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Mikroorganismen, Akteure
in der Umwelt
Verschiedene Gruppen von Organismen siedeln
sich in der Umwelt in den verschiedenen Stufen
eines Ökosystems an. Die Pflanzen fungieren als
Primärproduzenten, die Tiere und der Mensch
als Konsumenten und die Mikroorganismen –
Bakterien und Pilze – als Destruenten. Den Mikroorganismen kommt in dieser Funktion auch
bei der Bewältigung von Umweltproblemen eine
entscheidende Rolle zu. Sie sind essenzielle Teilglieder in Stoffkreisläufen (siehe Kapitel 4, 6, 7).
Mikroorganismen sind Objekte, die einzeln
mit dem bloßen Auge nicht sichtbar sind, weil sie
kleiner als die Auflösungsgrenze des menschlichen Auges von etwa 20μm sind. Man sieht sie
selbst nicht, sieht oder riecht aber das Ergebnis
ihrer Stoffwechselaktivität oder sieht sie beim
Massenauftreten in der Natur. So zeigt sich die
Massenvermehrung von Cyanobakterien im
Sommer als „Wasserblüte“ in eutrophierten Seen.
An extremen Standorten wie Salz- und Alkaliseen
oder anaeroben, sulfidreichen Seen können Bakterien zu extrem großen phototrophen oder halophilen Populationen heranwachsen und anhand
der Purpurfarbe des Wassers sichtbar werden, wie
dem Lake Cisó, im Nordosten von Spanien, dem
Lake Tyrrell in Australien oder dem Lake Magadi
in Kenia. Die auffällige Schichtung des Farbenstreifenwatts in den Gezeitenzonen des Meeres ist
ein weiteres Beispiel für das Sichtbarwerden mikrobieller Populationen (siehe Kapitel 10.4). Der
Kampf gegen Plaque-Bildung durch Mikroorganismen wird von jedem täglich durchgeführt
(siehe Kapitel 10.2, Biofilm auf Zähnen). Eine riesige Anzahl von Hefezellen hat jedermann schon
in der Form eines Würfels Presshefe zum Bereiten
eines Pizzateiges in der Hand gehabt.
Zu den Mikroorganismen gehören grundverschiedene Organismen:
1. Prokaryoten stehen im Mittelpunkt der allgemeinen Mikrobiologie und auch der Umweltmikrobiologie. Prokaryoten haben einfach ge-
baute Zellen ohne abgegrenzten Zellkern. Zu
ihnen zählen die Eubacteria und Archaea.
2. Einzeller mit echtem Zellkern (Eukaryoten)
können sowohl den Tieren (Urtierchen oder
Protozoen) als auch den Pflanzen (Algen oder
Pilze) zuzuordnen sein.
2.1 Mikroorganismen,
Zuordnung zu Gruppen
Nachdem die RNA der Ribosomen, die rRNA, einer großen Zahl von Bakterien isoliert und die
Nucleotidsequenz bestimmt worden war, gelangte man zu einem phylogenetischen Stammbaum
der Prokaryoten. Aus dem Grad der Ähnlichkeit
der Sequenzen verschiedener Prokaryoten ließ
sich die Schlussfolgerung ziehen, dass alle Lebewesen eine gemeinsame Wurzel haben und dass
sich die Prokaryoten früh in zwei große Gruppen
aufgespalten haben, die Eubacteria und die Archaea. Diese beiden Reiche stehen gleichberechtigt neben dem Reich der Eukaryoten (oder Eukarya) (Abbildung 2.1).
Eubacteria und Archaea haben große Ähnlichkeit in der mikroskopischen Zellstruktur. Die
Prokaryoten sind insgesamt morphologisch relativ wenig differenziert. Der Gestalt nach lassen
sich nur wenige Formen unterscheiden, die sich
durchweg auf die Kugel sowie gerade und gekrümmte Zylinder als Grundform zurückführen
lassen. Dieser Einförmigkeit steht aber eine stoffwechselphysiologische Vielseitigkeit und Flexibilität sondergleichen gegenüber. Auch im Energieund Bausteinstoffwechsel zeigen sich Ähnlichkeiten zwischen Eubacteria und Archaea (Tabelle
2.1).
Hinsichtlich der Molekularbiologie der Zelle,
beispielsweise in der DNA-, RNA- und Proteinsynthese, besitzen Archaea Ähnlichkeit mit den
Eukaryoten.
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
W. Reineke, M. Schlömann, Umweltmikrobiologie, DOI 10.1007/978-3-642-41765-8_2
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2 Mikroorganismen, Akteure in der Umwelt
2
Prokaryoten
Grüne
Nicht-Schwefelbakterien
Eubacteria
Mitochondrien
Proteobakterien
Chloroplasten
Cyanobakterien
Flavobakterien
GramPositive
Eukaryoten
Archaea
Euryarchaeota
Methanosarcina
Methanobacterium
Halophile
Crenarchaeota
Thermoproteus
Pyrodictium
Methanococcus
Thermococcus
Pyrolobus
marine
MethanoCrenarchaeota
pyrus
Korarchaeota
Thermoplasma
Entamoebae
Eukarya
Schleimpilze
Tiere
Pilze
Pflanzen
Ciliaten
Flagellaten
Trichomonaden
Thermotoga
Thermodesulfobacterium
Microsporidien
Aquifex
Diplomonaden
Abb. 2.1 Phylogenetischer Stammbaum der Organismen. Der Baum besteht aus den drei Domänen: den
Eubacteria und den Archaea, die prokaryotische Zellen besitzen, und den Eukaryoten. In jeder Domäne sind nur wenige Organismen eingezeichnet. Die im Kasten unterlegten Gruppen sind Makroorganismen. Alle anderen Organismen des Stammbaums sind Mikroorganismen. Die Länge der Äste ist ein Maß für die Veränderung der ribosomalen DNA-Gene, deren Sequenzvergleich dem Stammbaum zugrunde liegt.
Neben den zwei großen Gruppen der Pflanzen
und Tiere gehören die Pilze zu den Eukarya. Dass
die Pilze tatsächlich einen eigenen, selbstständigen Rang einnehmen, wurde durch phylogenetische Analysen mit molekularbiologischen Methoden bestätigt.
Die pilzliche Zelle entspricht in ihrem Aufbau
der typischen Eucyte mit Zellkern, intrazellulären
Membranen, Vesikeln, Vakuolen und Mitochondrien. Die Zelle ist von einer Membran umgeben,
an die sich die Zellwand anschließt. Neben Proteinen und anderen Polysacchariden enthalten sie
in der Zellwand als wichtigen Strukturbestandteil
Chitin.
Innerhalb der so genannten Echten Pilze gibt
es sowohl Organismen, die als Einzelzellen leben
und sich durch hefeartige Sprossung oder Zweiteilung vermehren, als auch filamentös wachsende Formen, die ein zusammenhängendes Myzel
bilden, das Septen zur Abgrenzung zwischen den
Zellen enthält. Durch Verzweigung der Hyphen
entsteht ein Myzelium (BOX-Hallimasch). Bei einigen Pilzen kommen beide Wachstumsformen
nebeneinander vor.
Für die Funktion der Mikroorganismen in der
Umwelt ist es wichtig, ihre Artenzahl sich zu vergegenwärtigen. Es sind heute etwa 5000 Bakterien- und 100 000 Pilzarten beschrieben worden.
Viele Hinweise sprechen dafür, dass erst ein ge-
ringer Prozentsatz der vorkommenden Arten von
Mikroorganismen isoliert und charakterisiert
worden ist, aber eine viel größere Zahl (bis zu
99,9%, siehe Tabelle 11.2. Kapitel 11) überhaupt
nicht (mit den heutigen Methoden) isolierbar ist.
