen wurden im Jahresverlauf erfasst.
Betroffen waren ein 7 Monate alter weiblicher Säugling, vier Kleinkinder (2 x männlich, 2 x
weiblich) zwischen 1 und 3 Jahren, ein 13-jähriges Mädchen sowie zwei Frauen im Alter von
56 und 64 Jahren. Die Inzidenzen bei den Säuglingen und Kleinkindern fielen somit am
höchsten aus. Allein auf diese beiden Altersgruppen entfiel mehr als die Hälfte der in Thüringen aufgetretenen Erkrankungen (Tab. 12, Abb. 28). Die Erkrankungen zweier Kleinkinder
gingen mit einem Waterhouse-Friderichsen-Syndrom einher.
43
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Tabelle 12: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Meningokokken-Meningitis
2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
Inzidenz
gesamt
<1
0
1
1
5,85
1 bis 4
2
2
4
5,77
5 bis 9
0
0
0
0,00
10 bis 14
0
1
1
1,22
15 bis 19
0
0
0
0,00
20 bis 24
0
0
0
0,00
25 bis 29
0
0
0
0,00
30 bis 39
0
0
0
0,00
40 bis 49
0
0
0
0,00
50 bis 59
0
1
1
0,27
60 bis 69
0
1
1
0,37
70 und älter
0
0
0
0,00
gesamt
2
6
8
0,36
Abbildung 28: Verteilung der übermittelten Meningokokken-Meningitiden nach Altersgruppen und
Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012
Bei allen acht Erkrankungen gelang die Isolierung von Neisseria meningitidis aus Liquor oder
Blutkultur. Für sechs Erkrankungen wurden Angaben zur Serogruppe übermittelt. Bei diesen
Fällen ergab die weitere Differenzierung die Serogruppe B. In zwei weiteren Fällen erfolgte
44
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
keine Serotypisierung. Eine durch Neisseria meningitidis der Serogruppe C hervorgerufene
Erkrankung trat im Berichtsjahr in Thüringen nicht auf.
Für 183 Personen, die Kontakt zu den Erkrankten gehabt hatten, wurde eine
Chemoprophylaxe veranlasst.
6
6.1
Virushepatitiden
Hepatitis A
Thüringen: 22 Erkrankungen, Inzidenz 1,0
Deutschland: 831 Erkrankungen, Inzidenz 1,0
Infektionen durch das Hepatitis A-Virus verursachen eine akute Leberentzündung. Deutschlandweit wurden in den vergangenen Jahren zwischen 1.000 bis 2.000 Neuerkrankungen
gemeldet (hohe Dunkelziffer). Das mit dem Stuhl ausgeschiedene Virus wird über fäkal kontaminierte Lebensmittel (z. B. Meeresfrüchte) und verunreinigtes Trinkwasser, aber auch
durch Schmierinfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Da in Regionen, wo der Hygienestandard niedrig ist, mit einer höheren Infektionsgefährdung gerechnet werden muss, sind
Hepatitis A-Erkrankungen reisemedizinisch von Bedeutung. Nach einer Inkubationszeit von
ca. 2 bis 6 Wochen kommt es zu Magen-Darmbeschwerden, Appetitlosigkeit, Übelkeit,
Durchfällen und Dunkelfärbung des Urins sowie Druckschmerz im Oberbauch; bei etwa der
Hälfte der Betroffenen entwickelt sich ein Ikterus (Gelbfärbung der Augen und der Haut).
Besonders bei Kindern kommt es vor, dass die Hepatitis-Infektion asymptomatisch verläuft.
Die Prognose einer Hepatitis A-Erkrankung ist gut; nach ca. 3 bis 6 Wochen heilt sie aus und
hinterlässt eine lebenslange Immunität. Komplikationen betreffen vor allem Patienten mit
vorgeschädigter Leber. Aufgrund der vielfältigen Ansteckungsmöglichkeiten ist ein effektiver
Schutz vor allem durch die strikte Einhaltung von Hygienemaßnahmen zu erreichen. Gegen
Hepatitis A gibt es eine wirksame Schutzimpfung, sie ist die wichtigste Reiseimpfung.
Die Anzahl der Erkrankungen durch das Hepatitis A-Virus ging im Berichtsjahr in Thüringen
im Vergleich zum Vorjahr (26 E) geringfügig zurück (Abb. 29). Die Inzidenz in Thüringen entsprach somit dem bundesweiten Niveau.
45
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 29: Hepatitis A-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
Aus elf Landkreisen und zwei Städten wurden 22 Infektionen mit dem Hepatitis A-Virus
übermittelt. Dabei handelte es sich um Einzelfälle, deren Ursachen größtenteils nicht eruiert
werden konnten. Nur vier Erkrankungen standen mit Auslandsaufenthalten in Ägypten (2 E),
Indien und Kirgistan (je 1 E) in Zusammenhang.
Betroffen waren zwei 15-jährige Jugendliche sowie elf Männer und neun Frauen zwischen 23
und 85 Jahren. Auffallend war, wie auch schon in den vergangenen Jahren, der hohe Anteil
älterer Patienten (Altersgruppe 60 Jahre und älter), auf die mehr als die Hälfte aller Erkrankungen entfiel (Tab. 13, Abb. 30).
Vier Infektionen wurden im Rahmen der routinemäßigen Untersuchungen bei Krankenhausaufnahmen erfasst. Die Betroffenen wiesen keine Hepatitis-spezifische Symptomatik auf. Bei
solchen Fällen könnte es sich auch um unspezifische Reaktionen des zur Diagnostik verwendeten IgM-Antikörper-ELISAs handeln. Diese Tests sind eigentlich nicht für den Einsatz
als Screening-Tests bei asymptomatischen Personen gedacht.
Alle Erkrankten waren ungeimpft. Neun Patienten mussten aufgrund der vorliegenden Symptomatik stationär behandelt werden.
46
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Tabelle 13: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Hepatitis A 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
0
0
0
0,00
1 bis 4
0
0
0
0,00
5 bis 9
0
0
0
0,00
10 bis 14
0
0
0
0,00
15 bis 19
1
1
2
2,91
20 bis 24
1
0
1
0,77
25 bis 29
1
0
1
0,72
30 bis 39
1
2
3
1,21
40 bis 49
0
0
0
0,00
50 bis 59
1
1
2
0,54
60 bis 69
3
1
4
1,47
70 und älter
4
5
9
2,30
gesamt
12
10
22
0,99
Abbildung 30: Verteilung der übermittelten Hepatitis A-Infektionen nach Altersgruppen und
Geschlecht, Inzidenz Thüringen 2012
47
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
6.2
Akute Hepatitis B
Thüringen: 16 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, Inzidenz 0,7
Deutschland: 679 Erkrankungen, Inzidenz 0,8
Hepatitis B ist eine der häufigsten weltweit vorkommenden Virus-Infektionen und wird durch
das Hepatitis B-Virus über Blut und andere Köperflüssigkeiten von Mensch zu Mensch übertragen. Die meisten Infektionen verlaufen anikterisch oder asymptomatisch. Nur bei einem
Drittel der Infizierten zeigen sich nach einer Inkubationszeit von ca. 2 bis 6 Monaten Symptome wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Oberbauchbeschwerden sowie
Fieber und Gelenkschmerzen; später kann sich ein Ikterus (Gelbfärbung von Augen und
Haut) einstellen. Die Mehrzahl der Infektionen verläuft akut und heilt nach 4 bis 6 Monaten
aus. Bei 5 - 10 % der betroffenen Erwachsenen geht die Infektion in eine chronische Verlaufsform über mit dem Risiko, später eine Leberzirrhose oder ein Leberzellkarzinom zu entwickeln. Hepatitis B-Virusträger bleiben dauerhaft infektiös. Die Infektiosität eines Virusträgers ist abhängig von der Viruslast im Blut. Bei hochvirämischen Trägern finden sich Viren
auch im Urin, im Speichel, in der Samenflüssigkeit, in Galle und in der Muttermilch. In
Deutschland sind die sexuelle Übertragung, das gemeinsame Nutzen von Nadeln bei i.v.Drogenkonsumenten oder ungenügend gereinigtes und desinfiziertes Instrumentarium beim
Piercen oder Tätowieren die wichtigsten Infektionsquellen. Die Schutzimpfung gegen Hepatitis B, eine Standardimpfung im Kleinkindalter, ist die wichtigste und effektivste Präventionsmaßnahme.
Nachdem in den Berichtsjahren 2010 und 2011 in Thüringen überaus deutliche Rückgänge
der Erkrankungszahlen an akuter Hepatitis B verzeichnet wurden, setzte sich dieser Trend
im aktuellen Berichtsjahr nicht fort (Abb. 31). So wurde 2012 ein Anstieg der Anzahl der
übermittelten akuten Infektionen mit dem Hepatitis B-Virus um 45 % beobachtet und damit
wieder das Niveau des Jahres 2010 erreicht. Die mit 0,8 Erkrankungen/100.000 Einwohner
angegebene bundesweite Inzidenz wurde nur geringfügig unterschritten.
48
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 31: Hepatitis B-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
Die Erkrankungen wurden aus sieben Landkreisen und drei kreisfreien Städten Thüringens
übermittelt. Es erkrankten deutlich mehr Männer (n=12) als Frauen (n=4), ein Trend, der bereits seit einigen Jahren auch bundesweit zu beobachten war. Die Patienten befanden sich
im Alter von 25 bis 86 Jahren und waren ungeimpft (Tab. 14, Abb. 32). Bei den erkrankten
Personen handelte es sich mit Ausnahme eines in Thüringen lebenden Mannes aus Tansania um deutsche Staatsbürger ohne Migrationshintergrund. Neun Erkrankte mussten stationär behandelt werden.
Als vermutliche Infektionsursachen bzw. -risiken konnten eruiert werden (Mehrfachnennungen möglich):
• Operationen/Transfusionen:
2x
• Kontakt zu HBc-Virusträgern:
2x
• i.v. Drogengebrauch
1x
• Diabetes mellitus (insulinpflichtig)
1x
• medizinische Behandlungen im Ausland:
1x
• unbekannt:
10 x
49
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Tabelle 14: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Akute Hepatitis B 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
Inzidenz
gesamt
<1
0
0
0
0,00
1 bis 4
0
0
0
0,00
5 bis 9
0
0
0
0,00
10 bis 14
0
0
0
0,00
15 bis 19
0
0
0
0,00
20 bis 24
0
0
0
0,00
25 bis 29
1
0
1
0,72
30 bis 39
4
0
4
1,61
40 bis 49
2
1
3
0,86
50 bis 59
2
0
2
0,54
60 bis 69
1
1
2
0,74
70 und älter
2
2
4
1,02
gesamt
12
4
16
0,72
Abbildung 32: Verteilung der übermittelten akuten Hepatitis B-Erkrankungen nach Altersgruppen und
Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012
Sterbefall:
Ein 74-jähriger multimorbider Mann aus dem Landkreis Altenburger Land verstarb laut Totenschein an einer akuten Hepatitis B-Infektion.
