Handout Conflict Representation and

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Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung, Dr. P. Liatowitsch, Universität Basel, FS 2011
Handout Conflict Representations & Constructive Struggle Model I. Problemstellung Es gibt verschiedene Ansätze, einen Konflikt zu lösen. Die israelischen Psychologen Haim Omer und Nachi Alon entwickelten Konfliktlösungsmodelle, die ursprünglich für Auseinandersetzungen innerhalb der Familie konzipiert wurden. Sie sind jedoch der Auffassung, dass ihre Theorien auf allen Ebenen anwendbar seien; handle es sich um innerfamiliäre oder internationale Konflikte. Schliesslich würden auf Mikro-­‐ wie auf Makro-­‐Ebene dieselben Probleme, Regeln und Mechanismen herrschen. Daher seien Lösungsansätze für Familienkonflikte auch auf internationale Konflikte übertragbar. II. Constructive and Destructive Approaches to Fighting Der Grundgedanke von Omer und Alons Modell bildet die Unterscheidung zwischen destruktivem und konstruktivem Konfliktmanagement. Sie differieren vor allem in ihrer Einstellung gegenüber Gewalt. Während bei der destruktiven Konfliktform Gewalt unerlässlich ist, versucht die konstruktive Konfliktform Gewalt auszuschliessen. III. Destruktive Konfliktform Destruktive Konflikte sind geprägt von Dämonisierungsprozessen, also die Entwicklung von dämonisierenden Ansichten in Bezug auf den Gegner. Dies äussert sich durch die Annahme, dass die Gegenseite einem nur Schaden zufügen und zerstören will. Die destruktiv-­‐dämonisierende Kampfstrategie enthält folgende Grundelemente: Handout zur Präsentation vom 9. Mai 2011, Elif Askin, Dunja Steiner, Fabienne Sterki
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1. The obligation to win Bei destruktiven Konflikten kann es immer nur einen Sieger und einen Verlierer geben. 2. Essential asymmetry „Wir sind gut, ihr seid böse.“ Durch die Annahme dieser Asymmetrie werden Zorn und Gewaltanwendungen legitimiert. 3. The principle of retaliation Das Vergeltungsprinzip: Vergeltungsschläge werden dadurch legitimiert, dass man sich moralisch dazu gezwungen sieht. 4. The need for total control Ziel ist die totale Kontrolle über den Gegner. Der Anreiz dafür bilden die Angst und der Drang zur Selbstverteidigung. 5. Suspicion and secretiveness Misstrauen und Verschwiegenheit erleichtern dem Sieger die Kontrolle über den Verlierer. 6. The immediacy principle Das Unmittelbarkeitsprinzip besagt, dass Aktionen unmittelbar ausgeführt werden müssen. Ein verzögerter Angriff stärkt den Feind. IV. Konstruktives Konfliktmanagement Die Grundidee des konstruktiven Konfliktmanagements ist: „Ich verteidige mich mit allen möglichen Mitteln, aber ohne zurück zu schlagen“. Der gewaltfreie Widerstand, der Prototyp der konstruktiven Konfliktlösung, kann ein starkes und lösungsorientiertes Kampfinstrument darstellen. Die Strategie des gewaltfreien Widerstandes stellt den Kernelementen der destruktiven Konfliktform folgende Grundgedanken entgegen: 1. The obligation to resist Der konstruktive Konflikt setzt auf die Pflicht, systematisch gewaltfreien Widerstand gegenüber Gewaltanwendungen zu leisten. 2. Basic similarity and many-­voicedness Im Gegensatz zur “sie sind schlecht – wir sind gut” Perspektive betont der gewaltfreie Widerstand die Koexistenz positiver und negativer Stimmen auf beiden Seiten. Ziel ist es, die gewaltfreien Stimmen in beiden Lagern zu stärken. Der Kampf wird nicht mehr gegen den Feind geführt, sondern gegen Unterdrückung und Gewalt – und zwar auf beiden Seiten. 3. Asymmetry of means Die Ungleichheit der Mittel: Durch den gewaltfreien Widerstand werden gewalttätigen Aktionen der Boden unter den Füssen entzogen. Sie verlieren ihre Legitimität, haben hemmende Wirkung und verunsichern den Gegner. Handout zur Präsentation vom 9. Mai 2011, Elif Askin, Dunja Steiner, Fabienne Sterki
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4. The Illusion of control Die Erkenntnis, dass man das Verhalten des andern nicht kontrollieren oder dessen Gefühle nicht bestimmen kann, verlagert den Fokus auf das eigene Verhalten. 5. Publicity Transparenz und Öffentlichkeit sind Kernelemente gewaltfreier Widerstands-­‐
bewegungen. Das Öffentlich-­‐Machen von Gewalt hat oft revolutionäre Auswir-­‐