2.2 Mikroorganismen,
der Vorteil einer geringen
Größe
Die Zellgröße von Prokaryoten variiert von 0,1–
0,2 bis zu 50μm Durchmesser. Typische stäbchenförmige Prokaryoten wie Escherichia coli haben eine Größe von 1 × 3μm. Typische Eukaryotenzellen können hingegen einen Durchmesser
von 2 bis 200μm aufweisen. Die Zellen der Prokaryoten sind also im Vergleich zu dem der Eukaryoten klein. Die geringe Größe beeinflusst eine
Reihe der biologischen Eigenschaften. So ist die
Geschwindigkeit, mit der Nähr- und Abfallstoffe
in die Zelle eindringen, beziehungsweise sie wieder verlassen, im Allgemeinen umgekehrt proportional zur Zellgröße. Stoffwechsel- und
Wachstumsraten werden von der Transportgeschwindigkeit stark beeinflusst. Diese ist wiederum in einem gewissen Maße eine Funktion der
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2.2 Mikroorganismen, der Vorteil einer geringen Größe (klein aber fein!)
Tab. 2.1 Unterschiede zwischen Eubacteria, Archaea und Eukarya
Charakteristikum
Eubacteria
Archaea
Eukarya
Organisationsform
einzellig
einzellig
ein- oder mehrzellig
Organellen
nein
nein
ja
membranumhüllter
Zellkern
nein
nein
ja
Membranaufbau
Esterlipide
Etherlipide
Esterlipide
Zellwand enthält Murein
ja
nein
nein
Zellwand enthält
Pseudomurein
nein
ja
nein
Zellwand enthält Chitin
nein
nein
ja
Ribosomen
70S (30S + 50S)
70S (30S + 50S)
80S (40S + 60S)
(70S: Mitochondrien,
Plastiden)
RNA Polymerase(n)
eine (4 Untereinheiten)
mehrere
(je 8–12 Untereinheiten)
drei
(je 12–14 Untereinheiten)
Transkriptionsfaktoren
nein
ja
ja
Empfindlichkeit gegenüber Chloramphenicol/
Streptomycin
ja
nein
nein
verfügbaren Membranoberfläche, die volumenbezogen in kleinen Zellen größer ist. Am Beispiel
einer Kugel lässt sich dies verdeutlichen (Tabelle
2.2). Das Volumen ist eine Funktion der dritten
Potenz des Radius, während die Oberfläche eine
Funktion der zweiten Potenz ist. Eine Zelle mit einem kleineren Radius hat also ein größeres Verhältnis Oberfläche zu Volumen als eine größere
Zelle und kann sich somit effektiver mit ihrer
Umwelt austauschen als eine große Zelle. Dieser
Vorteil erlaubt es den kleinen prokaryoten Zellen,
in den meisten mikrobiellen Lebensräumen in
der Regel schneller zu wachsen und größere Populationen zu bilden als eukaryotische Zellen.
Dies beeinflusst wiederum die ökologischen Bedingungen, da große Mengen Zellen mit hoher
Stoffwechselaktivität in relativ kurzer Zeit in einem Ökosystem zu starken physiko-chemischen
Veränderungen führen können.
Das große Verhältnis von Oberfläche zu Volumen ermöglicht intensive Wechselwirkungen mit
der Umwelt. Mikroorganismen haben eine „extrovertierte“ Lebensweise. In Zusammenhang
mit den relativ geringen Transportwegen in der
Zelle führt das zu hohen Stoffwechselleistungen.
Die Atmung ist ein Maß für den Stoffumsatz. Bei
Bakterien liegt die Atmungsrate um 1000, bei Hefen um 100, bei tierischen und pflanzlichen Geweben um 1–10 (Tabelle 2.3). Für den bakteriellen Stoffumsatz gibt es ein anschauliches Bild. Ein
Lactose vergärendes Bakterium setzt in einer
Stunde das 1000–10 000fache seines Eigenge-
Tab. 2.2 Beziehung zwischen Oberfläche und Volumen am Beispiel von Kugeln
Kugel*
Radius,
r (μm)
Oberfläche,
A=4πr2 (μm2)
Volumen,
V=4/3πr3 (μm3)
Oberfläche/
Volumen
•
1
12,6
4,2
3
G
2
50,3
33,5
1,5
*, Größenvergleich
2
30
2
2 Mikroorganismen, Akteure in der Umwelt
Proteobacteria
Die Proteobacteria bilden die bei weitem größte
Gruppe unter den Eubacteria. Dieses Phylum
setzt sich aus sechs Klassen zusammen, Alpha-,
Beta-, Gamma-, Delta-, Epsilon- und Zetaproteobacteria, die bis auf die Ausnahme der Zetaproteobacteria jeweils mehrere Gattungen enthalten.
Bergey’s Manual of Systematic Bacteriology
(2005) bietet die Beschreibung von mehr als
2000 Spezies in 538 Genera, welche dem Phylum
Proteobacteria zugeordnet sind.
Obwohl die 16S rRNA Untersuchungen zeigen,
dass die Proteobacteria phylogenetisch verwandt
sind, differieren sie merklich in vielerlei Hinsicht.
Als Gruppe sind diese Organismen allesamt
gram-negativ. Die Morphologie von diesen Bakterien reicht von einfachen Stäbchen und Kokken
zu Genera von gestielten, prostekaten (mit Anhängen versehen) und kospenden Bakterien sowie sogar solchen mit Fruchtkörpern.
Mitglieder der photosynthetischen Purpurbakterien wurden innerhalb der Alpha-, Beta- und
Gammaproteobacteria gefunden. Dies hat zu der
Annahme geführt, dass sich die Proteobacteria
aus einem photosynthetischen Vorfahren entwickelt haben, mutmaßlich ähnlich den Purpurbakterien. Anschließend ging die Photosynthese
durch verschiedene Ereignisse verloren. Neue
metabolische Fähigkeiten wurden erworben, da
die Bakterien sich an verschiedene ökologische
Nischen adaptierten.
Physiologisch können die Proteobacteria entweder phototroph, chemolithotroph oder chemoorganotroph sein, sie sind damit die metabo-
wichtes an Substrat um, ein Mensch würde für
den 1000fachen Zuckerumsatz seines Eigenge-
lisch vielfältigste Gruppe aller bekannten Bakterien. Es gibt offensichtlich kein gemeinsames
Muster im Metabolismus, der Morphologie oder
der reproduktiven Strategie der Proteobacteria.
Sie repräsentieren die Mehrheit aller bekannten
gram-negativen Bakterien von medizinischer, industrieller und ökologischer Bedeutung.
Alphaproteobacteria beinhalten größtenteils
zwei Hauptphänotypen: Nicht-Schwefelpurpurbakterien und aerobe bacteriochlorophyllbesitzende Bakterien. Sie sind für ihre Symbiose mit
Pflanzen bekannt.
Betaproteobacteria beinhalten größtenteils
Chemoheterotrophe und Chemoautotrophe, welche ihre Nährstoffe durch Zersetzung von organischem Material erhalten. Betaproteobacteria
spielen eine Rolle bei der Stickstofffixierung in
verschiedenen Typen von Pflanzen, oxidieren Ammonium zu Nitrit, eine wichtige Chemikalie für
die Pflanzenfunktion. Viele von ihnen werden in
Umweltproben wie Abwasser oder Boden gefunden.
Gammaproteobacteria beinhalten größtenteils
fakultativ anaerobe und fermentative gram-negative Bakterien. Gammaproteobacteria weisen einige medizinisch und wissenschaftlich bedeutende Gruppen von Bakterien auf. Eine Zahl von
wichtigen Pathogenen gehören zu dieser Klasse,
wie Salmonella spp., Escherichia coli und andere.
Einige Gammaproteobacteria sind Methanoxidierer und viele von ihnen findet man in Symbiose
mit Tieren, die geothermische Ausbruchkanäle
im Ozean bewohnen.
wichtes ungefähr 250 000h benötigen. Dies entspricht der Hälfte seines Lebens.
Tab. 2.3 Unterschiede zwischen pro- und eukaryotischen Zellen. Die Angaben sind Durchschnittszahlen, die Größenordnungen verdeutlichen sollen.