50
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
6.3
Hepatitis C
Thüringen: 110 Erkrankungen, Inzidenz 5,0
Deutschland: 4.982 Erkrankungen, Inzidenz 6,1
Diese Leberentzündung wird durch das Hepatitis C-Virus hervorgerufen. Etwa 3 % der Weltbevölkerung und ungefähr 1 % der Deutschen sind mit dem Virus infiziert. Charakteristisch
für eine Hepatitis C-Infektion, die früher als Hepatitis NonA/NonB bezeichnet wurde, ist die
hohe Rate der Chronifizierung (bis 80 %), die zu schweren Leberschädigungen wie Leberzirrhose und Leberzellkarzinom führen kann. Die Übertragung der Infektion erfolgt in erster Linie über erregerhaltiges Blut, seltener durch andere Körperflüssigkeiten, sodass eine Übertragung durch Intimkontakte oder beim Stillen von untergeordneter Bedeutung ist. Der Verlauf der akuten Erkrankung ist mild und wird oft als vermeintlich grippaler Infekt gedeutet. Da
es keine spezifischen Symptome gibt, die auf diese Erkrankung hindeuten, wird eine Hepatitis C oft nur durch Zufall entdeckt. Während ein Teil der Erkrankungen ohne bleibende
Schäden ausheilt, nimmt der überwiegende Teil einen chronischen Verlauf mit der Gefahr
schwerwiegender Leberschädigungen als Spätfolgen. Eine Therapie ist nur in eingeschränkter Form möglich. Eine Schutzimpfung gegen Hepatitis C steht derzeit nicht zur Verfügung.
Nach einer 2011 verzeichneten stark rückläufigen Inzidenz der erstdiagnostizierten Hepatitis
C-Infektionen in Thüringen war 2012 wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen (Abb. 33).
Abbildung 33: Erstmalig erhobene Hepatitis C-Labornachweise, Inzidenz in Thüringen und
Deutschland 2003 – 2012
51
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Betroffen waren 67 Männer und 43 Frauen im Alter von 19 bis 87 Jahren aus allen Städten
und Landkreisen Thüringens (Tab. 15, Abb. 34). Die weitaus höchste Inzidenz wurden bei
Erwachsenen in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen (Inz. 11,4) erfasst. Männer im Alter
zwischen 20 und 49 Jahren erkrankten dabei wesentlich häufiger als Frauen desselben Alters. Bei 35 Erkrankten war eine stationäre Behandlung erforderlich; in zwei Fällen wurde
eine Leberzirrhose diagnostiziert.
Tabelle 15: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Hepatitis C 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
0
0
0
0,00
1 bis 4
0
0
0
0,00
5 bis 9
0
0
0
0,00
10 bis 14
0
0
0
0,00
15 bis 19
0
1
1
1,45
20 bis 24
6
2
8
6,15
25 bis 29
7
2
9
6,47
30 bis 39
29
4
33
13,26
40 bis 49
11
7
18
5,17
50 bis 59
4
7
11
2,97
60 bis 69
3
7
10
3,68
70 und älter
7
13
20
5,10
gesamt
67
43
110
4,95
Abbildung 34: Verteilung der erstmalig erhobenen Hepatitis C-Labornachweise nach Altersgruppen
und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012
52
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Unter den Patienten befanden sich vierzehn Spätaussiedler aus Russland, der Ukraine, Usbekistan und Kasachstan, vier Asylbewerber aus Aserbaidschan, Russland und Indien sowie
vier in Deutschland lebende Ausländer aus Italien, Rumänien, Pakistan und Palästina.
Als vermutliche Infektionsursachen bzw. -risiken wurden eruiert (Mehrfachnennungen möglich):
• Drogengebrauch, intravenös
38 x
• Operationen/Transfusionen
29 x
• Tätowierung/Piercing
6x
• Kontakt zu Hepatitis C-Virusträgern
5x
• medizinische Behandlung im Ausland
6x
• berufliche Exposition
3x
• Dialyse
4x
• HIV-Koinfektion
2x
• Homosexualität
2x
• Hämophilie
1x
Bei dreißig Erkrankten konnte keine potentielle Infektionsursache gefunden werden.
Nur siebzehn Patienten wiesen eine ausgeprägte Hepatitis-Symptomatik auf, sodass die
aufgrund des Krankheitsbildes erfolgten differenzialdiagnostischen Untersuchungen zur
Diagnosestellung führten.
Bei allen anderen erstmalig erhobenen Hepatitis C-Virusnachweisen handelte es sich um
Zufallsbefunde serologischer bzw. molekularbiologischer Untersuchungen, die aus den
nachstehend aufgeführten Gründen veranlasst worden waren:
• Routineuntersuchungen bei Hausärzten ö. ä.:
31 x
• Routineuntersuchungen bei Krankenhausaufnahmen:
34 x
• Drogenentzug:
11 x
• Blutspende:
7x
• Aufnahmeuntersuchungen JVA/Maßregelvollzug:
5x
• Umgebungsuntersuchungen:
3x
• arbeitsmedizinische Untersuchung:
1x
• vorbereitende Untersuchungen vor einer Dialyse:
1x
6.4
Hepatitis E
Thüringen: 14 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall,
4 Erregernachweise ohne Symptomatik, Inzidenz 0,6
Deutschland: 387 Erkrankungen, Inzidenz 0,5
Diese virale Hepatitis des Menschen wird durch das Hepatitis E-Virus ausgelöst. Der Übertragungsweg ist fäkal-oral über Schmier- oder Kontaktinfektion bzw. über kontaminiertes
Wasser. Während die Erkrankung in Südostasien epidemische Ausmaße annimmt, tritt sie in
Mitteleuropa nur vereinzelt auf, entweder als reiseassoziierte Erkrankung (insbesondere
nach Aufenthalten in Indien und Afrika) oder sporadisch, wobei hier als Infektionsquelle der
Verzehr von nicht vollständig durchgegartem Fleisch von Wildschwein, Hirsch, aber auch
Hausschwein (Schweineleber) vermutet wird. Ein großer Teil der Infektionen verläuft
symptomlos oder sehr mild. Sofern sich nach einer Inkubationszeit von 2 bis 8 Wochen
Symptome zeigen, gleichen sie denen einer Hepatitis A (Gelbsucht, Fieber, Müdigkeit). Besonders gefährdet sind Patienten, bei denen bereits eine Leberschädigung vorliegt. In den
53
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Entwicklungsländern haben Schwangere eine hohe HEV-assoziierte Letalität. Eine Schutzimpfung gegen die Hepatitis E ist in Entwicklung.
Nachdem 2011 ein Rückgang der Anzahl der Hepatitis E-Infektionen gegenüber dem Vorjahr
zu verzeichnen gewesen war, stieg deren Zahl im Berichtsjahr wieder deutlich an. Sowohl in
Thüringen als auch bundesweit wurden die höchsten Inzidenzen seit Einführung des IfSG
erreicht. Bundesweit ließ sich eine kontinuierliche Zunahme der jährlichen Fallzahlen von ca.
fünfzig gemeldeten Fällen in den Jahren 2004 bis 2006, über etwas mehr als 200 Fälle in
den Jahren 2010 und 2011 auf nahezu 400 Fälle im aktuellen Berichtsjahr beobachten
(Abb. 35).
Abbildung 35: Verteilung der Hepatitis E-Infektionen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz,
Thüringen 2012
In Thüringen waren acht Männer und sechs Frauen im Alter von 28 bis 85 Jahren aus den
Landkreisen Schmalkalden-Meiningen (6 E), Weimarer Land und Unstrut-Hainich-Kreis (je
2 E) sowie aus dem Landkreis Gotha, dem Wartburgkreis und den kreisfreien Städten Erfurt
und Gera (je 1 E) betroffen. Im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen wurde bei vier weiteren Personen im familiären Umfeld der Patienten eine Hepatitis E-Infektion labordiagnostisch gesichert, ohne dass eine Symptomatik aufgetreten war.
Serologisch bzw. molekularbiologisch wurde in allen Fällen eine Hepatitis E-Infektion bestätigt (Nachweis von Anti-HEV-IgM bzw. Nukleinsäurenachweis). Bei den Erkrankungen, die
über das ganze Jahr verteilt aufgetreten waren, handelte es sich um Einzelfälle. Zwei Patienten hatten sich vermutlich während eines Aufenthaltes in China bzw. Kroatien infiziert. Bei
allen anderen Erkrankten ließen sich trotz intensiver Ermittlungen der zuständigen Gesundheitsämter keine Infektionsquellen eruieren.
54
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Sterbefall:
Ein 67-jähriger Mann, der sich in der Inkubationszeit in China aufgehalten hatte, war nach
seiner Rückkehr nach Deutschland mit Ikterus erkrankt und verstarb infolge der HEVInfektion an akutem Leberversagen.
7
Influenza
Thüringen: 1.627 Erkrankungen, davon 3 Sterbefälle, Inzidenz 72,8
Deutschland: 43.764 Erkrankungen, Inzidenz 53,5
Die Influenza (Virusgrippe) wird durch Influenzaviren der Typen A, B und C verursacht, sie
sind weltweit verbreitet. In der Bevölkerung zirkulieren während der saisonalen Influenzawellen seit Jahrzehnten in unterschiedlichem Ausmaß Influenza A-Viren der Subtypen H3N2
und H1N1 sowie Influenza B-Viren der Victoria- oder Yamagata-Linie. Influenzaviren des
Typs C sind selten und die Erkrankungen haben meist nur geringe Symptomatik. Die Influenza-Viren sind ständigen genetischen Änderungen unterworfen, sodass jährlich die Impfstoffzusammensetzung angepasst werden muss.
