Leben mit Manie und Depression

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Universität Hamburg, 9.-11. September 2004
Current congress
4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS)
Drei Spannungsfelder
Vor 15 Jahren startete das erste Trialog-Forum
zur Begegnung von Experten aus eigener Erfahrung und solchen durch Ausbildung und Beruf. Das Forum hilft, sich auf das Wesentliche
für ein besseres Verständnis bipolarer Störungen zu besinnen. Seite 3
Leben mit Manie und Depression
Das Risiko für eine bipolare Störungen beginnt
schon in der Vorpubertät – in vielen Fällen folgt
später die Fehldiagnose „Depression“.
8–10 Jahre dauert es meist bis zur korrekten
Diagnose, und die Periodizität hält meist
lebenslang an. Seite 8
U
Schiffe, Pötte und Barkassen...
… all das ist auf den Gewässern in und um
Hamburg zu sehen. Was die Stadt noch
zu bieten hat, lesen Sie auf Seite 19
Leben mit Manie und Depression
U
Hans-Peter Unger
nter diesem Titel wird die
4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS e.V.)
stattfinden, die gemeinsam mit
dem Universitätsklinikum Eppendorf und dem Allgemeinen
Krankenhaus Harburg durchgeführt wird. Wie in den Vorjahren
soll auch auf dieser Tagung das
Prinzip des Trialogs mit Leben
gefüllt werden: Sie wendet sich
deshalb mit ihren unterschiedlichen Beiträgen an Professionelle
ebenso wie an Angehörige und
Bipolar Erfahrene. Wir sind zu
Gast im Hauptgebäude der Universität Hamburg an der Edmund-Siemers-Allee, mitten im
Herzen der Stadt. Wir hoffen
nach dem verregneten Sommer
auf ein wenig Sonne im September und freuen uns, Sie auf der
Tagung begrüßen zu können.
Ein breites Angebot an wissenschaftlichen Sitzungen, Fortbildungsveranstaltungen, Workshops,
Posterpräsentationen,
Satellitensymposien und eingeladenen Hauptvorträgen von klinisch und wissenschaftlich Tätigen sowie Betroffenen und Angehörigen bieten ein sehr vielfältiges Programm. Dabei werden
die unterschiedlichen Fassetten
bipolarer Erkrankungen dargestellt: Genetische, neurobiologische, endokrinologische, psychopharmakologische, psychodynamische, verhaltenstherapeutische, familiendynamische und
psychoedukative Ansätze werden in ihrer Auswirkung auf Verständnis, Diagnose und Behandlung diskutiert. Selbsthilfeund Angehörigenarbeit nehmen
ebenfalls ein breites Feld ein.
Der Psychotherapie bipolarer
Störungen soll auf dieser Tagung
ein verstärktes Augenmerk geschenkt werden. Die neuen medikamentösen
Behandlungsmöglichkeiten, z.B. durch atypische Neuroleptika und stimmungsstabilisierende Medika-
mente, erlauben eine nebenwirkungsärmere Therapie. Die
Belastungen in der Familie und
im sozialen Umfeld, die negativen Veränderungen im Selbstbild
der Erkrankten, Akzeptanz und
Umgang mit der Erkrankung sind
die wesentlichen Ansatzpunkte
der Psychotherapie in ihren unterschiedlichen Ausrichtungen.
Dabei sind bipolare Erkrankungen häufiger als bisher gedacht. Die so genannten BipolarI-Störungen mit ausgeprägten
und gut erkennbaren manischen
und depressiven Phasen haben
eine Prävalenz von etwa 1% in
der Bevölkerung. Bei Vorliegen
von psychotischen Symptomen
ist hier in der Vergangenheit oft
zu schnell die Diagnose einer
Schizophrenie gestellt worden.
Unterschätzt werden in ihrer Bedeutung aber insbesondere die
Bipolar-II-Erkrankungen, bei denen sich rezidivierende Depressionen mit hypomanischen Phasen im Verlauf abwechseln. Diese
Hypomanien werden in der
Regel vom Patienten und seiner
Familie nicht als krankhaft angesehen. Deshalb werden viele Bipolar-II-Erkrankungen auch von
den Behandlern als unipolare
Depressionen verkannt. Die Unterscheidung einer bipolaren von
einer unipolaren Depression ist
aber für die Therapie bedeutsam.
Deshalb freuen wir uns besonders, dass auf dieser Tagung Herr
Prof. Dr. Jules Angst aus Zürich
zum Ehrenmitglied der DGBS ernannt wird. Die Laudatio wird
von Prof. Dr. Marneros gehalten.
Im deutschen Gesundheitswesen findet zurzeit ein nachhaltiger Strukturwandel statt. Integrierte Versorgung heißt eine
der Zauberformeln, mit denen
die verkrusteten Strukturen in
der Gesundheitsversorgung aufgebrochen werden soll. Parallel
zu den Vorträgen und den Diskussionen der Tagung soll deshalb die Integrierte Versorgung
als ein Rahmenthema aufgegriffen werden. Welche Angebote
sind für einen Vertrag zur Integrierten Versorgung aus Sicht
der Professionellen, Bipolar Erfahrenen und Angehörigen erforderlich? Dieser Frage soll im Verlauf des Kongresses trialogisch
nachgegangen werden. Zur
Qualitätssicherung der Behandlung bipolarer Störungen wird
Herr Prof. Berger aus Freiburg
referieren.