Zelltyp
Durchmesser (μm)
Volumen (μm3)
Atmungsrate (QO2) Generationszeit (h)
Bakterien
1
1
1000
0,3–1
Hefen
10
1000
100
2–10
Pflanzliche und
tierische Zellen
100
> 10 000
10
etwa 20
QO2 = μl O2/mg Trockensubstanz · h
2.2 Mikroorganismen, der Vorteil einer geringen Größe (klein aber fein!)
Pseudomonas putida
Escherichia coli
Vibrio vulnificus
Methylomonas aurantiaca
Neisseria meningitidis
Ralstonia solanacearum
Nitrosomonas oligotropha
Rhodocyclus tenuis
Rhodospirillum sodomense
Rhodopseudomonas palustris
Novosphingobium aromaticivorans
Rhizobium leguminosarum
Mariprofundus ferrooxydans
Campylobacter jejuni
Helicobacter canadensis
Geobacter sulfurreducens
Desulfomonile tiedjei
Desulfovibrio sulfodismutans
2
Gammaproteobacteria
Betaproteobacteria
Alphaproteobacteria
Zetaproteobacteria
Epsilonproteobacteria
Deltaproteobacteria
0,05
Deltaproteobacteria repräsentieren größtenteils morphologisch diverse, anaerobe Sulfidogene. Einige Mitglieder dieser Gruppe sind bakterielle Räuber, die bakteriolytische Eigenschaften
haben. Deltaproteobacteria besitzen die Fähigkeit
der Schwefel- oder Sulfatreduktion, andere anaerobe Bakterien haben eine andere Physiologie
wie Eisenreduktion.
Epsilonproteobacteria beinhalten größtenteils
Chemoorganotrophe. Die meisten bekannten
Spezies bewohnen den Darmtrakt von Mensch
und Tier und dienen als Symbiont. Eine riesige
Menge an Umweltsequenzen von Epsilonproteobacteria wurde aus der Tiefsee aus der Nähe von
Habitaten der hydrothermalen Ausbruchkanäle
und Kaltquellen gewonnen.
Zetaproteobacteria beinhalten Chemolithotrophe und hat nur ein Mitglied, das 2010 beschrie-
Ein weiterer Ausdruck des hohen mikrobiellen Leistungspotenzials ist das Wachstum.
Bakterien wie Escherichia coli haben unter günstigen Bedingungen eine Generationszeit von
20min, Hefen von 2h. In dieser Zeit verdoppelt
sich jeweils die Biomasse. Das setzt sich in exponentieller Weise fort, wie im Kapitel 9 erläutert
wird. Aus Kalkulationen zur mikrobiellen Eiweißproduktion stammt der Vergleich, dass in
einer Hefefabrik mit einer Ausgangsbiomasse
von 500kg Protein innerhalb von 24h 50 000kg
Protein produziert werden können. Ein Rind
von 500kg bildet hingegen in einem Tag nur
0,5kg Protein. Die Biomasse von jungen Rin-
31
Abb. 2.2 Der Maximum-likelihood phylogenetische
Stammbaum, der die evolutionäre Anordnung von Vertretern der Klassen der Proteobacteria zeigt. Die Maßstabsskala bedeutet, 5 Nucleotid-Substitutionen pro 100
Positionen.
bene Mariprofundus ferrooxydans, welches der
einzige bisher kultivierte Vertreter ist. Dieses eisenoxidierende Bakterium lebt unter microaeroben Bedingungen und ist weit verbreitet in Tiefseehabitaten.
Ein Beispiel für die taxonomischen Zuordnung
eines umweltrelevanten Bakteriums, dessen Metabolismus im Buch häufig besprochen wird, ist
Pseudomonas putida:
• Domäne: Bacteria
• Phylum: Proteobacteria,
• Klasse: Gammaproteobacteria
• Ordnung: Pseudomonadales
• Familie: Pseudomonadaceae
• Gattung: Pseudomonas
• Spezies: Pseudomonas putida
dern verdoppelt sich also in 1–2 Monaten (etwa
2000h).
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Mikroorganismen, bezogen auf die Biomasse, etwa
100–1000fach höhere Leistungen als Pflanzen
und Tiere vollbringen können.
Während die höheren Organismen im Verlauf
der Evolution eine große morphologisch-anatomische Differenzierung erreichten, besitzen die
Mikroorganismen, vor allem die Bakterien, eine
ausgeprägte stoffwechselphysiologische Vielseitigkeit und Flexibilität. Darauf beruht ihre große
Bedeutung in den Stoffkreisläufen. Die biochemische Vielfalt kommt in den verschiedenen Typen
32
2
der Energiegewinnung und Kohlenstoffassimilation zum Ausdruck (siehe später Kapitel 3).
Für die Bakterien ist zudem ein hohes Adaptationsvermögen eine Notwendigkeit, die sich auf
ihre geringen Abmessungen zurückführen lässt.
Eine Zelle von Micrococcus bietet nur für einige
100 000 Proteinmoleküle Raum. Nicht benötigte
Enzyme können daher nicht vorrätig gehalten
werden. Zelluläre Regulationsmechanismen spielen also bei Mikroorganismen eine erheblich größere Rolle als bei anderen Lebewesen.
2.3 Mikroorganismen,
klein aber viele
Die hohe Individuenzahl in Umweltmedien lässt
die große Bedeutung von Mikroorganismen für
die Umwelt erkennen. Für die Anzahl und Biomasse von Mikroorganismen in Böden sei eine
Größenordnung für Waldböden angeführt. In 1g
Boden sind 106–109 Bakterienzellen und 10–100m
Pilzmyzel enthalten. Das Verhältnis der Biomasse
der Bakterien zu der der Pilze machen folgende
Werte für die Zelltrockenmasse pro ha deutlich:
Bakterien 40kg, Pilze 400kg. Waldböden sind
zwar reicher an Pilzen als Ackerböden, doch zeigt
die große Myzelmasse, dass die Bedeutung der
Pilze häufig vernachlässigt wird. Da die Stoffwechselaktivität der Pilze, bezogen auf die Zell-
2 Mikroorganismen, Akteure in der Umwelt
biomasse, um etwa eine Zehnerpotenz geringer
ist als die der Bakterien (Tabelle 2.3), kommt den
beiden Organismengruppen bei Stoffumsetzungen in Böden etwa die gleiche Bedeutung zu. Allerdings dürfen auch die anderen Bodenorganismen (Protozoa, Regenwürmer und andere) nicht
außer Acht gelassen werden. Die Mikrofauna, die
maßgeblich zur Zerkleinerung der pflanzlichen
Biomasse in Böden beiträgt, entspricht mit etwa
40kg/ha der Biomasse der Bakterien. Abschließend sei gesagt, dass 109 Bakterienzellen etwa das
Trockengewicht von 1mg haben. Eine einzelne
Zelle von Escherichia coli hat im feuchten Zustand
ein Gewicht von ca. 9,5 × 10–13g. Eine Milliarde
Bakterienzellen ist die Größenordnung, die wir in
1g nährstoffreichem Boden und auch in 1ml Abwasser finden. Andere Zahlen sind: In 1g Backhefe befinden sich etwa 1 × 1010 Zellen. Eine Zellpaste von Escherichia coli von 1cm3 besteht aus
ungefähr 1,0 × 1012 Zellen.
