www.verbraucherschutz-thueringen.de Jahresbericht 2012 über die in Thüringen erfassten übertragbaren Krankheiten Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 Infektiöse Darmerkrankungen ...................................................................... 5 Salmonellose ............................................................................................................................ 5 Campylobacter-Enteritis ......................................................................................................... 12 E. coli-Enteritis, sonstige darmpathogene Stämme (außer EHEC) ....................................... 15 Enterohämorrhagische E. coli-Erkrankung (EHEC) ............................................................... 17 Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) ............................................................................. 20 Yersiniose .............................................................................................................................. 21 Shigellose ............................................................................................................................... 23 Norovirus-Infektion ................................................................................................................. 25 Rotavirus-Infektion ................................................................................................................. 29 Giardiasis ............................................................................................................................... 32 Kryptosporidiose .................................................................................................................... 35 Gruppenerkrankungen mit gastrointestinaler Symptomatik ................................................... 38 2 Typhus abdominalis .....................................................................................40 3 Clostridium difficile-Infektion ......................................................................41 4 Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) ............................41 5 Invasive Meningokokken-Erkrankung .........................................................42 6 Virushepatitiden ............................................................................................45 6.1 6.2 6.3 6.4 Hepatitis A .............................................................................................................................. 45 Akute Hepatitis B .................................................................................................................... 48 Hepatitis C .............................................................................................................................. 51 Hepatitis E .............................................................................................................................. 53 7 Influenza ........................................................................................................55 8 Tuberkulose...................................................................................................56 9 Seltene übertragbare Krankheiten...............................................................57 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8 9.9 Creutzfeldt-Jakob-Krankheit .................................................................................................. 57 Dengue-Fieber ....................................................................................................................... 58 Haemophilus influenzae, invasive Erkrankung ...................................................................... 58 Hantavirus-Erkrankung .......................................................................................................... 59 Legionellose ........................................................................................................................... 63 Leptospirose ........................................................................................................................... 64 Listeriose ................................................................................................................................ 65 Ornithose ................................................................................................................................ 66 Q-Fieber ................................................................................................................................. 67 10 Sonstige Infektionskrankheiten ...................................................................67 10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.2 10.3 10.4 11 Übrige Formen der Meningitis/Enzephalitis ........................................................................... 67 Sonstige bakterielle Meningitis (außer Meningokokken-Meningitis)................................. 68 Virus-Meningoenzephalitis ................................................................................................ 68 Meningitis/Enzephalitis ohne Erregernachweis ................................................................ 69 Borreliose ............................................................................................................................... 69 Gasbrand ............................................................................................................................... 73 Pertussis …. ........................................................................................................................... 74 Jahresstatistik 2012 ......................................................................................80 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Erläuterungen und Abkürzungen: A Abb. E IfSG IFT IgA IgG IgM Inz. - Ausscheider - Abbildung - Erkrankungen - Infektionsschutzgesetz - Immunfluoreszenztest - Immunglobulin A - Immunglobulin G - Immunglobulin M - Inzidenz (Anzahl der Erkrankungen je 100.000 Einwohner, Datenstand: 01.03.2013) Letalität - Verhältnis der Todesfälle zur Anzahl der Erkrankten Mortalität - Verhältnis der Todesfälle zur Gesamtanzahl der Individuen in einem bestimmten Zeitraum St. - Sterbefälle Tab. - Tabelle ThürIfKrMVO - Thüringer Verordnung über die Anpassung der Meldepflicht für Infektionskrankheiten von 2003, letzte Änderung 2010) TLV - Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz 2 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Epidemiologische Jahresanalyse über die 2012 in Thüringen erfassten übertragbaren Krankheiten Grundlagen und Schwerpunkte In dem hier vorgestellten epidemiologischen Jahresbericht werden die im Jahr 2012 im Freistaat Thüringen gemeldeten und übermittelten meldepflichtigen Infektionskrankheiten zusammengefasst und analysiert. Die Grundlage für die einheitliche Meldepflicht in Deutschland bildet das Infektionsschutzgesetz (IfSG), das am 01.01.2001 in Kraft trat. Wesentliche Kernelemente sind dabei ein zweiteiliges Meldeverfahren (Einzelfallmeldungen von Ärzten einerseits und Laboren andererseits, die unabhängig voneinander erfolgen), klar definierte Meldewege und -fristen sowie die Anwendung einheitlicher Falldefinitionen. Diese wurden vom Robert Koch-Institut erarbeitet und in Zusammenarbeit mit den Landesstellen bereits mehrfach aktualisiert. Die Anwendung dieser Falldefinitionen ist für eine Vergleichbarkeit der eingehenden Meldedaten zwischen einzelnen Kreisen und Bundesländern, aber auch mit anderen Staaten unerlässlich. In den vergangenen Jahren wurde die Meldepflicht mehrfach erweitert, um sie der epidemiologischen Lage anzupassen. Das IfSG bietet die Möglichkeit, die Meldepflicht über die im § 6 IfSG aufgeführten Erkrankungen und im § 7 IfSG genannten Krankheitserreger in Landesverordnungen zu erweitern. Davon haben Berlin und die neuen Bundesländer, so auch Thüringen, Gebrauch gemacht. Die Thüringer Infektionskrankheitenmeldeverordnung (ThürIfKrMVO) trat am 16.02.2003 in Kraft und erfuhr bisher zwei Änderungen (08.03.2005 sowie 23.02.2010). Auch hierfür wurden vom Robert Koch-Institut einheitliche Falldefinitionen erarbeitet. Die in diesem Bericht erfassten, nach dem IfSG und der ThürIfKrMVO meldepflichtigen Erkrankungen, Verdachts- und Todesfälle sowie Erregernachweise werden an die zuständigen Gesundheitsämter gemeldet und von dort über die Landesstelle, in Thüringen das Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (TLLV, ab 01.01.2013 Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz, TLV), an das Robert Koch-Institut übermittelt. Auf der Grundlage dieser Daten wird durch das TLV jährlich ein epidemiologischer Jahresbericht erstellt, der Auskunft über das infektionsepidemiologische Geschehen des vergangenen Jahres in Thüringen gibt. Neben der Auswertung der aktuellen Zahlen erfolgt hierbei auch ein Vergleich mit den Thüringer Meldedaten der Vorjahre sowie den für Deutschland erfassten Daten. Neben der Möglichkeit der Analyse des Infektionsgeschehens über einen größeren Zeitraum dient der Jahresbericht aber auch der Rückinformation der lokalen Gesundheitsämter über die geleistete Arbeit im Bereich Infektionsepidemiologie. Die Mitarbeiter vor Ort schaffen durch ihre umfangreiche Ermittlungstätigkeit die Datengrundlage für diesen Jahresbericht. In Thüringen kamen im Jahr 2012 18.649 Erkrankungen, darunter 69 Sterbefälle, sowie 599 Ausscheider bzw. Erregernachweise nach IfSG zur Meldung. Im Rahmen der ThürlfKrMVO gelangten weitere 5.499 Erkrankungen, davon drei Sterbefälle, zur Meldung. Bei 2.647 Erkrankungen gelang ein Erregernachweis. Auf der Basis einer freiwilligen Meldung wurden 1.651 Erkrankungen und Expositionen registriert. Bei der Anzahl der nach IfSG meldepflichtigen Erkrankungen war im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr mit 22.961 Erkrankungen ein Rückgang um 18,8 % zu verzeichnen. 3 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Demgegenüber stieg die Zahl der Erregernachweise ohne Vorliegen einer entsprechenden Symptomatik im Vergleich zu 2011 (544 Erregernachweise) um 10,1 % an. Die Gesamtzahl der gastroenteritischen Erkrankungen war 2012 gegenüber dem Vorjahr leicht um 5 % gesunken. Deutliche Rückgänge der Fallzahlen waren bei der Anzahl der durch enterohämorrhagische E. coli um nahezu die Hälfte, bei durch sonstige darmpathogene Stämme von E. coli hervorgerufenen Erkrankungen sowie durch Rotaviren verursachte Infektionen um ca. ein Viertel und bei Yersiniosen um 13 % zu verzeichnen. Bei den Salmonellosen war nach den über mehrere Jahre zu beobachtenden Rückgängen der Fallzahlen wieder ein moderater Anstieg der Erkrankungszahlen um 12 % aufgefallen. Dies war hauptsächlich bedingt durch eine umfangreiche territoriale Häufung, in die mehrere Landkreise Thüringens involviert waren. Deutlich zunehmende Inzidenzen im Vergleich zum vorangegangenen Berichtsjahr waren bei Shigellosen (+ 62 %) sowie bei den parasitären Darmerkrankungen Giardiasis und Kryptosporidiose um 63 % bzw. 160 % zu verzeichnen gewesen. Die Anzahl der weiteren meldepflichtigen Gastroenteritiden bewegte sich auf einem ähnlichen Niveau wie im vorangegangenen Berichtsjahr. Als überragendes Ereignis des Jahres 2012 ist ein Ausbruch im September und Oktober 2012 anzusehen, bei dem in fünf ostdeutschen Bundesländern ca. 11.000 Fälle von akuten Brechdurchfällen, überwiegend bei Kindern und Jugendlichen in Gemeinschaftseinrichtungen, registriert wurden. Als Ursache wurden mit Noroviren kontaminierte Tiefkühlerdbeeren identifiziert. Dabei handelte es sich um den bisher größten bekannten lebensmittelbedingten Ausbruch in Deutschland. Ein überaus deutlicher Anstieg der Erkrankungszahlen in Thüringen wurde bei AdenovirusKonjunktivitiden, Denguefieber und Hantavirus-Infektionen beobachtet. In diesen Meldekategorien wurden bundesweit die bisher höchsten Inzidenzen seit Einführung des IfSG im Jahr 2001 verzeichnet. Auch bei Hepatitis E-Infektionen wurde sowohl in Thüringen als auch in Gesamtdeutschland eine deutliche Erhöhung der Fallzahlen registriert. Moderate Anstiege bei der Anzahl der Neuerkrankungen waren 2012 bei Clostridium difficileassoziierten Erkrankungen, Infektionen mit Haemophilus influenzae, Legionellosen und Tuberkulosen zu verzeichnen gewesen. Demgegenüber standen Rückgänge der Fallzahlen bei Meningokokken-Meningitiden, Listeriosen und Q-Fieber. Eine besonders starke Abnahme fiel bei der Anzahl der InfluenzaErkrankungen auf, bedingt durch eine deutlich geringer ausgeprägte Influenza-Saison als in den Vorjahren. Masern-Erkrankungen wurden im Berichtsjahr in Thüringen nicht übermittelt. Bei allen anderen nach IfSG meldepflichtigen Erkrankungen blieb die Anzahl der Neuerkrankungen im Jahr 2012 auf einem annähernd gleichen Niveau wie im Vorjahr. Bei der Anzahl der im Rahmen der ThürlfKrMVO zusätzlich erfassten Erkrankungen wurde 2012 ein deutlicher Anstieg um 39 % gegenüber dem Vorjahr (3.965 E) beobachtet, was insbesondere auf die Zunahme der Anzahl der Erkrankungen an Scharlach und Windpocken zurückzuführen war. Besonders auffällig war der Anstieg der Fallzahlen bei PertussisErkrankungen um etwas mehr als das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr. Demgegenüber waren Rückgänge der Erkrankungszahlen bei Virusmeningitiden, Meningitiden ohne Erregernachweis und Borreliosen zu verzeichnen gewesen. Darüber hinaus wurden von einem Großteil der Thüringer Gesundheitsämter auf der Basis einer freiwilligen Meldung Befallszahlen von Kopfläusen und Scabies sowie Expositionen zu Tieren mit unbekanntem Tollwutstatus übermittelt. Im Vergleich zu 2011 erhöhte sich im Berichtsjahr deren Gesamtzahl um 14 %. Bei der Anzahl der registrierten Scabiesbefälle war zwar ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr zu beobachten, demgegenüber erhöhte sich jedoch die Anzahl der Kontakte zu Tieren mit unbekanntem Tollwutstatus deutlich um 50 %. Auch die Zahl der übermittelten Kopflausbefälle befand sich im Vergleich zum Vorjahr auf einem leicht erhöhten Niveau. Hier wurde ein Anstieg um 15,4 % verzeichnet. 4 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 1 Infektiöse Darmerkrankungen Bei 94 % aller Infektionen, die im Jahr 2012 gemäß IfSG an das TLV übermittelt worden waren, handelte es sich um Darminfektionen, deren Gesamtzahl im Vergleich zum vorangegangenen Jahr um 5 % gesunken war. Das Spektrum der meldepflichtigen Gastroenteritiden umfasst bakterielle, virale sowie parasitäre Erreger, die sich auch hinsichtlich ihres Übertragungsweges unterscheiden. Nachstehend werden die wesentlichsten Erreger infektiöser Darmerkrankungen sowie deren Auftreten in Thüringen kurz dargestellt (Abb. 1). Abbildung 1: Häufigkeit von Gastroenteritiden nach Erregern in Prozent (n=17.471) - Thüringen 2012 1.1 Salmonellose Thüringen: 1327 Erkrankungen (1.314 labordiagnostisch bestätigt, 13 klinisch-epidemiologisch bestätigt), davon 4 Sterbefälle, 153 Ausscheider, Inzidenz 59,7 Deutschland: 20.849 Erkrankungen, Inzidenz 25,5 Die Salmonellose ist eine weltweit verbreitete, durch Salmonellen der Enteritis-Gruppe verursachte infektiöse Gastroenteritis, die sporadisch, in Form von Gruppenerkrankungen, aber auch als Epidemie in Erscheinung treten kann. Sie wird in der Regel durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel (sog. Risikolebensmittel wie Geflügelfleisch, Eier und Speisen, die 5 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 unter Zusatz von Rohei zubereitet werden, Milch und Milchprodukte, rohes Fleisch von Rind und Schwein sowie nicht oder nicht ausreichend erhitzte Fleischprodukte dieser Tierarten) übertragen und deshalb auch als Lebensmittelinfektion bezeichnet. Eine Übertragung ist aber auch von Mensch zu Mensch durch Schmierinfektionen oder durch Kontakt zu Tieren möglich. Solche als Salmonellen-Enteritiden bezeichneten Infektionen sind von Typhus und Paratyphus, die ebenfalls von Salmonellen ausgelöst werden, aber wesentlich bedrohlicher verlaufen, deutlich abzugrenzen. Zum Krankheitsbild einer Salmonellen-Enteritis gehören wässriger Durchfall, Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen sowie Fieber. Bei Säuglingen, kleinen Kindern, immungeschwächten oder älteren Personen kann es zu schwereren Verlaufsformen kommen. Meist heilen die Enteritiden spontan aus und erfordern keine spezielle Therapie. Eine Antibiotikagabe ist in der Regel nicht angezeigt, da dadurch die Dauer der Bakterienausscheidung verlängert werden kann. Die Behandlung zielt darauf, den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auszugleichen. Zur Prophylaxe zählen vor allem die Einhaltung einer sorgfältigen Händehygiene und eine gute Küchenhygiene bei der Speisenzubereitung sowie ein sorgfältiger Umgang mit Risikolebensmitteln (konsequente Kühlung, strikte Einhaltung von Verbrauchsfristen usw.). Die Salmonellosen machten auch 2012 in Thüringen, wie schon in den Vorjahren, gemeinsam mit den durch Noro- und Rotaviren sowie durch Campylobacter hervorgerufenen Erkrankungen den größten Teil aller nach IfSG zur Meldung gelangten infektiösen Darmerkrankungen aus (Abb. 1). Die Anzahl der in Thüringen übermittelten Salmonellosen war von 2001 bis 2006 kontinuierlich rückläufig und hatte sich auf weniger als die Hälfte gegenüber dem Jahr 2001 reduziert (Abb. 2). Lediglich im Jahr 2007 war ein Anstieg um 32,2 % gegenüber dem Vorjahr zu beobachten gewesen. Seit 2008 reduzierten sich die Erkrankungszahlen jedoch erneut und erreichten 2011 mit nur noch 1.188 Erkrankungen den bislang niedrigsten Wert seit der Einführung des IfSG. Im Berichtsjahr stieg hingegen sowohl die Anzahl der Erkrankungen als auch die der erfassten Ausscheider deutlich um 11,7 % bzw. 62,8 % an. Thüringen hatte somit die höchste Inzidenz im Vergleich aller Bundesländer zu verzeichnen. Sie lag demzufolge deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt. 6 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 2: Salmonellose-Inzidenz in Thüringen und Deutschland in den Meldejahren 2003 – 2012 Der in Thüringen bis 2011 zu beobachtende Trend spiegelte sich auch in den Fallzahlen für Deutschland wider. Bundesweit waren die Erkrankungszahlen ebenfalls mit Ausnahme der Jahre 2006 und 2007 kontinuierlich zurückgegangen. Dieser Rückgang setzte sich im Gegensatz zu Thüringen auch 2012 fort, sodass mit 25,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner die niedrigste Inzidenz für Deutschland seit Einführung des IfSG erreicht wurde. Der saisonale Schwerpunkt der Erkrankungen lag auch in diesem Berichtsjahr in den Sommermonaten. Der Höhepunkt wurde dabei bereits im Juni (22. - 26. Meldewoche) mit 345 Fällen erreicht (Abb. 3). Die Erkrankungen verteilten sich über ganz Thüringen. Die höchste Inzidenz wurde im Landkreis Eichsfeld mit 203,7 Erkrankungen/100.000 Einwohner erfasst. Aber auch im Kyffhäuserkreis (Inz. 104,1), im Landkreis Nordhausen (Inz. 95,2) und in der kreisfreien Stadt Suhl (Inz. 93,6) waren hohe Inzidenzen zu verzeichnen. Die niedrigste Inzidenz wurde in der kreisfreien Stadt Weimar mit 16,9 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner registriert. In allen weiteren Städten und Landkreisen Thüringens bewegten sich die Inzidenzen zwischen 24,8 und 69,3 Erkrankungen/100.000 Einwohner (Abb. 4). 