Schließlich sollen aber auch
Kunst und Kultur auf unserer Tagung nicht zu kurz kommen. Wir
möchten die Tagungsteilnehmer
deshalb sehr herzlich zum Rahmenprogramm einladen. Am
Donnerstagabend geht es mit einem Filmabend im Abaton-Kino
im nahen Uni-Viertel los. Gezeigt
wird mit Einführung und Diskussion der italienische Film „Lampedusa“. Am Freitagnachmittag
wird im Hörsaal C die Lesung
„mit gebrochen Flügeln fliegen
...“ durch Bipolar Erfahrene und
Angehörige erfolgen. Der Gesellschaftsabend wird dann im
Logensaal der Hamburger Kammerspiele stattfinden, dort erwartet uns unter anderem die
szenische Lesung „Beinfreiheiten
und andere“, ein Theaterprojekt
von Nicole Plinz und Sandra
Strunz nach Texten von Psychose-Erfahrenen.
Viele wichtige Vorträge werden in den folgenden Beiträgen
ausführlicher aufgegriffen. Wir
freuen uns, Sie in Hamburg herzlich willkommen zu heißen und
wünschen Ihnen eine interessante und abwechslungsreiche
Tagung.
Hans-Peter Unger
Tagungsvorsitzende
Priv.-Doz. Dr. Dipl.-Psych.
Thomas Bock, Hamburg
Dr. Hans-Peter Unger, Hamburg
2
programm
Veranstaltungen
Current congress
Programmauszug
Donnerstag, 9. September 2004
19.00 Uhr
Ort:
Filmabend zum Thema bipolare Störungen
„Lampedusa“ (Emanuele Crialese, Italien/
Frankreich 2002)
Einführung und Diskussion: Prof. Dr. E.
Weymann
Abaton-Kino, Allendeplatz 3, 20146 Hamburg; Eintritt: 5,– Euro (Karten nur an der
Abendkasse)
Freitag, 10. September 2004
08.00 Uhr
09.30 Uhr
10.00 Uhr
12.00 Uhr
12.15–
13.15 Uhr
13.30 Uhr
Forum 1:
Frühstückssymposium für Professionelle:
Valproat – Wirkmechanismus und klinische Relevanz in der Therapie bipolarer
Störungen
Vorsitz: Prof. Dr. P. Bräunig
Wirkmechanismen von Valproat in der Behandlung bipolarer Störungen (Prof. Dr. Dr.
D. van Calker)
Effektivität von Valproat bei rapid cycling
(PD Dr. T. Bschor)
Therapie der schweren Manie – neue Entwicklungen und „alte“ Probleme (Prof. Dr.
P. Bräunig)
Mit freundlicher Unterstützung der SanofiSynthelabo GmbH
Begrüßung und Grußworte: Dr. H.-P. Unger,
PD Dr. T. Bock, Prof. Dr. D. Naber, Dr. H.
Grunze, R. Gielen, Dr. H. J. Meyer
Leben mit Manie und Depression
Vorsitz: Prof. Dr. D. Naber
Ernennung von Prof. Dr. J. Angst zum DGBS
e.V.-Ehrenmitglied
Laudatio: Prof. Dr. Dr. A. Marneros
Bipolare Störungen als lebenslanges
Schicksal (Prof. Dr. J. Angst)
Bipolare Störungen als psychosomatisches
Phänomen (Prof. Dr. J. Aldenhoff)
Zur Psychodynamik und Psychotherapie
Bipolarer Störungen (Prof. Dr. P. Hartwich)
Spannungsfelder von Erfahrenen, Angehörigen und Professionellen (PD Dr. T.
Bock)
Mittagspause
Pressekonferenz
Forum 2:
Forum 3:
Vorsitz: Prof. P. Bräunig
Als Arzt: Differenzialdiagnostik und Psychopharmakotherapie (Dr. H. Grunze)
Als Psychotherapeut: Bedeutung psychologischer Therapieansätze (Dr. A. Schaub)
Als Psychotherapeut: Manie und Stimmungsmodulation – Gegenübertragung im
stationären Behandlungsteam und in der
ambulanten Psychotherapie (Dr. J. Kipp)
Als Krankenpfleger: Mögliche Fallen im
ambulanten Setting (S. Hasenburg)
Zwischen Höhen und Tiefen: Was geht in
Selbsthilfe, was nicht?
Vorsitz: R. Geislinger
Selbsthilfegruppen: Die niederländische
Geschichte (Dr. E. G. Th. M. Hartong)
Erfahrungen mit dem Life-Chart-Programm, individuelles Krisenmanagement
(Dr. L. Schärer, R. Gielen)
Rahmenbedingungen für emotionale Stabilität: Arbeit, Beziehung, Stigma (M. Tillmann)
Zwischen Nähe und Distanz – was können
Angehörige aushalten, was können sie lernen?
Vorsitz: Dr. H.J. Meyer
10.30 Uhr
11.00–
12.30 Uhr
WS 1:
WS 2:
WS 3:
WS 4:
WS 5:
WS 6:
WS 7:
Samstag, 11. September 2004
WS 8:
09.00 Uhr
09.00 Uhr
Trialog und integrierte Versorgung: Was
braucht wer, um mit der Erkrankung
zurecht zu kommen?
