MEDIENECKE Globaler Klimawandel Diercke Spezial Seit mehreren Jahren prägt der globale Klimawandel die öffentliche und politische Debatte. Der Mensch als Klimafaktor spielt darin eine zentrale Rolle. Doch worum geht es eigentlich, wenn von Treibhauseffekt und Klimawandel die Rede ist? Was steckt hinter Begriffen wie Kyoto-Protokoll, Emissionszielen oder Erderwärmung? Nur wer die grundlegenden Begriffe und Prozesse, die in dieser Diskussion zur Sprache kommen, kennt und versteht, ist in der Lage, die oft verwirrende Vielfalt der Beiträge einzuordnen und zu bewerten. Dieses Buch will einen Beitrag leisten zum Verständnis des komplexen Phänomens Klimawandel. Zunächst werden die grundlegenden Prinzipien des Klimasystems erläutert. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie der Mensch das Klimageschehen beeinflusst (Kapitel 1). Motor des „menschgemachten“ Klimawandels ist der Ausstoß von Treibhausgasen. Im weiteren Verlauf der Darstellung geht es um die wichtigsten Ursachen und Quellen der Treibhausgasemissionen (Kapitel 2). Welche Akteure, welche Länder und Regionen waren und sind am 3.2.3 Eisverluste auf dem Festland 3.2 Die Antarktis und Grönland sind von enormen Eismassen bedeckt. Neuere Forschungen und Beobachtungen deuten darauf hin, dass sich diese Eismassen immer schneller zurückbilden. M 1: Gletscherschmelze in Grönland GERMANWATCH, SVEN HARMELING: Diercke Spezial Globaler Klimawandel ISBN: 978-3-14-151053-9 128 Seiten; 14,50 Euro Schelfeis Als Schelfeis bezeichnet man eine große Eisplatte, die auf dem Meer schwimmt und mit einem Gletscher an Land fest verbunden ist. Kennzeichnend für Schelfeis ist, dass an der äußersten Spitze immer wieder Eisberge abbrechen. Dieser Prozess wird als „kalben“ bezeichnet. 38 Eine der gravierendsten Folgen des Klimawandels ist der drohende Anstieg des Meeresspiegels. Als Hauptursache gilt das mögliche Abschmelzen der Eismassen des Festlandes. Derzeit befinden sich die größten Eisspeicher der Erde in Grönland und der Antarktis. Die Eiskappe, die Grönland zu 80 Prozent bedeckt, besteht aus rund 2,6 Mio. Kubikkilometern gefrorenem Wasser und bildet eine Fläche von 1,7 Mio. Quadratkilometern. Würde das Grönlandeis komplett abschmelzen, wäre ein Anstieg des Meeresspiegels von etwa sieben Metern die Folge. In der Antarktis sind sogar über 60 Meter Meeresspiegelanstieg „gespeichert“. Noch im IPCC-Bericht des Jahres 2001 wurde prognostiziert, dass die Antarktis durch den globalen Temperaturanstieg an Eisvolumen gewinnen würde. Weil wärmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann und es dadurch zu höheren Niederschlägen kommt, wurde ein positiver Effekt durch vermehrte Schneefälle angenommen. Tatsächlich ist eine solche Entwicklung im Inneren der Antarktis und in Grönland zu beobachten. In der Westantarktis mehren sich jedoch aktuell die Anzeichen für einen beschleunigten Eisverlust. Würde das gesamte Eis der Westantarktis abschmelzen, käme es zu einem Meeresspiegelanstieg von fünf bis sechs Metern. Auch an den Rändern des Grönlandeisschildes zeichnen sich bereits beschleunigte Schmelzprozesse ab. Der zunehmende Verlust des Eises in beiden Regionen ist ein Beleg dafür, dass die Computermodelle der Klimawissenschaft trügerisch sind, wenn sie nicht immer wieder mit der Realität abgeglichen werden: Ursache des Eisverlusts sind Prozesse, die man erst durch Beobachtung richtig