7 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 3: Salmonellosen in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen Abbildung 4: Territoriale Verteilung der Salmonellosen – Inzidenz nach Kreisen, Thüringen 2012 8 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Hauptsächlich betroffen war, wie auch in den Vorjahren, die Altersgruppe der 1- bis 4Jährigen (Inzidenz 340,4). Aber auch bei den Säuglingen unter einem Jahr sowie bei den Kindern im Alter zwischen 5 und 9 Jahren wurden hohe Erkrankungszahlen verzeichnet (Inzidenzen 222,2 bzw. 195,2). Während im Vorjahr geschlechtsspezifische Unterschiede kaum aufgefallen waren, erkrankten im Jahr 2012 in den Altersgruppen der Säuglinge und Kleinkinder bis zu 4 Jahren deutlich mehr Mädchen als Jungen. In allen anderen Altersgruppen überwogen Erkrankungen beim männlichen Geschlecht (Tab. 1, Abb. 5). 377 Patienten, das entspricht 28,4 % aller an Salmonellose erkrankten Personen, mussten stationär behandelt werden. Vier Patienten verstarben infolge einer Salmonellen-Infektion. Tabelle 1: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Salmonellose 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 16 22 38 222,16 1 bis 4 105 131 236 340,43 5 bis 9 96 66 162 195,20 10 bis 14 67 39 106 129,00 15 bis 19 29 19 48 69,75 20 bis 24 35 37 72 55,37 25 bis 29 37 18 55 39,55 30 bis 39 42 29 71 28,53 40 bis 49 56 51 107 30,71 50 bis 59 78 56 134 36,13 60 bis 69 59 42 101 37,20 70 und älter 90 107 197 50,25 gesamt 710 617 1327 59,74 9 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 5: Verteilung der übermittelten Salmonellosen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 Im Jahr 2012 wurden insgesamt 1.467 Salmonellen isoliert (Abb. 6). Davon wurden 1.393 (95,0 %) in unterschiedlichem Grad weiter differenziert. Elf Proben (0,8 %) wurden nur bis zur Subspezies typisiert (9 x Subspezies I und 2 x Subspezies IIIb) und 175 Proben (12,6 %) bis zur Serogruppe (5 Serogruppen, davon 138 x Serogruppe B, 20 x Serogruppe C, 14 x Serogruppe D, 2 x Serogruppe O, 1 x Serogruppe F). 1.207 Salmonellenstämme (86,6 %) wurden in 45 Serovare differenziert. Wie schon im vergangenen Jahr dominierte dabei das Serovar S. Typhimurium mit 504 Erkrankungen und 32 Ausscheidern; das entspricht 44,4 % aller bis zum Serovar typisierten Erreger (Abb. 6). Es folgte das Serovar S. Panama mit 262 Erkrankungen und 52 Ausscheidern (26,0 %). S. Enteritidis wurde bei 139 Erkrankten und 11 Ausscheidern (12,3 %) und S. Derby bei 56 Erkrankten und 11 Ausscheidern (5,5 % aller bis zum Serovar typisierten Salmonellen) nachgewiesen. Vierundsiebzig Nachweise (68 E, 6 A), das entspricht 5,0 % aller Salmonellenbefunde, wurden nicht näher differenziert. 10 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 6: Verteilung der Salmonellen-Serovare (n=1.207) in Prozent, Thüringen 2012 Bei den zur Meldung gelangten Salmonellosen handelte es sich überwiegend um Einzelerkrankungen. Es wurden jedoch auch 16 durch Salmonellen verursachte Erkrankungshäufungen registriert (Rückgang im Vergleich zum Vorjahr um 16 %, n=19). Im Rahmen dieser Ausbrüche wurden 306 Erkrankungen, davon 294 labordiagnostisch und 12 klinischepidemiologisch bestätigte Infektionen, und 68 Ausscheider erfasst (siehe Kapitel 1.12 Gruppenerkrankungen mit gastrointestinaler Symptomatik). Das bedeutet trotz des leichten Rückgangs bei der Gesamtzahl der Ausbrüche eine Zunahme der Anzahl der Erkrankten um 252 % sowie der Zahl der im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen erfassten Ausscheider um mehr als das Vierfache (2011: 87 E, 15 A). Fünfunddreißig Erkrankungen, das entspricht 2,6 % der insgesamt 1.327 Salmonellosen, standen mit Auslandsaufenthalten in siebzehn Ländern in Verbindung. Dabei waren die meisten Erkrankungen mit Urlaubsaufenthalten in der Türkei (10 E), Ägypten und Tunesien (je 5 E) assoziiert. Sterbefälle an Salmonellose: Vier männliche Patienten im Alter zwischen 54 und 85 Jahren verstarben 2012 infolge einer Salmonellensepsis. Im Stuhl bzw. in der Blutkultur der Patienten gelang in zwei Fällen der Nachweis von S. Enteritidis sowie in je einem Fall der Nachweis von S. Typhimurium bzw. S. Panama. 11 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 1.2 Campylobacter-Enteritis Thüringen: 1.905 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, 33 Ausscheider, Inzidenz 85,8 Deutschland: 62.880 Erkrankungen, Inzidenz 76,8 Bakterien der Gattung Campylobacter sind Erreger von Zoonosen und können eine akute infektiöse Enteritis (Darmentzündung) auslösen. Als Infektionsquelle kommen tierische Lebensmittel wie Milch- und Fleischprodukte (z. B. nicht durchgegartes Hühnerfleisch) in Frage. Daneben ist auch eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch (bei Kindern) oder über infizierte Haustiere möglich. Für das Krankheitsbild sind Bauchschmerzen und wässrige, mitunter auch blutige und schleimige Durchfälle charakteristisch. Daneben können hohes Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen auftreten. In der Regel verläuft eine CampylobacterInfektion komplikationslos und heilt nach wenigen Tagen spontan aus. Nur in seltenen Fällen kommt es in der Folge zu schweren Krankheitsbildern in Form von Gelenkentzündungen. Nachdem bei der Inzidenz der Campylobacter-Enteritis im Jahr 2011 in Thüringen ein Anstieg um 12,8 % im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen gewesen war, ging die Anzahl der Erkrankungen 2012 wieder leicht um 5,9 % zurück (Abb. 7). Auch bundesweit war ein Rückgang der Fallzahlen zu beobachten gewesen. Trotzdem machten diese Erkrankungen, nun bereits seit mehreren Jahren in Folge, den Großteil der bakteriell übertragenen Darmerkrankungen aus (Abb. 1). Wie auch bei den Salmonellosen lag der saisonale Schwerpunkt der CampylobacterInfektionen in den Sommermonaten. Höchstwerte wurden im Juli und August mit 248 bzw. 240 Erkrankungen erreicht (Abb. 8). Abbildung 7: Campylobacter-Enteritis, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 12 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 8: Campylobacter-Enteritis in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen Die Erkrankungen waren sehr heterogen über ganz Thüringen verteilt. So wurden die höchsten Inzidenzen in den kreisfreien Städten Erfurt (Inz. 112,8), Jena (Inz. 111,1) und Suhl (Inz. 113,9) registriert, die niedrigste dagegen in Eisenach mit 51,0 Erkrankungen/100.000 Einwohner. Die altersspezifische Verteilung dieser Erkrankungen weist zum Teil Unterschiede zu der der Salmonellosen auf. Zwar waren Kleinkinder im Alter von 1 - 4 Jahren auch hier am stärksten betroffen, aber auch bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 29 Jahren wurden hohe Inzidenzen registriert. In den Altersgruppen der 20- bis 49-Jährigen fiel die Inzidenz bei Frauen deutlich höher aus als die bei Männern, bei den 50- bis 69-jährigen Frauen lag sie nur noch geringfügig höher. In allen anderen Altersgruppen waren Jungen und Männer etwas häufiger betroffen als Mädchen und Frauen (Tab. 2, Abb. 9). 13 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Tabelle 2: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Campylobacter-Enteritis 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 11 8 19 111,08 1 bis 4 92 74 166 239,46 5 bis 9 65 60 125 150,62 10 bis 14 62 36 98 119,27 15 bis 19 59 45 104 151,13 20 bis 24 86 107 193 148,43 25 bis 29 86 101 187 134,48 30 bis 39 101 112 213 85,60 40 bis 49 110 128 238 68,30 50 bis 59 114 123 237 63,90 60 bis 69 69 74 143 52,67 70 und älter 79 103 182 46,43 gesamt 934 971 1905 85,76 Abbildung 9: Verteilung der übermittelten Campylobacter-Enteritiden nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 315 Patienten, das entspricht 16,5 % aller an einer Campylobacter-Enteritis erkrankten Personen, mussten stationär behandelt werden. 14 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Für den Großteil der Erkrankungen wurde Deutschland als Infektionsland angegeben. Lediglich bei 46 Fällen, das entspricht 2,4 % der insgesamt 1.095 Campylobacteriosen, handelte es sich um reiseassoziierte Erkrankungen, die mit Aufenthalten in 21 Ländern in Verbindung standen. Dabei war die Türkei mit zehn Erkrankungen das meistgenannte Infektionsland. Differenzierte Angaben zum Erreger lagen bei 1.216 Infektionen vor. So wurde bei 612 Erkrankten und zehn Ausscheidern (51 %) Campylobacter jejuni nachgewiesen, bei weiteren 128 Erkrankten und drei Ausscheidern (11 %) gelang der Nachweis von Campylobacter coli. In 461 Fällen (453 E, 8 A – 38 %) wurde nicht zwischen C. jejuni und C. coli differenziert. Weiterhin wurden C. lari und C. upsaliensis bei je einem Erkrankten nachgewiesen. Bei 686 Infektionen wurde nur die Angabe C. spp. übermittelt. Ohne nähere Angaben zum Erreger waren 36 Übermittlungen erfolgt. Sterbefall: Eine 78-jährige Frau aus dem Landkreis Nordhausen verstarb laut Totenschein an toxischem Herz-Kreislauf-Versagen und Gastroenteritis bei Nachweis von Campylobacter in Stuhl. 1.3 E. coli-Enteritis, sonstige darmpathogene Stämme (außer EHEC) Thüringen: 434 Erkrankungen, 28 Ausscheider, Inzidenz 19,5 Deutschland: 7.065 Erkrankungen, Inzidenz 8,6 Escherichia coli-Bakterien sind Bestandteil der normalen menschlichen und tierischen Darmflora. Einige darmpathogene Vertreter von Escherichia coli sind in der Lage, heftige Durchfallerkrankungen mit Erbrechen, krampfartigen Bauchschmerzen und Fieber hervorzurufen. In der Regel verlaufen solche Erkrankungen komplikationslos. Gelegentlich bedingen sie jedoch sehr schwere Verlaufsformen mit Dehydration, Elektrolytstörungen und Kreislaufproblemen. Betroffen sind meist Kinder und Personen im höheren Lebensalter oder mit beeinträchtigtem Immunsystem. Als mögliche Infektionsquelle kommen gesunde Ausscheider, aber auch infizierte Haus- oder Nutztiere, kontaminierte tierische und pflanzliche Lebensmittel oder fäkal verunreinigtes Trink- oder Badewasser in Betracht. Der Ausgleich von Flüssigkeitsverlust und Elektrolythaushalt steht bei der Behandlung solcher E. coli-Enteritiden im Vordergrund. Die strikte Einhaltung grundlegender Hygienemaßnahmen beim Umgang mit Lebensmitteln hat große Bedeutung für die Prävention. Nachdem in Thüringen im Jahr 2010 die bislang höchste Inzidenz bei den durch E. coli hervorgerufenen Erkrankungen seit Einführung des IfSG verzeichnet wurde, gingen seit 2011 die Erkrankungszahlen überaus deutlich zurück. Somit wurde 2012 ein ähnlich niedriges Niveau wie in den Jahren 2005 und 2006 erreicht (Abb. 10). Auch die Zahl der erfassten Ausscheider reduzierte sich im aktuellen Berichtsjahr deutlich im Vergleich zum Vorjahr (45 A). 15 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 10: E. coli-Enteritis, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 Trotz des starken Rückgangs der Erkrankungszahlen lagen die Fallzahlen in Thüringen noch immer deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Größtenteils waren Säuglinge unter einem Jahr (Inz. 502,8) und Kleinkinder bis zu 4 Jahren (Inz. 373,6) erkrankt. Die Erkrankungen älterer Kinder und Erwachsener spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle (Tab. 3, Abb. 11). Tabelle 3: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – E. coli-Enteritis 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 47 39 86 502,78 1 bis 4 119 140 259 373,61 5 bis 9 11 11 22 26,51 10 bis 14 1 8 9 10,95 15 bis 19 2 0 2 2,91 20 bis 24 2 3 5 3,85 25 bis 29 2 3 5 3,60 30 bis 39 1 5 6 2,41 40 bis 49 0 5 5 1,43 50 bis 59 5 7 12 3,24 60 bis 69 2 3 5 1,84 70 und älter 5 13 18 4,59 197 237 434 19,54 16 gesamt Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 11: Verteilung der übermittelten E. coli-Enteritiden nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 Für alle Infektionen wurden Angaben zum Pathovar übermittelt. So wurden 423 Erkrankungen (97,4%) und 27 Ausscheider (96,4%) den enteropathogenen Coli-Stämmen (EPEC klassische Dyspepsiecoli) zugeordnet. Am häufigsten waren dabei die Serovare O 44 (41 E, 1 A), O 119 (31 E), O 26 (25 E, 1 A) und O 145 (23 E, 2 A) vertreten. Enterotoxische E. coli (ETEC) wurden in acht Fällen (7 E, 1 A) isoliert, während enteroinvasive E. coli (EIEC) bei zwei Erkrankten nachgewiesen wurden. In zwei weiteren Fällen wurden diffus adhärente E. coli (EaggEC) bzw. enteroaggregative E. coli (EaggEC) isoliert. 1.4 Enterohämorrhagische E. coli-Erkrankung (EHEC) Thüringen: 55 Erkrankungen, 11 Ausscheider, Inzidenz 2,5 Deutschland: 1.531 Erkrankungen, Inzidenz 1,9 Bestimmte Stämme von Escherichia coli, die vor allem im Darm von Rindern, aber auch in Schweinen, Hühnern und Kaninchen vorkommen, verfügen über ein sehr hohes pathogenes Potential, weil sie in der Lage sind, bestimmte Zellgifte (sogenannte Shiga-Toxine) zu bilden. Über die Nahrung aufgenommen, können sie insbesondere bei Säuglingen und älteren Menschen schwerste Krankheitsbilder hervorrufen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Heftige, zum Teil blutige Durchfälle, Erbrechen, Fieber und schmerzhafte Darmkoliken sind typisch für solche Infektionen. Gefürchtet sind Komplikationen wie das Hämolytischurämische Syndrom (HUS), das mit akutem Nierenversagen (oft Dialyse erforderlich), 17 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 hämolytischer Anämie (Zerfall der roten Blutkörperchen) und Verschlüssen kleinster Blutgefäße (thrombotische Mikroangiopathie) oder einer hämorrhagischen Kolitis (blutiger Durchfall) einhergehen kann (siehe 1.5). Die Behandlung einer Infektion durch EHEC/STEC erfolgt symptomorientiert; eine Antibiotikatherapie könnte den Krankheitsverlauf infolge erhöhter Toxinfreisetzung noch verschlimmern. Im Berichtsjahr 2012 wurde sowohl in Thüringen als auch bundesweit die zweithöchste Zahl von EHEC-Infektionen seit 2001 erfasst (Abb. 12). Höhere Erkrankungszahlen wurden nur im Zusammenhang mit dem durch enterohämorrhagische E. coli verursachten Erkrankungsausbruch im Jahr 2011 registriert, der besonders Norddeutschland betraf, aber auch Auswirkungen auf andere Bundesländer, darunter Thüringen, hatte. Es ist zu vermuten, dass insbesondere die erhöhte Sensibilisierung der Ärzte und Patienten und die damit verstärkt durchgeführte Labordiagnostik infolge des vorjährigen Ausbruchs zu diesem Niveau der Erkrankungszahlen beitrugen. Abbildung 12: EHEC-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 Säuglinge und Kleinkinder im Alter bis zu 4 Jahren waren am häufigsten erkrankt. In diesen Altersgruppen wurden Inzidenzen von 11,7 bzw. 17,3 verzeichnet (Tab. 4, Abb. 13). Nur in den Altersgruppen der 5- bis 14-Jährigen lag die Inzidenz bei Jungen höher als bei Mädchen. In allen anderen Altersgruppen fiel die Inzidenz bei Mädchen und Frauen deutlich höher aus als bei Jungen und Männern. Bei 28 Patienten, das entspricht 51 % der Erkrankten, war eine stationäre Behandlung erforderlich. 18 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Tabelle 4: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – EHEC 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 0 2 2 11,69 1 bis 4 3 9 12 17,31 5 bis 9 5 1 6 7,23 10 bis 14 5 1 6 7,30 15 bis 19 0 0 0 0,00 20 bis 24 0 1 1 0,77 25 bis 29 1 0 1 0,72 30 bis 39 0 1 1 0,40 40 bis 49 0 3 3 0,86 50 bis 59 1 3 4 1,08 60 bis 69 3 4 7 2,58 70 und älter 4 8 12 3,06 gesamt 22 33 55 2,48 Abbildung 13: Verteilung der übermittelten EHEC-Erkrankungen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 Für die überwiegende Mehrzahl der Infektionen erbrachten die Ermittlungen der Gesundheitsämter keine Hinweise auf eine mögliche Infektionsursache. Lediglich die Erkrankung einer 65-jährigen Frau wurde ursächlich mit einer Rundreise durch Jordanien in Zusammenhang gesehen. 19 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Elf Ausscheider wurden im Rahmen der Umgebungsuntersuchungen zu erkrankten Familienangehörigen bzw. anlässlich arbeitsmedizinischer Untersuchungen erfasst. 1.5 Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) Thüringen: 3 Erkrankungen, Inzidenz 0,13 Deutschland: 69 Erkrankungen, Inzidenz 0,1 Für das hämolytisch-urämische Syndrom ist eine schwere Schädigung der Blutgefäße, der Blutzellen und der Nieren (bis hin zum akuten Nierenversagen) charakteristisch. Dieses lebensbedrohliche Krankheitsbild, das eine intensivmedizinische Betreuung erfordert, tritt meist als gefürchtete Komplikation einer Infektion mit bestimmten enterohämorrhagischen Escherichia coli auf. Die Bakterien heften sich an den Darmepithelien an, ihre abgesonderten Gifte (Verotoxine) zerstören die Darmzellen, wodurch Durchfall ausgelöst wird. Die Toxine gehen in die Blutbahn über und greifen dort die Zellen der Blutgefäße insbesondere der Niere, aber auch Zellen des Gehirns an. Weitere Faktoren zerstören die roten Blutkörperchen. Unbehandelt kann ein hämolytisch-urämisches Syndrom letal verlaufen. Infektionen können durch den Verzehr fäkal verunreinigter pflanzlicher oder tierischer Lebensmittel ausgelöst werden, aber auch die Übertragung mittels Schmierinfektion ist möglich. Konsequente Einhaltung grundlegender Standards in der persönlichen Hygiene (Händehygiene) und der Küchenhygiene (sorgfältiger Umgang mit Lebensmitteln und größte Sauberkeit bei der Speisenzubereitung) besitzen eine große präventive Bedeutung. Besonders gefährdete Personen (Kleinstkinder, Immungeschwächte, sehr betagte Menschen) sollten keine Risikolebensmittel (Rohmilch oder daraus hergestellte Speisen, nicht vollständig durchgegarte Fleischspeisen, rohe Sprossen) verzehren. Nachdem 2011, bedingt durch den bundesweiten EHEC-/HUS-Ausbruch, sowohl in Deutschland als auch in Thüringen die höchste Fallzahl an HUS-Erkrankungen seit Einführung des IfSG erfasst worden war, ging deren Anzahl im Berichtsjahr wieder auf das Niveau der Vorjahre zurück. In Thüringen wurden drei Fälle eines hämolytisch-urämischen Syndroms erfasst. Dabei handelte es sich um: • ein 9 Monate altes Mädchen aus dem Unstrut-Hainich-Kreis, erkrankt am 13.06.2012, • eine 29-jährige Frau aus dem Landkreis Gotha, erkrankt am 22.07.2012 und • einen 93-jährigen Mann aus dem Ilm-Kreis, erkrankt am 10.11.2012. In einer Stuhlprobe des Kindes gelang der labordiagnostische Nachweis einer EHECInfektion. Die beiden anderen Patienten zeigten den typischen klinischen Verlauf eines HUS; ein labordiagnostischer Nachweis wurde jedoch nicht erbracht. Die Ermittlungen der zuständigen Gesundheitsämter erbrachten keine Hinweise auf die Infektionsursachen. 