Zwischen Macht und Ohnmacht – State of
the Art. Wie erkenne und behandele ich
Manie und Depression?
Forum 4: Bipolare Störungen: Therapie
zwischen Selbstverantwortung und Kontrolle
Vorsitz: Dr. H.-P. Unger
Ambulanter Zwang und Bevollmächtigung
der Angehörigen: Was bedeutet die Novellierung des Betreuungsgesetzes? (Prof. Dr.
W. Crefeld)
Stationäre Zwangsmaßnahmen und Selbstverantwortung des Behandlungsteams
(Prof. Dr. E. Fähndrich)
Wie wird die Therapie erreichbarer – aus
Sicht des Angehörigen (Prof. Dr. R. Peukert)
Forum 5: Wissenschaftliches Seminar für
Professionelle
Neues aus der Forschung – Konsequenzen
für die Praxis
Vorsitz: PD Dr. Dr. M. Bauer, Dr. H. Grunze
Genetik der Bipolaren Störungen (Prof. Dr.
W. Maier)
Bildgebung und Bipolare Störungen (Prof.
Dr. P. Falkai)
Schilddrüsenhormonsystem und seine Bedeutung für die Therapie Bipolarer Störungen (PD Dr. Dr. M. Bauer)
WS 9:
WS 10:
12.45–
14.00 Uhr
Komorbidität von Substanzabhängigkeit
und Bipolarer Störung: Konsequenzen für
die Praxis (Dr. C. Baethge)
Kaffeepause
Gemeinsame Workshops für Professionelle, Betroffene und Angehörige
Zwischen Stimmungsmodulation und
Selbstmanagement – aus Sicht der Betroffenen (Moderation: B. Touray, T. Riemenschneider)
Was können Psychotherapie und Psychoedukation leisten? Einzel - und Gruppensetting (Moderation: Dr. A. Koesler, F. Ehnes)
„Ich bin nicht nur krank“. Zum Selbstbild
und Selbstmanagement bipolar Erkrankter
(Moderation: Prof. Dr. P. Bräunig, M. Selo, J.
Führhoff)
„Bittere Pillen“. Die Rolle der Medikamenteneinnahme aus Sicht des Patienten und
des Arztes (Moderation: Dr. J. M. Langosch,
J.-U. Pagel)
Arbeit und Rehabilitation (Moderation: R.
Schlieszus, R. Kays)
Sozialarbeit und Schulden (Moderation: A.
W. Hamester, R. Marbach)
Rechtsfragen: Betreuungs-, Sozial- und Zivilrecht (Moderation: RÄ S. M. Meier, H.
Studt)
Angst, Schuld und das Bedürfnis nach Kontrolle aus Sicht der Familie und Angehörigen (Moderation: A. K. Piening – Lemberg,
Dr. H. J. Meyer)
Paarbeziehungen und bipolare Störungen.
Was macht die besonderen Beziehungskomponenten aus? (Moderation: PD Dr. T.
Bock , I. Pöhland)
Wie gründe ich eine Selbsthilfegruppe?
Wie kann ihre Auflösung verhindert werden? (Moderation: R. Geislinger, H.-P.
Köther, B. von Mickwitz)
Abschlussplenum
Unsere Affekte in der Evolution – zur Bedeutung von Depression und Manie in der
Menschwerdung (Dr. M. Preiter)
Hintergründe der Stigmatisierung, Erfahrungen im Kampf dagegen (Irre menschlich
Hamburg e.V.)
Leben mit bipolarer Erkrankung und was
wünsche ich mir (R. Gielen, Hamburg)
Resümee der Jahrestagung, Ausblick, Verabschiedung (Dr. H. Grunze, PD Dr. T. Bock,
Dr. H.-J. Unger)
Manie und Stimmungsmodulation
Gegenübertragung im stationären
Behandlungsteam und in der ambulanten
Psychotherapie
Dr. med. Johannes Kipp aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Kassel
weist darauf hin, dass vor allem auch in Trennungsphasen hypomanische Schwankungen auftreten
W
esentlich für den Umgang und für die Psychotherapie manischer
Patienten ist es, Symptome der
manischen Erkrankung nicht nur
als Krankheitsfolge, sondern vielmehr auch als Form der Stimmungsmodulation zu betrachten,
mit denen es den Patienten gelingt, ihre brüchig werdende
Stimmung (erneut) nach oben zu
modulieren. Viel sprechen, Einkäufe,
Alkoholexzesse
und
Schlafentzug und andere Symptome der Manie werden zur Steigerung oder Erhaltung der Stimmung nicht nur von Maniekranken eingesetzt.
Im therapeutischen Umgang
ist es zwar notwendig, Regeln
und Grenzen zu vertreten, jedoch
auch sinnvoll, ein Stück weit mit-
zuschwingen, sich über die erreichte Hochstimmung zu freuen
und die Angst vor der Depression
zu thematisieren. Dies ermöglicht den Patienten die Zusammenarbeit, in der es um die Einnahme von Medikamenten, um
Informationen über den Krankheitsverlauf und um die Begrenzung von schädigenden Handlungen geht.