verstanden hat und die bisher nicht in die Computermodelle eingeflossen sind. Solche Beobachtungen zeigen, dass sich große Gletscher immer schneller auf das Meer zu bewegen. In Grönland wird dies – als direkte Folge des Temperaturanstiegs – auf die Bildung von immer größeren Gletscherseen zurückgeführt. Deren Wasser ergießt sich in Gletscherspalten, fließt unter dem Eis Richtung Meer und bildet dadurch eine Art Schmierfilm für die darüber liegenden Gletscher. Das ist auch der Grund, warum man auf Satellitenbildern ein sommerliches Anheben der Gletschermassen um bis zu einem halben Meter beobachten kann. Die eigentlich wichtige Konsequenz besteht jedoch darin, dass sich die Gletscher im Sommer leichter und schneller Richtung Meer bewegen. Ihr Verlust rührt also nicht in erster Linie daher, dass sie als Masse komplett abschmelzen, sondern dass sie bereits vorher ins Meer rutschen. Beobachtungen zufolge stärksten beteiligt? Wie groß ist der Einfluss der einzelnen wirtschaftlichen Sektoren? Welche gesellschaftlichen Faktoren spielen eine Rolle? Klimaschutz gelingt nur gemeinsam Die Auswirkungen des Klimawandels werden weltweit verschieden sein. In vielen Ländern sind Wasserversorgung und Nahrungsproduktion, die Ökosysteme und die Gesundheit der Menschen bereits heute beeinträchtigt. Langfristig stehen wichtige Komponenten des Klimasystems auf der „Kippe“, mit möglicherweise drastischen Auswirkungen für viele Millionen Menschen. Die Situation vor Ort hat Einfluss auf die Fähigkeit der Betroffenen, mit der Herausforderung eines sich verändernden ging in Grönland zwischen 2002 und 2006 dreimal soviel Eis verloren wie in den Jahren zuvor. Wie beim Verlust des arktischen Meereises erzeugt dabei die Abnahme der Eis-Albedo einen zusätzlichen Rückkopplungseffekt. Der durch die Gletscherschmelze feuchter gewordene Schnee und die Gletscherseen haben eine weitaus geringere Albedo als die „reine“ Eisbedeckung: Es wird also weniger Sonnenstrahlung reflektiert und in der Folge mehr Wärme gespeichert. Zusätzlich beschleunigt die Erwärmung des Nordatlantik die Schmelzprozesse an den Gletscherrändern. In der West-Antarktis wird das Abrutschen der Gletscher durch einen anderen Prozess befördert: Das im Wasser schwimmende Schelfeis ist den Gletschern vorgelagert, die sich auf das Meer zu bewegen. Es wirkt dadurch als eine Art Damm, der die Gletscher stoppt. Vor allem der Anstieg der Wassertemperaturen führt jedoch dazu, dass das Schelfeis schneller schmilzt. Die Folge ist, dass diese „Bremsfunktion“ zunehmend verloren geht; die Gletscher rutschen schneller ins Meer. Eine Anfang 2008 veröffentlichte Studie zeigt, dass der jährliche Nettoeisverlust in der Westantarktis zwischen 1996 und 2006 um etwa 75 Prozent zugenommen hat. Als Hauptverursacher gilt die beschriebene Gletscherbeschleunigung. Aufgrund des sich selbst verstärkenden Charakters dieser Dynamiken gehen Wissenschaftler davon aus, dass es sich dabei um Kipp-Elemente handelt. Zwar würde das komplette Abschmelzen der Eismassen Jahrhunderte dauern; beim Überschreiten einer bestimmten Temperaturschwelle ist jedoch damit zu rechnen, dass ein Prozess eingeleitet wird, der nicht mehr umkehrbar ist. Tatsächlich liegt diese Temperaturschwelle innerhalb des Bereichs, den die IPCC-Szenarien für dieses Jahrhundert vorhersagen. Für Grönland könnte dieser Kipp-Punkt nach aktuellem Kenntnisstand schon bei einem