Die Infektion erfolgt über Tröpfcheninfektion oder indirekt über kontaminierte Oberflächen
und Hände auf die Schleimhäute des Nasen-Rachenraums. Die Inkubationszeit beträgt
durchschnittlich 1 - 2 Tage. Die Ansteckungsfähigkeit beginnt kurz vor Ausbruch der Erkrankung und hält bis zu einer Woche an. Die Erkrankung beginnt plötzlich mit hohem Fieber,
starkem Krankheitsgefühl, Hals-, Muskel-, Glieder- und Kopfschmerzen sowie Entzündungen
der mittleren und unteren Atemwege.
Gefürchtet sind Komplikationen wie Pneumonie, Myokarditis, Enzephalitis, Neuritis und Parese. Vorbestehende Grundleiden können sich erheblich verschlechtern. Ebenso ist ein
Astheniesyndrom über mehrere Wochen nach einer Infektion möglich. Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Im Einzelfall ist in der Frühphase eine Therapie mit
Neuraminidasehemmern möglich.
Neben der jährlich empfohlenen Influenza-Impfung besteht die Prophylaxe vor allem in der
Einhaltung persönlicher Hygienemaßnahmen (Vermeiden von Anhusten und Anniesen, Händehygiene, ggf. Meiden größerer Menschenansammlungen).
Die epidemiologische Erfassung der Influenza erfolgt anders als bei anderen meldepflichtigen Erkrankungen, nicht kalenderjahresweise, sondern entsprechend dem saisonalen Auftreten. Ab Oktober nimmt die Anzahl der gemeldeten Fälle langsam zu, um im Januar und
Februar stark anzuwachsen. Ihren Höhepunkt erreicht die Welle in der Regel im Februar
oder März, um dann langsam wieder abzuflauen. Eine Influenza-Saison umfasst daher den
Zeitraum von Anfang Oktober bis Mitte April.
In Thüringen wurden im Berichtsjahr 2012 insgesamt 517 Influenza-Erkrankungen registriert.
Dabei entfielen 451 Erkrankungen auf die ersten Monate des Jahres und gehörten somit
noch der Influenza-Saison 2011/2012 an. Weitere drei Erkrankungen wurden in den Sommermonaten, d. h. außerhalb der Influenza-Saison, übermittelt. Die 63 Erkrankungen, die ab
Oktober 2012 zur Meldung gelangten, waren schon der folgenden Influenza-Saison
2012/2013 zugehörig. Für weitere Informationen sei daher an dieser Stelle auf die entsprechenden Influenza-Saisonberichte verwiesen.
https://www.thueringen.de/imperia/md/content/tllv/medizinaluntersuchung/d31/influenzasaison2012.pd
f
https://www.thueringen.de/imperia/md/content/tllv/medizinaluntersuchung/d31/infuenzabericht_2012_2
013_neu.pdf
55
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
8
Tuberkulose
Thüringen: 75 Erkrankungen, davon 5 Sterbefälle, Inzidenz 3,4
Deutschland: 4.228 Erkrankungen, Inzidenz 5,2
Tuberkulose ist weltweit die am häufigsten zum Tode führende behandelbare Infektionskrankheit. Jedes Jahr sterben daran fast zwei Millionen Menschen, acht bis neun Millionen
erkranken neu. Hervorgerufen wird die Tuberkulose durch Erreger des Mycobacterium
tuberculosis-Komplexes (M. tuberculosis, M. africanum, M. bovis, M. microti, M. canetti). Die
Übertragung der Erreger erfolgt aerogen von Mensch zu Mensch.
Weltweit ist ein Drittel aller Menschen mit Tuberkulose infiziert. Jedoch erkranken in Abhängigkeit von Zahl und Virulenz der Tuberkulosebakterien sowie der Immunkompetenz nur 3
bis 10 % der Infizierten im Laufe ihres Lebens. Unter- oder Mangelernährung, schlechte hygienische Lebensumstände und eine Schwächung des Immunsystems, wie z. B. durch
HIV/AIDS, fördern den Ausbruch einer Tuberkulose.
Sorge bereitet vor allem auch die Verbreitung von multiresistenten Tuberkulosestämmen
(MDR-Tuberkulose) und das Vorkommen von extensiv resistenten Erregern (XDRTuberkulose).
Die Brennpunkte der MDR- und XDR-Tuberkulose befinden sich in den Ländern der früheren
Sowjetunion (GUS) und in China. Aufgrund der hohen Mobilität der Menschen durch Reiseerleichterungen, Migration und moderne Transportmittel kommt es auch zur Einschleppung
solcher multiresistenter Erreger nach Deutschland.
Im Jahr 2012 gelangten in Thüringen 75 Neuerkrankungen an Tuberkulose zur Meldung.
Das entspricht einer Inzidenz von 3,4 Erkrankungen/100.000 Einwohner. Somit war ein leichter Anstieg um 7 % gegenüber dem Jahr 2011, in dem 70 Neuerkrankungen registriert worden waren, zu verzeichnen. Die bereits seit Jahren zu beobachtende rückläufige Tendenz
setzte sich somit in diesem Berichtsjahr nicht fort, trotzdem lag die Inzidenz in Thüringen, wie
auch schon in den vergangenen Jahren, deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt.
Fünf an Tuberkulose erkrankte Patienten verstarben 2012 in Thüringen infolge dieser Infektionskrankheit. Dies entspricht einer Mortalität von 0,2 Sterbefällen/100.000 Einwohner. Die
Letalität lag bei 7 %.
Bundesweit wurde hingegen im Berichtszeitraum mit 4.228 Erkrankungen (Inzidenz 5,2) ein
minimaler Rückgang um 1,7 % gegenüber dem Vorjahr (4.302 Erkrankungen) beobachtet.
Ausführliche Informationen zur Tuberkulose 2012 in Thüringen können dem aktuellen Tuberkulose-Jahresbericht 2012 entnommen werden.
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tllv/abteilung3/d31/jahresbericht_tuberkulose_2012.pdf
56
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
9
9.1
Seltene übertragbare Krankheiten
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Thüringen: 7 Erkrankungen, davon 5 Sterbefälle, Inzidenz 0,32
Deutschland: 120 Erkrankungen, Inzidenz 0,15
Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) ist eine beim Menschen sehr selten auftretende, tödlich verlaufende sog. transmissible spongioforme Enzephalopathie (deutsch „übertragbares
schwammartiges Hirnleiden“). An ihr sterben in Deutschland jährlich etwa 80 bis 90 vorwiegend ältere Menschen, Frauen sind dabei deutlich häufiger betroffen als Männer. Als Ursache der CJK werden falsch gefaltete infektiöse Proteine (Prionen) im Gehirn angesehen. Die
Nervenzellen werden zunehmend in ihrer Funktion gestört, bis es schließlich zum Zelltod und
damit vollständigem Erliegen aller Hirnfunktionen kommt. Die Erkrankung beginnt schleichend und kann mehrere Wochen bis mehr als zwei Jahre dauern. Durch die fortschreitende
Degeneration des Gehirns verliert der Betroffene unaufhaltsam seine geistigen und motorischen Fähigkeiten (Gedächtnisdefizite, Störungen in Bewegung und Wahrnehmung, Persönlichkeitsveränderungen, Verwirrtheit bis hin zur Demenz). Im Endstadium kommt es zur Bewusstlosigkeit und Bewegungsstarre. Derzeit stehen weder eine spezifische Therapie noch
eine Impfung gegen CJK zur Verfügung.
Es werden sporadisch auftretende Erkrankungen, iatrogen verursachte Fälle und familiär
vererbliche Formen unterschieden. Die letzteren sind nicht meldepflichtig. Außerdem ist seit
Ende des vorigen Jahrhunderts eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (kurz
vCJK) bekannt, an der insbesondere jüngere Menschen aus verschiedenen Ländern Europas, vor allem aus Großbritannien, Irland, Frankreich verstarben. Sie steht mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem Auftreten einer Enzephalopathie bei Rindern (BSE) in Zusammenhang. In Deutschland wurde bisher noch kein Fall dieser neuen Variante diagnostiziert.
In Thüringen wurden im aktuellen Berichtsjahr, wie auch schon im Vorjahr, sieben Erkrankungen an CJK übermittelt. Die Thüringer Inzidenz lag somit wiederum nahezu doppelt so
hoch wie der Bundesdurchschnitt. Bei den erkrankten Personen handelte es sich um vier
Männer und drei Frauen im Alter zwischen 59 und 82 Jahren.
Betroffen waren:
• ein 59-jähriger Mann aus dem Landkreis Eichsfeld, erkrankt im Januar 2012,
• eine 64-jährige Frau aus dem Landkreis Hildburghausen, erkrankt 2011, verstorben
am 24.03.2012,
Todesursache laut Totenschein: Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
• eine 73-jährige Frau aus dem Wartburgkreis, erkrankt im Oktober 2011, verstorben
am 08.05.2012,
Todesursache laut Totenschein: Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
• ein 71-jähriger Mann aus dem Saale-Holzland-Kreis, erkrankt im November 2011,
verstorben am 17.07.2012,
Todesursache laut Totenschein: Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
• eine 82-jährige Frau aus Erfurt, erkrankt im Mai 2012, verstorben am 01.07.2012,
Todesursache laut Totenschein: Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, Herzinsuffizienz
• ein 60-jähriger Mann aus dem Wartburgkreis, erkrankt im Oktober 2011,
• ein 80-jähriger Mann aus Suhl, erkrankt 2011, verstorben am 13.08.2012,
Todesursache lt. Totenschein: Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Bei allen Patienten fiel zunächst eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes, teilweise
verbunden mit fortschreitender Demenz, Apathie und Wahnvorstellungen, auf. Im Rahmen
der differenzialdiagnostischen Untersuchungen wurde die Diagnose einer sporadischen
57
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Form der CJK aufgrund des klinischen Bildes und des Nachweises von typischen sharpwave-Komplexen im EEG und/oder 14-3-3-Proteinen im Blut gestellt. Die Ermittlungen erbrachten bei keinem der Patienten Hinweise auf ein bestimmtes Infektionsrisiko (familiär,
berufs- oder ernährungsbedingt).
Im Rahmen der in einem Fall durchgeführten Sektion wurde durch das Nationale Referenzzentrum für Spongiforme Enzephalopathien Göttingen neuropathologisch das Vorliegen einer Creutzfeld-Jakob-Erkrankung bestätigt.