In der ambulanten Psychotherapie ist es notwendig, sich klar
zu machen, dass (hypo-)manische Schwankungen häufig in
Verliebtheits-, vor allem aber
auch in Trennungsphasen auftreten. Berichten Patienten, dass es
ihnen plötzlich sehr gut geht und
dass sie deshalb jetzt die Therapie beenden möchten, dann müssen sich Psychotherapeuten klar
sein, dass es sich nicht um eine
Wunderheilung, sondern um eine
manische Schwankung handelt,
die mit Trennungsabsichten verbunden ist. Die psychodynamischen Hintergründe lassen sich
differenziert beschreiben.
Literatur
J. Kipp u. H.-J. Stolzenburg (2000): Stimmungsmodulation und Psychodynamik
der Manie. Psyche 54 (6): 544-566.
J. Kipp u. P.M. Wehmeier (2003): Therapeutische Überlegungen zur Stimmungsmodulation bei Patienten mit Manie. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis 35 (1): 65-72.
[email protected]
[email protected]
Freitag, 10. September
Forum 1: Zwischen Macht und
Ohnmacht – State of the Art
13.30 Uhr
Highlights
Current congress
Qualitätssicherung in der
Behandlung bipolarer Patienten
Prof. Dr. Mathias Berger, P. Sitta und M. Härter aus der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg betonen den Nutzen eines Qualitätsmanagements
T
rotz gestiegenem Bewusstsein für die Notwendigkeit
von Qualitätsmanagement
in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung beschränken sich bisherige Maßnahmen
hauptsächlich auf interne Qualitätssicherung. Es fehlen Studien
zur externen Qualitätssicherung,
die Art und Erfolg der stationären
psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung bei bipolaren
Erkrankungen systematisch erfassen und anhand geeigneter Indikatoren vergleichen.
Die Prozess- und Ergebnisqualität der stationären Depressionsbehandlung in Deutschland
wurde im Rahmen einer Multizenterstudie in zehn Kliniken in
Nordrhein-Westfalen,
BadenWürttemberg und Bayern untersucht. Dazu wurden Dokumentationsmaterialien mit depressionspezifischen Qualitätsindikatoren entwickelt. Die Ergebnisse
dienten zum einen als Basis für
eine klinikinterne Qualitätssicherung und zum anderen für den
externen Klinikvergleich (Benchmarking).
tion durchgeführt, bestehend aus
Leitlinienfortbildung, Benchmarking und datengestützten Qualitätszirkeln.
Methode
Die Behandlungen von über
2000 depressiven Patienten, darunter 6% mit einer bipolaren
Störung, wurden bei Aufnahme,
Entlassung sowie im wöchentlichen Verlauf dokumentiert. Mithilfe von Selbst- und Fremdratings wurden Daten zu Soziodemographie,
Krankheitsgeschichte, Psychopathologie (Hamilton-Depressionsskala, BeckDepressionsinventar,
Clinical
Global Impressions, GAF), Therapieverlauf sowie Patientenzufriedenheit erhoben. Die anonymisierten Daten der teilnehmenden
Kliniken wurden an die Projektzentrale übermittelt und dort
statistisch ausgewertet. In fünf
Kliniken wurde eine umfassende
Qualitätsmanagement-Interven-
Ergebnisse
Die Behandlung von 2133 depressiven Patienten wurde erfasst. Die Schwere und Chronizität der bipolaren Störung zeigte
sich in den Daten sehr deutlich.
Im Mittel wiesen Patienten mit
einer bipolaren Störung eine Erkrankungsdauer von 15 Jahren
auf, die signifikant über der der
anderen depressiven Erkrankungen lag. 39% aller Patienten mit
bipolarer Erkrankung hatten in
ihrem Leben bereits einen Suizidversuch unternommen, was signifikant über der Häufigkeit der
übrigen Erkrankungen lag. 50%
der bipolar erkrankten Patienten
wurden als schwer bis extrem
schwer krank von den Behandlern eingestuft (CGI). Entsprechend hoch lag die mittlere Be-
handlungsdauer bei 55 Tagen,
nur von Patienten mit einer
Dysthymia mit 56 Tagen übertroffen. Dass aber gerade diese
chronischen und schwer kranken
Patienten mit einer bipolaren
Störung von der stationären Behandlung profitierten, zeigte sich
an den Effektstärken. Die individuellen Effektstärken lagen im
Durchschnitt sowohl in der
Fremdbeurteilung (HAM-D) mit
2,2 als auch in der Selbstbeurteilung (BDI) mit 1,8 deutlich über
denen der übrigen depressiven
Erkrankungen.
Die Ergebnisse zeigen darüber
hinaus, dass die Kliniken signifikant hinsichtlich ihrer Prozessund Ergebnisqualität differieren,
was sich nur zu einem geringen
Teil durch Unterschiede in der
Patientenstruktur erklären lässt.