Mikroorganismen sind klein, aber ihre Biomasse auf der Erde ist gewaltig, selbst wenn man
sie mit der Biomasse höherer Organismen vergleicht. Schätzungen der Gesamtzahl mikrobieller Zellen auf der Erde und besonders der Zahl
der Prokaryoten zeigen, dass diese Zahl im Bereich von 5 × 1030 Zellen liegt. Die Gesamtzahl
des Kohlenstoffs, der in dieser sehr großen Zahl
sehr kleiner Zellen vorkommt, entspricht der aller Pflanzen auf der Erde (und pflanzlicher Kohlenstoff übertrifft bei weitem den Kohlenstoff der
Mikroorganismen können riesig werden
Für gewöhnlich stehen Pilze und Bäume in einer
fruchtbaren Beziehung. Das Myzel umschlingt
den Baum und versorgt ihn mit Wasser und Aminosäuren. Dafür erhält der Pilz seinerseits Kohlenhydrate. Anders sieht es bei dem im Jahr 2000
aufgrund eines rätselhaften Waldsterbens entdeckten Myzel des Weißfäulepilzes Armillaria ostoyae im Malheur National Forest (Oregon, USA)
aus. Wegen seiner Ausdehnung von über 880
Hektar, dem errechneten Alter von mindestens
2400 Jahren und seiner Masse von etwa 600 Tonnen wird er als das größte bekannte Lebewesen
der Erde bezeichnet. Gen-Analysen belegen, dass
das Pilzgeflecht zu ein und demselben Pilz gehört. Der Pilz bildet nur wenige Fruchtkörper aus
und hat wahrscheinlich deshalb keine Ableger bekommen. Ohne die Konkurrenz anderer Pilze
breitet er sich ungehindert aus. Das trockene Klima in Oregon scheint sein Wachstum zu begünstigen. Er durchdringt den Boden und die befallenen Bäume mit seinen millimeterdicken Fäden
und entzieht dadurch den Bäumen die Nahrung.
Etliche Tannen und Douglasfichten sind ihm bereits zum Opfer gefallen.
Europas größter Hallimaschklon (auch Armillaria ostoyae) wurde 2004 in der Schweiz beim
Ofenpass entdeckt. Er bedeckt eine Fläche von
rund von 500m Breite und 800m Länge – das entspricht einem Gebiet von etwa 35ha. Man schätzt
sein Alter auf mehr als 1000 Jahre.
2.4 Mikroorganismen, leben nicht alleine
Tiere). Außerdem beträgt der Stickstoff- und
Phosphorgehalt aller prokaryotischen Zellen das
Zehnfache des Gehalts der gesamten pflanzlichen
Biomasse.
So klein prokaryotische Zellen also auch sein
mögen, stellen sie doch einen Hauptanteil der
Biomasse auf der Erde dar und sind das bedeutendste Reservoir lebenswichtiger Nährstoffe.
2.4 Mikroorganismen,
leben nicht alleine
In der Natur begegnet man Mikroorganismen
nicht als Reinkulturen, sondern jeder Einzelorganismus kooperiert mit anderen oder steht in
Konkurrenz zu ihnen. Mikroorganismen wechselwirken miteinander und mit der sie umgebenden Umwelt. Sie erfüllen dabei wichtige Funktionen beim Stoffumsatz und tragen wesentlich zur
Gestaltung der physikalischen, chemischen und
biologischen Gegebenheiten bei.
Pflanzen und Tiere haben sich in einer Umwelt
entwickelt, in der nahezu alle prokaryotischen
Stoffwechseltypen schon vorhanden waren. Es ist
daher verständlich, dass sich zahlreiche partnerschaftliche Verhältnisse auch zwischen Mikroorganismen und den höheren Lebensformen entwickelt haben.
Hinsichtlich des relativen Nutzens, den Partner aus einem Zusammenleben ziehen, kann man
zwischen mehreren Kategorien unterscheiden
(Tabelle 2.4). Die Definitionen dürfen jedoch
nicht zu einem vordergründigen Nutzen-Schaden-Denken verleiten, das jeweilige Zusammenleben ist komplexer Art. Ein Mit- und Gegeneinander ist nur scheinbar grundsätzlicher Art, es
beinhaltet Interaktionen verschiedenen Grades.
Generell gilt, Hunger ist die typische Lebenssituation für Mikroorganismen.
Im Folgenden sind einige Beispiele aufgeführt,
um das Vorliegen von Interaktionen zu verdeutlichen:
In vielen Fällen können Partner ohne gegenseitige Beeinflussung zusammenleben (Neutralismus). Dies kann jedoch nur auftreten, wenn die
Populationsdichten gering sind, wie in marinen
Habitaten oder oligotrophen Seehabitaten. Bei
hohen Zelldichten kommt es zur Konkurrenz um
Nahrungsstoffe oder Licht. Keine Beeinflussung
kann auch vorliegen, wenn die verschiedenen Po-
33
pulationen extrem unterschiedliche metabolische Eigenschaften haben, sie sich also keine Stoffe gegenseitig streitig machen.
Hat eine Lebensgemeinschaft auf beide Partner einen günstigen oder positiven Effekt, so
spricht man von Symbiose im engeren Sinne
oder einer mutualistischen Symbiose (Mutualismus). Ein solches Zusammenleben kann unterschiedliche Ausmaße der räumlichen Verbundenheit erreichen: Lebt der eine Partner außerhalb
der Zellen des anderen Partners, spricht man von
Ektosymbiose. Die intrazelluläre Ansiedlung des
Partners bezeichnet man als Endosymbiose.
Flechten sind Beispiele hoch entwickelter Ektosymbiosen zwischen Mikroorganismen. In einer
Flechte sind ein Pilz und eine Alge derart miteinander assoziiert, dass sie einen einzigen einheitlichen Vegetationskörper bilden. Aus der Lebensgemeinschaft ziehen beide Partner Nutzen. In der
Regel ist der pilzliche Bestandteil der Flechte, der
Mykobiont, formgebend. Der Pilz bezieht von den
Algen organische Nährstoffe, die CO2-Fixierungsprodukte. Er versorgt im Gegenzug die Algen mit
Mineralien und schützt sie vor ungünstigen Umwelteinflüssen, insbesondere vor Austrocknung.
Grünalgen und Cyanobakterien können als Phycobionten in den Flechten auftreten. Die Flechten
besiedeln extreme Ökosysteme, in denen keiner
der Partner für sich allein existieren könnte.
Bestimmte Pilze haben im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte gelernt, eine äußerst erfolgreiche Symbiose im Boden mit Pflanzen einzugehen, der Mykorrhiza (siehe BOX Mykorrhiza).
Die Mykorrhizapilze helfen Pflanzen, sich auf
nährstoffarmen Böden ausreichend mit Wasser,
Nährsalzen und Spurenelementen zu versorgen.
Sie fördern entscheidend Diversität und Produktivität von Pflanzengesellschaften. Mykorrhizierte Pflanzen zeigen eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Pathogenbefall. Der Pilz erhält dafür im Gegenzug von der Pflanze Kohlenhydrate
in Form einfacher Zucker.
Die unterschiedliche Sichtweise bezüglich
Schaden-Nutzen kann man hier wie folgt verdeutlichen: So wird der Mutualismus bei der Endomykorrhiza durch das parasitäre Eindringen
des Pilzpartners in die Pflanzenzelle eingeleitet.
In späteren Entwicklungsstadien „verdaut“ die
Pflanze den Pilz. Insgesamt „profitieren“ aber
beide Partner von der Symbiose.
Ähnlich sieht es auch für eine weitere Lebensgemeinschaft von Mikroorganismen und Pflan-
2
34
2
2 Mikroorganismen, Akteure in der Umwelt
Tab. 2.4 Kategorien biologischer Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen untereinander bzw. zwischen Mikroorganismen und anderen Organismen (erweitert nach Alexander, 1977).
Kategorien/Typen
Charakteristika
a. Neutralismus
Das Vorkommen von zwei Populationen verschiedener Mikroorganismen, die keinerlei
erkennbare Interaktionen aufweisen.
b. Mutualismus
Eine interaktive Assoziation zwischen zwei Populationen verschiedener Mikroorganismen, aus der beide einen geringen Vorteil ziehen.
c. Synergismus
Eine nicht obligatorische interaktive Assoziation zwischen Angehörigen von zwei Populationen oder einer Population, von der beide Populationen oder alle Angehörigen der
einen Population profitieren. Beim Synergismus führt das mutualistische Zusammenleben zu Wirkungen, die die Leistungen der Partner qualitativ und quantitativ übertreffen.
d. Syntrophismus
Zwei Organismen ergänzen sich gegenseitig mit Nährstoffen oder mit katabolischen
Enzymen, die für die Verwertung eines Substrates erforderlich sind (siehe Kap. 10.1.5).
e. Symbiose
Eine obligatorische interaktive Assoziation zwischen Angehörigen von zwei Populationen. Beide Partner werden durch das Zusammenleben gefördert.