20 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 1.6 Yersiniose Thüringen: 264 Erkrankungen, 3 Ausscheider, Inzidenz 11,9 Deutschland: 3.397 Erkrankungen, Inzidenz 4,2 Yersiniose ist die Sammelbezeichnung für weltweit vorkommende Infektionen, die durch darm-pathogene Bakterien der Gattung Yersinia - Y. enterocolitica und Y. pseudotuberculosis (vorwiegend in Osteuropa vorkommend) - hervorgerufen werden. Die Erreger sind im Tierreich weit verbreitet. Die Übertragung erfolgt insbesondere durch Aufnahme kontaminierter tierischer Nahrungsmittel, die nicht oder nur unvollständig erhitzt wurden (Hackfleisch, Rohwurst, Milch und Milchprodukte), aber auch über verunreinigtes Trinkwasser. Die Yersiniose weist unterschiedliche Verlaufsformen in Abhängigkeit vom Alter des Erkrankten auf. Bevorzugt bei Kleinkindern kommt es zur Yersinien-Gastroenteritis mit Diarrhö und Flüssigkeitsverlust. Bei älteren Kindern und Jugendlichen äußert sich die Erkrankung meist als Pseudoappendizitis mit Fieber und heftigen Bauchschmerzen, Unwohlsein und Erbrechen oder als Enterokolitis (vorwiegend im Erwachsenenalter) mit Durchfall und kolikartigen Beschwerden. Als Spätfolge kann sich u. a. eine reaktive Arthritis entwickeln. Die Behandlung zielt auf den Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes und des Elektrolythaushaltes. Komplizierte Verläufe können den Einsatz von Antibiotika erfordern. Bei der Verhütung von Infektionen haben die Schlacht- und Fleischhygiene sowie die Lebensmittel- und Küchenhygiene eine große Bedeutung, da Yersinien selbst bei Kühlschranktemperaturen noch überlebensfähig sind. Nachdem 2011 bei der Anzahl der Yersiniosen – meldepflichtig nach IfSG sind nur die darmpathogenen Stämme der Spezies Yersinia enterocolitica – im Vergleich zu den Vorjahren sowohl in Thüringen als auch bundesweit ein Anstieg zu beobachten gewesen war, gingen die Erkrankungszahlen im aktuellen Berichtsjahr wieder zurück und erreichten ihren bisherigen Tiefststand seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes. Wie auch schon in den vergangenen Jahren lag die Inzidenz in Thüringen deutlich über dem Bundesdurchschnitt (Abb. 14). 21 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 14: Yersiniosen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 Die Erkrankungen waren über das ganze Jahr verteilt, wobei im Januar die meisten Übermittlungen (40 E) zu verzeichnen gewesen waren. Besonders betroffen waren Kinder, insbesondere Jungen, der Altersgruppe 1 – 4 Jahre, die die weitaus höchste Inzidenz aufwiesen (Tab. 4, Abb. 15). Mit zunehmendem Alter war ein deutlicher Rückgang der Erkrankungszahlen zu beobachten gewesen. Im Erwachsenenalter spielt die Erkrankung kaum eine Rolle. Bei 37 Patienten (14 % der Erkrankten) war eine stationäre Behandlung erforderlich. Tabelle 4: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Yersiniose 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 2 1 3 17,54 1 bis 4 82 61 143 206,28 5 bis 9 28 33 61 73,50 10 bis 14 21 10 31 37,73 15 bis 19 7 2 9 13,08 20 bis 24 1 1 2 1,54 25 bis 29 2 1 3 2,16 30 bis 39 0 1 1 0,40 40 bis 49 1 3 4 1,15 50 bis 59 2 2 4 1,08 60 bis 69 0 1 1 0,37 70 und älter 2 0 2 0,51 148 116 264 gesamt 11,89 22 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 15: Verteilung der übermittelten Yersiniosen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 Es handelte sich ausschließlich um Einzelerkrankungen. Für alle Erkrankungen wurde als Infektionsort Deutschland angegeben. Zu 243 (92 %) der 264 übermittelten Yersiniosen lagen Angaben zum Serotyp vor. Bei 218 Erkrankungen (83 % aller Erkrankungen) wurde der Serotyp O:3 nachgewiesen, in 24 Fällen (9,0 %) gelang der Nachweis von O:9 und nur in einem Fall (0,4%) wurde O:5,27 isoliert. 1.7 Shigellose Thüringen: 21 Erkrankungen (17 E labordiagnostisch bestätigt, 4 E klinischepidemiologisch bestätigt), 2 Ausscheider, Inzidenz 0,9 Deutschland: 526 Erkrankungen, Inzidenz 0,6 Die Shigellose (Bakterienruhr) wird durch vier Bakterienspezies aus der Gattung Shigella hervorgerufen (Sh. dysenteriae, Sh. flexneri, Sh. boydii und Sh. sonnei), die unterschiedlich schwere Krankheitsbilder verursachen. Erreger der meisten in Deutschland erfassten Shigellosen ist Sh. sonnei, gefolgt von Sh. flexneri. Ruhrerkrankungen sind typisch für warme Länder, insbesondere dort, wo mangelhafte hygienische Bedingungen herrschen. In Deutschland gemeldete Erkrankungen sind fast ausschließlich reiseassoziiert. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral oder durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch. Der Krankheitsverlauf variiert in Abhängigkeit vom beteiligten Erreger und der individuellen Immunsituation des Betroffenen stark. Die Erkrankung kann einen milden Verlauf mit wässriger Diarrhö 23 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 nehmen, aber auch von schweren Verlaufsformen mit Fieber, blutig-schleimiger Diarrhö und heftigen Bauchkrämpfen geprägt sein. Je nach Schwere des Krankheitsbildes werden Antibiotika zur Therapie herangezogen; bei leichten Fällen genügt eine symptomatische Behandlung, die Flüssigkeits- und Elektrolytverluste ausgleicht. Die Prävention richtet sich in erster Linie auf die Einhaltung grundlegender persönlicher Hygieneregeln (Händewaschen) sowie die Einhaltung angemessener Hygieneregeln im Umgang mit Lebensmitteln und Trinkwasser; des Weiteren zählt die Bekämpfung von Fliegen zu den wichtigen Maßnahmen. Nachdem in den vergangenen Jahren eine stetige Abnahme der Fallzahlen in Thüringen zu verzeichnen gewesen war, stieg im Berichtsjahr die Anzahl der Erkrankungen wieder deutlich an. Bundesweit hingegen war die Inzidenz weiter rückläufig (Abb. 16). In den ersten Monaten des Jahres wurden in Thüringen nur zwei Shigellosen übermittelt. Ab den Sommermonaten nahm deren Anzahl jedoch deutlich zu. Bei dreizehn Erkrankungen handelte es sich um Einzelfälle, die sich über verschiedene Landkreise und Städte verteilten. Außerdem wurden vier familiäre Häufungen mit je zwei Erkrankten registriert, die mit Aufenthalten in verschiedenen Ländern in Verbindung standen. Abbildung 16: Shigellosen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 Die Altersverteilung der gemeldeten Shigellosen ist in Tabelle 5 dargestellt. Überwiegend waren Erwachsene im erwerbsfähigen Alter betroffen, aber auch drei Kinder im Alter zwischen einem und zehn Jahren. 24 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Tabelle 5: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Shigellose 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 0 0 0 0,00 1 bis 4 1 0 1 1,44 5 bis 9 0 0 0 0,00 10 bis 14 2 0 2 2,43 15 bis 19 0 0 0 0,00 20 bis 24 1 1 2 1,54 25 bis 29 0 2 2 1,44 30 bis 39 1 3 4 1,61 40 bis 49 1 2 3 0,86 50 bis 59 2 3 5 1,35 60 bis 69 1 1 2 0,74 70 und älter 0 0 0 0,00 gesamt 9 12 21 0,95 Eine Erkrankung wurde in Deutschland erworben, wobei die Infektionsursache unbekannt blieb. Alle weiteren Infektionen waren reiseassoziiert und traten nach der Rückkehr aus Ägypten (8 E), Indien, Marokko, Usbekistan (je 2 E), Kenia, Georgien, Tadschikistan, Bangladesch, der Türkei und den Kapverdischen Inseln (je 1 E) auf. Zwei Asylbewerber aus Afghanistan wurden im Rahmen der Einreiseuntersuchungen als Ausscheider erfasst. Jeweils elf Infektionen wurden durch S. sonnei (zehn klinisch-labordiagnostisch bestätigte Fälle, ein Fall in epidemiologischem Zusammenhang) sowie S. flexneri (sechs labordiagnostisch bestätigte Fälle, drei Fälle in epidemiologischem Zusammenhang und zwei Ausscheider) verursacht. In einem weiteren Fall (klinisch-labordiagnostisch bestätigt) gelang die Isolierung von S. dysenteriae. 1.8 Norovirus-Infektion Thüringen: 10.997 Erkrankungen (6.612 labordiagnostisch bestätigt / 4.385 klinisch-epidemiologisch bestätigt), davon 5 Sterbefälle, 131 Ausscheider, Inzidenz 495,1 Deutschland: 113.286 Erkrankungen, Inzidenz 138,4 Das weltweit verbreitete Norovirus ist hochinfektiös und zählt zu den häufigsten viralen Erregern von Gastroenteritiden. Kinder unter 5 Jahren und ältere Personen erkranken besonders häufig. Akute Erkrankungsgeschehen werden insbesondere aus Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen gemeldet. Die Erkrankungen treten das ganze Jahr über auf mit einer saisonal bedingten Häufung während der Wintermonate. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral über Handkontakt mit kontaminierten Flächen, über die Einnahme von Speisen und Getränken, die mit Viren kontaminiert sind, oder durch direkte Aufnahme regerhaltiger Tröpfchen, die während des Erbrechens freigesetzt werden. Für das Krankheitsbild 25 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 sind heftiges, schwallartiges Erbrechen und Durchfall (mitunter auch nur Erbrechen oder nur Durchfall) typisch. Es kommt zu einem ausgeprägten Krankheitsgefühl mit Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Mattigkeit. Leichte oder sogar asymptomatische Verläufe sind möglich. Die Symptome klingen in der Regel nach ein bis zwei Tagen komplikationslos ab. Bei sehr kleinen Kindern oder betagten Personen kann wegen des bedrohlichen Flüssigkeitsverlustes eine Hospitalisierung erforderlich sein. Hauptsächlich verantwortlich für das hohe Niveau der Erkrankungszahlen bei den Gastroenteritiden waren, wie auch schon in den Vorjahren, die durch Noroviren verursachten Erkrankungen. Die Anzahl dieser Erkrankungen blieb im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr nahezu konstant. Damit bewegte sich die Inzidenz in Thüringen auch 2012 wiederum deutlich über dem bundesweiten Vergleichswert, der mit 138 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner angegeben wurde (Abb. 17). Zum 01.01.2011 trat eine Änderung der Falldefinition für die Übermittlung von NorovirusInfektionen in Kraft, die die Datengrundlage für die Surveillance der Norovirus-Gastroenteritis entscheidend geändert hat. Seitdem sind ausschließlich labordiagnostisch bestätigte Norovirus-Infektionen an das RKI zu übermitteln. Diese neue Falldefinition führte bundesweit zu einer deutlichen Unterschätzung der tatsächlich aufgetretenen Norovirus-Erkrankungen. Insbesondere betrifft dies Fälle, die im Rahmen von Ausbrüchen auftreten, da nur bei einem Bruchteil der Erkrankten auch eine Labordiagnostik veranlasst wird. In Thüringen wurde allerdings das bisherige Übermittlungsschema beibehalten, sodass hier nach wie vor auch die klinisch-epidemiologisch bestätigten Erkrankungen übermittelt werden. Nur dadurch ist es möglich, Ausbrüche von Norovirus-Erkrankungen nach Fallzahlen, zeitlichem Verlauf, Altersverteilung etc. zu bewerten. Den durch Noroviren verursachten Ausbruchsgeschehen kam auch in diesem Berichtsjahr wiederum ein besonderer Stellenwert zu. 5.593 Erkrankungen, das entspricht 51 % aller Norovirus-Erkrankungen in Thüringen, wurden im Rahmen von Erkrankungshäufungen erfasst. 26 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 17: Norovirus-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 Die höchsten Inzidenzen traten in den Altersgruppen der 1- bis 4-Jährigen (Inz. 4.112,6) sowie der Säuglinge (Inz. 2.490,5) auf. Aber auch bei den Kindern der Altersgruppe 5 – 9 Jahre und den über 70-Jährigen war mit 1.065 bzw. 793 Erkrankungen/100.000 Einwohner eine große Anzahl von Neuerkrankungen zu beobachten (Tab. 6, Abb. 18). Tabelle 6: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Norovirus-Infektion 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 218 208 426 2490,50 1 bis 4 1497 1354 2851 4112,57 5 bis 9 449 435 884 1065,19 10 bis 14 113 112 225 273,83 15 bis 19 72 95 167 242,67 20 bis 24 103 213 316 243,02 25 bis 29 112 230 342 245,95 30 bis 39 212 321 533 214,19 40 bis 49 233 467 700 200,89 50 bis 59 343 549 892 240,49 60 bis 69 274 278 552 203,29 70 und älter 955 2154 3109 793,07 gesamt 4581 6416 10997 495,09 27 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 18: Verteilung der übermittelten Norovirus-Erkrankungen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 Abbildung 19: Norovirus-Erkrankungen in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen 28 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Nahezu die Hälfte der Erkrankungen trat in den Monaten Januar bis März auf. Im weiteren Jahresverlauf waren die Erkrankungszahlen stark rückläufig, bis sie ab Oktober (40. Kalenderwoche) bis zum Jahresende wieder deutlich anstiegen (Abb. 19). Sterbefälle: Drei Männer und eine Frau im Alter zwischen 78 und 84 Jahren verstarben laut Totenschein infolge einer Norovirus-Infektion. In drei Fällen aus dem Unstrut-Hainich-Kreis handelte es sich um Einzelerkrankungen; ein Patient aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt erkrankte und verstarb während eines Ausbruchs in einem Alten- und Pflegeheim. 1.9 Rotavirus-Infektion Thüringen: 2.327 Erkrankungen (2.021 labordiagnostisch bestätigt, 306 klinisch-epidemiologisch bestätigt), davon 2 Sterbefälle, 49 Ausscheider, Inzidenz 104,8 Deutschland: 39.289 Erkrankungen, Inzidenz 48,0 Rotaviren sind weltweit die häufigste Ursache viraler Darminfektionen im Kindesalter und tragen in den Entwicklungsländern maßgeblich zur Sterblichkeit in diesen Altersgruppen bei. In den westlichen Industrieländern erkranken am häufigsten Säuglinge und Kinder im Alter bis zu 2 Jahren. Im Erwachsenenalter spielen Rotaviren als Ursache einer Reisediarrhö, bei Eltern/Angehörigen erkrankter Kinder oder bei Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen eine große Rolle. In den letzten Jahren hat in Deutschland die Anzahl der Norovirusinfektionen stark zugenommen und dabei die Rotaviren als Hauptursache gastrointestinaler Infektionen im Kindesalter verdrängt. Das Rotavirus ist sehr umweltstabil und wird leicht übertragen. Es reichen bereits wenige Viruspartikel, um eine Infektion auszulösen. Die Erkrankungen können unterschiedlichste Verlaufsformen annehmen - von leichtem Durchfall bis hin zu einer schweren Gastroenteritis mit einem lebensbedrohlichen Ausmaß an Dehydration (Flüssigkeitsverlust). Die Therapie umfasst in der Regel lediglich den Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes, in schweren Fällen ist eine Hospitalisierung unumgänglich, um eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr durchzuführen. Eine durchgemachte Infektion hinterlässt keine dauerhafte Immunität. Obwohl bei den Rotavirus-Infektionen 2012 in Thüringen ein deutlicher Rückgang der Erkrankungszahlen um 28 % zu beobachten gewesen war, lag die Inzidenz deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt (Abb. 20). Auch für Deutschland fiel eine Abnahme der Rotavirus-Infektionen um 28 % auf. Die Rotavirus-Aktivität lag, wie auch schon in den Vorjahren, im 1. Halbjahr wesentlich höher als in den darauffolgenden Monaten und hatte im März ihren Höhepunkt erreicht. (Abb. 21). 29 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 20: Rotavirus-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 30 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 21: Rotavirus-Erkrankungen in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen Hauptsächlich betroffen waren in Thüringen Säuglinge und Kleinkinder im Alter bis zu 4 Jahren mit einer Inzidenz von 1.374 bzw. 1.493 Erkrankungen/100.000 Einwohner (Tab. 7, Abb. 22). Tabelle 7: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Rotavirus-Infektion 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 119 116 235 1373,87 1 bis 4 561 474 1035 1492,99 5 bis 9 87 83 170 204,84 10 bis 14 17 14 31 37,73 15 bis 19 9 12 21 30,52 20 bis 24 11 17 28 21,53 25 bis 29 17 31 48 34,52 30 bis 39 39 43 82 32,95 40 bis 49 34 47 81 23,25 50 bis 59 51 68 119 32,08 60 bis 69 69 52 121 44,56 70 und älter 152 204 356 90,81 gesamt 1166 1161 2327 104,76 31 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 22: Verteilung der übermittelten Rotavirus-Erkrankungen, Inzidenz nach Altersgruppen und Geschlecht – Thüringen 2012 Sterbefälle: Eine 78-jährige Frau und ein 90-jähriger Mann, beide aus dem Unstrut-Hainich-Kreis, verstarben laut Totenschein infolge einer Rotavirus-Infektion. Bei beiden Erkrankungen handelte es sich um Einzelfälle. 1.10 Giardiasis Thüringen: 75 Erkrankungen, 97 Ausscheider, Inzidenz 3,4 Deutschland: 4.228 Erkrankungen, Inzidenz 5,2 Diese Durchfallerkrankung wird durch den weltweit vorkommenden Dünndarmparasiten Giardia lamblia hervorgerufen. Der Erreger, ein einzelliger Parasit, wird in der Regel über Wasser und Nahrungsmittel, die mit Fäkalien verunreinigt sind, übertragen. Besonders häufig kommen diese Infektionen in Regionen mit schlechten hygienischen Verhältnissen vor. Die Inkubationszeit variiert zwischen wenigen Tagen bis Monaten. Die Erkrankung kann symptomlos verlaufen (in der Mehrzahl der Fälle); sie kann aber auch über Jahre mit wiederkehrenden Durchfällen, Bauchbeschwerden (Blähungen) und Gewichtsverlust einhergehen. Am häufigsten erkranken Kinder und Personen, die wenig Magensäure bilden. Der massive Befall der Dünndarmschleimhaut führt dann zu einer ausgeprägten Symptomatik mit Übelkeit, Erbrechen, kolikartigen Bauchschmerzen und schaumigen Durchfällen, gelegentlich mit Blutbeimengungen. Vorbeugen kann man einer Erkrankung am besten, indem man eine gute 32 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 persönliche Hygiene (Händewaschen) praktiziert und insbesondere bei Reisen in Regionen mit niedrigem Hygienestandard auf den Verzehr unabgekochter Speisen oder Getränke verzichtet und Trinkwasser nur aus industriegefertigten, originalverschlossenen Flaschen zu sich nimmt. In Thüringen war bei der Anzahl der durch Giardia lamblia hervorgerufenen Erkrankungen nach starken Rückgängen in den vergangenen Jahren im Jahr 2012 wieder ein deutlicher Anstieg der Erkrankungszahlen um 63 % zu beobachten. Trotzdem lag die Inzidenz in Thüringen deutlich unter dem bundesweiten Vergleichswert, der mit 5,2 Erkrankungen/100.000 Einwohner angegeben wurde und im Vergleich zum Vorjahr stabil blieb (Abb. 23). Abbildung 23: Giardiasis, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 Die Erkrankungen waren über das ganze Jahr verteilt. Betroffen waren alle Altersgruppen, wobei die Inzidenz bei den Säuglingen unter einem Jahr mit 11,7 Erkrankungen/100.000 Einwohner am höchsten lag (Tab. 8, Abb. 24). 