Diskussion
Im Rahmen des Modellprojektes wurde die stationäre, psy-
Drei Spannungsfelder: Die Situation
von bipolaren Patienten, ihren Angehörigen und Therapeuten
Priv.-Doz. Dr. Dipl.-Psych. Thomas Bock aus dem Universitäts-Klinikum für Psychiatrie und Psychotherapie in Hamburg über den Umgang mit bipolar Erkrankten, die Vorteile der Gruppentherapie und die Notwendigkeit, die Angehörigen mit in die Therapie einzubeziehen
V
or 15 Jahren startete in
Hamburg das erste „Psychoseseminar“, ein Trialog-Forum zur Begegnung von
Experten aus eigener Erfahrung
und solchen durch Ausbildung
und Beruf. Inzwischen gibt es im
deutschsprachigen Raum weit
über 100 solcher Foren – eine
breite und lebendige AntistigmaKampagne von unten. Vor zehn
Jahren erreichte die Entwicklung
mit dem ersten sozialpsychiatrischen Weltkongress auf deutschem Boden „Abschied von Babylon – Verständigung über
Grenzen“ internationales Niveau.
Der fachlich/wissenschaftliche Diskurs kann so nur gewinnen: Einbeziehung subjektiver
Perspektiven, frühzeitiges Ringen
um Akzeptanz, Korrektur von
ideologischen Sackgassen, Relativierung von allzu reduktionistischen Konzepten, kürzere Wege
von der Grundlagenforschung zur
Anwendung. Auch umgekehrt
profitieren
Erfahrene
und
Angehörige von der Teilhabe
am wissenschaftlichen Diskurs.
Günstigenfalls kann uns gemein-
sam Folgendes gelingen: Besinnung auf das Wesentliche für ein
besseres Verständnis bipolarer
Störungen und dabei auch das
dem Wesen des Menschen Entsprechende, sowie Entwicklung
von Achtung und Respekt im therapeutischen Handeln. Dem dient
auch die folgende Darstellung der
Spannungsfelder, dem alle Beteiligten bei bipolaren Störungen
ausgesetzt sind.
Zwischen Höhen und Tiefen –
Spannungsfeld der Patienten
Bipolare Patienten schwanken insbesondere hinsichtlich
Stimmungen und Energie zwischen Höhen und Tiefen. Immer
ein zu Viel – welche Anstrengung! Bipolare Menschen haben
in der Regel nicht zu wenig, sondern zu viel Normierung erfahren, haben sich oft zu un-hinterfragt die Maßstäbe anderer zu eigen gemacht, wollten es allen
recht machen, ohne das Fundament der Achtung eigener Bedürfnisse. So sehr uns der manische Patient auf der Akutstation
auch dazu verführt: Letztlich geht
es nicht darum, ihm „Manieren
beizubringen“, sondern mit ihm
zu suchen, wie Ungewöhnliches
im Alltag unterzubringen ist, anstatt es immer für die Manie aufzuheben. Maniker sprengen viele
Normen, doch ihre Unkonventionalität kann nicht befreiend wirken, denn in der Erkrankung
schlagen die eigenen Normen erbarmungslos zu. Eine Therapie
muss durch die Phasen begleiten,
braucht den Spiegel jeweils einer
Seite, braucht die Suche nach
dem auslösenden Konflikt – um
dann zu entdecken, dass längst
nicht jede Subdepression zur Depression, längst nicht jede Hypomanie zur Manie führen muss.
Der Spielraum ist größer als alle
Beteiligten bisher denken. Die Erkrankung ist phasisch, auch wenn
die Bewegung manchmal nicht
spürbar ist. Wie klein muss der
erste Schritt sein, um den Erfolg
unvermeidlich zu machen? Wie
lange kann ich steuern, ab wann
„geht die Post ab“?
Wenn Menschen im affektiven oder kognitiven Sinne psychotisch werden, handeln sie
nicht wie Wesen von einem
anderen Stern, sondern zutiefst
menschlich. Dies gilt es bei allen
Behandlungsversuchen im Auge
zu behalten, denn nur so ist der
Gefahr der Selbst-Stigmatisierung entgegenzuwirken. Gerade
bei einer Erkrankung, bei der die
Störung des Selbstwertgefühls
wesentlich ist, ist alles zu vermeiden, was zusätzlich kränkt.
Zwischen Nähe und Distanz –
Spannungsfeld der Angehörigen
Wenn Menschen hinsichtlich
Stimmung und Energie zwischen
Extremen schwanken, wenn sie
dabei ihr Wesen verändern und
auch, wenn sie in den Extremen
verdrängte eigene Seiten wiederentdecken, dann geht all das an
den nahen Angehörigen nicht
spurlos vorbei. Sie fühlen sich
mitgerissen, ausgeliefert und eingespannt. Sie strengen sich an,
um die Minderleistung des Depressiven auszugleichen, um ihn
trotz Rückzug emotional zu erreichen, um die Eskapaden der Manie auszubalancieren und den
3
chiatrisch-psychotherapeutische
Versorgung depressiver Patienten
anhand von Qualitätsindikatoren
abgebildet. Es ist gelungen, die
Prozess- und Ergebnisqualität der
stationären Behandlung systematisch zu erfassen und den Kliniken zurückzumelden. Als wichtigstes Ergebnis kann die hohe
therapeutische Ergebnisqualität
bei der Behandlung von so
schwer und chronisch erkrankten
Patienten mit einer bipolaren
Störung hervorgehoben werden.
Die klinikspezifischen Ergebnisse
zur Behandlungsqualität konnten
von den Kliniken sinnvoll genutzt
werden. Sie ermöglichen ein
gezieltes Qualitätsmanagement –
zum einen in Form von klinikinterner Qualitätssicherung, zum
anderen in Form von externen
Klinikvergleichen und Orientierung am „Model of best practice“.