9.2
Dengue-Fieber
Thüringen: 13 Erkrankungen, Inzidenz 0,6
Deutschland: 615 Erkrankungen, Inzidenz 0,8
Diese durch das Dengue-Virus verursachte Infektion wird in tropischen und subtropischen
Regionen durch den Stich bestimmter Moskitoarten der Gattung Aedes auf den Menschen
übertragen. Hauptverbreitungsgebiete sind Südostasien, Indien, Zentralafrika und Lateinamerika. Die in Deutschland erfassten Denguefieber-Erkrankungen (etwa 100 - 200 pro
Jahr) sind reiseassoziiert und stehen mit einem Aufenthalt in o. g. Regionen in Verbindung.
Es gibt verschiedene Verlaufsformen. Die mildere, klassische Form ist durch grippeähnliche
Symptomatik mit hohem Fieber (bis 41 °C), Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen sowie
schweren Erschöpfungszuständen, bisweilen auch Hautausschlägen, charakterisiert. Nach
etwa zwei Wochen heilt sie in der Regel komplikationslos aus. Eine weitere, sehr schwerwiegende Variante, die oft einen tödlichen Verlauf nimmt, tritt in Form des DengueHämorrhagischen Fiebers auf. Zunächst wie die klassische Form beginnend, verschlechtert
sich der Zustand des Betroffenen zunehmend, es kommt zu inneren und äußeren Blutungen
bis hin zum lebensbedrohlichen Schocksyndrom. Es gibt keine spezifische Therapie, ein
Impfstoff ist in Entwicklung.
Nachdem 2011 gegenüber dem Vorjahr ein deutlicher Rückgang der Erkrankungen an Dengue-Fieber zu verzeichnen gewesen war, wurde 2012 mit 13 Erkrankungen wieder das Niveau des Jahres 2010 erreicht. Dieser Trend zeichnete sich auch bundesweit ab. Mit 615
Erkrankungen wurde nicht nur die Fallzahl des Vorjahres (288 E) mehr als verdoppelt, sondern auch ein Anstieg um 3 % gegenüber dem Jahr 2010 (595 E) verzeichnet und somit die
höchste Fallzahl seit Einführung des IfSG im Jahr 2001 erreicht.
In Thüringen erkrankten im Berichtsjahr acht Männer und fünf Frauen im Alter zwischen 23
und 68 Jahren. Als Infektionsländer wurden Thailand (5 x), die Malediven (4 x), Nicaragua
(2 x), die Dominikanische Republik (1 x) und Sri Lanka (1 x) genannt. Alle Infektionen wurden labordiagnostisch bestätigt (Nachweis von IgM-Antikörpern gegen Denguevirus bzw.
Nachweis des NS1-Antigens mittels ELISA). Hämorrhagische Verläufe traten nicht auf.
9.3
Haemophilus influenzae, invasive Erkrankung
Thüringen: 7 Erkrankungen, Inzidenz 0,3
Deutschland: 323 Erkrankungen, Inzidenz 0,4
Erkrankungen durch das Bakterium Haemophilus influenzae vom Typ b (Hib) zählen zu den
schwersten bakteriellen Infektionen im Kleinkindalter. Der Erreger, der nur beim Menschen
58
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
vorkommt, besiedelt vor allem die Schleimhäute der oberen Atemwege und wird über Tröpfcheninfektion weiterverbreitet. Kleinkinder und Personen mit eingeschränkter Milzfunktion
bzw. entfernter Milz haben ein besonders hohes Risiko zu erkranken. Nach einer Inkubationszeit von zwei bis fünf Tagen kommt es zu einem fieberhaften Infekt des NasenRachenraumes, der mit Mittelohr-, Nasennebenhöhlen- und Lungenentzündung einhergehen
kann. Gefürchtete Komplikationen sind die Hib-Meningitis, die nach Defektheilung oft zu
bleibenden Hörschäden, Sehstörungen oder schweren geistigen Behinderungen führt, sowie
die plötzlich einsetzende Kehldeckelentzündung (Epiglottitis), die mit Erstickungsanfällen
verbunden sein kann. Unbehandelt sterben etwa 60 bis 90 % der Erkrankten; auch bei rechtzeitiger Antibiotika-Therapie ist die Sterberate mit bis zu 5 % immer noch hoch. Gegen die
Infektion steht eine wirksame Schutzimpfung im Säuglings- bzw. Kleinkindalter zur Verfügung.
Mit sieben durch Haemophilus influenzae verursachten invasiven Erkrankungen wurde 2012
ein Anstieg der Fallzahlen auf mehr als das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr (3 E) erreicht. Seit 2001 waren in Thüringen jährlich zwischen zwei und vier Erkrankungen erfasst
worden. Auch bundesweit wurden die höchsten Fallzahlen seit Einführung der Meldepflicht
erreicht.
Bei den Erkrankten handelte es sich um einen einjährigen Jungen, der regelrecht geimpft
war, sowie sechs ungeimpfte Erwachsene (drei Männer, drei Frauen) im Alter zwischen 30
und 82 Jahren. In allen Fällen gelang die Isolierung von Haemophilus influenzae aus der
Blutkultur. Eine Serotypisierung war jedoch nur in einem Fall eines ungeimpften Patienten
erfolgt und erbrachte den Nachweis des impfpräventablen Kapseltyps B.
9.4
Hantavirus-Erkrankung
Thüringen: 73 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, Inzidenz 3,3
Deutschland: 2.822 Erkrankungen, Inzidenz 3,4
Hantaviren sind weltweit verbreitet und verursachen in Abhängigkeit vom jeweils beteiligten
Virustyp Krankheitsbilder mit unterschiedlichem Schweregrad, einschließlich hämorrhagischer Verläufe. Der Mensch infiziert sich über den Speichel und die Ausscheidungen von
infizierten Ratten und Mäusen über das Einatmen virushaltiger Aerosole, durch Kontakt der
verletzten Haut mit kontaminiertem Staub oder durch Biss der infizierten Nager. In Deutschland manifestiert sich die Hantavirus-Infektion in der Regel als milde Verlaufsform. Das
Krankheitsbild wird bestimmt durch hohes Fieber, Myalgien, Kopfschmerzen und gastrointestinale Beschwerden. Es kann jedoch auch zu Blutungen des Magen-Darm-Traktes und des
Gehirns oder zu akutem Nierenversagen kommen. Eine Vielzahl der Hantavirus-Infektionen
verläuft asymptomatisch oder mit unspezifischen Krankheitszeichen. Die Therapie erfolgt
symptomatisch, bei Notwendigkeit intensivmedizinisch. Eine Impfung ist nicht verfügbar. Die
Bekämpfung von Ratten und Mäusen sowie persönliche Schutzmaßnahmen wie das Tragen
von Handschuhen sind die effektivsten Präventionsmaßnahmen.
Wie die Zahlen der vergangenen Jahre zeigen, variiert die Anzahl der durch Hantaviren hervorgerufenen Erkrankungen von Jahr zu Jahr erheblich. Ursache hierfür ist die Dichte der
Nagetierpopulationen, die das Reservoir für Hantaviren bilden. Eine Zunahme der Populationsdichte tritt in mehrjährigen Zyklen auf und wird u. a. durch klimatische Faktoren sowie
das Nahrungsangebot (Buchenmast im jeweiligen Vorjahr) beeinflusst. In besonders mäusereichen Jahren mit reichhaltigem Futterangebot und nach einem milden Winter ist die Infektionsgefahr daher am größten. Erkrankungen treten das ganze Jahr über auf, am häufigsten
aber von Mai bis September.
59
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Nachdem 2011 bei der Anzahl der Hantavirus-Infektionen sowohl bundesweit als auch in
Thüringen ein überaus deutlicher Rückgang um 85 % bzw. 94 % zu beobachten war, wurde
2012 wieder ein sprunghafter Anstieg der Fallzahlen registriert (Abb. 36).
Im Berichtsjahr kam es, wie auch schon in den Jahren 2005, 2007 und 2010, zu einer massenhaften Vermehrung von Wühlmausarten, zu denen auch die Rötelmaus als Überträger
der für Deutschland relevanten Hantavirus-Spezies Puumala gehört.
Abbildung 36: Hantavirus-Infektionen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012
In Thüringen traten die Erkrankungen hauptsächlich in den Monaten Mai bis September auf,
wobei der Erkrankungsgipfel bereits im Mai mit 18 Erkrankungen erreicht war (Abb. 37).
Abbildung 37: Hantavirus-Infektionen in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Monaten
60
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Erkrankt waren ein 12-jähriger Junge, eine 16-jährige Jugendliche sowie 51 Männer und 20
Frauen im Alter zwischen 21 und 78 Jahren. Die höchste Inzidenz wurde in der Altersgruppe
der 25- bis 29-Jährigen (Inz. 8,6) registriert. Insgesamt erkrankten deutlich mehr Männer als
Frauen (Tab.19, Abb. 38).
Bei 51 Erkrankten (70 %) war eine stationäre Behandlung erforderlich. Die Patienten erkrankten überwiegend mit Fieber, Dyspnoe sowie Kopf- und Gliederschmerzen. In 33 Fällen
(45 % aller Erkrankten) lag eine Nierenfunktionsstörung vor. Hämorrhagische Verläufe traten
nicht auf.
Für alle Erkrankungen wurden labordiagnostische Bestätigungen erbracht (Nachweis von
IgG- und IgM-Antikörpern im Serum). Dabei wurden in 38 Fällen Antikörper gegen PuumalaVirus und in einem Fall gegen Dobrava-Virus nachgewiesen. Bei 34 Fällen wurden die Antikörper gegen Hantaviren nicht weiter differenziert.
Tabelle 19: Altersgruppenverteilung – Hantavirus-Erkrankungen 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
0
0
0
0,00
1 bis 4
0
0
0
0,00
5 bis 9
0
0
0
0,00
10 bis 14
1
0
1
1,22
15 bis 19
0
1
1
1,45
20 bis 24
3
2
5
3,85
25 bis 29
9
3
12
8,63
30 bis 39
13
4
17
6,83
40 bis 49
14
3
17
4,88
50 bis 59
8
3
11
2,97
60 bis 69
4
2
6
2,21
70 und älter
0
3
3
0,77
gesamt
52
21
73
3,29
61
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 38: Verteilung der Hantavirus-Infektionen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz,
Thüringen 2012
Von 66 Thüringer Patienten lagen Angaben zur möglichen Infektionsursache vor. Am häufigsten wurden forst- oder landwirtschaftliche Tätigkeiten einschließlich Gartenarbeiten (43 x)
und Wohnen auf dem Land bzw. in Waldnähe (17 x) genannt. Aber auch Aufenthalt in der
Natur (11 x) sowie Aufräum- und Reinigungsarbeiten (8 x) kamen wiederholt als Infektionsursache in Frage. Mehrfachnennungen waren möglich (Abb. 39).