33 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Tabelle 8: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Giardiasis 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 1 1 2 11,69 1 bis 4 2 1 3 4,33 5 bis 9 6 2 8 9,64 10 bis 14 2 1 3 3,65 15 bis 19 2 1 3 4,36 20 bis 24 2 2 4 3,08 25 bis 29 4 4 8 5,75 30 bis 39 5 3 8 3,21 40 bis 49 7 7 14 4,02 50 bis 59 4 4 8 2,16 60 bis 69 7 3 10 3,68 70 und älter 2 2 4 1,02 gesamt 44 31 75 3,38 Abbildung 24: Verteilung der übermittelten Giardiasis-Erkrankungen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 Nur bei neunzehn der insgesamt 46 Erkrankten wurde ein Infektionsort außerhalb Deutschlands angegeben. Am häufigsten (in 9 Fällen) wurde dabei Indien als Expositionsort genannt. 51 Erkrankungen (68 %) wurden mittels Antigennachweis bestätigt, in 24 Fällen erfolgte ein mikroskopischer Nachweis in Stuhl bzw. Duodenalsekret. 34 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Bei den Ausscheidern handelte es sich überwiegend um Asylbewerber, die im Rahmen der Einreiseuntersuchungen erfasst worden waren. Der Großteil dieser Nachweise (n=63; 65 %) wurde mikroskopisch erbracht, 26 Bestätigungen (27 %) erfolgten mittels Antigennachweis und acht weitere in Kombination beider Methoden. 1.11 Kryptosporidiose Thüringen: 60 Erkrankungen, Inzidenz 2,7 Deutschland: 1.385 Erkrankungen, Inzidenz 1,7 Kryptosporidiose ist eine durch Parasiten der Gattung Cryptosporidium verursachte Darminfektion, die weltweit verbreitet ist. Kryptosporidien wurden bei mehr als 40 Wirbeltierarten festgestellt, das Reservoir stellen insbesondere Rinder, Pferde, Ziegen und Schafe, aber auch Hunde, Katzen und Vögel dar. Die Übertragung erfolgt über verunreinigtes Wasser oder verunreinigte Lebensmittel. Die Erreger der Kryptosporidiose bilden Oozysten, welche die infektiöse Form darstellen. Nach der Aufnahme von Oozysten kommt es im Dünndarm zur Freisetzung der Sporozoiten, die die Infektion hervorrufen. Mit der Ausscheidung von Oozysten im Stuhl, die auch noch mehrere Wochen nach Rückgang der Symptome erfolgen kann, besteht Ansteckungsfähigkeit. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 7 bis 10 Tage. Das klinische Bild variiert von asymptomatischen Infektionen bis zu erheblichen wässrigen Durchfällen, die teilweise mit großen Flüssigkeitsverlusten einhergehen können und manchmal in Verbindung mit Bauchschmerzen, Übelkeit, Fieber und/oder Gewichtsverlust auftreten. Bei Säuglingen und immunsupprimierten Patienten kann der Durchfall chronisch werden und durch Komplikationen im Extremfall zum Tode führen. Es gibt bisher keine spezifische Therapie. Die Behandlung erfolgt daher im Allgemeinen symptomatisch durch Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten. In Thüringen war bei der Anzahl der durch Kryptosporidien hervorgerufenen Erkrankungen nach einem starken Rückgang im Jahr 2011 im aktuellen Berichtsjahr ein deutlicher Anstieg der Erkrankungszahlen auf nahezu das Dreifache zu beobachten. Die Inzidenz in Thüringen lag damit auch über dem bundesweiten Vergleichswert, der mit 1,7 Erkrankungen/100.000 Einwohner angegeben wurde. Auch in Deutschland war eine deutliche Erhöhung der Fallzahlen gegenüber den Vorjahren aufgefallen (Abb. 25). 35 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 25: Kryptosporidiose, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 Die Erkrankungen waren über das ganze Jahr verteilt. Ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen wurde lediglich im September beobachtet. Betroffen waren alle Altersgruppen, wobei die Inzidenz bei den Kindern im Alter von einem bis neun Jahren am höchsten lag (Tab. 8, Abb. 26). 36 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Tabelle 8: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Kryptosporidiose 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 0 1 1 5,85 1 bis 4 4 4 8 11,54 5 bis 9 7 6 13 15,66 10 bis 14 3 3 6 7,30 15 bis 19 1 4 5 7,27 20 bis 24 2 1 3 2,31 25 bis 29 6 3 9 6,47 30 bis 39 4 1 5 2,01 40 bis 49 3 4 7 2,01 50 bis 59 1 0 1 0,27 60 bis 69 0 1 1 0,37 70 und älter 0 1 1 0,26 gesamt 31 29 60 2,70 Abbildung 26: Verteilung der übermittelten Kryptosporidiosen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 Angaben zum Infektionsort wurden für 48 Fälle übermittelt. Lediglich bei elf Erkrankten wurde ein Infektionsort außerhalb Deutschlands angegeben. Am häufigsten (in 4 Fällen) wurde Ägypten als Expositionsort genannt. 37 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Vierundfünfzig Erkrankungen wurden mittels Antigennachweis bestätigt, in drei Fällen erfolgte ein mikroskopischer Nachweis. Bei weiteren drei Fällen erfolgte keine Labordiagnostik; sie standen im epidemiologischen Zusammenhang zu einer labordiagnostisch bestätigten Erkrankung. 1.12 Gruppenerkrankungen mit gastrointestinaler Symptomatik Im Berichtszeitraum 2012 wurden insgesamt 639 Geschehen mit 8.732 Erkrankungen und 98 Ausscheidern erfasst. Im Vergleich zum Vorjahr (550 Geschehen mit 8.245 Erkrankungen und 84 Ausscheidern) wurde bei der Anzahl der Geschehen ein Anstieg um 16,2 % registriert, die Zahl der Erkrankungen stieg im selben Zeitraum um 5,9 % an. Folgende Erreger wurden bei den Geschehen nachgewiesen: Noroviren: Rotaviren: Salmonellen: Adenoviren: Astroviren: 340 Geschehen - 5.593 E (davon bestätigt 1.140 E), 29 A 46 Geschehen - 476 E (davon bestätigt 118 E), 1 A 16 Geschehen - 306 E (davon bestätigt 294 E), 68 A 7 Geschehen 81 E (davon bestätigt 14 E) 3 Geschehen 55 E (davon bestätigt 6 E) Campylobacter: Clostridium perfringens: EHEC: E. coli: Kryptosporidiose: Shigellen: kein Erregernachweis: 4 Geschehen 12 E (davon bestätigt 1 Geschehen 2 E (davon bestätigt 2 Geschehen 4 E (davon bestätigt 2 Geschehen 7 E (davon bestätigt 1 Geschehen 4 E (davon bestätigt 4 Geschehen 8 E (davon bestätigt 213 Geschehen - 2.184 E 12 E) 1 E) 4 E) 2 E) 1 E) 5 E) Die Gruppenerkrankungen traten in nachstehend genannten Einrichtungen auf (Tab. 9): Tabelle 9: Erkrankungsgeschehen 2012 Einrichtungen Anzahl der Geschehen Erkrankungszahlen absolut % absolut % Kindereinrichtungen 361 56,5 4.531 51,9 Alten- und Pflegeheime/ Betreutes Wohnen 114 17,8 2.420 27,7 Krankenhäuser/ Kureinrichtungen 64 10,0 884 10,1 Familienerkrankungen Schulen/Internate Sonstige Einrichtungen Territoriale Häufungen 60 26 12 2 9,4 4,1 1,9 0,3 215 301 123 258 2,5 3,5 1,4 2,9 gesamt 639 100 8.732 100 38 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Bei den 16 Salmonellen-Geschehen wurden folgende Serovare nachgewiesen: 6 Geschehen S. Typhimurium: 17 E (16 E labordiagnostisch bestätigt/ 1 E klinischepidemiologisch bestätigt), 2 A 3 Geschehen S. Enteritidis: 11 E (7 E labordiagnostisch bestätigt, 4 E klinischepidemiologisch bestätigt) 2 Geschehen S. Stanley: 3 E (3 E labordiagnostisch bestätigt), 2 A 2 Geschehen S. Panama: 249 E (249 E labordiagnostisch bestätigt), 56 A 1 Geschehen S. Goldcoast: 14 E (7 E labordiagnostisch bestätigt) 1 Geschehen S. Kentucky: 11 E (11 E labordiagnostisch bestätigt), 5 A 1 Geschehen S. Ohio: 1 E (1 E labordiagnostisch bestätigt), 2 A Im Ergebnis der Ermittlungen durch die Gesundheitsämter konnte bei den zwei nachstehend aufgeführten Salmonellen-Geschehen eine Aussage zur Infektionsursache getroffen werden: Von einer ausgedehnten territorialen Häufung von Salmonellosen, verursacht durch S. Panama, waren besonders der Landkreis Eichsfeld, aber auch neun weitere benachbarte Landkreise Thüringens betroffen. Im Zeitraum vom 05.04. – 21.07.2012 erkrankten in diesem Territorium 247 Personen. Bei allen Patienten gelang in Stuhlproben der Nachweis von S. Panama, ebenso bei 56 nicht erkrankten Kontaktpersonen. Auch in den angrenzenden Bundesländern Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt wurden 63 durch S. Panama verursachte Erkrankungen erfasst. Die Erkrankungen standen überwiegend mit dem Verzehr von rohen Hackfleischzubereitungen und Rohwurstwaren aus verschiedenen Einkaufsstätten des Territoriums im Zusammenhang. Bei den Ausscheidern handelte es sich sowohl um Kontaktpersonen der Erkrankten als auch um Mitarbeiter der Verkaufsstätten. Aus zwei Lebensmittel-Verdachtsproben („Knacker geräuchert“ und „frisch geräucherte Mettwurst“) wurde ebenfalls S. Panama isoliert. Im Rahmen der betrieblichen Eigenkontrollen wurde in weiteren Fleisch- und Wurstwaren (Gehacktes, rohe Schinkenwurst und rohe Bratwurst) S. Panama nachgewiesen. Als Eintragsquelle wurde ein Schweinemastbetrieb im Landkreis Eichsfeld ermittelt. Sammelkot-, Staub- und Tupferproben aus der betreffenden Anlage wurden positiv auf S. Panama getestet. Im Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Salmonellen in Wernigerode wurden verschiedene Isolate, die während des Ausbruchsgeschehens aus humanen Stuhlproben, aus Lebensmitteln, aus Tupferproben bei Umgebungsuntersuchungen und Schweinekotproben gewonnen und als S. Panama typisiert wurden, mittels Pulsfeldgelelektrophorese untersucht. Anhand dieser Analysen wurde ein einheitliches Geschehen in Thüringen und in benachbarten Bundesländern bestätigt. Ein Ausbruch durch S. Kentucky mit elf Erkrankten und vier Ausscheidern wurde im August 2012 in der kreisfreien Stadt Suhl erfasst. In der Lebensmittelanamnese wurde mehrheitlich der Verzehr von Dönern von verschiedenen Imbissständen im Stadtbereich angegeben. In zwei Lebensmittelproben Dönerfleisch vom Spieß gelang im TLV der Nachweis von S. Kentucky. Ausbruch von akuter Gastroenteritis in fünf ostdeutschen Bundesländern In fünf ostdeutschen Bundesländern, darunter in Thüringen, ereignete sich in der 39. Kalenderwoche 2012 ein großer Ausbruch akuter gastroenteritischer Erkrankungen. Betroffen waren überwiegend Kinder und Jugendliche, die an der Gemeinschaftsverpflegung in Betreuungseinrichtungen und Schulen teilgenommen hatten, sowie Personal dieser Einrichtungen. Es handelte sich dabei um den bisher mit Abstand größten bekannten lebensmittelbedingten Ausbruch in Deutschland. Insgesamt waren 390 Einrichtungen, hauptsächlich Kin- 39 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 dergärten und Schulen, betroffen, in denen ca. 11.000 Erkrankungen auftraten, die meisten davon nicht laborbestätigt. In Thüringen wurden insgesamt 991 Erkrankungen erfasst. Die ersten Erkrankungen traten in Sachsen bereits am 20.09.2012 auf, das Geschehen stellte sich dort in drei Wellen mit geringer zeitlicher Trennung dar. Der Höhepunkt des Geschehens fiel in allen betroffenen Bundesländern auf den Zeitraum vom 25.09. – 28.09.2012. Die Erkrankungen waren von einem akuten Beginn mit Brechdurchfällen innerhalb weniger Stunden nach Nahrungsaufnahme gekennzeichnet, die Verläufe waren kurz und unkompliziert. Nur wenige Patienten mussten stationär behandelt werden. Sekundärinfektionen wurden aus allen Bundesländern berichtet. Nahezu alle betroffenen Einrichtungen in den genannten Bundesländern wurden von einem gemeinsamen Betreiber über regionale Küchen mit Essen versorgt. In allen entsprechenden Einrichtungen waren in den Tagen vor Ausbruchsbeginn Tiefkühlerdbeeren angeboten worden, die in den Regionalküchen in verschiedener Weise weiterverarbeitet und im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung ausgegeben wurden. Aufgrund des Nachweises von Noroviren in Tiefkühlerdbeeren wurden diese als Ursache für den Ausbruch identifiziert. Die verunreinigte Charge wurde aus dem Verkehr gezogen. Auch in einer größeren Anzahl von Patientenproben wurden Noroviren nachgewiesen. 2 Typhus abdominalis Thüringen: 1 Erkrankung Deutschland: 58 Erkrankungen, Inzidenz 0,07 Diese durch das Bakterium Salmonella Typhi verursachte systemische Infektion (auch Bauchtyphus genannt) stellt insbesondere in Ländern mit geringem hygienischen Standard ein großes gesundheitliches Problem dar. Der Erreger wird fäkal-oral übertragen, beispielsweise durch Nahrungsmittel oder Wasser, die mit dem Erreger kontaminiert sind. Nach einer Inkubationszeit von in der Regel ein bis zwei Wochen (mitunter bis zu 60 Tagen) entwickeln sich zunächst unspezifische Beschwerden wie Kopf- und Muskelschmerzen, gefolgt von einem stufenförmigen Fieberanstieg bis 41 °C. Die hochfieberhafte Phase kann über mehrere Wochen anhalten und geht mit schwerem Krankheitsgefühl (z. B. beginnende Somnolenz) einher. Etwa 3 Wochen nach Krankheitsbeginn kommt es zu erbsbreiähnlichen Durchfällen, mitunter treten typische Hauterscheinungen (Roseolen) auf. Unbehandelt kann die Erkrankung dramatisch, mitunter sogar tödlich verlaufen. Nach überstandener Erkrankung scheiden 2 - 5 % der Infizierten die Erreger länger als 6 Monate aus, mitunter lebenslang, und werden somit zum Dauerausscheider und zur möglichen Infektionsquelle. Vor Reisen in tropische Gebiete ist die Impfung angeraten. Maßnahmen der Individualhygiene (Verzicht auf den Genuss unzureichend gegarter Speisen und Leitungswasser) sollten konsequent eingehalten werden. Nachdem im vorherigen Berichtsjahr in Thüringen kein Fall von Typhus abdominalis zur Meldung gelangt war, wurde 2012 eine Erkrankung übermittelt. Dabei handelte es sich um einen 43-jährigen Inder, der am 02.06.2012 mit Fieber und Durchfall erkrankt war und am 13.06.2012 hospitalisiert wurde. In der Blutkultur gelang am 18.06.2012 der Nachweis von S. Typhi. Der Patient hatte sich vom 19.04. – 25.05.2012 in seinem Heimatland aufgehalten. 40 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 3 Clostridium difficile-Infektion Thüringen: 79 Erkrankungen, davon 20 Sterbefälle, Inzidenz 3,6 Dieses sporenbildende und daher sehr umweltresistente Bakterium kommt im menschlichen Darm vor und ist für den Gesunden harmlos. Gerät jedoch die normale Darmflora aus dem Gleichgewicht, kann sich C. difficile unverhältnismäßig stark vermehren und die durch den Erreger produzierten Toxine können den Darm schädigen. Auslöser hierfür ist in erster Linie eine Antibiotikatherapie, aber auch eine Chemotherapie, eine gastrointestinale Grundkrankheit, eine Immunsuppression oder ein großer bauchchirurgischer Eingriff kommen in Frage. In Abhängigkeit von der Virulenz des C. difficile-Stammes und der individuellen Immunlage variiert die Schwere des klinischen Bildes zwischen Bauchkrämpfen mit und ohne Durchfall bis hin zur lebensbedrohlichen pseudomembranösen Kolitis, als deren Komplikationen Perforation, Sepsis und toxisches Megakolon (Erweiterung des Dickdarmes), teilweise mit letalem Ausgang, gefürchtet sind. In erster Linie sind immungeschwächte Patienten oder Personen im fortgeschrittenen Lebensalter gefährdet. Die Übertragung erfolgt durch direkten oder indirekten Kontakt mit erregerhaltigen Fäkalien bzw. damit kontaminierten Flächen. Zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen zählen daher eine restriktive, kontrollierte Antibiotikagabe und die strikte Einhaltung grundlegender Hygienemaßnahmen (Händehygiene). Da in Deutschland, wie auch in den EU-Nachbarländern, im Jahr 2007 ein gehäuftes nosokomiales Auftreten von Infektionen mit dem C. difficile Ribotyp 027 mit erhöhter Letalität zu beobachten gewesen war, wurde Ende 2007 auf die Meldepflicht gemäß § 6 Abs. 1, Nr. 5a IfSG und die Übermittlungspflicht gemäß § 11 Abs. 1 IfSG hingewiesen. Somit lagen erstmalig für 2008 gemäß IfSG Daten über die Zirkulation von C. difficile in Thüringen vor. Insgesamt wurden von nahezu allen Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten mit Ausnahme der Landkreise Nordhausen, Saalfeld-Rudolstadt, dem Saale-Holzland-Kreis sowie der kreisfreien Städte Erfurt und Jena insgesamt 79 durch C. difficile hervorgerufene Infektionen übermittelt. Gegenüber dem Vorjahr, in dem 69 Infektionen in Thüringen registriert worden waren, bedeutete dies einen Anstieg um 14 %. Betroffen waren ein männliches Kleinkind im Alter von einem Jahr sowie 35 Männer und 43 Frauen zwischen 39 und 96 Jahren, wobei allein 70 Infektionen auf die Altersgruppe der über 70-Jährigen entfielen. In Stuhlproben aller Patienten gelang der Nachweis von C. difficile mit Toxinbildung. Sterbefälle: Acht Männer und zwölf Frauen im Alter zwischen 51 und 96 Jahren verstarben laut Totenschein infolge der Clostridien-Infektion. 4 Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) Thüringen: 105 Nachweise, davon 16 Sterbefälle, Inzidenz 4,7 Deutschland: 4.462 Nachweise, Inzidenz 5,4 Das Bakterium Staphylococcus aureus gehört zur Hautflora und löst in der Regel keine Erkrankungen beim gesunden Menschen aus; man spricht von einer asymptomatischen Kolonisation. Unter bestimmten Voraussetzungen, z. B einer schlechten Immunlage, vermag dieser Erreger Hautinfektionen, Muskelerkrankungen und, nur äußerst selten, lebensbedrohliche Erkrankungen (wie Lungenentzündungen) hervorzurufen. 