Es handelt sich dabei um einen stabilen Zustand, in dem beide Organismen zu
ihrem gegenseitigen Vorteil in unmittelbarer Nachbarschaft (Ektosymbiose) bzw. in
direktem Kontakt (Endosymbiose) leben.
f. Protocooperation
Eine Symbiosis, die aber nicht obligat ist.
g. Kommensalismus
Eine Art nutzt die Stoffwechselprodukte einer anderen Art, ohne diese zu beeinflussen
Eine interaktive Assoziation zwischen zwei Populationen verschiedener Mikroorganismen, bei welcher eine Population von der Assoziation profitiert, während die andere
weder positiv noch negativ beeinflusst wird.
h. Kompetition
Eine interaktive Assoziation (ein Kampf) zwischen zwei Populationen verschiedener Mikroorganismen, die beide einen limitierenden abiotischen Faktor (zum Beispiel Nährstoffe, Licht, Sauerstoff oder Raum/Oberfläche) benötigen. Teilen sich beide diesen
Faktor, wachsen beide mit suboptimaler Rate; wird der Faktor nur von einer Population
genutzt/verwertet, wächst nur diese.
i. Amensalismus
Eine interaktive Assoziation zwischen zwei Populationen verschiedener Mikroorganismen, durch die eine geschädigt wird, während die andere weder positiv noch negativ
beeinflusst wird.
j. Antagonismus
Eine interaktive Assoziation zwischen zwei Populationen verschiedener Mikroorganismen, in der die eine einen negativen Effekt (Hemmung, Schädigung, Abtötung) auf die
andere ausübt.
k. Parasitismus
Eine interaktive Assoziation zwischen zwei Organismen, von welchen der kleinere (Parasit) profitiert und durch welche der größere (Wirt) geschädigt wird.
Während eine unter (b) bis (f) aufgeführte Interaktion nützlich für beide Partner oder zumindest einen von ihnen
ist, erleidet zumindest ein Partner einen Nachteil bei der unter (g) bis (k) charakterisierten.
zen aus, die eine erhebliche Bedeutung für die
Landwirtschaft hat. So bilden stickstofffixierende
Bakterien mit bestimmten, landwirtschaftlich bedeutsamen Schmetterlingsblütlern (Leguminosen) Wurzelknöllchen aus, über die sich die
Pflanze mit Stickstoff versorgt, die aber auch erheblich zur natürlichen Stickstoffversorgung der
Böden beitragen. Auch viele Bäume decken ihren
Stickstoffbedarf aus dem Zusammenleben mit
stickstofffixierenden Bakterien (siehe Kapitel
7.1).
Man erkennt heute, dass auch im Ozean eine
Vielzahl von wichtigen Symbiosen vorhanden ist.
Die geringe Verfügbarkeit von Nährstoffen und
35
2.4 Mikroorganismen, leben nicht alleine
2
Mykorrhiza
Mit Mykorrhiza bezeichnet man eine Form der
Symbiose von Pilzen und Pflanzen, in der ein Pilz
mit dem Feinwurzelsystem einer Pflanze in Kontakt ist. Etwa 80% der Gefäßpflanzen der Welt bilden so genannte arbuskuläre Mykorrhiza oder
Endomykorrhiza. Bei der großen Zahl der verbleibenden Pflanzen findet man Ektomykorrhiza, während nur eine Minderheit von Pflanzen
keine Mykorrhiza hat. Endomykorrhiza dominiert im Weideland und speziesreichen Wäldern,
während Ektomykorrhiza in Wäldern dominiert,
in denen eine einzige oder wenige Spezies vor-
herrschen. Viele Pflanzen können mehr als einen
Typ von mykorrhizischen Gemeinschaften bilden.
Ektomykorrhiza
Die Ektomykorrhiza (EM), die zumeist bei Waldbäumen vorkommt, ist nur eine der bekannten
Mykorrhizatypen. Hier bleiben die Pilze in ihrem
Wachstum auf den Apoplasten des äußeren Wurzelrindengewebes von Kurzwurzeln beschränkt
(ektotrophe Mykorrhiza) und bilden mitunter
mächtige, die Wurzeln umhüllende Hyphenmäntel.
Endomykorrhiza
(Arbuskuläre Mykorrhiza)
Ektomykorrhiza
Hyphopodium
Arbuskeln
Mycelium
HartigNetz
Spore
Mantel
Cortex
Abb. 2.3. Strukturen der Wurzelkolonisation bei Ektomykorrhiza und arbuskulärer Mykorrhiza (Endomykorrhiza). Der Pilz umschließt die Wurzelspitze bei der Ektomykorrhiza mit einem Mantel von eng
aneinander gepressten Hyphen, während sich das Netzwerk der interzellulären Hypen (Hartig-Netz) um die
epidermalen Zellen entwickelt. Im Falle der arbuskulären Mykorrhiza ist die Wurzelspitze normalerweise
nicht kolonisiert. Die Hyphen entwickeln sich aus einer Spore und bilden ein Hyphopodium an der Wurzelepidermis. Die Kolonisierung innerhalb der Wurzel erfolgt intra- und interzellulär und führt schließlich zu der
Bildung von Arbuskeln, kleinen pilzlichen Bäumchen innerhalb der inneren Cortexzellen. Dabei drängt die
sich verzweigende Hyphe die Plasmamembran in den Protoplasten hinein, wobei diese und der Tonoplast
der Zentralvakuole unversehrt bleiben. Die Bildung der Arbuskeln vergrößert so die Protoplastenoberfläche
der Wirtszellen um ein Vielfaches, beim Mais zum Beispiel von durchschnittlich 20 000 auf 80 000 μm2.
36
2
Die Ektomykorrhizapilze können unabhängig
von den Pflanzenwurzeln leben, was anhand des
Wachstums in Petrischalen gezeigt worden ist.
Diese Pilze bilden häufig oberirdische Fruchtkörper, die uns als Gift- und Speisepilze bekannt
sind. Pilzpartner der Ektomykorrhiza sind die
meisten Hutpilze (Basidiomyceten) des Waldes
wie Röhrlinge, Täublinge und Milchlinge. Manche
dieser Mykorrhizapilze können nur mit wenigen
Baumarten in Symbiose leben, wie der Goldröhrling mit Lärche und Kiefer. Andere Pilzarten sind
weniger spezialisiert, wie der Steinpilz und der
Fliegenpilz, die beide eine Mykorrhiza mit Birke,
Buche, Eiche, Fichte, Kiefer, Lärche und Tanne
ausbilden können. Die Wirtsspezifität einzelner
Mykorrhizapilze ist auch im Namen erkennbar,
beispielsweise beim Birkenpilz (Leccinum scabrum) oder Lärchenröhrling (Suillus viscidus).
Während die Pilze oft auf wenige Baumarten spezialisiert sind, zeigen Bäume keine Präferenz für
bestimmte Pilze.
Die Ektomykorrhizapilze bilden ein ausgedehntes Myzel im Waldboden und sind damit besonders wichtig für das Ökosystem. Da ein Baum mit
mehreren Pilzen gleichzeitig Mykorrhiza bilden
und jeder Pilz durch das Myzel im Boden mehrere Baumpartner miteinander verbinden kann, bilden viele Bäume in einem Wald ein großes Netzwerk, das die relative Stabilität des Ökosystems
Wald mit begründet. Wird die Mykorrhiza geschädigt, stirbt zumeist nicht nur ein einzelner Baum,
sondern ganze Schläge zeigen Baumschäden,
wie dies beim „Baumsterben“ in Folge von saurem Regen und hoher Schadstoffbelastung zu beobachten war.