Freitag, 10. September
Trialog und integrierte Versorgung:
Was braucht wer, um mit der Erkrankung zurecht zu kommen?
13.30 Uhr
wirklichen Schaden in Grenzen
zu halten. Allzu oft geraten sie
selbst ins Schwanken zwischen
Höhen und Tiefen. Vor allem
Partner, die mit einer solchen Erkrankung zurechtkommen müssen, erwecken manchmal nach
außen den Eindruck, als würden
sie wie Paternoster-Fahrstühle
aneinander vorbeirauschen, um
sich nur noch selten auf gleicher
emotionaler Ebene zu begegnen.
Die nahen Verwandten stehen
dabei vor allem vor folgender
Frage: Wie nah erlaubt das
kranke Familienmitglied mir
noch zu sein? Wie weit weg lasse
ich mich drängen? Wie viel Abstand brauche ich selber, um angesichts der Depression des anderen nicht selbst zu verzweifeln
und angesichts der Manie des anderen nicht unendlich gekränkt
zu werden? Wie viel Sicherheitsabstand brauchen meine Gefühle? Wie viel Distanz brauche
ich, um eine Liebe zu retten?
Zwischen Macht und Ohnmacht – Spannungsfeld der
Profis
Auch als erfahrener Therapeut kann ich mich der Rasanz
und Dramatik des Geschehens
manchmal kaum entziehen. In
der Depression versuche ich, Vertrauen in die therapeutischen
Möglichkeiten zu wecken, Hoffnung zu vermitteln und die Phasenhaftigkeit der Erkrankung ins
Bewusstsein zu rufen. In der Manie muss ich manchmal Grenzen
setzen, konfrontieren und unter
Umständen für den anderen, oder
sogar gegen seinen Willen han-
4
Highlights
Current congress
deln. Grundsätzlich ist Optimismus angebracht; denn mit unseren therapeutischen Möglichkeiten können viele Phasen verkürzt
oder sogar vermieden werden.
Dennoch wirken die Medikamente alleine keineswegs so
sicher, eindeutig und schnell, wie
es wünschenswert wäre, und
sind die psychotherapeutischen
Möglichkeiten noch nicht so ausgereift und erst recht im psychiatrischen Alltag noch nicht so
akzeptiert wie bei den unipolaren
Depressionen. Und so bleibt es
dabei, dass wir als Profis in einem
Spannungsfeld von Macht und
Ohnmacht landen. In der aktuellen Situation ist die Entscheidung für die Macht genauso
schwer wie das Aushalten der
Ohnmacht.
Bei der Behandlung bipolarer
Störungen darf der Therapeut
nicht unipolar sein, darf nicht mit
einem allzu engen Repertoire in
einer einseitigen Ideologie oder
ausschließenden
therapeutischen Schule eingesperrt sein,
sondern muss selbst Spielraum
haben zwischen verschiedenen
Techniken und Methoden, zwischen geduldigem Zuhören und
klarer Abgrenzung, zwischen der
Suche nach biografischem Verständnis und dem klaren Hinweis
auf die Mechanismen psychologischer, sozialer und biologischer
Eigendynamik. Als Therapeut
muss ich den Mut haben, Polaritäten aufrecht zu erhalten und
allzu schnelle harmonisierende
Regelungen im Intervall zu konterkarieren.
Mischung der Spannungsfelder – für alle
Natürlich ist die Aufteilung
der drei Ebenen idealtypisch. Die
drei Spannungsfelder betreffen
alle Beteiligten, jedoch mit unterschiedlicher Gewichtung. Auch
Angehörige werden mit eigenen
Höhen und Tiefen konfrontiert
und kennen das Gefühl von Ohnmacht und die Verlockungen der
Macht. Auch Patienten schwanken gegenüber ihren Angehörigen und abgemildert auch gegenüber Therapeuten zwischen
Anlehnungsbedürfnis und Entfremdung, müssen balancieren
zwischen Nähe und Distanz. Auch
Therapeuten schwanken unter
Umständen zwischen Erschöpfung und der Flucht nach vorn,
brauchen Abstand, um nicht verstrickt zu werden, und Nähe, um
Energien zu mobilisieren.
Besonderheit der bipolaren
Störung
Die Erkrankung ist phasenhaft,
d.h. die Störungen sind begrenzt,
aber wiederholbar, unterbrochen
von Zeiten unterschiedlich langer
Gesundheit und psychischer Stabilität. Es reicht nicht, die Phasen
schnellstmöglich zu beenden,
sondern es ist möglich, aus ihnen
zu lernen. Es ist nicht nur wichtig,
ob jemand nach der Depression
auftaucht oder nach der Manie
landet, sondern auch, wie er es tut,
welche Wahrnehmung verborgener Wünsche und/oder vergangener Kränkung er mitbringt und
wie die Suche nach eigenen inneren Werten und Maßstäben vor-
ankommt. Gerade weil die bipolare Störung wie auch jede andere
Depression vor allem eine Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls
bedeutet, ist jede weitere Kränkung zu vermeiden. Gerade deshalb sind Patienten und Angehörige als Dialogpartner ernst
zu nehmen. Gerade deshalb ist der
Blick auf die Ressourcen wichtig
und sind Situationen zu schaffen,
in denen sich der Patient nicht nur
als Empfänger von Ratschlägen,
Anordnungen oder Medikamenten begreift.