41 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Anders ist die Situation, wenn der Keim multiresistent geworden ist und sich in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen ungehindert ausbreiten kann. Solche Infektionen stellen aufgrund der dann eingeschränkten Therapiemöglichkeiten und der daraus resultierenden erheblich verzögerten Genesung des Patienten zunehmend ein großes gesundheitspolitisches Problem dar. Für medizinische und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens sind sie mit einem gravierenden finanziellen und materiellen Mehraufwand verbunden. Präventiv müssen deshalb ein verantwortungsbewusster Einsatz von Antibiotika durchgesetzt und grundlegende Maßnahmen der Standardhygiene strikt eingehalten werden (z. B. ordnungsgemäße Händehygiene). Im Jahr 2012 wurden in Thüringen 105 Nachweise einer invasiven MRSA-Infektion in Blut und Liquor übermittelt. Dabei handelte es sich um 96 klinisch-labordiagnostisch bestätigte Fälle und 9 labordiagnostisch bestätigte Fälle bei nicht erfülltem oder unbekanntem klinischen Bild. Dies entspricht einer Inzidenz von 4,7 Fällen pro 100.000 Einwohner und somit einer Abnahme um 9,5 % gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zu Gesamtdeutschland lag die Inzidenz invasiver MRSA-Infektionen 2012 in Thüringen leicht unter dem Durchschnitt von 5,45 Fällen pro 100.000 Einwohner. Achtunddreißig Prozent der Infektionen wurden als nosokomial eingestuft. Hauptsächlich betroffen waren Personen, insbesondere Männer, die älter als 50 Jahre waren. Die regionalen Inzidenzen der verschiedenen Land- und Stadtkreise zeigten, ähnlich wie im Vorjahr, eine große Varianz und lagen zwischen 0 und 10,9. Als Symptome wurden am häufigsten Fieber, ein septisches Krankheitsbild sowie pulmonale Symptomatik angegeben. Als meistgenannte Risikofaktoren fungierten zentralvenöse Katheter oder invasive Zugänge anderer Art, MRSA-Infektionen der Haut- und Weichteile sowie stattgehabte Operationen. Ausführliche Informationen zu MRSA-Infektionen 2012 in Thüringen können dem aktuellen MRSA-Jahresbericht 2012 entnommen werden: https://www.thueringen.de/imperia/md/content/tllv/medizinaluntersuchung/mrenetzwerke/jahresbericht _mrsa_2012_finalversion.pdf 5 Invasive Meningokokken-Erkrankung Thüringen: 8 Erkrankungen, Inzidenz 0,36 Deutschland: 354 Erkrankungen, Inzidenz 0,43 Meningokokken sind Bakterien der Gattung Neisseria meningitidis, die die sog. Meningitis epidemica (eitrige Hirnhautentzündung) hervorrufen. Von den 13 bekannten Serogruppen dominieren in Deutschland die Serogruppen B und C. Meningokokken-Erkrankungen kommen ganzjährig vor mit einer leichten Häufung während der Wintermonate und im Frühjahr. In besonders hohem Maße sind kleine Kinder bis 5 Jahre betroffen, aber auch im Jungendalter (14 bis 19 Jahre) ist eine Zunahme der Erkrankungshäufigkeit zu beobachten. Bei ca. 10 % der gesunden Bevölkerung besiedelt der Erreger die Schleimhaut im Nasen-Rachenraum, ohne eine Erkrankung hervorzurufen. Unter besonderen Bedingungen gelingt es den Meningokokken, die natürliche Schleimhautbarriere zu überwinden, um dann eine invasive Erkrankung mit sehr schwerwiegenden Verlaufsformen aus zulösen. Die Meningitis beginnt mit schwerem Krankheitsgefühl, verbunden mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit. Im Verlauf kann sich auch eine Meningokokken-Sepsis („Blutvergiftung“) entwickeln. Als schwere Komplikation tritt das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom auf, das mit Blutungsneigung und septischem Schock einhergeht. Unbehandelt verläuft ein goßer Teil der Meningokokken-Erkrankungen letal. Bei rechtzeitiger effizienter Antibiotika-Therapie lässt sich die Sterblichkeit maßgeblich senken. Enge Kontaktpersonen zu Erkrankten erhalten zu ihrem Schutz eine Prophylaxe mit Antibiotika. Die Impfung gegen Meningokokken C 42 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 gehört zu den Standardimpfungen im Kleinkindalter und sollte ggf. auch bei Jugendlichen nachgeholt werden. Gegen die am häufigsten vorkommende Serogruppe B wurde ein Impfstoff entwickelt, der seit 2013 verfügbar ist. Im Berichtsjahr traten in vier Landkreisen und drei Städten Thüringens acht MeningokokkenMeningitiden auf. Die Anzahl der Erkrankungen war damit gegenüber dem Vorjahr (15 E) deutlich zurückgegangen. Somit lag die Thüringer Inzidenz erstmals seit 2008 niedriger als der für Deutschland registrierte Vergleichswert (Abb. 27). Abbildung 27: Meningokokken-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 Vier Erkrankungen traten bereits im Januar auf, weitere vier Infektionen wurden im Jahresverlauf erfasst. Betroffen waren ein 7 Monate alter weiblicher Säugling, vier Kleinkinder (2 x männlich, 2 x weiblich) zwischen 1 und 3 Jahren, ein 13-jähriges Mädchen sowie zwei Frauen im Alter von 56 und 64 Jahren. Die Inzidenzen bei den Säuglingen und Kleinkindern fielen somit am höchsten aus. Allein auf diese beiden Altersgruppen entfiel mehr als die Hälfte der in Thüringen aufgetretenen Erkrankungen (Tab. 12, Abb. 28). Die Erkrankungen zweier Kleinkinder gingen mit einem Waterhouse-Friderichsen-Syndrom einher. 43 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Tabelle 12: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Meningokokken-Meningitis 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich Inzidenz gesamt <1 0 1 1 5,85 1 bis 4 2 2 4 5,77 5 bis 9 0 0 0 0,00 10 bis 14 0 1 1 1,22 15 bis 19 0 0 0 0,00 20 bis 24 0 0 0 0,00 25 bis 29 0 0 0 0,00 30 bis 39 0 0 0 0,00 40 bis 49 0 0 0 0,00 50 bis 59 0 1 1 0,27 60 bis 69 0 1 1 0,37 70 und älter 0 0 0 0,00 gesamt 2 6 8 0,36 Abbildung 28: Verteilung der übermittelten Meningokokken-Meningitiden nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 Bei allen acht Erkrankungen gelang die Isolierung von Neisseria meningitidis aus Liquor oder Blutkultur. Für sechs Erkrankungen wurden Angaben zur Serogruppe übermittelt. Bei diesen Fällen ergab die weitere Differenzierung die Serogruppe B. In zwei weiteren Fällen erfolgte 44 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 keine Serotypisierung. Eine durch Neisseria meningitidis der Serogruppe C hervorgerufene Erkrankung trat im Berichtsjahr in Thüringen nicht auf. Für 183 Personen, die Kontakt zu den Erkrankten gehabt hatten, wurde eine Chemoprophylaxe veranlasst. 6 6.1 Virushepatitiden Hepatitis A Thüringen: 22 Erkrankungen, Inzidenz 1,0 Deutschland: 831 Erkrankungen, Inzidenz 1,0 Infektionen durch das Hepatitis A-Virus verursachen eine akute Leberentzündung. Deutschlandweit wurden in den vergangenen Jahren zwischen 1.000 bis 2.000 Neuerkrankungen gemeldet (hohe Dunkelziffer). Das mit dem Stuhl ausgeschiedene Virus wird über fäkal kontaminierte Lebensmittel (z. B. Meeresfrüchte) und verunreinigtes Trinkwasser, aber auch durch Schmierinfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Da in Regionen, wo der Hygienestandard niedrig ist, mit einer höheren Infektionsgefährdung gerechnet werden muss, sind Hepatitis A-Erkrankungen reisemedizinisch von Bedeutung. Nach einer Inkubationszeit von ca. 2 bis 6 Wochen kommt es zu Magen-Darmbeschwerden, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Durchfällen und Dunkelfärbung des Urins sowie Druckschmerz im Oberbauch; bei etwa der Hälfte der Betroffenen entwickelt sich ein Ikterus (Gelbfärbung der Augen und der Haut). Besonders bei Kindern kommt es vor, dass die Hepatitis-Infektion asymptomatisch verläuft. Die Prognose einer Hepatitis A-Erkrankung ist gut; nach ca. 3 bis 6 Wochen heilt sie aus und hinterlässt eine lebenslange Immunität. Komplikationen betreffen vor allem Patienten mit vorgeschädigter Leber. Aufgrund der vielfältigen Ansteckungsmöglichkeiten ist ein effektiver Schutz vor allem durch die strikte Einhaltung von Hygienemaßnahmen zu erreichen. Gegen Hepatitis A gibt es eine wirksame Schutzimpfung, sie ist die wichtigste Reiseimpfung. Die Anzahl der Erkrankungen durch das Hepatitis A-Virus ging im Berichtsjahr in Thüringen im Vergleich zum Vorjahr (26 E) geringfügig zurück (Abb. 29). Die Inzidenz in Thüringen entsprach somit dem bundesweiten Niveau. 45 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 29: Hepatitis A-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 Aus elf Landkreisen und zwei Städten wurden 22 Infektionen mit dem Hepatitis A-Virus übermittelt. Dabei handelte es sich um Einzelfälle, deren Ursachen größtenteils nicht eruiert werden konnten. Nur vier Erkrankungen standen mit Auslandsaufenthalten in Ägypten (2 E), Indien und Kirgistan (je 1 E) in Zusammenhang. Betroffen waren zwei 15-jährige Jugendliche sowie elf Männer und neun Frauen zwischen 23 und 85 Jahren. Auffallend war, wie auch schon in den vergangenen Jahren, der hohe Anteil älterer Patienten (Altersgruppe 60 Jahre und älter), auf die mehr als die Hälfte aller Erkrankungen entfiel (Tab. 13, Abb. 30). Vier Infektionen wurden im Rahmen der routinemäßigen Untersuchungen bei Krankenhausaufnahmen erfasst. Die Betroffenen wiesen keine Hepatitis-spezifische Symptomatik auf. Bei solchen Fällen könnte es sich auch um unspezifische Reaktionen des zur Diagnostik verwendeten IgM-Antikörper-ELISAs handeln. Diese Tests sind eigentlich nicht für den Einsatz als Screening-Tests bei asymptomatischen Personen gedacht. Alle Erkrankten waren ungeimpft. Neun Patienten mussten aufgrund der vorliegenden Symptomatik stationär behandelt werden. 46 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Tabelle 13: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Hepatitis A 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 0 0 0 0,00 1 bis 4 0 0 0 0,00 5 bis 9 0 0 0 0,00 10 bis 14 0 0 0 0,00 15 bis 19 1 1 2 2,91 20 bis 24 1 0 1 0,77 25 bis 29 1 0 1 0,72 30 bis 39 1 2 3 1,21 40 bis 49 0 0 0 0,00 50 bis 59 1 1 2 0,54 60 bis 69 3 1 4 1,47 70 und älter 4 5 9 2,30 gesamt 12 10 22 0,99 Abbildung 30: Verteilung der übermittelten Hepatitis A-Infektionen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz Thüringen 2012 47 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 6.2 Akute Hepatitis B Thüringen: 16 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, Inzidenz 0,7 Deutschland: 679 Erkrankungen, Inzidenz 0,8 Hepatitis B ist eine der häufigsten weltweit vorkommenden Virus-Infektionen und wird durch das Hepatitis B-Virus über Blut und andere Köperflüssigkeiten von Mensch zu Mensch übertragen. Die meisten Infektionen verlaufen anikterisch oder asymptomatisch. Nur bei einem Drittel der Infizierten zeigen sich nach einer Inkubationszeit von ca. 2 bis 6 Monaten Symptome wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Oberbauchbeschwerden sowie Fieber und Gelenkschmerzen; später kann sich ein Ikterus (Gelbfärbung von Augen und Haut) einstellen. Die Mehrzahl der Infektionen verläuft akut und heilt nach 4 bis 6 Monaten aus. Bei 5 - 10 % der betroffenen Erwachsenen geht die Infektion in eine chronische Verlaufsform über mit dem Risiko, später eine Leberzirrhose oder ein Leberzellkarzinom zu entwickeln. Hepatitis B-Virusträger bleiben dauerhaft infektiös. Die Infektiosität eines Virusträgers ist abhängig von der Viruslast im Blut. Bei hochvirämischen Trägern finden sich Viren auch im Urin, im Speichel, in der Samenflüssigkeit, in Galle und in der Muttermilch. In Deutschland sind die sexuelle Übertragung, das gemeinsame Nutzen von Nadeln bei i.v.Drogenkonsumenten oder ungenügend gereinigtes und desinfiziertes Instrumentarium beim Piercen oder Tätowieren die wichtigsten Infektionsquellen. Die Schutzimpfung gegen Hepatitis B, eine Standardimpfung im Kleinkindalter, ist die wichtigste und effektivste Präventionsmaßnahme. Nachdem in den Berichtsjahren 2010 und 2011 in Thüringen überaus deutliche Rückgänge der Erkrankungszahlen an akuter Hepatitis B verzeichnet wurden, setzte sich dieser Trend im aktuellen Berichtsjahr nicht fort (Abb. 31). So wurde 2012 ein Anstieg der Anzahl der übermittelten akuten Infektionen mit dem Hepatitis B-Virus um 45 % beobachtet und damit wieder das Niveau des Jahres 2010 erreicht. Die mit 0,8 Erkrankungen/100.000 Einwohner angegebene bundesweite Inzidenz wurde nur geringfügig unterschritten. 48 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 31: Hepatitis B-Erkrankungen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 Die Erkrankungen wurden aus sieben Landkreisen und drei kreisfreien Städten Thüringens übermittelt. Es erkrankten deutlich mehr Männer (n=12) als Frauen (n=4), ein Trend, der bereits seit einigen Jahren auch bundesweit zu beobachten war. Die Patienten befanden sich im Alter von 25 bis 86 Jahren und waren ungeimpft (Tab. 14, Abb. 32). Bei den erkrankten Personen handelte es sich mit Ausnahme eines in Thüringen lebenden Mannes aus Tansania um deutsche Staatsbürger ohne Migrationshintergrund. Neun Erkrankte mussten stationär behandelt werden. Als vermutliche Infektionsursachen bzw. -risiken konnten eruiert werden (Mehrfachnennungen möglich): • Operationen/Transfusionen: 2x • Kontakt zu HBc-Virusträgern: 2x • i.v. Drogengebrauch 1x • Diabetes mellitus (insulinpflichtig) 1x • medizinische Behandlungen im Ausland: 1x • unbekannt: 10 x 49 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Tabelle 14: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Akute Hepatitis B 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich Inzidenz gesamt <1 0 0 0 0,00 1 bis 4 0 0 0 0,00 5 bis 9 0 0 0 0,00 10 bis 14 0 0 0 0,00 15 bis 19 0 0 0 0,00 20 bis 24 0 0 0 0,00 25 bis 29 1 0 1 0,72 30 bis 39 4 0 4 1,61 40 bis 49 2 1 3 0,86 50 bis 59 2 0 2 0,54 60 bis 69 1 1 2 0,74 70 und älter 2 2 4 1,02 gesamt 12 4 16 0,72 Abbildung 32: Verteilung der übermittelten akuten Hepatitis B-Erkrankungen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 Sterbefall: Ein 74-jähriger multimorbider Mann aus dem Landkreis Altenburger Land verstarb laut Totenschein an einer akuten Hepatitis B-Infektion. 50 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 6.3 Hepatitis C Thüringen: 110 Erkrankungen, Inzidenz 5,0 Deutschland: 4.982 Erkrankungen, Inzidenz 6,1 Diese Leberentzündung wird durch das Hepatitis C-Virus hervorgerufen. Etwa 3 % der Weltbevölkerung und ungefähr 1 % der Deutschen sind mit dem Virus infiziert. Charakteristisch für eine Hepatitis C-Infektion, die früher als Hepatitis NonA/NonB bezeichnet wurde, ist die hohe Rate der Chronifizierung (bis 80 %), die zu schweren Leberschädigungen wie Leberzirrhose und Leberzellkarzinom führen kann. Die Übertragung der Infektion erfolgt in erster Linie über erregerhaltiges Blut, seltener durch andere Körperflüssigkeiten, sodass eine Übertragung durch Intimkontakte oder beim Stillen von untergeordneter Bedeutung ist. Der Verlauf der akuten Erkrankung ist mild und wird oft als vermeintlich grippaler Infekt gedeutet. Da es keine spezifischen Symptome gibt, die auf diese Erkrankung hindeuten, wird eine Hepatitis C oft nur durch Zufall entdeckt. Während ein Teil der Erkrankungen ohne bleibende Schäden ausheilt, nimmt der überwiegende Teil einen chronischen Verlauf mit der Gefahr schwerwiegender Leberschädigungen als Spätfolgen. Eine Therapie ist nur in eingeschränkter Form möglich. Eine Schutzimpfung gegen Hepatitis C steht derzeit nicht zur Verfügung. Nach einer 2011 verzeichneten stark rückläufigen Inzidenz der erstdiagnostizierten Hepatitis C-Infektionen in Thüringen war 2012 wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen (Abb. 33). Abbildung 33: Erstmalig erhobene Hepatitis C-Labornachweise, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 51 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Betroffen waren 67 Männer und 43 Frauen im Alter von 19 bis 87 Jahren aus allen Städten und Landkreisen Thüringens (Tab. 15, Abb. 34). Die weitaus höchste Inzidenz wurden bei Erwachsenen in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen (Inz. 11,4) erfasst. Männer im Alter zwischen 20 und 49 Jahren erkrankten dabei wesentlich häufiger als Frauen desselben Alters. Bei 35 Erkrankten war eine stationäre Behandlung erforderlich; in zwei Fällen wurde eine Leberzirrhose diagnostiziert. Tabelle 15: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Hepatitis C 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 0 0 0 0,00 1 bis 4 0 0 0 0,00 5 bis 9 0 0 0 0,00 10 bis 14 0 0 0 0,00 15 bis 19 0 1 1 1,45 20 bis 24 6 2 8 6,15 25 bis 29 7 2 9 6,47 30 bis 39 29 4 33 13,26 40 bis 49 11 7 18 5,17 50 bis 59 4 7 11 2,97 60 bis 69 3 7 10 3,68 70 und älter 7 13 20 5,10 gesamt 67 43 110 4,95 Abbildung 34: Verteilung der erstmalig erhobenen Hepatitis C-Labornachweise nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 52 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Unter den Patienten befanden sich vierzehn Spätaussiedler aus Russland, der Ukraine, Usbekistan und Kasachstan, vier Asylbewerber aus Aserbaidschan, Russland und Indien sowie vier in Deutschland lebende Ausländer aus Italien, Rumänien, Pakistan und Palästina. Als vermutliche Infektionsursachen bzw. -risiken wurden eruiert (Mehrfachnennungen möglich): • Drogengebrauch, intravenös 38 x • Operationen/Transfusionen 29 x • Tätowierung/Piercing 6x • Kontakt zu Hepatitis C-Virusträgern 5x • medizinische Behandlung im Ausland 6x • berufliche Exposition 3x • Dialyse 4x • HIV-Koinfektion 2x • Homosexualität 2x • Hämophilie 1x Bei dreißig Erkrankten konnte keine potentielle Infektionsursache gefunden werden. Nur siebzehn Patienten wiesen eine ausgeprägte Hepatitis-Symptomatik auf, sodass die aufgrund des Krankheitsbildes erfolgten differenzialdiagnostischen Untersuchungen zur Diagnosestellung führten. Bei allen anderen erstmalig erhobenen Hepatitis C-Virusnachweisen handelte es sich um Zufallsbefunde serologischer bzw. molekularbiologischer Untersuchungen, die aus den nachstehend aufgeführten Gründen veranlasst worden waren: • Routineuntersuchungen bei Hausärzten ö. ä.: 31 x • Routineuntersuchungen bei Krankenhausaufnahmen: 34 x • Drogenentzug: 11 x • Blutspende: 7x • Aufnahmeuntersuchungen JVA/Maßregelvollzug: 5x • Umgebungsuntersuchungen: 3x • arbeitsmedizinische Untersuchung: 1x • vorbereitende Untersuchungen vor einer Dialyse: 1x 6.4 Hepatitis E Thüringen: 14 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, 4 Erregernachweise ohne Symptomatik, Inzidenz 0,6 Deutschland: 387 Erkrankungen, Inzidenz 0,5 Diese virale Hepatitis des Menschen wird durch das Hepatitis E-Virus ausgelöst. Der Übertragungsweg ist fäkal-oral über Schmier- oder Kontaktinfektion bzw. über kontaminiertes Wasser. Während die Erkrankung in Südostasien epidemische Ausmaße annimmt, tritt sie in Mitteleuropa nur vereinzelt auf, entweder als reiseassoziierte Erkrankung (insbesondere nach Aufenthalten in Indien und Afrika) oder sporadisch, wobei hier als Infektionsquelle der Verzehr von nicht vollständig durchgegartem Fleisch von Wildschwein, Hirsch, aber auch Hausschwein (Schweineleber) vermutet wird. Ein großer Teil der Infektionen verläuft symptomlos oder sehr mild. Sofern sich nach einer Inkubationszeit von 2 bis 8 Wochen Symptome zeigen, gleichen sie denen einer Hepatitis A (Gelbsucht, Fieber, Müdigkeit). Besonders gefährdet sind Patienten, bei denen bereits eine Leberschädigung vorliegt. In den 53 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Entwicklungsländern haben Schwangere eine hohe HEV-assoziierte Letalität. Eine Schutzimpfung gegen die Hepatitis E ist in Entwicklung. Nachdem 2011 ein Rückgang der Anzahl der Hepatitis E-Infektionen gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen gewesen war, stieg deren Zahl im Berichtsjahr wieder deutlich an. Sowohl in Thüringen als auch bundesweit wurden die höchsten Inzidenzen seit Einführung des IfSG erreicht. Bundesweit ließ sich eine kontinuierliche Zunahme der jährlichen Fallzahlen von ca. fünfzig gemeldeten Fällen in den Jahren 2004 bis 2006, über etwas mehr als 200 Fälle in den Jahren 2010 und 2011 auf nahezu 400 Fälle im aktuellen Berichtsjahr beobachten (Abb. 35). Abbildung 35: Verteilung der Hepatitis E-Infektionen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 In Thüringen waren acht Männer und sechs Frauen im Alter von 28 bis 85 Jahren aus den Landkreisen Schmalkalden-Meiningen (6 E), Weimarer Land und Unstrut-Hainich-Kreis (je 2 E) sowie aus dem Landkreis Gotha, dem Wartburgkreis und den kreisfreien Städten Erfurt und Gera (je 1 E) betroffen. Im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen wurde bei vier weiteren Personen im familiären Umfeld der Patienten eine Hepatitis E-Infektion labordiagnostisch gesichert, ohne dass eine Symptomatik aufgetreten war. Serologisch bzw. molekularbiologisch wurde in allen Fällen eine Hepatitis E-Infektion bestätigt (Nachweis von Anti-HEV-IgM bzw. Nukleinsäurenachweis). Bei den Erkrankungen, die über das ganze Jahr verteilt aufgetreten waren, handelte es sich um Einzelfälle. Zwei Patienten hatten sich vermutlich während eines Aufenthaltes in China bzw. Kroatien infiziert. Bei allen anderen Erkrankten ließen sich trotz intensiver Ermittlungen der zuständigen Gesundheitsämter keine Infektionsquellen eruieren. 