Forst- und landwirtschaftliche Tätigkeit, Gartenarbeit
Wohnen auf dem Land bzw. in Waldnähe
Aufenthalt in der Natur, Spaziergänge
Aufräum- und Reinigungsarbeiten (Dachböden, Schuppen, Ställe)
Abriss-, Bau- und Renovierungsarbeiten
Abbildung 39: Anzahl der Hantaviruserkrankungen nach Exposition, Thüringen 2012
62
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Insgesamt fiel auf, dass sich die Wohnorte der Erkrankten überwiegend in der Nähe von
Laub- bzw. Mischwaldgebieten im Westen Thüringens nahe der hessischen Landesgrenze
befanden. Diese Gebiete stellen ein bevorzugtes Habitat der Rötelmaus dar (Abb. 40).
Abbildung 40: Territoriale Verteilung der Hantavirus-Erkrankungen – Thüringen 2012
Sterbefall:
Ein 63-jähriger Mann aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen, bei dem eine Herzerkrankung bekannt war, verstarb am 30.09.2012 laut Totenschein an einer HantavirusInfektion. Als Infektionsursache wurden Kompostarbeiten im eigenen Garten angesehen.
9.5
Legionellose
Thüringen: 23 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, Inzidenz 1,0
Deutschland: 655 Erkrankungen, Inzidenz 0,8
Diese Atemwegserkrankung wird durch Bakterien aus der Gattung Legionella verursacht; der
mit Abstand häufigste Erreger ist Legionella pneumophila. Die Legionellose tritt hauptsächlich in zwei Verlaufsformen auf. Das seltenere Pontiac-Fieber, für das grippeähnliche Symptome wie Fieber, Husten und Muskelschmerzen charakteristisch sind, nimmt einen milden
63
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Krankheitsverlauf. Die schwerwiegendere Verlaufsform, die Legionärskrankheit, geht zusätzlich mit einer Lungenentzündung einher und kann lebensbedrohlich sein. In Deutschland
werden jährlich etwa 400 bis 500 Erkrankungen an der Legionärskrankheit mit Schwerpunkt
in den Sommer- und Herbstmonaten erfasst. Die Infektion erfolgt über das Einatmen
Legionellen-haltiger Aerosole, die in kontaminierten Klimaanlagen, Raumluftbefeuchtern,
Duschen usw. erzeugt werden. Legionellen vermehren sich im warmen Wasser. Von der
Erkrankung sind insbesondere ältere Menschen oder Personen, deren Immunsystem geschwächt ist bzw. bei denen chronische Grundleiden vorliegen, betroffen. Unbehandelt
kommt es bei 5 - 15 % der Fälle zu letalen Verläufen. Zur Behandlung kommen Antibiotika
zum Einsatz.
Im Berichtsjahr 2012 war in Thüringen ein Anstieg der Anzahl der Legionellosen um 28 %
gegenüber dem Vorjahr zu beobachten gewesen. Auch bundesweit wurde ein Anstieg der
Fallzahlen registriert, der allerdings mit 2 % äußerst gering ausfiel.
Sechs Legionellosen wurden aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen, fünf Erkrankungen aus Erfurt, je drei Fälle aus dem Landkreis Eichsfeld und aus Weimar, zwei Erkrankungen aus dem Landkreis Nordhausen sowie jeweils eine Erkrankung aus Jena, Suhl und dem
Landkreis Altenburger Land übermittelt.
Betroffen waren vierzehn Männer und neun Frauen im Alter zwischen 19 und 95 Jahren,
davon 8 Patienten (33 %) in der Altersgruppe 70 Jahre und älter. Alle Betroffenen waren an
einer Pneumonie mit Husten und Fieber erkrankt. Vierzehn Patienten (58 %) wurden stationär behandelt.
Alle Erkrankungen wurden labordiagnostisch bestätigt:
• Nachweis von Legionella-Antigen im Urin:
11 x
• Nachweis von Antikörpern gegen Legionella pneumophila im Serum mittels IFT: 10 x
• Nachweis von Legionella spp. in Sekreten des Respirationstraktes mittels PCR: 2 x
Fünf Patienten gaben als mögliche Ursache für die Erkrankungen Übernachtungen in Hotels
und Pensionen in einem anderen Bundesland bzw. in Italien, Ungarn und der Türkei an. Ein
weiterer Patient war in einem Abwasserbetrieb in der Schweiz tätig. Bei allen anderen Patienten erbrachten die Ermittlungen der Gesundheitsämter keine Hinweise auf spezielle Expositionsorte. In den entnommenen Wasserproben aus den Haushalten der Patienten ließ sich
keine Kontamination mit Legionellen nachgewiesen.
Sterbefall:
Eine 95-jährige Frau aus Erfurt verstarb am 02.03.2012 laut Totenschein infolge einer
Legionellenpneumonie.
9.6
Leptospirose
Thüringen: 1 Erkrankung, Inzidenz 0,04
Deutschland: 88 Erkrankungen, Inzidenz 0,1
Bei der Leptospirose handelt es sich um eine weltweit verbreitete Zoonose, die durch Bakterien der Gattung Leptospira hervorgerufen wird und hauptsächlich über Nagetiere (Ratten,
Mäuse), aber auch Haustiere (Schweine, Rinder, Ziegen, Hunde, Katzen) sowie Waldtiere
auf den Menschen übertragen wird. Über die Ausscheidungen (Urin) infizierter Tiere gelangen die Erreger in den Boden oder das Wasser. Der Mensch nimmt den Erreger über kleine
Hautverletzungen oder über die Schleimhäute auf, wenn er damit in Kontakt kommt. Die Erkrankung tritt in Abhängigkeit vom beteiligten Erreger in unterschiedlichen Verlaufsformen
auf. Als milde Form nimmt sie einen harmlosen Verlauf und äußert sich dann wie ein grippa64
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
ler Infekt mit Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen. Für die besonders gefährliche, lebensbedrohliche Variante der Leptospirose (Morbus Weil) sind ein Ikterus und verschiedene Komplikationen wie Blutungsneigung, schwere Leber- und Nierenbeteiligung, mitunter auch eine Hirnhautentzündung im Krankheitsverlauf charakteristisch; die Sterblichkeit
kann bis zu 11 % betragen. Zur Behandlung kommen Antibiotika hochdosiert zum Einsatz;
ein Impfstoff ist in Deutschland nicht zugelassen. Die Nagetierbekämpfung gehört zu den
wichtigsten präventiven Maßnahmen.
Mit nur einer im Berichtsjahr erfassten Leptospirose blieb deren Anzahl im Vergleich zum
Vorjahr konstant.
Ein 42-jähriger Mann aus Erfurt wurde am 13.08.2012 mit grippeähnlichen Beschwerden,
Fieber und einer Nierenfunktionsstörung hospitalisiert. Im Serum wurden Antikörper (einmalig deutlich erhöhter Wert) gegen Leptospiren nachgewiesen. Als Infektionsursache wurde
die private Kleintierhaltung des Patienten (Enten, Hühner, Kaninchen) im eigenen Garten
vermutet.
9.7
Listeriose
Thüringen: 17 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, Inzidenz 0,8
Deutschland: 427 Erkrankungen, Inzidenz 0,5
Bakterien der Gattung Listeria sind weltweit verbreitet und kommen ubiquitär in der Umwelt,
aber auch im Darm von Mensch und Tier vor. Der für den Menschen relevanteste Erreger
aus dieser Gattung ist Listeria monocytogenes. Während er bei einem gesunden Menschen
kaum eine Erkrankung auslösen kann und somit eine Infektion meist unbemerkt verläuft, sind
immungeschwächte oder ältere Menschen, aber auch Schwangere gefährdet. Eine
Listeriose äußert sich mit grippeähnlicher Symptomatik wie Fieber, Muskelschmerzen, unter
Umständen auch mit Durchfall und Erbrechen. Als Komplikationen, die auch letal verlaufen
können, sind eitrige Meningitis, Enzephalitis und Sepsis sehr gefürchtet. Bei Schwangeren,
die oft keine oder nur eine unauffällige Symptomatik entwickeln, kann sich die Infektion über
die Plazenta auf das ungeborene Kind übertragen und zu Fehl-, Früh- oder Totgeburten
führen bzw. zu einer Neugeborenen-Listeriose, die durch schwere Krankheitsbilder gekennzeichnet ist. Die Aufnahme des Erregers erfolgt in der Regel über den Verzehr kontaminierter tierischer oder pflanzlicher Lebensmittel, ggf. auch durch gesunde Ausscheider auf fäkaloralem Weg. Gefährdete Personen sollten auf den Genuss roher tierischer Lebensmittel
(Rohmilch, Rohwurst) verzichten. Daneben zählt eine gute Küchenhygiene zu den effektiven
Präventionsmaßnahmen. Zur Behandlung einer Listeriose kommen hochdosierte Antibiotika
zum Einsatz.
Während 2012 bei der Anzahl der Listeriosen in Deutschland ein Anstieg um 26 % gegenüber dem Vorjahr registriert wurde, war im selben Zeitraum in Thüringen ein leicht abnehmender Trend (- 15 %) zu beobachten. Trotzdem lag die Inzidenz in Thüringen über dem
bundesweiten Vergleichswert. Die Erkrankungen wurden aus acht Landkreisen und einer
kreisfreien Stadt übermittelt.
Betroffen waren zwei Neugeborene und deren Mütter im Alter von 19 und 32 Jahren sowie
weitere neun Männer und vier Frauen zwischen 21 und 78 Jahren, wobei die Mehrzahl der
Erkrankten 60 Jahre und älter war. Bei vier Erkrankten ging die Listeriose mit einer Meningitis einher.
In sechzehn Fällen gelang die Isolierung von Listeria monocytogenes, davon bei elf Patienten aus der Blutkultur, bei drei Erkrankten aus Liquor, in einem Fall aus einer Gewebeprobe
sowie je einmal aus Abstrichen von mütterlichem Gewebe (Vaginalabstrich) und aus Nasen-,
65
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Ohr- und Rachenabstrichen eines Neugeborenen. Die in zwei Fällen erfolgte Serotypie des
Erregers erbrachte je einmal die Serotypen 1/2a und 4b.