Konsequenzen für das
therapeutische Setting
Die Sozialpsychiatrische Ambulanz des Universitätsklinikums
Hamburg-Eppendorf ist eine der
ersten universitären Ambulanzen
gewesen, die ein spezifisches therapeutisches Programm für Patienten mit bipolaren Störungen
entwickelt und erprobt hat (Bock,
2004). Danach lassen sich drei
wichtige Bedingungen für die erfolgreiche therapeutische Arbeit
mit bipolaren Patienten formulieren.
Vorteile des Gruppensettings
Das gruppentherapeutische
Setting birgt für die allermeisten
Patienten besondere Chancen. In
der Gruppe begegnen sich die unterschiedlichen Phasen. Dadurch
wird eine Tendenz zur Mitte eingeleitet. Außerdem erweitert die
Gruppe therapeutische Möglichkeiten. Die Interventionen werden vielseitiger, weil Gruppenmitglieder und Therapeuten sich
ergänzen oder widersprechen
können, weil bestimmte Botschaften von „peer experts“ formuliert und entsprechend besser
angenommen werden können
und weil die Polarität der Erkrankung besser abgebildet und so
konstruktiv genutzt werden
kann. Im Unterschied zu anderen
Settings und zu rein edukativen
Programmen erleben die Patienten sich nicht nur als Objekte von
Interventionen oder Informationen, sondern als Experten in eigener Sache, deren Erfahrung von
wechselseitigem Nutzen ist.
Einbeziehung von
Angehörigen
Bipolare Patienten zu behandeln ohne ihre Angehörigen einzubeziehen, kommt einem Kunstfehler gleich. Gerade weil die Angehörigen zwangsläufig mitgeschleudert werden und weil die
familiäre Dynamik den Krankheitsverlauf günstig oder ungünstig beeinflussen kann, ist es notwendig, insbesondere die Familienmitglieder wahrzunehmen und
zu unterstützen, die mit dem Patienten unmittelbar zusammenleben. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass schon die Unterstützung
der Angehörigen alleine in entsprechenden therapeutisch geleiteten Gruppen den Krankheitsverlauf von ansonsten schwer erreichbaren Patienten günstig beeinflusst. Aber auch die Familiengespräche vor oder in akuten Krisen sowie die getrennte Beratung
und Unterstützung der Familie
sollten zum Repertoire gehören.
Strukturübergreifende
Kontinuität
Gerade weil die Erkrankung
phasisch verläuft, muss die Behandlung kontinuierlich sein. Gerade weil die Erkrankung in den
verschiedenen Phasen unterschiedlich behandelt werden
muss, muss die Kontinuität strukturübergreifend sein, also unabhängig vom ambulanten oder
auch teilstationären Behandlungsstatus sein. Auf diese Weise
ist es möglich, beispielsweise in
den therapeutischen Gruppen,
Patienten in akuten Stadien zu
erreichen, deren Abwehr anschließend wieder lückenlos
funktioniert. Notwendige stationäre Einweisungen sind so in
aller Regel rechtzeitiger und undramatischer einzuleiten und in
der Dauer deutlich abzukürzen. Es
ist möglich, die Patienten anders
kennen zu lernen und die akuten
Phasen nicht nur als Katastrophe,
sondern auch als Anstoß zu neuen
Erkenntnissen zu nutzen.
Literatur
Bock, Thomas: Achterbahn der Gefühle
– Leben mit Manie und Depression, Psychiatrieverlag 2004)
Arbeitsgemeinschaft der Psychoseseminare: Es ist normal verschieden zu sein –
Verständnis und Behandlung von Psychosen, Vertrieb über den Verfasser,
über die Bundesverbände der Psychiatrieerfahrenen und der Angehörigen
sowie die deutsche Gesellschaft für Sozialpsychiatrie, 2004).
Freitag, 10.September
Leben mit Manie
und Depression
10.00 Uhr
Ambulanter Zwang und Bevollmächtigung
der Angehörigen: Was bedeutet die
Novellierung des Betreuungsgesetzes?
Prof. Dr. med. Wolf Crefeld warnt vor den Folgen einer geplanten Änderung des Betreuungsrechts
I
nitiiert von den Justizministern der Länder berät der Deutsche Bundestag derzeit über
eine Änderung des Betreuungsrechts. Der Gesetzentwurf des
Bundesrats sieht unter anderem
vor, dass Angehörige künftig anstelle des betroffenen Patienten
selbst über dessen Behandlung
entscheiden.
Voraussetzung
dafür ist, dass ein Arzt den Patienten für „nicht handlungsfähig“ (nicht entscheidungsfähig)
erklärt. Ferner soll es mithilfe
eines Betreuers möglich werden,
einen Patienten gegen seinen
Willen zu einer ambulanten Behandlung zu bringen. Beide Vorschläge werden sehr kontrovers
diskutiert.
Eingriff in die Autonomie der
Patienten
Die Justizminister erhoffen
sich mit der von ihnen vorge-
schlagenen Angehörigenvertretungsmacht eine Minderung der
Zahl von Betreuerbestellungen.