54 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Sterbefall: Ein 67-jähriger Mann, der sich in der Inkubationszeit in China aufgehalten hatte, war nach seiner Rückkehr nach Deutschland mit Ikterus erkrankt und verstarb infolge der HEVInfektion an akutem Leberversagen. 7 Influenza Thüringen: 1.627 Erkrankungen, davon 3 Sterbefälle, Inzidenz 72,8 Deutschland: 43.764 Erkrankungen, Inzidenz 53,5 Die Influenza (Virusgrippe) wird durch Influenzaviren der Typen A, B und C verursacht, sie sind weltweit verbreitet. In der Bevölkerung zirkulieren während der saisonalen Influenzawellen seit Jahrzehnten in unterschiedlichem Ausmaß Influenza A-Viren der Subtypen H3N2 und H1N1 sowie Influenza B-Viren der Victoria- oder Yamagata-Linie. Influenzaviren des Typs C sind selten und die Erkrankungen haben meist nur geringe Symptomatik. Die Influenza-Viren sind ständigen genetischen Änderungen unterworfen, sodass jährlich die Impfstoffzusammensetzung angepasst werden muss. Die Infektion erfolgt über Tröpfcheninfektion oder indirekt über kontaminierte Oberflächen und Hände auf die Schleimhäute des Nasen-Rachenraums. Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 1 - 2 Tage. Die Ansteckungsfähigkeit beginnt kurz vor Ausbruch der Erkrankung und hält bis zu einer Woche an. Die Erkrankung beginnt plötzlich mit hohem Fieber, starkem Krankheitsgefühl, Hals-, Muskel-, Glieder- und Kopfschmerzen sowie Entzündungen der mittleren und unteren Atemwege. Gefürchtet sind Komplikationen wie Pneumonie, Myokarditis, Enzephalitis, Neuritis und Parese. Vorbestehende Grundleiden können sich erheblich verschlechtern. Ebenso ist ein Astheniesyndrom über mehrere Wochen nach einer Infektion möglich. Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Im Einzelfall ist in der Frühphase eine Therapie mit Neuraminidasehemmern möglich. Neben der jährlich empfohlenen Influenza-Impfung besteht die Prophylaxe vor allem in der Einhaltung persönlicher Hygienemaßnahmen (Vermeiden von Anhusten und Anniesen, Händehygiene, ggf. Meiden größerer Menschenansammlungen). Die epidemiologische Erfassung der Influenza erfolgt anders als bei anderen meldepflichtigen Erkrankungen, nicht kalenderjahresweise, sondern entsprechend dem saisonalen Auftreten. Ab Oktober nimmt die Anzahl der gemeldeten Fälle langsam zu, um im Januar und Februar stark anzuwachsen. Ihren Höhepunkt erreicht die Welle in der Regel im Februar oder März, um dann langsam wieder abzuflauen. Eine Influenza-Saison umfasst daher den Zeitraum von Anfang Oktober bis Mitte April. In Thüringen wurden im Berichtsjahr 2012 insgesamt 517 Influenza-Erkrankungen registriert. Dabei entfielen 451 Erkrankungen auf die ersten Monate des Jahres und gehörten somit noch der Influenza-Saison 2011/2012 an. Weitere drei Erkrankungen wurden in den Sommermonaten, d. h. außerhalb der Influenza-Saison, übermittelt. Die 63 Erkrankungen, die ab Oktober 2012 zur Meldung gelangten, waren schon der folgenden Influenza-Saison 2012/2013 zugehörig. Für weitere Informationen sei daher an dieser Stelle auf die entsprechenden Influenza-Saisonberichte verwiesen. https://www.thueringen.de/imperia/md/content/tllv/medizinaluntersuchung/d31/influenzasaison2012.pd f https://www.thueringen.de/imperia/md/content/tllv/medizinaluntersuchung/d31/infuenzabericht_2012_2 013_neu.pdf 55 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 8 Tuberkulose Thüringen: 75 Erkrankungen, davon 5 Sterbefälle, Inzidenz 3,4 Deutschland: 4.228 Erkrankungen, Inzidenz 5,2 Tuberkulose ist weltweit die am häufigsten zum Tode führende behandelbare Infektionskrankheit. Jedes Jahr sterben daran fast zwei Millionen Menschen, acht bis neun Millionen erkranken neu. Hervorgerufen wird die Tuberkulose durch Erreger des Mycobacterium tuberculosis-Komplexes (M. tuberculosis, M. africanum, M. bovis, M. microti, M. canetti). Die Übertragung der Erreger erfolgt aerogen von Mensch zu Mensch. Weltweit ist ein Drittel aller Menschen mit Tuberkulose infiziert. Jedoch erkranken in Abhängigkeit von Zahl und Virulenz der Tuberkulosebakterien sowie der Immunkompetenz nur 3 bis 10 % der Infizierten im Laufe ihres Lebens. Unter- oder Mangelernährung, schlechte hygienische Lebensumstände und eine Schwächung des Immunsystems, wie z. B. durch HIV/AIDS, fördern den Ausbruch einer Tuberkulose. Sorge bereitet vor allem auch die Verbreitung von multiresistenten Tuberkulosestämmen (MDR-Tuberkulose) und das Vorkommen von extensiv resistenten Erregern (XDRTuberkulose). Die Brennpunkte der MDR- und XDR-Tuberkulose befinden sich in den Ländern der früheren Sowjetunion (GUS) und in China. Aufgrund der hohen Mobilität der Menschen durch Reiseerleichterungen, Migration und moderne Transportmittel kommt es auch zur Einschleppung solcher multiresistenter Erreger nach Deutschland. Im Jahr 2012 gelangten in Thüringen 75 Neuerkrankungen an Tuberkulose zur Meldung. Das entspricht einer Inzidenz von 3,4 Erkrankungen/100.000 Einwohner. Somit war ein leichter Anstieg um 7 % gegenüber dem Jahr 2011, in dem 70 Neuerkrankungen registriert worden waren, zu verzeichnen. Die bereits seit Jahren zu beobachtende rückläufige Tendenz setzte sich somit in diesem Berichtsjahr nicht fort, trotzdem lag die Inzidenz in Thüringen, wie auch schon in den vergangenen Jahren, deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt. Fünf an Tuberkulose erkrankte Patienten verstarben 2012 in Thüringen infolge dieser Infektionskrankheit. Dies entspricht einer Mortalität von 0,2 Sterbefällen/100.000 Einwohner. Die Letalität lag bei 7 %. Bundesweit wurde hingegen im Berichtszeitraum mit 4.228 Erkrankungen (Inzidenz 5,2) ein minimaler Rückgang um 1,7 % gegenüber dem Vorjahr (4.302 Erkrankungen) beobachtet. Ausführliche Informationen zur Tuberkulose 2012 in Thüringen können dem aktuellen Tuberkulose-Jahresbericht 2012 entnommen werden. http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tllv/abteilung3/d31/jahresbericht_tuberkulose_2012.pdf 56 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 9 9.1 Seltene übertragbare Krankheiten Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Thüringen: 7 Erkrankungen, davon 5 Sterbefälle, Inzidenz 0,32 Deutschland: 120 Erkrankungen, Inzidenz 0,15 Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) ist eine beim Menschen sehr selten auftretende, tödlich verlaufende sog. transmissible spongioforme Enzephalopathie (deutsch „übertragbares schwammartiges Hirnleiden“). An ihr sterben in Deutschland jährlich etwa 80 bis 90 vorwiegend ältere Menschen, Frauen sind dabei deutlich häufiger betroffen als Männer. Als Ursache der CJK werden falsch gefaltete infektiöse Proteine (Prionen) im Gehirn angesehen. Die Nervenzellen werden zunehmend in ihrer Funktion gestört, bis es schließlich zum Zelltod und damit vollständigem Erliegen aller Hirnfunktionen kommt. Die Erkrankung beginnt schleichend und kann mehrere Wochen bis mehr als zwei Jahre dauern. Durch die fortschreitende Degeneration des Gehirns verliert der Betroffene unaufhaltsam seine geistigen und motorischen Fähigkeiten (Gedächtnisdefizite, Störungen in Bewegung und Wahrnehmung, Persönlichkeitsveränderungen, Verwirrtheit bis hin zur Demenz). Im Endstadium kommt es zur Bewusstlosigkeit und Bewegungsstarre. Derzeit stehen weder eine spezifische Therapie noch eine Impfung gegen CJK zur Verfügung. Es werden sporadisch auftretende Erkrankungen, iatrogen verursachte Fälle und familiär vererbliche Formen unterschieden. Die letzteren sind nicht meldepflichtig. Außerdem ist seit Ende des vorigen Jahrhunderts eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (kurz vCJK) bekannt, an der insbesondere jüngere Menschen aus verschiedenen Ländern Europas, vor allem aus Großbritannien, Irland, Frankreich verstarben. Sie steht mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem Auftreten einer Enzephalopathie bei Rindern (BSE) in Zusammenhang. In Deutschland wurde bisher noch kein Fall dieser neuen Variante diagnostiziert. In Thüringen wurden im aktuellen Berichtsjahr, wie auch schon im Vorjahr, sieben Erkrankungen an CJK übermittelt. Die Thüringer Inzidenz lag somit wiederum nahezu doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Bei den erkrankten Personen handelte es sich um vier Männer und drei Frauen im Alter zwischen 59 und 82 Jahren. Betroffen waren: • ein 59-jähriger Mann aus dem Landkreis Eichsfeld, erkrankt im Januar 2012, • eine 64-jährige Frau aus dem Landkreis Hildburghausen, erkrankt 2011, verstorben am 24.03.2012, Todesursache laut Totenschein: Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit • eine 73-jährige Frau aus dem Wartburgkreis, erkrankt im Oktober 2011, verstorben am 08.05.2012, Todesursache laut Totenschein: Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit • ein 71-jähriger Mann aus dem Saale-Holzland-Kreis, erkrankt im November 2011, verstorben am 17.07.2012, Todesursache laut Totenschein: Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit • eine 82-jährige Frau aus Erfurt, erkrankt im Mai 2012, verstorben am 01.07.2012, Todesursache laut Totenschein: Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, Herzinsuffizienz • ein 60-jähriger Mann aus dem Wartburgkreis, erkrankt im Oktober 2011, • ein 80-jähriger Mann aus Suhl, erkrankt 2011, verstorben am 13.08.2012, Todesursache lt. Totenschein: Verdacht auf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Bei allen Patienten fiel zunächst eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes, teilweise verbunden mit fortschreitender Demenz, Apathie und Wahnvorstellungen, auf. Im Rahmen der differenzialdiagnostischen Untersuchungen wurde die Diagnose einer sporadischen 57 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Form der CJK aufgrund des klinischen Bildes und des Nachweises von typischen sharpwave-Komplexen im EEG und/oder 14-3-3-Proteinen im Blut gestellt. Die Ermittlungen erbrachten bei keinem der Patienten Hinweise auf ein bestimmtes Infektionsrisiko (familiär, berufs- oder ernährungsbedingt). Im Rahmen der in einem Fall durchgeführten Sektion wurde durch das Nationale Referenzzentrum für Spongiforme Enzephalopathien Göttingen neuropathologisch das Vorliegen einer Creutzfeld-Jakob-Erkrankung bestätigt. 9.2 Dengue-Fieber Thüringen: 13 Erkrankungen, Inzidenz 0,6 Deutschland: 615 Erkrankungen, Inzidenz 0,8 Diese durch das Dengue-Virus verursachte Infektion wird in tropischen und subtropischen Regionen durch den Stich bestimmter Moskitoarten der Gattung Aedes auf den Menschen übertragen. Hauptverbreitungsgebiete sind Südostasien, Indien, Zentralafrika und Lateinamerika. Die in Deutschland erfassten Denguefieber-Erkrankungen (etwa 100 - 200 pro Jahr) sind reiseassoziiert und stehen mit einem Aufenthalt in o. g. Regionen in Verbindung. Es gibt verschiedene Verlaufsformen. Die mildere, klassische Form ist durch grippeähnliche Symptomatik mit hohem Fieber (bis 41 °C), Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen sowie schweren Erschöpfungszuständen, bisweilen auch Hautausschlägen, charakterisiert. Nach etwa zwei Wochen heilt sie in der Regel komplikationslos aus. Eine weitere, sehr schwerwiegende Variante, die oft einen tödlichen Verlauf nimmt, tritt in Form des DengueHämorrhagischen Fiebers auf. Zunächst wie die klassische Form beginnend, verschlechtert sich der Zustand des Betroffenen zunehmend, es kommt zu inneren und äußeren Blutungen bis hin zum lebensbedrohlichen Schocksyndrom. Es gibt keine spezifische Therapie, ein Impfstoff ist in Entwicklung. Nachdem 2011 gegenüber dem Vorjahr ein deutlicher Rückgang der Erkrankungen an Dengue-Fieber zu verzeichnen gewesen war, wurde 2012 mit 13 Erkrankungen wieder das Niveau des Jahres 2010 erreicht. Dieser Trend zeichnete sich auch bundesweit ab. Mit 615 Erkrankungen wurde nicht nur die Fallzahl des Vorjahres (288 E) mehr als verdoppelt, sondern auch ein Anstieg um 3 % gegenüber dem Jahr 2010 (595 E) verzeichnet und somit die höchste Fallzahl seit Einführung des IfSG im Jahr 2001 erreicht. In Thüringen erkrankten im Berichtsjahr acht Männer und fünf Frauen im Alter zwischen 23 und 68 Jahren. Als Infektionsländer wurden Thailand (5 x), die Malediven (4 x), Nicaragua (2 x), die Dominikanische Republik (1 x) und Sri Lanka (1 x) genannt. Alle Infektionen wurden labordiagnostisch bestätigt (Nachweis von IgM-Antikörpern gegen Denguevirus bzw. Nachweis des NS1-Antigens mittels ELISA). Hämorrhagische Verläufe traten nicht auf. 9.3 Haemophilus influenzae, invasive Erkrankung Thüringen: 7 Erkrankungen, Inzidenz 0,3 Deutschland: 323 Erkrankungen, Inzidenz 0,4 Erkrankungen durch das Bakterium Haemophilus influenzae vom Typ b (Hib) zählen zu den schwersten bakteriellen Infektionen im Kleinkindalter. Der Erreger, der nur beim Menschen 58 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 vorkommt, besiedelt vor allem die Schleimhäute der oberen Atemwege und wird über Tröpfcheninfektion weiterverbreitet. Kleinkinder und Personen mit eingeschränkter Milzfunktion bzw. entfernter Milz haben ein besonders hohes Risiko zu erkranken. Nach einer Inkubationszeit von zwei bis fünf Tagen kommt es zu einem fieberhaften Infekt des NasenRachenraumes, der mit Mittelohr-, Nasennebenhöhlen- und Lungenentzündung einhergehen kann. Gefürchtete Komplikationen sind die Hib-Meningitis, die nach Defektheilung oft zu bleibenden Hörschäden, Sehstörungen oder schweren geistigen Behinderungen führt, sowie die plötzlich einsetzende Kehldeckelentzündung (Epiglottitis), die mit Erstickungsanfällen verbunden sein kann. Unbehandelt sterben etwa 60 bis 90 % der Erkrankten; auch bei rechtzeitiger Antibiotika-Therapie ist die Sterberate mit bis zu 5 % immer noch hoch. Gegen die Infektion steht eine wirksame Schutzimpfung im Säuglings- bzw. Kleinkindalter zur Verfügung. Mit sieben durch Haemophilus influenzae verursachten invasiven Erkrankungen wurde 2012 ein Anstieg der Fallzahlen auf mehr als das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr (3 E) erreicht. Seit 2001 waren in Thüringen jährlich zwischen zwei und vier Erkrankungen erfasst worden. Auch bundesweit wurden die höchsten Fallzahlen seit Einführung der Meldepflicht erreicht. Bei den Erkrankten handelte es sich um einen einjährigen Jungen, der regelrecht geimpft war, sowie sechs ungeimpfte Erwachsene (drei Männer, drei Frauen) im Alter zwischen 30 und 82 Jahren. In allen Fällen gelang die Isolierung von Haemophilus influenzae aus der Blutkultur. Eine Serotypisierung war jedoch nur in einem Fall eines ungeimpften Patienten erfolgt und erbrachte den Nachweis des impfpräventablen Kapseltyps B. 9.4 Hantavirus-Erkrankung Thüringen: 73 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, Inzidenz 3,3 Deutschland: 2.822 Erkrankungen, Inzidenz 3,4 Hantaviren sind weltweit verbreitet und verursachen in Abhängigkeit vom jeweils beteiligten Virustyp Krankheitsbilder mit unterschiedlichem Schweregrad, einschließlich hämorrhagischer Verläufe. Der Mensch infiziert sich über den Speichel und die Ausscheidungen von infizierten Ratten und Mäusen über das Einatmen virushaltiger Aerosole, durch Kontakt der verletzten Haut mit kontaminiertem Staub oder durch Biss der infizierten Nager. In Deutschland manifestiert sich die Hantavirus-Infektion in der Regel als milde Verlaufsform. Das Krankheitsbild wird bestimmt durch hohes Fieber, Myalgien, Kopfschmerzen und gastrointestinale Beschwerden. Es kann jedoch auch zu Blutungen des Magen-Darm-Traktes und des Gehirns oder zu akutem Nierenversagen kommen. Eine Vielzahl der Hantavirus-Infektionen verläuft asymptomatisch oder mit unspezifischen Krankheitszeichen. Die Therapie erfolgt symptomatisch, bei Notwendigkeit intensivmedizinisch. Eine Impfung ist nicht verfügbar. Die Bekämpfung von Ratten und Mäusen sowie persönliche Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Handschuhen sind die effektivsten Präventionsmaßnahmen. Wie die Zahlen der vergangenen Jahre zeigen, variiert die Anzahl der durch Hantaviren hervorgerufenen Erkrankungen von Jahr zu Jahr erheblich. Ursache hierfür ist die Dichte der Nagetierpopulationen, die das Reservoir für Hantaviren bilden. Eine Zunahme der Populationsdichte tritt in mehrjährigen Zyklen auf und wird u. a. durch klimatische Faktoren sowie das Nahrungsangebot (Buchenmast im jeweiligen Vorjahr) beeinflusst. In besonders mäusereichen Jahren mit reichhaltigem Futterangebot und nach einem milden Winter ist die Infektionsgefahr daher am größten. Erkrankungen treten das ganze Jahr über auf, am häufigsten aber von Mai bis September. 