Drei Patienten gaben als vermutliche Infektionsursachen den Verzehr von Rohmilchkäse,
Salami, Schinken und Räucherfisch an, davon zwei während eines Urlaubsaufenthaltes in
Italien bzw. auf den Kanarischen Inseln. Eine labordiagnostische Bestätigung im angeschuldigten Lebensmittel wurde jedoch nicht erbracht. In allen anderen Fällen erbrachten die Ermittlungen der zuständigen Gesundheitsämter keine Hinweise auf mögliche Infektionsquellen.
Sterbefall:
In Gera wurde bei einem weiblichen Frühgeborenen (30. Schwangerschaftswoche) ein septisches Krankheitsbild beobachtet. Trotz intensiv-medizinischer Behandlung verstarb das
Mädchen. In der Blutkultur gelang der Nachweis von Listeria monocytogenes. Die bakteriologischen Untersuchungen bei der Mutter verliefen negativ; sie zeigte keine Symptomatik.
Eine Infektionsursache ließ sich nicht eruieren.
9.8
Ornithose
Thüringen: 1 Erkrankung, Inzidenz 0,04
Deutschland: 16 Erkrankungen, Inzidenz 0,02
Diese weltweit verbreitete Zoonose wird durch Bakterien der Gattung Chlamydophila hervorgerufen und vor allem durch Vögel übertragen. Insbesondere Chlamydophila-Stämme, die
bei den Psittaciden (Papageienartige) vorkommen, verfügen über eine hohe Humanpathogenität, in solchen Fällen spricht man von Psittakose (Papageienkrankheit). Infizierte Tiere
scheiden den Erreger mit dem Kot aus. Dieser wird in der Regel durch Tröpfcheninfektion
inhalativ bzw. durch Einatmen von infektiösem Kot-Staub oder Aerosol, aber auch als Kontakt- bzw. Schmierinfektion auf den Menschen übertragen. Die Ornithose kommt in Deutschland nur noch selten vor, spielt aber als Berufserkrankung bei beruflich exponierten Personen (z. B. Vogelzüchter, Personal auf Geflügelfarmen, Tierpfleger, Tierärzte) eine Rolle. Sie
verläuft in der Regel wie eine schwere grippeartige Allgemeinerkrankung unter vorwiegender
Beteiligung der Lungen. Zudem treten Schüttelfrost, hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, trockener Husten sowie Bradykardie (langsame Schlagfolge des Herzens) auf. Eine
Ornithose kann auch Entzündungen der Herzinnenhaut (Endokarditis), des Herzmuskels
(Myokarditis), des Herzbeutels (Perikarditis) oder eine Gehirnentzündung (Enzephalitis) bedingen. Bei immungeschwächten Personen kann der Verlauf einer Ornithose lebensbedrohlich sein. Ausschlaggebend für eine günstige Prognose ist eine sichere Diagnose zum frühestmöglichen Zeitpunkt, um mit der Einleitung einer gezielten Antibiotika-Therapie zu beginnen zu können.
Sowohl in Thüringen als auch bundesweit war im Berichtsjahr die Anzahl der Erkrankungen
an Ornithose gegenüber dem Vorjahr konstant geblieben.
Betroffen war ein 34-jähriger Mann aus dem Wartburgkreis, der am 30.05.2012 mit Husten
und Kopfschmerzen erkrankt war. Im Serum wurden mittels KBR Chlamydiales-Antikörper
(einmalig deutlich erhöhter Wert) nachgewiesen. Der Patient hatte Kontakt zu einem an Psittakose erkrankten Papagei.
66
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
9.9
Q-Fieber
Thüringen: 1 Erkrankungen, Inzidenz 0,04
Deutschland: 200 Erkrankungen, Inzidenz 0,2
Erreger dieser weltweit (außer Neuseeland und der Antarktis) vorkommenden Zoonose ist
das Bakterium Coxiella burnetii. Als sporenähnliche Dauerform kann es jahrelang in der
Umwelt (z. B. in Staub, auf Wolle oder im Heu) überleben und infektiös bleiben. Infektionsquellen sind vor allem infizierte Schafe, Rinder, Ziegen, Katzen, Hunde, aber auch Wildtiere
und Vögel. Da die Infektion während der Trächtigkeit reaktiviert wird, sind Erreger vor allem
in der Gebärmutter und in den Milchdrüsen ihrer Wirte zu finden. Von solchen Organen und
den neugeborenen Jungen infizierter Muttertiere geht eine besonders hohe Infektionsgefährdung für Personen aus, die damit z. B. berufsbedingt in Berührung kommen können (Tierhalter, Beschäftigte in Schlachtbetrieben, veterinärmedizinisches Personal, Beschäftigte in fellverarbeitenden Betrieben, Laborpersonal). Die Übertragung erfolgt meist durch das Einatmen von infektiösem Staub oder direkten Kontakt mit einem infizierten Tier, weniger über
den Verzehr tierischer Nahrungsmittel. Etwa 50 % der Infektionen verlaufen leicht mit den
Anzeichen eines grippalen Infektes und heilen spontan nach 1 bis 2 Wochen aus. Die akute
Infektion ist gekennzeichnet durch hohes Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen (vor allem
Rückenmuskulatur) und starke Stirnkopfschmerzen. Im weiteren Verlauf können eine Pneumonie oder eine Hepatitis hinzukommen. Als seltenere Komplikationen sind Myokarditis
(Entzündung des Herzmuskels), Perikarditis (Entzündung des Herzbeutels) oder eine
Meningoenzephalitis (Entzündung von Hirnhäuten und Gehirn) bekannt. Kommt es in der
Schwangerschaft zu einer Infektion, kann dies zum Abort oder zu einer Frühgeburt führen.
Zur Behandlung werden Antibiotika eingesetzt.
Nachdem 2011 in Thüringen sechs Erkrankungen an Q-Fieber aufgetreten waren, wurde im
aktuellen Berichtsjahr nur ein Fall übermittelt.
Erkrankt war ein 58-jähriger Mann aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen, der am
12.01.2012 an einer Pneumonie mit Fieber erkrankt war. Serologisch gelang der Nachweis
von IgM-Antikörpern gegen Phase-2-Antigen des Erregers. Als mögliche Infektionsursache
wurde der Kontakt zu Schlachtabfällen von Schafen angesehen.
10
Sonstige Infektionskrankheiten
(Meldung gemäß der Thüringer Verordnung über die Anpassung der Meldepflicht
für Infektionskrankheiten vom 15.02.2003 und der Zweiten Verordnung zur Änderung der Thüringer Infektionskrankheitenmeldeverordnung –ThürIfKrMVO - vom
23.02.2010)
10.1
Übrige Formen der Meningitis/Enzephalitis
Neben Meningokokken können auch andere Bakterien (z. B. Staphylokokken, Streptokokken, dabei insbesondere Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Listerien, Borrelien, E.
coli usw.) und Viren (z. B. Enteroviren, Herpesviren, Mumpsviren, Arboviren), selten auch
Pilze oder Parasiten eine Meningitis (Hirnhautentzündung) oder eine Enzephalitis (Gehirnentzündung) auslösen. In vielen Fällen sind sowohl die Hirnhäute als auch das Gehirn
gleichzeitig betroffen, sodass man dann von einer Meningoenzephalitis spricht. Charakteristisch für eine Meningitis sind starke Kopfschmerzen, Fieber, Nackensteifigkeit und ein
67
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
schweres allgemeines Krankheitsgefühl, wodurch ein medizinischer Notfall eintritt, der einer
schnellstmöglichen Behandlung bedarf. Besonders gefürchtet ist die durch Bakterien hervorgerufene „eitrige Meningitis“ mit bedrohlichen Krankheitsverläufen, einer hohen Letalität oder
schweren Spätschäden (z. B. Lähmungen, Taubheit). Der klinische Verlauf einer Enzephalitis variiert in Abhängigkeit vom Erreger und der Lokalisation der Erkrankung stark. Die Symptome reichen von Fieber, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit bis hin zu Lähmungen, Krämpfen und zur Bewusstlosigkeit. Leichte Formen bleiben manchmal unbemerkt und klingen
komplikationslos ab; schwere Verläufe sind mit einer hohen Sterblichkeit und gravierenden
Spätfolgen (Lähmungen, geistige Behinderung) verbunden.
10.1.1
Sonstige bakterielle Meningitis (außer Meningokokken-Meningitis)
Thüringen: 15 Erkrankungen, davon 2 Sterbefälle, Inzidenz 0,7
Bei der Anzahl der Erkrankungen an einer sonstigen Form der bakteriellen Meningitis war im
Jahr 2012 ein Anstieg der Fallzahlen gegenüber dem Vorjahr um 25 % zu beobachten.
Erkrankt waren drei Säuglinge im Alter von zwei, sieben und neun Monaten sowie drei Männer und neun Frauen zwischen 29 und 91 Jahren aus drei kreisfreien Städten und neun
Landkreisen Thüringens.
In elf Fällen gelang die Erregerisolierung aus dem Liquor, in drei Fällen aus der Blutkultur
und einmal sowohl aus Liquor als auch aus der Blutkultur. Dabei wurden bei zwölf Patienten
Streptococcus pneumoniae sowie in jeweils einem Fall Streptococcus agalactiae,
Streptococcus epidermis und Escherichia coli nachgewiesen.
Sterbefälle:
Zwei Frauen im Alter von 54 und 91 Jahren verstarben laut Totenschein an einer
Pneumokokkenmeningitis.
10.1.2
Virus-Meningoenzephalitis
Thüringen: 14 Erkrankungen, Inzidenz 0,6
Die Anzahl der Virusmeningitiden hatte sich im Berichtsjahr in Thüringen im Vergleich zu
2011 (24 Erkrankungen) deutlich reduziert.
Bei den Erkrankten handelte es sich um drei Jungen und vier Mädchen im Alter zwischen 5
und 13 Jahren, eine 15-jährige Jugendliche sowie zwei Männer und vier Frauen zwischen 21
und 77 Jahren aus sechs Landkreisen und zwei kreisfreien Städten.
Folgende Nachweise wurden geführt:
• Nukleinsäurenachweis von Enterovirus mittels PCR im Liquor:
9x
• Nukleinsäurenachweis von Herpes simplex-Virus mittels PCR im Liquor: 3 x
• Nukleinsäurenachweis von Varizella-Zoster im Liquor:
2x
Bei allen Fällen handelte es sich um Einzelerkrankungen, zwischen denen kein epidemiologischer Zusammenhang bestand.