Viele Waldbäume (Buche, Eiche, Fichte, Kiefer,
Tanne) sind ohne eine die Wurzeln völlig ummantelnde Ektomykorrhiza nicht lebensfähig, da diese nicht nur Nährstoffe und Wasser für den Wirt
aufnimmt, sondern auch vor bodenbürtigen
Krankheitserregern schützt.
Endomykorrhiza
Die heute weit verbreitete arbuskuläre Mykorrhiza (AM) ist insbesondere unter widrigen Bedingungen (Nährstoffmangel, Trocken-, Salz- oder
Schwermetallstress sowie Pathogenbefall) für die
Energie hat zur Evolution von zahlreichen Strategien zur Überwindung dieser Begrenzungen geführt. Symbiotische Gemeinschaften verkörpern
einen Schlüsselmechanismus. Besonders bemer-
2 Mikroorganismen, Akteure in der Umwelt
Pflanze von Nutzen. Die arbuskuläre Mykorrhiza
tritt bei den meisten Vertretern der Angiospermen auf, ist aber auch bei einigen Gymnospermen und Farnpflanzen, weniger bei Moosen und
Bärlappgewächsen, zu finden. Heute findet man
sie bei mehr als 80% überwiegend krautiger
Pflanzen.
Weitere Endomykorrhizae sind die ericoide
Mykorrhiza, die für Ericaceen-Gewächse in
Moor- und Heidelandschaften eine entscheidende Bedeutung für die Phosphaternährung hat,
und die Mykorrhiza der Orchideen.
Obwohl AM-Wirtspflanzen überleben können,
wenn man den pilzlichen Symbionten entfernt, ist
diese Bedingung in der Natur nicht bekannt. Der
AM-Pilz fungiert als wirklicher Helfermikroorganismus und steigert damit die allgemeine Pflanzenfitness. Versuche zum Pflanzenwachstum unter künstlichen, nicht-symbiontischen Bedingungen haben gezeigt, dass die AM-Pilze deutlich an
der Aufnahme von Bodenmineralstoffen beteiligt
sind. Sie erhöhen die Pflanzenbiomasse und sind
der Pflanze bei der Resistenz gegenüber Stress
und gegen Pathogene behilflich.
Im Gegensatz dazu, haben sich die AM-Pilze als
nicht-kultivierbar ohne den Wirt erwiesen. Da die
Pilze unfähig sind, Kohlenhydrate – mit Ausnahmen innerhalb der Pflanzenzelle – aufzunehmen,
sind sie strikt von ihren grünen Wirten für das
Wachstum und die Reproduktion abhängig, welches ihnen den Status eines obligaten Biotrophs/Symbionten gibt. Eine saprophytische Lebensweise ohne Wirt ist für die AM-Pilze nicht
möglich. AM-Pilze gehören dem Phylum Glomeromycota an, einer monophyletischen Gruppe, die
von denselben gemeinsamen Vorfahren wie Ascomycota und Basidiomycota abstammen.
Aus einem evolutionären Blickwinkel betrachtet zeigt der ökologische Erfolg der AM-Pilze,
dass der Vorteil einer strikten Gesellschaft mit
der Pflanze die Risiken beseitigt, die mit dem Verlust von saprophytischen Eigenschaften verbunden sind.
Nährstoffaustausch der Symbiosepartner
Die Pilze liefern der Pflanze Nährsalze und Wasser und erhalten ihrerseits einen Teil der durch
kenswert sind Gemeinschaften zwischen chemosynthetischen Bakterien und marinen Tieren, die
gut und erfolgreich in nährstoffarmen Bereichen
wie der Tiefsee leben, da die Symbionten ihren
37
2.4 Mikroorganismen, leben nicht alleine
Boden
P
2
GrenzflächenApoplast
Pflanze
Pi
NO3-
PolyP
N
NH4+
Arginin
Harnstoff
Vakuole
Aminosäure
+
Fp
Fructose
Rp
Glucose
C
Hexose
Fp
INV
Saccharose
Pilz
Abb. 2.4 Schematische Darstellung der hauptsächlichen Austauschprozesse von Nahrungsstoffen
bei der EM- und AM-Symbiose. Es wird schwerpunktmäßig der Transport von Phosphor (P), Stickstoff (N)
und Kohlenstoff (C) an der Grenze zwischen Boden-Pilz und Pilz-Pflanze gezeigt. Anorganisches Pi und mineralische oder organische Formen von N, wie NH4+, NO3– und Aminosäuren werden durch spezialisierte Transporterproteine, lokalisiert in der Pilzmembran, in das Myzel außerhalb der Wurzel geführt. NH3/NH4+ und Pi
(das letztere stammt in den AM-Pilzen aus der Hydrolyse von Polyphosphat) werden aus der symbiotischen
Berührungsfläche in die Pflanzenzelle durch selektiven Transporter gebracht. Hexose-Transporter importieren den pflanzlich fixierten Kohlenstoff in den Pilz. Es ist fraglich, ob die Prozesse wirklich das Resultat von
aktivem, Protein-vermitteltem Transport sind oder passive Exportmechanismen beinhalten.
INV: pflanzliche Invertase; Fp: Fungi-Plasmamembran; Rp: Root-Plasmamembran
die Photosynthese der Pflanzen erzeugten Assimilate. Diese Versorgung des Pilzes mit Kohlenhydraten ist für die Pflanze mit erheblichen „Kosten“ verbunden. Schätzungen gehen davon aus,
dass der Anteil der Primärproduktion, der an den
Pilz weitergegeben wird, bis zu 25% betragen
kann.
Im Gegensatz zu anderen Bodenpilzen fehlen
vielen Mykorrhizapilzen die Enzyme, die notwendig sind, um komplexe Kohlenhydrate abzubauen.
Deshalb sind sie auf die Versorgung durch die
Pflanze angewiesen.
Wirten erlauben, mit anorganischen Energieund Kohlenstoffquellen wie Sulfid und CO2 zu
wachsen. Chemosynthetische Symbiosen zwischen Bakterien und marinen Tieren wurden vor
Die von der Mykorrhiza ausstrahlenden Pilzhypen vergrößern die Kontaktfläche mit dem Boden. Pilzhyphen mit ihrem geringen Durchmesser
(2–12μm) können Nährstoffe und Wasser aus einem Porenraum aufnehmen, der für die Wurzeln
nicht erreichbar ist. Die Mykorrhizapilze verfügen
damit über ein im Vergleich zur Pflanze erheblich
größeres Vermögen, Mineralstoffe und Wasser
aus dem Boden zu lösen. Häufig wird also die
Wasser-, Stickstoff- und Phosphatversorgung der
„infizierten“ Pflanzen verbessert.
etwa 30 Jahren an hydrothermalen Ausbruchkanälen des Galapagos Riffs entdeckt. Heute weiß
man, dass chemosynthetische Symbiosen welt-
38
2 Mikroorganismen, Akteure in der Umwelt
2
Oberflächenwasser-Sedimente
Schwemmland- und Gezeitensedimente
Mangroven-Torf und Sedimente
Seegras-Sedimente
Korallen-Riff-Sedimente
Tiefsee hydrothermale Ausbruchkanäle
Sedimente der
Kontinentalabfallflanken
Schwarze und weiße Raucher
Diffuse Entgasung
Tiefsee kalte Quellen
Asphalt- und Petroleum-Quellen
Gasquellen und Schlammvulkane
Tiefsee Wal- und Holzfriedhöfe
Abb. 2.5 Marine Habitate in denen chemosynthetische Symbiosen vorkommen
weit in einer großen Auswahl von Habitaten vorhanden sind (Abb.2.5).
Eine Vielzahl von Gruppen von Tieren haben
Gemeinschaften mit chemosynthetischen Bakterien gebildet. Zurzeit sind sieben Phyla von Tieren bekannt, die solche Symbionten beherbergen
(Tabelle 2.5). Einige Wirtsgruppen findet man
nur in einem Habitat, während andere in vielen
verschiedenen vorkommen (siehe auch Kapitel
10.4 mit marinen Habitaten).