59 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Nachdem 2011 bei der Anzahl der Hantavirus-Infektionen sowohl bundesweit als auch in Thüringen ein überaus deutlicher Rückgang um 85 % bzw. 94 % zu beobachten war, wurde 2012 wieder ein sprunghafter Anstieg der Fallzahlen registriert (Abb. 36). Im Berichtsjahr kam es, wie auch schon in den Jahren 2005, 2007 und 2010, zu einer massenhaften Vermehrung von Wühlmausarten, zu denen auch die Rötelmaus als Überträger der für Deutschland relevanten Hantavirus-Spezies Puumala gehört. Abbildung 36: Hantavirus-Infektionen, Inzidenz in Thüringen und Deutschland 2003 – 2012 In Thüringen traten die Erkrankungen hauptsächlich in den Monaten Mai bis September auf, wobei der Erkrankungsgipfel bereits im Mai mit 18 Erkrankungen erreicht war (Abb. 37). Abbildung 37: Hantavirus-Infektionen in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Monaten 60 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Erkrankt waren ein 12-jähriger Junge, eine 16-jährige Jugendliche sowie 51 Männer und 20 Frauen im Alter zwischen 21 und 78 Jahren. Die höchste Inzidenz wurde in der Altersgruppe der 25- bis 29-Jährigen (Inz. 8,6) registriert. Insgesamt erkrankten deutlich mehr Männer als Frauen (Tab.19, Abb. 38). Bei 51 Erkrankten (70 %) war eine stationäre Behandlung erforderlich. Die Patienten erkrankten überwiegend mit Fieber, Dyspnoe sowie Kopf- und Gliederschmerzen. In 33 Fällen (45 % aller Erkrankten) lag eine Nierenfunktionsstörung vor. Hämorrhagische Verläufe traten nicht auf. Für alle Erkrankungen wurden labordiagnostische Bestätigungen erbracht (Nachweis von IgG- und IgM-Antikörpern im Serum). Dabei wurden in 38 Fällen Antikörper gegen PuumalaVirus und in einem Fall gegen Dobrava-Virus nachgewiesen. Bei 34 Fällen wurden die Antikörper gegen Hantaviren nicht weiter differenziert. Tabelle 19: Altersgruppenverteilung – Hantavirus-Erkrankungen 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 0 0 0 0,00 1 bis 4 0 0 0 0,00 5 bis 9 0 0 0 0,00 10 bis 14 1 0 1 1,22 15 bis 19 0 1 1 1,45 20 bis 24 3 2 5 3,85 25 bis 29 9 3 12 8,63 30 bis 39 13 4 17 6,83 40 bis 49 14 3 17 4,88 50 bis 59 8 3 11 2,97 60 bis 69 4 2 6 2,21 70 und älter 0 3 3 0,77 gesamt 52 21 73 3,29 61 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 38: Verteilung der Hantavirus-Infektionen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 Von 66 Thüringer Patienten lagen Angaben zur möglichen Infektionsursache vor. Am häufigsten wurden forst- oder landwirtschaftliche Tätigkeiten einschließlich Gartenarbeiten (43 x) und Wohnen auf dem Land bzw. in Waldnähe (17 x) genannt. Aber auch Aufenthalt in der Natur (11 x) sowie Aufräum- und Reinigungsarbeiten (8 x) kamen wiederholt als Infektionsursache in Frage. Mehrfachnennungen waren möglich (Abb. 39). Forst- und landwirtschaftliche Tätigkeit, Gartenarbeit Wohnen auf dem Land bzw. in Waldnähe Aufenthalt in der Natur, Spaziergänge Aufräum- und Reinigungsarbeiten (Dachböden, Schuppen, Ställe) Abriss-, Bau- und Renovierungsarbeiten Abbildung 39: Anzahl der Hantaviruserkrankungen nach Exposition, Thüringen 2012 62 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Insgesamt fiel auf, dass sich die Wohnorte der Erkrankten überwiegend in der Nähe von Laub- bzw. Mischwaldgebieten im Westen Thüringens nahe der hessischen Landesgrenze befanden. Diese Gebiete stellen ein bevorzugtes Habitat der Rötelmaus dar (Abb. 40). Abbildung 40: Territoriale Verteilung der Hantavirus-Erkrankungen – Thüringen 2012 Sterbefall: Ein 63-jähriger Mann aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen, bei dem eine Herzerkrankung bekannt war, verstarb am 30.09.2012 laut Totenschein an einer HantavirusInfektion. Als Infektionsursache wurden Kompostarbeiten im eigenen Garten angesehen. 9.5 Legionellose Thüringen: 23 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, Inzidenz 1,0 Deutschland: 655 Erkrankungen, Inzidenz 0,8 Diese Atemwegserkrankung wird durch Bakterien aus der Gattung Legionella verursacht; der mit Abstand häufigste Erreger ist Legionella pneumophila. Die Legionellose tritt hauptsächlich in zwei Verlaufsformen auf. Das seltenere Pontiac-Fieber, für das grippeähnliche Symptome wie Fieber, Husten und Muskelschmerzen charakteristisch sind, nimmt einen milden 63 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Krankheitsverlauf. Die schwerwiegendere Verlaufsform, die Legionärskrankheit, geht zusätzlich mit einer Lungenentzündung einher und kann lebensbedrohlich sein. In Deutschland werden jährlich etwa 400 bis 500 Erkrankungen an der Legionärskrankheit mit Schwerpunkt in den Sommer- und Herbstmonaten erfasst. Die Infektion erfolgt über das Einatmen Legionellen-haltiger Aerosole, die in kontaminierten Klimaanlagen, Raumluftbefeuchtern, Duschen usw. erzeugt werden. Legionellen vermehren sich im warmen Wasser. Von der Erkrankung sind insbesondere ältere Menschen oder Personen, deren Immunsystem geschwächt ist bzw. bei denen chronische Grundleiden vorliegen, betroffen. Unbehandelt kommt es bei 5 - 15 % der Fälle zu letalen Verläufen. Zur Behandlung kommen Antibiotika zum Einsatz. Im Berichtsjahr 2012 war in Thüringen ein Anstieg der Anzahl der Legionellosen um 28 % gegenüber dem Vorjahr zu beobachten gewesen. Auch bundesweit wurde ein Anstieg der Fallzahlen registriert, der allerdings mit 2 % äußerst gering ausfiel. Sechs Legionellosen wurden aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen, fünf Erkrankungen aus Erfurt, je drei Fälle aus dem Landkreis Eichsfeld und aus Weimar, zwei Erkrankungen aus dem Landkreis Nordhausen sowie jeweils eine Erkrankung aus Jena, Suhl und dem Landkreis Altenburger Land übermittelt. Betroffen waren vierzehn Männer und neun Frauen im Alter zwischen 19 und 95 Jahren, davon 8 Patienten (33 %) in der Altersgruppe 70 Jahre und älter. Alle Betroffenen waren an einer Pneumonie mit Husten und Fieber erkrankt. Vierzehn Patienten (58 %) wurden stationär behandelt. Alle Erkrankungen wurden labordiagnostisch bestätigt: • Nachweis von Legionella-Antigen im Urin: 11 x • Nachweis von Antikörpern gegen Legionella pneumophila im Serum mittels IFT: 10 x • Nachweis von Legionella spp. in Sekreten des Respirationstraktes mittels PCR: 2 x Fünf Patienten gaben als mögliche Ursache für die Erkrankungen Übernachtungen in Hotels und Pensionen in einem anderen Bundesland bzw. in Italien, Ungarn und der Türkei an. Ein weiterer Patient war in einem Abwasserbetrieb in der Schweiz tätig. Bei allen anderen Patienten erbrachten die Ermittlungen der Gesundheitsämter keine Hinweise auf spezielle Expositionsorte. In den entnommenen Wasserproben aus den Haushalten der Patienten ließ sich keine Kontamination mit Legionellen nachgewiesen. Sterbefall: Eine 95-jährige Frau aus Erfurt verstarb am 02.03.2012 laut Totenschein infolge einer Legionellenpneumonie. 9.6 Leptospirose Thüringen: 1 Erkrankung, Inzidenz 0,04 Deutschland: 88 Erkrankungen, Inzidenz 0,1 Bei der Leptospirose handelt es sich um eine weltweit verbreitete Zoonose, die durch Bakterien der Gattung Leptospira hervorgerufen wird und hauptsächlich über Nagetiere (Ratten, Mäuse), aber auch Haustiere (Schweine, Rinder, Ziegen, Hunde, Katzen) sowie Waldtiere auf den Menschen übertragen wird. Über die Ausscheidungen (Urin) infizierter Tiere gelangen die Erreger in den Boden oder das Wasser. Der Mensch nimmt den Erreger über kleine Hautverletzungen oder über die Schleimhäute auf, wenn er damit in Kontakt kommt. Die Erkrankung tritt in Abhängigkeit vom beteiligten Erreger in unterschiedlichen Verlaufsformen auf. Als milde Form nimmt sie einen harmlosen Verlauf und äußert sich dann wie ein grippa64 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 ler Infekt mit Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen. Für die besonders gefährliche, lebensbedrohliche Variante der Leptospirose (Morbus Weil) sind ein Ikterus und verschiedene Komplikationen wie Blutungsneigung, schwere Leber- und Nierenbeteiligung, mitunter auch eine Hirnhautentzündung im Krankheitsverlauf charakteristisch; die Sterblichkeit kann bis zu 11 % betragen. Zur Behandlung kommen Antibiotika hochdosiert zum Einsatz; ein Impfstoff ist in Deutschland nicht zugelassen. Die Nagetierbekämpfung gehört zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen. Mit nur einer im Berichtsjahr erfassten Leptospirose blieb deren Anzahl im Vergleich zum Vorjahr konstant. Ein 42-jähriger Mann aus Erfurt wurde am 13.08.2012 mit grippeähnlichen Beschwerden, Fieber und einer Nierenfunktionsstörung hospitalisiert. Im Serum wurden Antikörper (einmalig deutlich erhöhter Wert) gegen Leptospiren nachgewiesen. Als Infektionsursache wurde die private Kleintierhaltung des Patienten (Enten, Hühner, Kaninchen) im eigenen Garten vermutet. 9.7 Listeriose Thüringen: 17 Erkrankungen, davon 1 Sterbefall, Inzidenz 0,8 Deutschland: 427 Erkrankungen, Inzidenz 0,5 Bakterien der Gattung Listeria sind weltweit verbreitet und kommen ubiquitär in der Umwelt, aber auch im Darm von Mensch und Tier vor. Der für den Menschen relevanteste Erreger aus dieser Gattung ist Listeria monocytogenes. Während er bei einem gesunden Menschen kaum eine Erkrankung auslösen kann und somit eine Infektion meist unbemerkt verläuft, sind immungeschwächte oder ältere Menschen, aber auch Schwangere gefährdet. Eine Listeriose äußert sich mit grippeähnlicher Symptomatik wie Fieber, Muskelschmerzen, unter Umständen auch mit Durchfall und Erbrechen. Als Komplikationen, die auch letal verlaufen können, sind eitrige Meningitis, Enzephalitis und Sepsis sehr gefürchtet. Bei Schwangeren, die oft keine oder nur eine unauffällige Symptomatik entwickeln, kann sich die Infektion über die Plazenta auf das ungeborene Kind übertragen und zu Fehl-, Früh- oder Totgeburten führen bzw. zu einer Neugeborenen-Listeriose, die durch schwere Krankheitsbilder gekennzeichnet ist. Die Aufnahme des Erregers erfolgt in der Regel über den Verzehr kontaminierter tierischer oder pflanzlicher Lebensmittel, ggf. auch durch gesunde Ausscheider auf fäkaloralem Weg. Gefährdete Personen sollten auf den Genuss roher tierischer Lebensmittel (Rohmilch, Rohwurst) verzichten. Daneben zählt eine gute Küchenhygiene zu den effektiven Präventionsmaßnahmen. Zur Behandlung einer Listeriose kommen hochdosierte Antibiotika zum Einsatz. Während 2012 bei der Anzahl der Listeriosen in Deutschland ein Anstieg um 26 % gegenüber dem Vorjahr registriert wurde, war im selben Zeitraum in Thüringen ein leicht abnehmender Trend (- 15 %) zu beobachten. Trotzdem lag die Inzidenz in Thüringen über dem bundesweiten Vergleichswert. Die Erkrankungen wurden aus acht Landkreisen und einer kreisfreien Stadt übermittelt. Betroffen waren zwei Neugeborene und deren Mütter im Alter von 19 und 32 Jahren sowie weitere neun Männer und vier Frauen zwischen 21 und 78 Jahren, wobei die Mehrzahl der Erkrankten 60 Jahre und älter war. Bei vier Erkrankten ging die Listeriose mit einer Meningitis einher. In sechzehn Fällen gelang die Isolierung von Listeria monocytogenes, davon bei elf Patienten aus der Blutkultur, bei drei Erkrankten aus Liquor, in einem Fall aus einer Gewebeprobe sowie je einmal aus Abstrichen von mütterlichem Gewebe (Vaginalabstrich) und aus Nasen-, 65 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Ohr- und Rachenabstrichen eines Neugeborenen. Die in zwei Fällen erfolgte Serotypie des Erregers erbrachte je einmal die Serotypen 1/2a und 4b. Drei Patienten gaben als vermutliche Infektionsursachen den Verzehr von Rohmilchkäse, Salami, Schinken und Räucherfisch an, davon zwei während eines Urlaubsaufenthaltes in Italien bzw. auf den Kanarischen Inseln. Eine labordiagnostische Bestätigung im angeschuldigten Lebensmittel wurde jedoch nicht erbracht. In allen anderen Fällen erbrachten die Ermittlungen der zuständigen Gesundheitsämter keine Hinweise auf mögliche Infektionsquellen. Sterbefall: In Gera wurde bei einem weiblichen Frühgeborenen (30. Schwangerschaftswoche) ein septisches Krankheitsbild beobachtet. Trotz intensiv-medizinischer Behandlung verstarb das Mädchen. In der Blutkultur gelang der Nachweis von Listeria monocytogenes. Die bakteriologischen Untersuchungen bei der Mutter verliefen negativ; sie zeigte keine Symptomatik. Eine Infektionsursache ließ sich nicht eruieren. 9.8 Ornithose Thüringen: 1 Erkrankung, Inzidenz 0,04 Deutschland: 16 Erkrankungen, Inzidenz 0,02 Diese weltweit verbreitete Zoonose wird durch Bakterien der Gattung Chlamydophila hervorgerufen und vor allem durch Vögel übertragen. Insbesondere Chlamydophila-Stämme, die bei den Psittaciden (Papageienartige) vorkommen, verfügen über eine hohe Humanpathogenität, in solchen Fällen spricht man von Psittakose (Papageienkrankheit). Infizierte Tiere scheiden den Erreger mit dem Kot aus. Dieser wird in der Regel durch Tröpfcheninfektion inhalativ bzw. durch Einatmen von infektiösem Kot-Staub oder Aerosol, aber auch als Kontakt- bzw. Schmierinfektion auf den Menschen übertragen. Die Ornithose kommt in Deutschland nur noch selten vor, spielt aber als Berufserkrankung bei beruflich exponierten Personen (z. B. Vogelzüchter, Personal auf Geflügelfarmen, Tierpfleger, Tierärzte) eine Rolle. Sie verläuft in der Regel wie eine schwere grippeartige Allgemeinerkrankung unter vorwiegender Beteiligung der Lungen. Zudem treten Schüttelfrost, hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, trockener Husten sowie Bradykardie (langsame Schlagfolge des Herzens) auf. Eine Ornithose kann auch Entzündungen der Herzinnenhaut (Endokarditis), des Herzmuskels (Myokarditis), des Herzbeutels (Perikarditis) oder eine Gehirnentzündung (Enzephalitis) bedingen. Bei immungeschwächten Personen kann der Verlauf einer Ornithose lebensbedrohlich sein. Ausschlaggebend für eine günstige Prognose ist eine sichere Diagnose zum frühestmöglichen Zeitpunkt, um mit der Einleitung einer gezielten Antibiotika-Therapie zu beginnen zu können. Sowohl in Thüringen als auch bundesweit war im Berichtsjahr die Anzahl der Erkrankungen an Ornithose gegenüber dem Vorjahr konstant geblieben. Betroffen war ein 34-jähriger Mann aus dem Wartburgkreis, der am 30.05.2012 mit Husten und Kopfschmerzen erkrankt war. Im Serum wurden mittels KBR Chlamydiales-Antikörper (einmalig deutlich erhöhter Wert) nachgewiesen. Der Patient hatte Kontakt zu einem an Psittakose erkrankten Papagei. 66 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 9.9 Q-Fieber Thüringen: 1 Erkrankungen, Inzidenz 0,04 Deutschland: 200 Erkrankungen, Inzidenz 0,2 Erreger dieser weltweit (außer Neuseeland und der Antarktis) vorkommenden Zoonose ist das Bakterium Coxiella burnetii. Als sporenähnliche Dauerform kann es jahrelang in der Umwelt (z. B. in Staub, auf Wolle oder im Heu) überleben und infektiös bleiben. Infektionsquellen sind vor allem infizierte Schafe, Rinder, Ziegen, Katzen, Hunde, aber auch Wildtiere und Vögel. Da die Infektion während der Trächtigkeit reaktiviert wird, sind Erreger vor allem in der Gebärmutter und in den Milchdrüsen ihrer Wirte zu finden. Von solchen Organen und den neugeborenen Jungen infizierter Muttertiere geht eine besonders hohe Infektionsgefährdung für Personen aus, die damit z. B. berufsbedingt in Berührung kommen können (Tierhalter, Beschäftigte in Schlachtbetrieben, veterinärmedizinisches Personal, Beschäftigte in fellverarbeitenden Betrieben, Laborpersonal). Die Übertragung erfolgt meist durch das Einatmen von infektiösem Staub oder direkten Kontakt mit einem infizierten Tier, weniger über den Verzehr tierischer Nahrungsmittel. Etwa 50 % der Infektionen verlaufen leicht mit den Anzeichen eines grippalen Infektes und heilen spontan nach 1 bis 2 Wochen aus. Die akute Infektion ist gekennzeichnet durch hohes Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen (vor allem Rückenmuskulatur) und starke Stirnkopfschmerzen. Im weiteren Verlauf können eine Pneumonie oder eine Hepatitis hinzukommen. Als seltenere Komplikationen sind Myokarditis (Entzündung des Herzmuskels), Perikarditis (Entzündung des Herzbeutels) oder eine Meningoenzephalitis (Entzündung von Hirnhäuten und Gehirn) bekannt. Kommt es in der Schwangerschaft zu einer Infektion, kann dies zum Abort oder zu einer Frühgeburt führen. Zur Behandlung werden Antibiotika eingesetzt. Nachdem 2011 in Thüringen sechs Erkrankungen an Q-Fieber aufgetreten waren, wurde im aktuellen Berichtsjahr nur ein Fall übermittelt. Erkrankt war ein 58-jähriger Mann aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen, der am 12.01.2012 an einer Pneumonie mit Fieber erkrankt war. Serologisch gelang der Nachweis von IgM-Antikörpern gegen Phase-2-Antigen des Erregers. Als mögliche Infektionsursache wurde der Kontakt zu Schlachtabfällen von Schafen angesehen. 10 Sonstige Infektionskrankheiten (Meldung gemäß der Thüringer Verordnung über die Anpassung der Meldepflicht für Infektionskrankheiten vom 15.02.2003 und der Zweiten Verordnung zur Änderung der Thüringer Infektionskrankheitenmeldeverordnung –ThürIfKrMVO - vom 23.02.2010) 10.1 Übrige Formen der Meningitis/Enzephalitis Neben Meningokokken können auch andere Bakterien (z. B. Staphylokokken, Streptokokken, dabei insbesondere Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Listerien, Borrelien, E. coli usw.) und Viren (z. B. Enteroviren, Herpesviren, Mumpsviren, Arboviren), selten auch Pilze oder Parasiten eine Meningitis (Hirnhautentzündung) oder eine Enzephalitis (Gehirnentzündung) auslösen. In vielen Fällen sind sowohl die Hirnhäute als auch das Gehirn gleichzeitig betroffen, sodass man dann von einer Meningoenzephalitis spricht. Charakteristisch für eine Meningitis sind starke Kopfschmerzen, Fieber, Nackensteifigkeit und ein 67 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 schweres allgemeines Krankheitsgefühl, wodurch ein medizinischer Notfall eintritt, der einer schnellstmöglichen Behandlung bedarf. Besonders gefürchtet ist die durch Bakterien hervorgerufene „eitrige Meningitis“ mit bedrohlichen Krankheitsverläufen, einer hohen Letalität oder schweren Spätschäden (z. B. Lähmungen, Taubheit). Der klinische Verlauf einer Enzephalitis variiert in Abhängigkeit vom Erreger und der Lokalisation der Erkrankung stark. Die Symptome reichen von Fieber, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit bis hin zu Lähmungen, Krämpfen und zur Bewusstlosigkeit. Leichte Formen bleiben manchmal unbemerkt und klingen komplikationslos ab; schwere Verläufe sind mit einer hohen Sterblichkeit und gravierenden Spätfolgen (Lähmungen, geistige Behinderung) verbunden. 