68
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
10.1.3
Meningitis/Enzephalitis ohne Erregernachweis
Thüringen: 24 Erkrankungen, Inzidenz 2,6
Bei den Meningitis-Erkrankungen, bei denen kein Erregernachweis gelang bzw. keine Diagnostik veranlasst worden war, wurde nach einem deutlichen Anstieg der Erkrankungszahlen
auf 58 Erkrankungen im Jahr 2011 im aktuellen Berichtsjahr wieder ein Rückgang um nahezu 60 % registriert.
Die Erkrankungen kamen in sieben Landkreisen und drei kreisfreien Städten zur Meldung
und waren über das ganze Jahr verteilt, wobei in den Monaten Juli bis September mit elf
Erkrankungen die höchste Infektionsrate registriert worden war.
Betroffen waren sechs Jungen und sieben Mädchen im Alter von 1 bis 14 Jahren, ein 17jähriger Jugendlicher sowie zehn Erwachsene (acht Männer und zwei Frauen) im Alter zwischen 23 und 79 Jahren.
Erkrankungshäufungen wurden nicht registriert, es handelte sich generell um Einzelfälle.
10.2
Borreliose
Thüringen: 348 Erkrankungen, Inzidenz 15,7
Die Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung auf der nördlichen
Hemisphäre. Sie wird durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht. Es ist von einer
Infektionsgefährdung in allen Teilen Deutschlands auszugehen. Etwa 5 - 35 % der Zecken
sind mit Borrelien infiziert.
Die klinische Symptomatik der Borreliose kann sehr vielgestaltig sein und umfasst insbesondere Symptome an Haut, Nervensystem, Gelenken und Herz. Die typische Frühmanifestation der Erkrankung ist das Erythema migrans (Wanderröte). Es tritt in ca. 80 % der Fälle innerhalb der ersten Wochen nach dem Stich um die Einstichstelle auf. Unbehandelt können
sich weitere Erkrankungsstadien entwickeln, vor allem mit neurologischer Symptomatik. Je
früher mit einer effektiven Therapie begonnen wird, umso sicherer lassen sich die gefürchteten Spätkomplikationen (z. B. Lyme-Arthritis oder chronische Neuroborreliose, die zu teilweise bleibenden Schäden führt), vermeiden.
Da die Borrelien nicht unmittelbar nach dem Stich übertragen werden, kommt einer
schnellstmöglichen und sachgerechten Entfernung der Zecken besondere Bedeutung zu.
Eine Antibiotika-Therapie ist in der Frühphase am erfolgreichsten. Eine generelle prophylaktische Antibiotikagabe wird jedoch nicht empfohlen. Im Gegensatz zur FSME, die ebenfalls
über Zecken übertragen wird, ist für die Borreliose kein Impfstoff verfügbar.
Nachdem im Jahr 2011 in Thüringen ein Anstieg der Anzahl der Borreliosen gegenüber dem
Vorjahr um ein Drittel zu verzeichnen gewesen war, wurden im aktuellen Berichtsjahr deutlich weniger Fälle übermittelt. Es wurde ein Rückgang der Übermittlungen um 39 % registriert. Damit wurden die niedrigsten Fallzahlen seit 2005 erreicht. Nur in den Jahren 2003
und 2004, unmittelbar nach der Einführung der Thüringer Meldeverordnung, waren die Inzidenzen noch niedriger ausgefallen (Abb. 41).
69
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 41: Borreliose, Inzidenz in Thüringen und in anderen Bundesländern mit Meldepflicht
(Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen) 2003 – 2012
Die Erkrankungen wurden aus ganz Thüringen übermittelt, wobei eine sehr große territoriale
Schwankungsbreite zwischen den einzelnen Städten und Landkreisen auffallend war. Die
höchste Inzidenz mit 52,3 Erkrankungen/100.000 Einwohner wurde, wie schon in den vergangenen Jahren, wiederum in Suhl erfasst, während die niedrigste Erkrankungszahl mit
einer Inzidenz von 5,4 Erkrankungen/100.000 Einwohner im Wartburgkreis registriert wurde
(Abb. 42).
Jahreszeitlich bedingt erfolgten in den ersten Monaten des Jahres nur vereinzelte BorrelioseMeldungen, die jedoch ab Juni deutlich anstiegen und im Juli und August mit 67 bzw. 63
übermittelten Erkrankungsfällen ihren Höhepunkt erreicht hatten (Abb. 43).
70
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 42: Territoriale Verteilung der Borreliosen, Inzidenz, Thüringen 2012
Abbildung 43: Borreliose in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen
71
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Betroffen waren Kinder und Erwachsene aller Altersgruppen mit Ausnahme der Säuglinge
unter einem Jahr. Die höchsten Inzidenzen waren bei Kindern der Altersgruppe 5 – 9 Jahre
und bei Erwachsenen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren zu verzeichnen (Tab. 21, Abb.
44). 248 Erkrankungen (71 %) wurden serologisch bestätigt.
Tabelle 21: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Borreliose 2012
Altersgruppen
(Jahre)
<1
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
Inzidenz
gesamt
0
0
0
0,00
1 bis 4
9
3
12
17,31
5 bis 9
13
5
18
21,69
10 bis 14
9
4
13
15,82
15 bis 19
2
2
4
5,81
20 bis 24
3
6
9
6,92
25 bis 29
2
6
8
5,75
30 bis 39
18
18
36
14,47
40 bis 49
26
25
51
14,64
50 bis 59
38
40
78
21,03
60 bis 69
21
38
59
21,73
70 und älter
30
30
60
15,31
gesamt
171
177
348
15,67
Abbildung 44: Verteilung der Borreliosen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz,
Thüringen 2012
72
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Bei 310 Patienten, das entspricht 89 % der Erkrankten, wurde ein Erythema migrans als alleiniges Symptom beobachtet, in weiteren 28 Fällen (8 %) wurde eine Neuroborreliose diagnostiziert, davon in sechs Fällen in Verbindung mit einem Erythema migrans sowie in drei
Fällen einhergehend mit einer Meningitis. Bei zehn Patienten (3 %) standen Symptome einer
Lyme-Arthritis im Vordergrund.
An einen vorangegangenen Zeckenstich konnten sich 250 Patienten erinnern. Größtenteils
wurde hierfür die nähere Umgebung des Heimatortes genannt. Vier Patienten gaben Expositionsorte außerhalb Thüringens an (Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern und Hessen),
zwei weitere Erkrankte hatten sich Zeckenstiche während eines Auslandsaufenthaltes (je 1 x
Frankreich/Belgien und Schweden) zugezogen.
10.3
Gasbrand
Thüringen: 2 Erkrankungen, davon 2 Sterbefälle, Inzidenz 0,09
Bei Gasbrand - Synonyme sind Gasödem, Gasgangrän oder Gasphlegmone - handelt es
sich um eine schwere lebensbedrohliche Wundinfektion, die durch ubiquitär vorkommende
sporenbildende Bakterien der Gattung Clostridium (hauptsächlich durch Clostridium
perfringens) hervorgerufen werden. Diese aneroben Bakterien können sich rasant im geschädigten Gewebe verschmutzter Wunden ausbreiten, wobei eine schlechte Durchblutung
(Sauerstoffmangel) diesen Prozess begünstigt. Die Toxine des Bakteriums bewirken, dass
das Gewebe an der infizierten Stelle abstirbt, wobei sich im Gewebe Gas bildet. Der Betroffene leidet unter starkem Wundschmerz; im Wundgebiet kommt es infolge Gasbildung zu
einer Schwellung. Nur durch eine rechtzeitige Therapie mit chirurgischer Wundversorgung
und gleichzeitiger Antibiose kann die Infektion gestoppt werden; unbehandelt endet sie nahezu immer letal.
Mit zwei übermittelten Gasbrand-Erkrankungen im Jahr 2012 bewegte sich deren Fallzahl
auf einem ähnlichen Niveau wie im vorangegangenen Berichtsjahr (1 E).
Bei den Betroffenen handelte es sich um:
• einen 60-jährigen Mann aus Gera, der wegen eines Abszesses am Oberschenkel mit
Gaseinschlüssen hospitalisiert worden war. In Muskelgewebe gelang der Nachweis
von Clostridium perfringens. Der Patient verstarb am 28.06.2012 an septischem Multiorganversagen.
• eine 75-jährige Frau aus dem Wartburgkreis, bei der aufgrund einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit mit Gangrän am 20.07.2012 eine Amputation des Unterschenkels vorgenommen werden musste. Aus dem Wundabstrich wurde am
29.07.2012 C. perfringens isoliert. Am 30.07.2012 verstarb die Patientin laut Totenschein an einer postoperativen Wundinfektion durch C. perfringens.
73
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
10.4
Pertussis
Thüringen: 1.549 Erkrankungen,
36 labordiagnostische Nachweise ohne Symptomatik, Inzidenz 69,7
Keuchhusten (Pertussis) ist eine bakterielle Infektionskrankheit der Atemwege, die mit charakteristischen anfallsartigen Hustenattacken einhergeht. Die hochansteckende Erkrankung
wird durch das Bakterium Bordetella pertussis verursacht. Periodisch aller 2-5 Jahre kommt
es zu Erkrankungswellen mit hohen Fallzahlen. Die Ansteckung erfolgt über Tröpfchen, z. B.
beim Husten und Niesen. Die Erkrankung verläuft im Allgemeinen über drei Stadien. Das
erste Stadium ist gekennzeichnet durch eine grippeähnliche, unspezifische Symptomatik,
gefolgt von den charakteristischen stakkatoartigen Hustenanfällen. Im dritten Stadium nehmen die Zahl und die Schwere dieser Anfälle ab. Als Komplikationen sind Lungenentzündung, Mittelohrentzündung, Krampfanfälle und in ca. 0,5 % der Fälle Hirnschädigungen möglich. Bei Säuglingen können die Hustenanfälle zu lebensbedrohlichen Atemstillständen führen. Weder eine durchgemachte Infektion noch die verfügbare Impfung gegen Pertussis verleihen einen lebenslangen Schutz. Der Impfschutz sieht eine Grundimmunisierung im Kleinkindalter und nachfolgende Auffrischimpfungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter
vor.
Nachdem bereits im Jahr 2011 die Anzahl der Pertussis-Fälle in Thüringen deutlich angestiegen war, wurde im aktuellen Berichtsjahr eine Zunahme um mehr als das Doppelte gegenüber dem Vorjahr verzeichnet (Abb. 45). Somit war die bisher höchste Fallzahl seit Inkrafttreten der Thüringer Infektionskrankheitenmeldeverordnung erreicht worden.