globalen Temperaturanstieg von ein bis zwei Grad über dem heutigem Niveau erreicht werden. Für die West-Antarktis geht man von einem Kipp-Punkt drei bis fünf Grad über dem derzeitigen Niveau aus. In den Computermodellen, die den aktuellen IPCCSzenarien zugrunde liegen, sind die beschriebenen Prozesse nur unzureichend erfasst. Die Einschätzung des IPCC zum Meeresspiegelanstieg müssen also voraussichtlich nach oben korrigiert werden. Zugleich zeigen die ausgewerteten Beobachtungsdaten, dass der Meeresspiegel in den letzten Jahrzehnten deutlich schneller gestiegen ist, als von den IPCC-Modellen vorhergesagt. Setzt sich diese Entwicklung fort und kalkuliert man die voraussichtliche globale Erwärmung mit ein, dann wäre bis Ende des Jahrhunderts mit einem Anstieg von 50 bis 140 Zentimetern zu rechnen. Mechanismus Anstieg 1961– 2003 Anstieg 1993– 2003 Geschätzter Anstieg in Metern bis zum Jahr 2300 bei einer Begrenzung des Temperaturanstiegs auf drei Grad gegenüber dem vorindustriellen Wert Thermische Ausdehnung 18,1+/– 5,2 mm 17,6 +/– 5,5 mm 0,4–0,9 m Gebirgsgletscher 21,5 +/– 7,7 mm 8,5 +/– 2,4 mm 0,4 m Grönland 2,1 +/– 5,2 mm 2,3 +/– 0,8 mm 0,9–1,8 m Antarktis 6,0 +/– 17,6 mm 2,3 +/– 3,8 mm 1–2 m (nur West-Antarktis) Summe 47,3 +/– 21,5 mm 30,8 +/– 7,7 mm 2,7–5,1 m M 3: Mechanismen für den vergangenen und den zukünftigen Meeresspiegelanstieg 3.2 M 2: Bedrohung durch Meeresspiegelanstieg 1. Beschreiben Sie die Gefährdung des Eises auf Grönland und erklären sie, warum Forscher hier mögliche Rückkopplungsprozesse vermuten, die den Eisverlust beschleunigen. 2. Analysieren Sie den vergangenen und zukünftigen Meeresspiegelanstieg und seine Mechanismen (M 3). 3. Diskutieren Sie die Konsequenzen, die sich für eine zunehmend in Küstenstädten lebende Menschheit aus einem langfristigen Meeresspiegelanstieg von mehreren Metern ergeben (M 2). 39 Geben Sie im Westermann Online-Shop www.westermann.de in der Suchmaske „151053“ ein. Dort finden Sie weitere Infos und können einen Blick ins Buch werfen. 44 Klimas umzugehen (Kapitel 3). Noch können die großen Risiken abgewendet werden, vorausgesetzt, in den nächsten Jahren werden die richtigen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entscheidungen getroffen. Es existieren vielfältige Potenziale zur Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen (Kapitel 4). Dennoch kann kein Land die Herausforderungen des Klimawandels alleine bewältigen. Der grenzüberschreitende Klimaschutz stellt derzeit eine zentrale Aufgabe der internationalen Politik dar. Die Verhandlungen für ein neues Klimaabkommen gehen in eine Phase, die für die „Klimazukunft“ der Erde entscheidend sein wird (Kapitel 5). Doch der Klimawandel ist nicht nur eine Sache der Politik und der großen gesellschaftlichen Akteure. In Kapitel 6 werden konkrete Handlungsmöglichkeiten vorgestellt, die es jedem Einzelnen ermöglichen, durch sein individuelles Verhalten einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Wichtigste Voraussetzung für einen klimafreundlichen Lebensstil ist Information. Bei der Vermittlung des notwendigen Wissens spielt die Schule eine entscheidende Rolle. Die Darstellung schließt mit nützlichen Hinweisen auf Lehrmaterialien und Informationsquellen, die wertvolle Hilfestellung dabei geben, das Thema Klimawandel im Unterricht wissenschaftlich fundiert und handlungsorientiert zu bearbeiten. Praxis Schule 3-2012