10.1.1 Sonstige bakterielle Meningitis (außer Meningokokken-Meningitis) Thüringen: 15 Erkrankungen, davon 2 Sterbefälle, Inzidenz 0,7 Bei der Anzahl der Erkrankungen an einer sonstigen Form der bakteriellen Meningitis war im Jahr 2012 ein Anstieg der Fallzahlen gegenüber dem Vorjahr um 25 % zu beobachten. Erkrankt waren drei Säuglinge im Alter von zwei, sieben und neun Monaten sowie drei Männer und neun Frauen zwischen 29 und 91 Jahren aus drei kreisfreien Städten und neun Landkreisen Thüringens. In elf Fällen gelang die Erregerisolierung aus dem Liquor, in drei Fällen aus der Blutkultur und einmal sowohl aus Liquor als auch aus der Blutkultur. Dabei wurden bei zwölf Patienten Streptococcus pneumoniae sowie in jeweils einem Fall Streptococcus agalactiae, Streptococcus epidermis und Escherichia coli nachgewiesen. Sterbefälle: Zwei Frauen im Alter von 54 und 91 Jahren verstarben laut Totenschein an einer Pneumokokkenmeningitis. 10.1.2 Virus-Meningoenzephalitis Thüringen: 14 Erkrankungen, Inzidenz 0,6 Die Anzahl der Virusmeningitiden hatte sich im Berichtsjahr in Thüringen im Vergleich zu 2011 (24 Erkrankungen) deutlich reduziert. Bei den Erkrankten handelte es sich um drei Jungen und vier Mädchen im Alter zwischen 5 und 13 Jahren, eine 15-jährige Jugendliche sowie zwei Männer und vier Frauen zwischen 21 und 77 Jahren aus sechs Landkreisen und zwei kreisfreien Städten. Folgende Nachweise wurden geführt: • Nukleinsäurenachweis von Enterovirus mittels PCR im Liquor: 9x • Nukleinsäurenachweis von Herpes simplex-Virus mittels PCR im Liquor: 3 x • Nukleinsäurenachweis von Varizella-Zoster im Liquor: 2x Bei allen Fällen handelte es sich um Einzelerkrankungen, zwischen denen kein epidemiologischer Zusammenhang bestand. 68 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 10.1.3 Meningitis/Enzephalitis ohne Erregernachweis Thüringen: 24 Erkrankungen, Inzidenz 2,6 Bei den Meningitis-Erkrankungen, bei denen kein Erregernachweis gelang bzw. keine Diagnostik veranlasst worden war, wurde nach einem deutlichen Anstieg der Erkrankungszahlen auf 58 Erkrankungen im Jahr 2011 im aktuellen Berichtsjahr wieder ein Rückgang um nahezu 60 % registriert. Die Erkrankungen kamen in sieben Landkreisen und drei kreisfreien Städten zur Meldung und waren über das ganze Jahr verteilt, wobei in den Monaten Juli bis September mit elf Erkrankungen die höchste Infektionsrate registriert worden war. Betroffen waren sechs Jungen und sieben Mädchen im Alter von 1 bis 14 Jahren, ein 17jähriger Jugendlicher sowie zehn Erwachsene (acht Männer und zwei Frauen) im Alter zwischen 23 und 79 Jahren. Erkrankungshäufungen wurden nicht registriert, es handelte sich generell um Einzelfälle. 10.2 Borreliose Thüringen: 348 Erkrankungen, Inzidenz 15,7 Die Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung auf der nördlichen Hemisphäre. Sie wird durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht. Es ist von einer Infektionsgefährdung in allen Teilen Deutschlands auszugehen. Etwa 5 - 35 % der Zecken sind mit Borrelien infiziert. Die klinische Symptomatik der Borreliose kann sehr vielgestaltig sein und umfasst insbesondere Symptome an Haut, Nervensystem, Gelenken und Herz. Die typische Frühmanifestation der Erkrankung ist das Erythema migrans (Wanderröte). Es tritt in ca. 80 % der Fälle innerhalb der ersten Wochen nach dem Stich um die Einstichstelle auf. Unbehandelt können sich weitere Erkrankungsstadien entwickeln, vor allem mit neurologischer Symptomatik. Je früher mit einer effektiven Therapie begonnen wird, umso sicherer lassen sich die gefürchteten Spätkomplikationen (z. B. Lyme-Arthritis oder chronische Neuroborreliose, die zu teilweise bleibenden Schäden führt), vermeiden. Da die Borrelien nicht unmittelbar nach dem Stich übertragen werden, kommt einer schnellstmöglichen und sachgerechten Entfernung der Zecken besondere Bedeutung zu. Eine Antibiotika-Therapie ist in der Frühphase am erfolgreichsten. Eine generelle prophylaktische Antibiotikagabe wird jedoch nicht empfohlen. Im Gegensatz zur FSME, die ebenfalls über Zecken übertragen wird, ist für die Borreliose kein Impfstoff verfügbar. Nachdem im Jahr 2011 in Thüringen ein Anstieg der Anzahl der Borreliosen gegenüber dem Vorjahr um ein Drittel zu verzeichnen gewesen war, wurden im aktuellen Berichtsjahr deutlich weniger Fälle übermittelt. Es wurde ein Rückgang der Übermittlungen um 39 % registriert. Damit wurden die niedrigsten Fallzahlen seit 2005 erreicht. Nur in den Jahren 2003 und 2004, unmittelbar nach der Einführung der Thüringer Meldeverordnung, waren die Inzidenzen noch niedriger ausgefallen (Abb. 41). 69 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 41: Borreliose, Inzidenz in Thüringen und in anderen Bundesländern mit Meldepflicht (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen) 2003 – 2012 Die Erkrankungen wurden aus ganz Thüringen übermittelt, wobei eine sehr große territoriale Schwankungsbreite zwischen den einzelnen Städten und Landkreisen auffallend war. Die höchste Inzidenz mit 52,3 Erkrankungen/100.000 Einwohner wurde, wie schon in den vergangenen Jahren, wiederum in Suhl erfasst, während die niedrigste Erkrankungszahl mit einer Inzidenz von 5,4 Erkrankungen/100.000 Einwohner im Wartburgkreis registriert wurde (Abb. 42). Jahreszeitlich bedingt erfolgten in den ersten Monaten des Jahres nur vereinzelte BorrelioseMeldungen, die jedoch ab Juni deutlich anstiegen und im Juli und August mit 67 bzw. 63 übermittelten Erkrankungsfällen ihren Höhepunkt erreicht hatten (Abb. 43). 70 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 42: Territoriale Verteilung der Borreliosen, Inzidenz, Thüringen 2012 Abbildung 43: Borreliose in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen 71 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Betroffen waren Kinder und Erwachsene aller Altersgruppen mit Ausnahme der Säuglinge unter einem Jahr. Die höchsten Inzidenzen waren bei Kindern der Altersgruppe 5 – 9 Jahre und bei Erwachsenen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren zu verzeichnen (Tab. 21, Abb. 44). 248 Erkrankungen (71 %) wurden serologisch bestätigt. Tabelle 21: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Borreliose 2012 Altersgruppen (Jahre) <1 Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich Inzidenz gesamt 0 0 0 0,00 1 bis 4 9 3 12 17,31 5 bis 9 13 5 18 21,69 10 bis 14 9 4 13 15,82 15 bis 19 2 2 4 5,81 20 bis 24 3 6 9 6,92 25 bis 29 2 6 8 5,75 30 bis 39 18 18 36 14,47 40 bis 49 26 25 51 14,64 50 bis 59 38 40 78 21,03 60 bis 69 21 38 59 21,73 70 und älter 30 30 60 15,31 gesamt 171 177 348 15,67 Abbildung 44: Verteilung der Borreliosen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 72 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Bei 310 Patienten, das entspricht 89 % der Erkrankten, wurde ein Erythema migrans als alleiniges Symptom beobachtet, in weiteren 28 Fällen (8 %) wurde eine Neuroborreliose diagnostiziert, davon in sechs Fällen in Verbindung mit einem Erythema migrans sowie in drei Fällen einhergehend mit einer Meningitis. Bei zehn Patienten (3 %) standen Symptome einer Lyme-Arthritis im Vordergrund. An einen vorangegangenen Zeckenstich konnten sich 250 Patienten erinnern. Größtenteils wurde hierfür die nähere Umgebung des Heimatortes genannt. Vier Patienten gaben Expositionsorte außerhalb Thüringens an (Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern und Hessen), zwei weitere Erkrankte hatten sich Zeckenstiche während eines Auslandsaufenthaltes (je 1 x Frankreich/Belgien und Schweden) zugezogen. 10.3 Gasbrand Thüringen: 2 Erkrankungen, davon 2 Sterbefälle, Inzidenz 0,09 Bei Gasbrand - Synonyme sind Gasödem, Gasgangrän oder Gasphlegmone - handelt es sich um eine schwere lebensbedrohliche Wundinfektion, die durch ubiquitär vorkommende sporenbildende Bakterien der Gattung Clostridium (hauptsächlich durch Clostridium perfringens) hervorgerufen werden. Diese aneroben Bakterien können sich rasant im geschädigten Gewebe verschmutzter Wunden ausbreiten, wobei eine schlechte Durchblutung (Sauerstoffmangel) diesen Prozess begünstigt. Die Toxine des Bakteriums bewirken, dass das Gewebe an der infizierten Stelle abstirbt, wobei sich im Gewebe Gas bildet. Der Betroffene leidet unter starkem Wundschmerz; im Wundgebiet kommt es infolge Gasbildung zu einer Schwellung. Nur durch eine rechtzeitige Therapie mit chirurgischer Wundversorgung und gleichzeitiger Antibiose kann die Infektion gestoppt werden; unbehandelt endet sie nahezu immer letal. Mit zwei übermittelten Gasbrand-Erkrankungen im Jahr 2012 bewegte sich deren Fallzahl auf einem ähnlichen Niveau wie im vorangegangenen Berichtsjahr (1 E). Bei den Betroffenen handelte es sich um: • einen 60-jährigen Mann aus Gera, der wegen eines Abszesses am Oberschenkel mit Gaseinschlüssen hospitalisiert worden war. In Muskelgewebe gelang der Nachweis von Clostridium perfringens. Der Patient verstarb am 28.06.2012 an septischem Multiorganversagen. • eine 75-jährige Frau aus dem Wartburgkreis, bei der aufgrund einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit mit Gangrän am 20.07.2012 eine Amputation des Unterschenkels vorgenommen werden musste. Aus dem Wundabstrich wurde am 29.07.2012 C. perfringens isoliert. Am 30.07.2012 verstarb die Patientin laut Totenschein an einer postoperativen Wundinfektion durch C. perfringens. 73 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 10.4 Pertussis Thüringen: 1.549 Erkrankungen, 36 labordiagnostische Nachweise ohne Symptomatik, Inzidenz 69,7 Keuchhusten (Pertussis) ist eine bakterielle Infektionskrankheit der Atemwege, die mit charakteristischen anfallsartigen Hustenattacken einhergeht. Die hochansteckende Erkrankung wird durch das Bakterium Bordetella pertussis verursacht. Periodisch aller 2-5 Jahre kommt es zu Erkrankungswellen mit hohen Fallzahlen. Die Ansteckung erfolgt über Tröpfchen, z. B. beim Husten und Niesen. Die Erkrankung verläuft im Allgemeinen über drei Stadien. Das erste Stadium ist gekennzeichnet durch eine grippeähnliche, unspezifische Symptomatik, gefolgt von den charakteristischen stakkatoartigen Hustenanfällen. Im dritten Stadium nehmen die Zahl und die Schwere dieser Anfälle ab. Als Komplikationen sind Lungenentzündung, Mittelohrentzündung, Krampfanfälle und in ca. 0,5 % der Fälle Hirnschädigungen möglich. Bei Säuglingen können die Hustenanfälle zu lebensbedrohlichen Atemstillständen führen. Weder eine durchgemachte Infektion noch die verfügbare Impfung gegen Pertussis verleihen einen lebenslangen Schutz. Der Impfschutz sieht eine Grundimmunisierung im Kleinkindalter und nachfolgende Auffrischimpfungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter vor. Nachdem bereits im Jahr 2011 die Anzahl der Pertussis-Fälle in Thüringen deutlich angestiegen war, wurde im aktuellen Berichtsjahr eine Zunahme um mehr als das Doppelte gegenüber dem Vorjahr verzeichnet (Abb. 45). Somit war die bisher höchste Fallzahl seit Inkrafttreten der Thüringer Infektionskrankheitenmeldeverordnung erreicht worden. Abbildung 45: Pertussis, Inzidenz, in Thüringen und den neuen Bundesländern 2003 – 2012 74 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Erkrankungen wurden aus allen Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten übermittelt (Abb. 46). Abbildung 46: Territoriale Verteilung der Pertussis-Erkrankungen, Inzidenz, Thüringen 2012 Die Erkrankungszahlen bewegten sich im gesamten Jahresverlauf auf einem hohen Niveau, wobei die meisten Erkrankungen mit Fallzahlen von 172 bzw. 171 auf die Monate März und Juni entfielen. Erkrankungsgipfel wurden, bedingt durch Ausbrüche, in der 32. Meldewoche mit 60 Fällen sowie in der 42. Meldewoche mit 54 übermittelten Fällen registriert (Abb. 47). 75 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 47: Pertussis in Thüringen 2012 – zeitlicher Verlauf nach Meldewochen Betroffen waren 159 Jungen und 176 Mädchen im Alter von einem Monat bis 14 Jahren, 110 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 19 Jahren (50 x männlich, 60 x weiblich) sowie 395 Männer und 709 Frauen im Alter von 20 bis 96 Jahren (Tab. 24, Abb. 48). Die weitaus höchste Inzidenz mit 215,4 Erkrankungen/100.000 Einwohner wurde bei Schulkindern im Alter von 10 bis 14 Jahren registriert. Nur in der Altersgruppe der 5- bis 9Jährigen erkrankten in der Mehrzahl Jungen. In allen anderen Altersgruppen waren überwiegend Mädchen und Frauen betroffen. Tabelle 24: Altersgruppen- und Geschlechtsverteilung – Pertussis 2012 Altersgruppen (Jahre) Anzahl der Erkrankungen männlich weiblich gesamt Inzidenz <1 8 9 17 99,39 1 bis 4 28 42 70 100,98 5 bis 9 44 27 71 85,55 10 bis 14 79 98 177 215,41 15 bis 19 50 60 110 159,84 20 bis 24 28 33 61 46,91 25 bis 29 18 28 46 33,08 30 bis 39 41 108 149 59,88 40 bis 49 81 151 232 66,58 50 bis 59 100 178 278 74,95 60 bis 69 76 98 174 64,08 70 und älter gesamt 51 604 113 945 164 1549 41,83 69,74 76 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 48: Verteilung der Pertussis-Erkrankungen nach Altersgruppen und Geschlecht, Inzidenz, Thüringen 2012 1.406 Erkrankungen wurden labordiagnostisch bestätigt. Bei 143 Erkrankungen wurde keine Labordiagnostik veranlasst, davon standen 54 Fälle in epidemiologischem Zusammenhang zu labordiagnostisch bestätigten Erkrankungen. Im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen bei Pertussis-Häufungen gelang bei 36 Kontaktpersonen zu Erkrankten der Nukleinsäurenachweis des Erregers mittels PCR bzw. der Nachweis von IgG-Antikörpern mit deutlich erhöhtem Wert gegen Bordetella pertussis, ohne dass die Betroffenen selbst eine Symptomatik gezeigt hätten. Von 1.048 Patienten (68 % aller Pertussis-Fälle), für die vollständige Angaben zum Impfstatus vorlagen, waren 512 Personen (48,9 %) ungeimpft, 215 Personen (20,5 %) unvollständig geimpft und 321 Personen (30,6 %) vollständig geimpft (Abb. 49). Als vollständig Geimpfte galten Personen, die vier und mehr Pertussisimpfungen mit einem Impfabstand der letzten Dosis von weniger als 10 Jahren vor Erkrankung erhalten hatten. Erhielten Personen nur drei Dosen, musste die letzte Impfung vor weniger als einem Jahr erfolgt sein. Für ältere Personen reichte auch eine Impfdosis aus, wenn diese ab einem Alter von 9 Jahren und weniger als 10 Jahre vor Erkrankung verabreicht wurde. Für alle Impfungen galt, dass eine Vakzinierung weniger als drei Wochen vor Erkrankung nicht gezählt wurde. Bei 59 der vollständig Geimpften war dabei die letzte Impfung vor 5 - <10 Jahren erfolgt, bei 201 Personen zwischen 1 und < 5 Jahren und bei 61 Personen vor weniger als einem Jahr. Der Anteil ungeimpfter oder unvollständig geimpfter Personen lag besonders hoch in der Gruppe der Erwachsenen über 20 Jahre mit Werten zwischen 77 % und 90 %. Aber auch bei Jugendlichen zwischen 10 und 19 Jahren betrug dieser Anteil 50 %. Bei Kindern zwischen 1 und 9 Jahren war hingegen der Anteil vollständig geimpfter Fälle mit 77 % sehr hoch (Abb. 50). 77 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Abbildung 49: Impfstatus der Pertussis-Erkrankten in Prozent, Thüringen 2012 Abbildung 50: Impfstatus der Pertussis-Erkrankten in Prozent nach Altersgruppen, Thüringen 2012 78 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 Im Berichtsjahr kamen in Thüringen sechzig Pertussis-Häufungen mit insgesamt 290 Erkrankten zur Meldung. So wurden vier territoriale Häufungen von Pertussis-Erkrankungen registriert, davon zwei Ausbrüche im Landkreis Greiz mit insgesamt 42 Erkrankten sowie je ein Ausbruch im Landkreis Hildburghausen mit zehn Erkrankten und im Kyffhäuserkreis mit 24 Erkrankten. In elf Thüringer Schulen und fünf Kindertagesstätten traten Erkrankungsgeschehen mit insgesamt 114 Fällen auf. In vier weiteren Einrichtungen (medizinische Einrichtungen, Wohngruppen, Arbeitsstätten) wurden Häufungen mit 18 Erkrankten registriert. Weitere 36 Erkrankungshäufungen mit 82 Erkrankten waren familiär bedingt. Bei allen anderen Erkrankungen handelte es sich um Einzelfälle. 79 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 11 Jahresstatistik 2012 gemäß Infektionsschutzgesetz vom 20.07.2000 sowie Thüringer Verordnung über die Anpassung der Meldepflicht für Infektionskrankheiten vom 15.02.2003, geändert am 23.02.2010 2012 Meldekategorie Anzahl der Erkrankungen 2011 Inzidenz Anzahl der Erkrankungen Inzidenz Adenovirus 97 4,37 55 2,48 Amoebiasis 35 1,58 23 1,04 Botulismus 0 0,00 0 0,00 Brucellose 0 0,00 0 0,00 1905 85,76 2024 91,12 0 0,00 0 0,00 Campylobacter Cholera CJK 7 0,32 7 0,32 Clostridium difficile 79 3,56 69 3,11 Denguefieber 13 0,59 2 0,09 0 0,00 0 0,00 434 19,54 572 25,75 0 0,00 0 0,00 55 2,48 104 4,68 0 0,00 0 0,00 FSME 0 0,00 1 0,05 Gasbrand 2 0,09 2 0,09 Gelbfieber 0 0,00 0 0,00 Giardiasis 75 3,38 46 2,07 Diphtherie E.-coli-Enteritis Ebolafieber EHEC/STEC Fleckfieber Haemophilus influenzae 7 0,32 3 0,14 Hantavirus 73 3,29 4 0,18 Hepatitis A 17 0,77 21 0,95 Hepatitis B 16 0,72 14 0,63 Hepatitis C 37 1,67 37 1,67 Hepatitis D 0 0,00 0 0,00 Hepatitis E 14 0,63 5 0,23 0 0,00 0 0,00 Hepatitis Non A-E HUS Influenza Kryptosporidiose Lassafieber Läuserückfallfieber 3 0,14 8 0,36 517 23,28 1627 73,25 60 2,70 23 1,04 0 0,00 0 0,00 0 0,00 0 0,00 23 1,04 18 0,81 Lepra 0 0,00 1 0,05 Leptospirose 1 0,05 1 0,05 Legionellose Listeriose Lyme-Borreliose Marburgfieber 17 0,77 20 0,90 347 15,62 566 25,48 0 0,00 0 0,00 80 Epidemiologischer Jahresbericht Thüringen 2012 2012 Meldekategorie Anzahl der Erkrankungen Masern Meningoenzephalitis, viral Meningokokken Milzbrand 2011 Inzidenz Anzahl der Erkrankungen Inzidenz 0 0,00 13 0,59 14 0,63 24 1,08 8 0,36 16 0,72 0 0,00 0 0,00 105 4,73 104 4,68 5 0,23 6 0,27 Norovirus 11002 495,31 10906 490,99 Ornithose 1 0,05 1 0,05 Paratyphus 0 0,00 2 0,09 1549 69,74 767 34,53 0 0,00 0 0,00 MRSA Mumps Pertussis Pest Pneumokokken 12 0,54 5 0,23 Pocken 0 0,00 0 0,00 Poliomyelitis 0 0,00 0 0,00 Q-Fieber 1 0,05 5 0,23 Rotavirus 2328 104,81 3233 145,55 Röteln, konnatal 0 0,00 0 0,00 Röteln, postnatal 1 0,05 2 0,09 Salmonellose SARS-assoziierter Coronavirus 1327 59,74 1186 53,39 0 0,00 0 0,00 Scharlach 3147 141,68 1993 89,73 Shigellose 21 0,95 13 0,59 0 0,00 0 0,00 Tetanus Tollwut 0 0,00 0 0,00 11 0,50 3 0,14 Toxoplasmose, postnatal 0 0,00 0 0,00 Trichinellose 0 0,00 0 0,00 Tuberkulose Tollwutexpositionsverdacht 75 3,38 70 3,15 Tularämie 0 0,00 0 0,00 Typhus 1 0,05 0 0,00 vCJK 0 0,00 0 0,00 VHF, andere Erreger 0 0,00 0 0,00 Weitere Bedrohliche 4849 218,30 2723 122,59 Windpocken 475 21,38 373 16,79 Yersiniose 264 11,89 302 13,60 Herausgeber: Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz Tennstedter Str. 8/9, 99947 Bad Langensalza Verantwortlich: Abteilung Gesundheitsschutz, Dezernat Infektionsepidemiologie Autoren: Dr. Sabine Schroeder, Regina Reinke Internet: www.verbraucherschutz-thueringen.de, E-Mail: [email protected] Stand: Dezember 2013 81