Abbildung 45: Pertussis, Inzidenz, in Thüringen und den neuen Bundesländern 2003 – 2012
74
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Erkrankungen wurden aus allen Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten übermittelt
(Abb. 46).
Abbildung 46: Territoriale Verteilung der Pertussis-Erkrankungen, Inzidenz, Thüringen 2012
Die Erkrankungszahlen bewegten sich im gesamten Jahresverlauf auf einem hohen Niveau,
wobei die meisten Erkrankungen mit Fallzahlen von 172 bzw. 171 auf die Monate März und
Juni entfielen. Erkrankungsgipfel wurden, bedingt durch Ausbrüche, in der 32. Meldewoche
mit 60 Fällen sowie in der 42. Meldewoche mit 54 übermittelten Fällen registriert (Abb. 47).
75
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 47: Pertussis in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen
Betroffen waren 159 Jungen und 176 Mädchen im Alter von einem Monat bis 14 Jahren, 110
Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 19 Jahren (50 x männlich, 60 x weiblich) sowie 395 Männer und 709 Frauen im Alter von 20 bis 96 Jahren (Tab. 24, Abb. 48).
Die weitaus höchste Inzidenz mit 215,4 Erkrankungen/100.000 Einwohner wurde bei Schulkindern im Alter von 10 bis 14 Jahren registriert. Nur in der Altersgruppe der 5- bis 9Jährigen erkrankten in der Mehrzahl Jungen. In allen anderen Altersgruppen waren überwiegend Mädchen und Frauen betroffen.
Tabelle 24: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Pertussis 2012
Altersgruppen
(Jahre)
Anzahl der Erkrankungen
männlich
weiblich
gesamt
Inzidenz
<1
8
9
17
99,39
1 bis 4
28
42
70
100,98
5 bis 9
44
27
71
85,55
10 bis 14
79
98
177
215,41
15 bis 19
50
60
110
159,84
20 bis 24
28
33
61
46,91
25 bis 29
18
28
46
33,08
30 bis 39
41
108
149
59,88
40 bis 49
81
151
232
66,58
50 bis 59
100
178
278
74,95
60 bis 69
76
98
174
64,08
70 und älter
gesamt
51
604
113
945
164
1549
41,83
69,74
76
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 48: Verteilung der Pertussis-Erkrankungen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz,
Thüringen 2012
1.406 Erkrankungen wurden labordiagnostisch bestätigt. Bei 143 Erkrankungen wurde keine
Labordiagnostik veranlasst, davon standen 54 Fälle in epidemiologischem Zusammenhang
zu labordiagnostisch bestätigten Erkrankungen.
Im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen bei Pertussis-Häufungen gelang bei 36 Kontaktpersonen zu Erkrankten der Nukleinsäurenachweis des Erregers mittels PCR bzw. der
Nachweis von IgG-Antikörpern mit deutlich erhöhtem Wert gegen Bordetella pertussis, ohne
dass die Betroffenen selbst eine Symptomatik gezeigt hätten.
Von 1.048 Patienten (68 % aller Pertussis-Fälle), für die vollständige Angaben zum Impfstatus vorlagen, waren 512 Personen (48,9 %) ungeimpft, 215 Personen (20,5 %) unvollständig
geimpft und 321 Personen (30,6 %) vollständig geimpft (Abb. 49).
Als vollständig Geimpfte galten Personen, die vier und mehr Pertussisimpfungen mit einem
Impfabstand der letzten Dosis von weniger als 10 Jahren vor Erkrankung erhalten hatten.
Erhielten Personen nur drei Dosen, musste die letzte Impfung vor weniger als einem Jahr
erfolgt sein. Für ältere Personen reichte auch eine Impfdosis aus, wenn diese ab einem Alter
von 9 Jahren und weniger als 10 Jahre vor Erkrankung verabreicht wurde. Für alle Impfungen galt, dass eine Vakzinierung weniger als drei Wochen vor Erkrankung nicht gezählt wurde. Bei 59 der vollständig Geimpften war dabei die letzte Impfung vor 5 - <10 Jahren erfolgt,
bei 201 Personen zwischen 1 und < 5 Jahren und bei 61 Personen vor weniger als einem
Jahr.
Der Anteil ungeimpfter oder unvollständig geimpfter Personen lag besonders hoch in der
Gruppe der Erwachsenen über 20 Jahre mit Werten zwischen 77 % und 90 %. Aber auch bei
Jugendlichen zwischen 10 und 19 Jahren betrug dieser Anteil 50 %. Bei Kindern zwischen
1 und 9 Jahren war hingegen der Anteil vollständig geimpfter Fälle mit 77 % sehr hoch
(Abb. 50).
77
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Abbildung 49: Impfstatus der Pertussis-Erkrankten in Prozent, Thüringen 2012
Abbildung 50: Impfstatus der Pertussis-Erkrankten in Prozent nach Altersgruppen, Thüringen 2012
78
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
Im Berichtsjahr kamen in Thüringen sechzig Pertussis-Häufungen mit insgesamt 290 Erkrankten zur Meldung. So wurden vier territoriale Häufungen von Pertussis-Erkrankungen
registriert, davon zwei Ausbrüche im Landkreis Greiz mit insgesamt 42 Erkrankten sowie je
ein Ausbruch im Landkreis Hildburghausen mit zehn Erkrankten und im Kyffhäuserkreis mit
24 Erkrankten.
In elf Thüringer Schulen und fünf Kindertagesstätten traten Erkrankungsgeschehen mit insgesamt 114 Fällen auf. In vier weiteren Einrichtungen (medizinische Einrichtungen, Wohngruppen, Arbeitsstätten) wurden Häufungen mit 18 Erkrankten registriert. Weitere 36 Erkrankungshäufungen mit 82 Erkrankten waren familiär bedingt. Bei allen anderen Erkrankungen
handelte es sich um Einzelfälle.
79
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
11
Jahresstatistik 2012
gemäß Infektionsschutzgesetz vom 20.07.2000 sowie Thüringer Verordnung über
die Anpassung der Meldepflicht für Infektionskrankheiten vom 15.02.2003, geändert am 23.02.2010
2012
Meldekategorie
Anzahl der
Erkrankungen
2011
Inzidenz
Anzahl der
Erkrankungen
Inzidenz
Adenovirus
97
4,37
55
2,48
Amoebiasis
35
1,58
23
1,04
Botulismus
0
0,00
0
0,00
Brucellose
0
0,00
0
0,00
1905
85,76
2024
91,12
0
0,00
0
0,00
Campylobacter
Cholera
CJK
7
0,32
7
0,32
Clostridium difficile
79
3,56
69
3,11
Denguefieber
13
0,59
2
0,09
0
0,00
0
0,00
434
19,54
572
25,75
0
0,00
0
0,00
55
2,48
104
4,68
0
0,00
0
0,00
FSME
0
0,00
1
0,05
Gasbrand
2
0,09
2
0,09
Gelbfieber
0
0,00
0
0,00
Giardiasis
75
3,38
46
2,07
Diphtherie
E.-coli-Enteritis
Ebolafieber
EHEC/STEC
Fleckfieber
Haemophilus influenzae
7
0,32
3
0,14
Hantavirus
73
3,29
4
0,18
Hepatitis A
17
0,77
21
0,95
Hepatitis B
16
0,72
14
0,63
Hepatitis C
37
1,67
37
1,67
Hepatitis D
0
0,00
0
0,00
Hepatitis E
14
0,63
5
0,23
0
0,00
0
0,00
Hepatitis Non A-E
HUS
Influenza
Kryptosporidiose
Lassafieber
Läuserückfallfieber
3
0,14
8
0,36
517
23,28
1627
73,25
60
2,70
23
1,04
0
0,00
0
0,00
0
0,00
0
0,00
23
1,04
18
0,81
Lepra
0
0,00
1
0,05
Leptospirose
1
0,05
1
0,05
Legionellose
Listeriose
Lyme-Borreliose
Marburgfieber
17
0,77
20
0,90
347
15,62
566
25,48
0
0,00
0
0,00
80
Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012
2012
Meldekategorie
Anzahl der
Erkrankungen
Masern
Meningoenzephalitis, viral
Meningokokken
Milzbrand
2011
Inzidenz
Anzahl der
Erkrankungen
Inzidenz
0
0,00
13
0,59
14
0,63
24
1,08
8
0,36
16
0,72
0
0,00
0
0,00
105
4,73
104
4,68
5
0,23
6
0,27
Norovirus
11002
495,31
10906
490,99
Ornithose
1
0,05
1
0,05
Paratyphus
0
0,00
2
0,09
1549
69,74
767
34,53
0
0,00
0
0,00
MRSA
Mumps
Pertussis
Pest
Pneumokokken
12
0,54
5
0,23
Pocken
0
0,00
0
0,00
Poliomyelitis
0
0,00
0
0,00
Q-Fieber
1
0,05
5
0,23
Rotavirus
2328
104,81
3233
145,55
Röteln, konnatal
0
0,00
0
0,00
Röteln, postnatal
1
0,05
2
0,09
Salmonellose
SARS-assoziierter
Coronavirus
1327
59,74
1186
53,39
0
0,00
0
0,00
Scharlach
3147
141,68
1993
89,73
Shigellose
21
0,95
13
0,59
0
0,00
0
0,00
Tetanus
Tollwut
0
0,00
0
0,00
11
0,50
3
0,14
Toxoplasmose, postnatal
0
0,00
0
0,00
Trichinellose
0
0,00
0
0,00
Tuberkulose
Tollwutexpositionsverdacht
75
3,38
70
3,15
Tularämie
0
0,00
0
0,00
Typhus
1
0,05
0
0,00
vCJK
0
0,00
0
0,00
VHF, andere Erreger
0
0,00
0
0,00
Weitere Bedrohliche
4849
218,30
2723
122,59
Windpocken
475
21,38
373
16,79
Yersiniose
264
11,89
302
13,60
Herausgeber:
Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz
Tennstedter Str. 8/9, 99947 Bad Langensalza
Verantwortlich:
Abteilung Gesundheitsschutz, Dezernat Infektionsepidemiologie
Autoren:
Dr. Sabine Schroeder, Regina Reinke
Internet:
www.verbraucherschutz-thueringen.de,
E-Mail:
[email protected]
Stand:
Dezember 2013
81
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