Kooperationen zwischen metabolisch verschiedenen Mikroorganismen sind insbesondere
unter anaeroben Bakterien verbreitet (siehe später Kapitel 4.5). Ein Beispiel ist die Bildung und
der Verbrauch von Wasserstoff im Faulturm einer
Kläranlage oder im Pansen oder im Termitendarm und die resultierende Bildung von Methan.
Eine solche anaerobe Fütterungskette im Pansen
beinhaltet die Beteiligung einer großen Vielfalt
von Mikroorganismen: Verwertern von Cellulose, Stärke und Hemicellulose, Zucker-Fermentierern, Fettsäuren-Nutzern, Methanogenen, proteolytischen und lipolytischen Bakterien.
Im Verdauungssystem von Tieren stehen Bakterien ihren Wirtsorganismen als Kooperations-
partner gegenüber. Vor allem Pflanzenfresser haben hoch entwickelte Kooperationssysteme herausgebildet, die für beide Partner (Mikroorganismus und Kuh) in hohem Maße vorteilhaft
sind.
Zieht aus der Lebensgemeinschaft nur ein
Partner einen Nutzen, ohne dass der andere einen
Schaden erleidet, spricht man von Kommensalismus. Eine typische Interaktion dieses Typs ist der
Abbau von Cellulose durch cellulolytische Pilze,
die organische Säuren produzieren, die dann als
Substrate für nicht-cellulolytische bakterielle und
pilzliche Spezies dienen.
Kommensalismus kann auch für die richtigen
Bedingungen in einem Habitat für gewisse Mikroorganismen sorgen. Wenn zum Beispiel eine
Population von fakultativ anaeroben Bakterien
den toxischen Sauerstoff verbraucht, so erzeugt
sie ein Habitat für das Wachstum von obligaten
Anaerobiern.
Ein anderes Beispiel ist die Produktion und
Ausscheidung von Vitaminen und Aminosäuren
durch mikrobielle Populationen, die dann von
anderen anspruchsvollen Mikroorganismen zum
Wachstum genutzt werden können.
Oberflächenwasser
Alvinella
(Pompeii worm)
Röhrenwürmer der
Familie Siboglinidae
Oligochaet,
Olavius
Ringelwürmer/
Gliederwürmer
(Annelida)
Ausbruchkanal-Krabbe,
Rimicaris
Oberflächenwasser, Tiefsee:
hydrothermale Ausbruchkanäle,kalte Quellen, Holzfriedhöfe
Astomonema
Fadenwürmer
(Nematoda)
Gliederfüßer
(Arthropoda)
Tiefsee hydrothermale
Ausbruchkanäle
Retronectidae,
Paracatenula
Plattwürmer
(Platyhelminthes)
Tiefsee hydrothermale
Ausbruchkanäle
Oberflächenwasser
Oberflächenwasser
Demospongiae, Cladorhiza Tiefsee kalte Quellen
Schwämme
(Porifera)
Oberflächenwasser
Vorkommen im Ozean
koloniebildende Ciliaten
Zoothamnium niveum
Beispiel
Ciliaten
(Ciliophora)
Phylum
Tab. 2.5 Phyla mit chemosynthetischen Symbiosen im Ozean
schwefeloxidierende Symbionten
schwefeloxidierende Symbionten
methanoxidierende Symbionten
schwefeloxidierende Symbionten
Stoffwechseltyp der
Mikroorganismen
schwefel- und methanoxidierende
Symbionten
Ektosymbionten wurden im
Mundbereich und in Kiemenkammern gefunden (Epibiont)
chemoautotrophe Symbionten
Bakterien sind Endosymbioten, schwefeloxidierende und sulfatkommen gerade unter der
reduzierende Symbionten
Kutikular im extrazellularen
Raum oberhalb der Epidermiszellen vor (aber nicht intrazellular)
Endosymbionten kolonisieren
die Trophosomen
Ektosymbionten wurden auf der chemoautotrophe Symbionten
dorsalen Oberfläche gefunden
(Epibiont)
Bakterien bewohnen den
gesamten Darm
Intrazellular in Trophosomen
Intrazellular und extrazellular
Ectosymbionten bedecken
vollständig die Oberfläche
der Kolonie
Ort der Mikroorganismen im Wirt
2.4 Mikroorganismen, leben nicht alleine
39
2
Beispiel
Tiefsee hydrothermale
Ausbruchkanäle
Tiefsee: hydrothermale Ausbruchkanäle, kalte Quellen,
Wal- und Holzfriedhöfe
Tiefsee: hydro-thermale Ausbruchkanäle, kalte Quellen,
Walfriedhöfe
Oberflächenwasser
Oberflächenwasser, Tiefsee:
hydrothermale Ausbruchkanäle, kalte Quellen
Oberflächenwasser, Tiefsee:
hydrothermale Ausbruchkanäle, kalte Quellen, Walfriedhöfe
Gastropode, Schnecke
Miesmuscheln
Muscheln der Familie
Vesicomyidae
Muscheln der Familie
Solemyidae
Muscheln der Familie
Lucinidae
Muscheln der Familie
Thyasiridae
Vorkommen im Ozean
Stoffwechseltyp der
Mikroorganismen
Extrazellulare Symbionten, die
zwischen den Microvilli der
Epithelzellen vorkommen, in
oder auf dem Kiemengewebe
Symbionten sind intrazellular in
den Kiemen
Symbionten sind intrazellular in
den Kiemen
Endosymbionten kolonisieren
intrazellular die Kiemen
schwefeloxidierende Symbionten
schwefel- und sulfidoxidierende
Symbionten
schwefeloxidierende Symbionten
schwefeloxidierende Symbionten
Endosymbionten kolonisieren
schwefel- und methanoxidierende
das Kiemengewebe intrazellular Symbionten
und extrazellular
Endosymbionten kommen intra- schwefel- und methanoxidierende
zellular im Kiemengewebe vor
Symbionten
Ort der Mikroorganismen im Wirt
2
Mollusken
(Mollusca)
Phylum
Tab. 2.5 Fortsetzung
40
2 Mikroorganismen, Akteure in der Umwelt
2.4 Mikroorganismen, leben nicht alleine
41
Der Elba-Wurm Olavius algarvensis, ein gut untersuchtes
Beispiel für marine Symbiose
Mehr als 100 darmlose Oligochaetenarten sind
weltweit in marinen Sedimenten bekannt.
Darmlose Oligochaeten sind kleine Meereswürmer, die weder Mund noch Darm noch Nephridien also Exkretionsorgane besitzen. Stattdessen beherbergen sie bakterielle Endosymbionten, die die Funktion des Verdauungs- und Exkretionssystems übernommen haben.
Vor der Küste Elbas kommt der darmlose Oligochaet Olavius algarvensis besonders zahlreich in
der Nähe von Seegraswiesen vor.
Seine charakteristische weiße Färbung erlangt
der unscheinbare Wurm durch die Brechung des
Lichts an Schwefelpartikeln in den Bakterien, die
als Symbionten extrazellulär in einer Schicht unter der Wurmkutikula zwischen Ausläufern der
epidermalen Zellen liegen. Das unterscheidet
diese Oligochaeten deutlich von anderen marinen und macht die Identifizierung einfach.
Die Symbionten versorgen den Wurm mit Nahrung, indem sie reduzierte anorganische Schwefelverbindungen als Energiequelle nutzen, um
Kohlendioxid in organische Stoffe zu fixieren.
Alle bisher untersuchten darmlosen Oligochaeten leben in Symbiose mit einem Gammaproteobacterium, das mit freilebenden schwefeloxidierenden Bakterien verwandt ist. Diese γ1-Symbionten aus verschiedenen Wirtsarten sind phylogenetisch eng verwandt.
Der thioautotrophe Charakter (schwefeloxidierender, CO2-fixierender Stoffwechsel) der γ1Symbionten wurde geklärt. Neben den γ1-Symbionten beherbergen manche Wirtsarten ein
zweites Gammaproteobacterium und bis zu drei
verschiedene Deltaproteobacteria, während andere mit Alphaproteobacteria assoziiert sind.