kungen. Schutz und Druck durch die Öffentlichkeit gegen die Gewalttätigen werden möglich. 6. The principle of ripeness Positive Veränderungen müssen langsam heranreifen. Der gewaltfreie Kämpfer sucht keine unmittelbare Lösung, er formuliert bescheidene Ziele und glaubt an die Macht der Ausdauer. V. Konkrete Anwendung des konstruktiven Konfliktmanagements: Der israelische Umsiedlungsprozess 1. Ausgangslage Im Jahr 2005 evakuierte Israel seine Siedlungen aus dem palästinensischen Gebiet. Der Widerstand gegen den Abzug aus dem Gazastreifen und der Räumung ihrer Siedlungen war immens bei den israelischen Bewohnern. Trotz des gewaltigen Widerstandes wurden erstmals in grossem Stil israelische Siedlungen in den palästinensischen Gebieten von den Sicherheitskräften geräumt und die jüdischen Bewohner evakuiert. 2. Das Entwicklungsprogramm von SHATIL Im Mai 2005 initiierte SHATIL, „The New Israel Fund`s Empowerment and Training Center“, ein Entwicklungsprogramm mit dem Ziel, Eskalation und Gewalt im israelischen Umsiedlungsprozess zu verhindern. Das Programm basierte auf den Prinzipien des konstruktiven gewaltfreien Konfliktmanagement. Dabei trafen Professor Haim Omer und Nachi Alon hochrangige Offiziere, Psychologen der Sicherheitskräfte, Führer, Rabbiner und Opponenten der Umsiedlungen und übermittelten ihnen die Grundideen ihrer Theorie des konstruktiven Konfliktmanagements. Gleichzeitig wurden auch Politiker und Medien mit dieser Form von Konfliktlösung vertraut gemacht. 3. Konkrete Anwendung des konstruktiven Konfliktmanagements Der Abzug der israelischen Siedlungen verlief weniger gewaltsam als befürchtet. Folgende Strategien des konstruktiven Konfliktmanagements haben dazu beigetragen, dass der Umsiedlungsprozess nicht ausgeartet ist: a. Die Humanisierung des Konflikts Für beide Parteien wäre es während der Umsiedlungen sehr einfach gewesen, die Gegenseite als Extremisten oder Verräter abzutun. Durch die Anwendung des konstruktiven Konfliktmanagements hielten sich beide Parteien mit solchen Aussagen zurück, was die Dämonisierung des Feindes verdrängt und zu einer Humanisierung des Konflikts geführt hat. Handout zur Präsentation vom 9. Mai 2011, Elif Askin, Dunja Steiner, Fabienne Sterki
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b. Vom psychologischen Krieg zum Dialog Eines der bedeutungsvollsten Kennzeichen des konstruktiven Konfliktmanage-­‐
ments ist die Fähigkeit, mit Provokationen der anderen Seite umgehen zu können. Im Umsiedlungsprozess wurden die Sicherheitskräfte unter anderem darauf vorbereitet, Provokation und Gewalt der Opponenten mit konstruktiven Antwor-­‐
ten zu erwidern und nicht auf die harschen Kommentare seitens der Evakuierten zu reagieren. Die Selbstbeherrschung der Sicherheitskräfte hat entscheidend dazu beigetragen, dass der Umsiedlungsprozess nicht eskalierte und Gewalt vermieden werden konnte. c. Die Rolle der Medien Bei der konstruktiven Konfliktlösung dienen die Medien und die Öffentlichkeit dem gewaltfreien Widerstand. Die Medienpräsenz im Umsiedlungsprozess und die Bereitschaft der Presse, jeden kleinen Gewaltakt zu filmen haben entscheidend dazu beigetragen, dass Gewalt durch die beteiligten Parteien vermieden wurde. VI. Fazit Internationale Konflikte, so auch der Nahostkonflikt, weisen aufgrund ihrer immensen Komplexität und politischen Verflechtungen eine grosse Eigendynamik auf. Konstruktive Konfliktmanagementmethoden sind kein absoluter Garant für nachhaltige, langfristige Lösungen in internationalen Streitigkeiten – wie das ungelöste Problem der israelischen Siedlungen zeigt. Trotzdem können kleine Erfolge verzeichnet werden. So kam zum Beispiel im Jahr 2007 ein gemeinsames Blutspendeprojekt zwischen Israelis und Palästinensern unter Mithilfe von SHATIL zustande sowie einige gewaltfreie Kundgebungen und Demonstrationen. Diese Erfolge mögen im Gesamten marginal erscheinen. Doch im Sinne eines wichtigen Kernelementes des konstruktiven Konfliktes, dem principle of ripeness, wollen wir hoffen, dass das konstruktive Lösungsmodell auch in Zukunft eine wichtige Alternative zum destruktiven Konflikt darstellt. VII. Literaturverzeichnis OMER HAIM/ALON NACHI, Conflict Representations: Constructive and Destructive Approaches to Fighting, The Psychology of Demonization, Laurence Erlbaum publishing house, 2006. OMER HAIM/ ALON NACHI/ RUBEL TAMMY, Constructive Struggle Model. ANSORGE DIRK (Hrsg.), Der Nahostkonflikt : Politische, religiöse und theologische Dimensionen, Verlag W. Kohlhammer, 2010. http://www.shatil.org.il/english/ http://peacenow.org.il/eng Handout zur Präsentation vom 9. Mai 2011, Elif Askin, Dunja Steiner, Fabienne Sterki
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