In Olavius algarvensis sind die deltaproteobakteriellen Symbionten Sulfatreduzierer, die oxidierte Schwefelverbindungen wie Sulfat zu Sulfid
veratmen. Das produzierte Sulfid kann von den
sulfidoxidierenden Symbionten zur autotrophen
Fixierung von CO2 genutzt werden.
Zum Wachstum des Wurms und seiner Symbionten müssen Energiequellen, wie im Porenwasser gelöste organische Stoffe, aus der Umgebung
aufgenommen werden.
Diese darmlosen Oligochaeten sind ein gutes
Beispiel für eine mutualistische Assoziation mit
mehreren Symbionten:
(i) Wirte, die sulfatreduzierende Bakterien als
zusätzliche Symbionten aufnehmen, können
sich an Veränderungen in der Umgebung –
wie die Verfügbarkeit von Sulfid, die stark
schwanken kann, aber für den γ1-Symbionten essenziell ist – anpassen.
(ii) Die sulfidoxidierenden und sulfatreduzierenden Symbionten scheinen nicht um Ressourcen zu konkurrieren, sondern profitieren
stattdessen bei deren Umsetzung voneinander.
Jeder Symbiont nimmt durch seine Substratspezifität und -affinität eine Mikronische ein und
bringt so der mobilen Multisymbiose Nutzen.
Denn bei seiner Wanderung durch das Sediment
passiert der Wurm Zonen mit unterschiedlichen
Substratangeboten sowie Elektronendonoren
und -akzeptoren, auf die sich die einzelnen Symbionten spezialisiert haben.
So erklärt sich vielleicht, warum trotz scheinbarer funktioneller Redundanz mit zwei schwefeloxidierenden γ-Symbionten in O. algarvensis ein
selektiver Vorteil vorhanden ist. Die einzigen physiologischen Merkmale, welche von beiden Symbionten genutzt werden, sind der Gebrauch von
reduziertem Schwefel und die Kohlenstofffixierung über den Calvin-Zyklus. Andererseits zeigen
sie große Unterschiede im Gebrauch von zusätzlichen Energie- und Kohlenstoffquellen wie auch
Elektronenakzeptoren. Die γ3-Symbionten können CO und auch den vom Wirt erzeugte Osmolyten Betain (N,N,N-Trimethylglycin) als weitere
Energie- und Kohlenstoffquellen verwenden,
während die γ1-Symbionten fermentative Abfallprodukte von ihren Wirten als zusätzliche Kohlenstoffquelle nutzen können. Weiterhin scheinen
die γ1-Symbionten stark auf Speichersubstanzen
wie Schwefel und Polyhydroxyalkanoate angewiesen zu sein, während Speichersubstanzen keine
größere Rolle im Metabolismus der γ3-Symbionten zu spielen scheinen.
2
42
2 Mikroorganismen, Akteure in der Umwelt
2
CO2
CO
H2
Sediment
CO2
Wurm-Kutikula (permeable Außenwand des Wurms)
3-Symbiont
Schwefeloxidierer
1-Symbiont
Schwefeloxidierer
Sred
Sox
1/ 4-Symbiont
Sulfatreduzierer
Abfallprodukte
des Wirts
Sred
Sox
Verdauungsprodukte
oder Export von Substraten
vom Symbiont
Die Ressourcenaufteilung wird auch sichtbar
bei den Unterschieden in den Elektronenakzeptoren, die von den beiden Symbionten genutzt werden. Die γ1-Symbionten sind in erster Linie von
Sauerstoff für ihre Atmung abhängig, während
die γ3-Symbionten wahrscheinlich diesen Elektronenakzeptor nicht nutzen können, sondern
stattdessen das weniger energiegünstige Nitrat
verwenden.
Metaproteomische Analysen zeigen zudem,
dass trotz der genetischen Ähnlichkeiten funktionelle Unterschiede der metabolischen SchlüsselStoffwechselwege für die Chemosynthese der
beiden Symbionten vorhanden sind.
Alle Symbionten in O. algarvensis scheinen eine bemerkenswert ähnliche metabolische Strategie zu nutzen: Alle exprimieren Proteinen, die in
hoch-effizienten Stoffwechselwegen für die Aufnahme, das Recycling und den Erhalt von Energie- und Kohlenstoffquellen fungieren.
Diese Wege beinhalten
(i) mehrere Strategien des Recyclings von Abfallprodukten des Wirtes;
Die Beseitigung/Verbrauch von toxischen Faktoren wie H2S durch eine Population von Beggiatoa ist ein Beispiel dafür, wie es H2S-sensitiven
aeroben Populationen ermöglicht wird zu wachsen. Im Gegensatz dazu brauchen photoautotrophe Bakterien H2S für ihren Metabolismus. Ge-
Abfallprodukte
des Wirts
Wirtsgewebe
Abb. 2.6 Schematisches Diagramm möglicher Energie- und
Kohlenstoffquellen bei der
Symbiose in Olavius algarvensis. Externe Quellen von Energie und Kohlenstoff können
Kohlenmonoxid, Wasserstoff
und Kohlendioxid beinhalten;
interne Quellen können reduzierte Schwefelverbindungen
Sred und Abfallprodukte des
Wirtes wie Acetat und Glycinbetain (N,N,N-Trimethylglycin)
sein. Sox bedeuten oxidierte
Schwefelverbindungen. Die δ1und δ4-Symbionten sind als
eine Zelle dargestellt
(ii) die mögliche Nutzung von anorganischen
Energiequellen zusätzlich zu reduzierten
Schwefelverbindungen, wie Wasserstoff und
CO;
(iii) die extrem starke Expression von hoch-affinen Transportern, welche die Aufnahme einer großen Anzahl von Substraten bei sehr
niedriger Konzentration ermöglichen; und
(iv) bisher nicht beschriebene energieeffiziente
Schritte in den Wegen der Sulfatreduktion
und CO2-Fixierung.
Nimmt man den oligotrophen, nährstoff-armen
Charakter der Umgebung des Elba-Wurms, in
welcher organische Verbindungen nahe der Nachweisgrenzen vorliegen und reduzierte Schwefelverbindungen gerade noch nachweisbar sind, so
muss der selektive Druck auf die metabolischen
Wege sehr stark gewesen sein, der zur Bildung
dieser Symbiose geführt hat, damit die Beschaffung und der Erhalt von Energie und Kohlenstoff
auf ein Höchstmaß gebracht wurde.
liefert wird er durch Sulfatatmer, die ihn aus Sulfat herstellen (siehe später Kapitel 7.1 und 8.1).
Ein weiteres Beispiel, welches man zu Kommensalismus rechnen kann, ist die Substratkette
bei der Nitrifizierung: Nitrosomonas oxidiert Ammonium zu Nitrit, welches dann von Nitrobacter
2.4 Mikroorganismen, leben nicht alleine
für seinen Metabolismus genutzt werden kann
und Nitrat entsteht (siehe später Kap. 6.3 und
7.3).
Die Hemmung von pathogenen Pilzen durch
fluoreszente Pseudomonaden ist ein Beispiel für
amensalistische Wechselbeziehung zwischen
Mikroorganismen, bei welchem der bakterielle
Partner gegen den Pilz durch in situ Produktion
eines Antibiotikums des Typs Phenazine agiert.
Typische räuberische und parasitische Wechselbeziehung zwischen Mikroorganismen sind
die Angriffe auf Bodenbakterien durch Protozoa
auf der einen Seite und Bdellovibrios auf der anderen Seite.
Testen Sie Ihr Wissen
Vergleichen Sie Prokaryoten und Eukaryoten.
Wie wirkt sich eine geringe Größe von Zellen auf
ihre Wachstumsgeschwindigkeit aus?
In welcher Anzahl findet man Bakterien im Boden oder Abwasser? Vergleichen Sie die Biomasse
der Bakterien mit der der Pilze im Waldboden.
Welche Formen des Miteinanders sind positiv für
beide Partner einer Lebensgemeinschaft?
Literatur
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