Ehepartner, Eltern oder Kinder
sollen künftig kraft ärztlicher Erklärung den Patienten gegenüber
dessen Therapeuten für ihn verbindlich vertreten. Dagegen wenden sich unter anderem der Bundesverband der Psychiatrie-Erfahrenen und die Aktion Psychisch Kranke (siehe auch Psychosoziale
Umschau
Heft
3/2004). Es würde damit eine
Grauzone für Zwangsbehandlungen ohne rechtsstaatliche Kontrolle eingeführt werden. Auf jeden Fall würden psychisch
Kranke dies als „Entmündigung“,
als Eingriff in ihre Autonomie erleben. Ein Teil der Angehörigen
werde es nicht wagen, den
Behandlungsvorstellungen der
Ärzte zu widersprechen, zugleich
werde ihnen dann ein Konflikt
mit ihrem kranken Familienmitglied aufgeladen.
Die Regelung der „zwangsweisen Zuführung des Betreuten
zur ambulanten ärztlichen Heilbehandlung“ sehen ihre Befürworter als einen Fortschritt im Interesse psychiatrischer Patienten,
denen damit erneute stationäre
Behandlungen erspart würden.
Allerdings würde sich eine auf
diese Weise erzwungene Behandlung faktisch auf die Gabe
von Psychopharmaka reduzieren,
da eine therapeutisch wirksame
Kommunikation mit dem Patienten so wohl kaum zustande käme.
Soweit sich die Regelung als
kaum praktikabel erweisen
würde (soll z.B. der Betroffene
dann regelmäßig aus seiner Wohnung mithilfe der Polizei abgeholt werden?), diente sie wohl
eher der Erpressung gegenüber
behandlungsunwilligen Patien-
ten, einer Medikamentenbehandlung zuzustimmen.
Doch es geht hier neben dem
Konflikt zwischen der Autonomie
der Patienten und der Sorge um
sein Wohl auch um den Preis, dass
dieses angesichts einer psychischen Störung fremdbestimmt
wird.
Verlängerter Arm
der Psychiatrie
Welche Auswirkungen hätten
solche Regelungen auf den psychiatrischen Behandlungsalltag?
Würden in psychiatrischen Einrichtungen die Tendenzen zu einer
reduzierten Kommunikation mit
den Patienten damit weiter gefördert? Statt schwieriger Verhandlungen mit ihm über seine Krankheitssituation würde vielleicht
eine Art des Behandelns gefördert,
die sich über seine Krankheitserlebnisse und Ängste hinweg setzt.
Das in der sozialen Realität
recht diffuse Bild vom rechtlichen
Betreuer würde damit weiter
Schaden nehmen. Nach dem Gesetz soll er den Rechten, dem Willen und den Interessen des betreuten Menschen in seinem Aufgabenbereich Geltung verschaffen. Die vorgesehene Regelung
zur ambulanten Zwangsbehandlung würde ihn wieder mehr an
das aus dem alten Vormundschaftsrecht geläufige Bild vom
verlängerten Arm der Psychiatrie
heranrücken.
Samstag, 11.September
Forum 4: Bipolare Störungen Therapie zwischen Selbstverantwortung und Kontrolle
9.00 Uhr
Highlights
Current
Current congress
5
Nachrichten aus der Industrie
Neue Optionen für die Behandlung
therapieresistenter Depressionen
nahme der Lebensqualität bei Remittern.
In den beiden Postern wird
nicht auf den antidepressiven
Wirkmechanismus von Risperidon
eingegangen. Wie Bernhard (1997)
und Myers und Thase (2001) darlegen, könnte die antidepressiven
Wirksamkeit durch die sehr starke
Hemmung der serotonergen 5HT2- und 5-HT3-Rezeptoren bei
nur mäßiger Hemmung des 5HT1A-Rezeptors bestehen. Hier-
Literatur
Fazit
Diese Studien weisen auf das
Potenzial von Risperidon bei therapieresistenten Depressionspatienten hin, auch wenn Risperidon in
dieser Indikation in Deutschland
noch nicht zugelassen ist. Der Effekt zeigt sich sowohl in einer Re-
1. Rapaport MH, Canuso CM, Rouillon F,
et al. Treatment augmentation with risperidone for patients with resistant depression.
2. Walling D, Rupnow MFT, Canuso CM,
Gharabawi G, et al. Improvement in quality of life with risperidone augmentation in resistant depression.
Beide Poster wurden auf dem Jahrentreffen der American Psychiatric Association
in New York, 2004, präsentiert
!hcim gnaf
Zurück ins Leben
Julia F., 29, Patientin
mit bipolaren Störungen:
Durch die Therapie mit
Risperdal® kann sie in
ihren manischen Episoden
aufgefangen werden.
Manische
Episoden
NEU
Neue Studiendaten
Zwei auf der Jahrestagung der
American Psychiatric Association
(APA) präsentierte Poster stellen
den Effekt einer Risperidon-Augmentation auf die Depressionsschwere und die Lebensqualität
bei therapieresistenten depressiven Patienten dar. 489 therapieresistente Patienten (mindestens
eine, höchstens jedoch drei nicht
wirksame Antidepressiva-Vorbehandlungen), wurden offen für
weitere vier bis sechs Wochen mit
Citalopram (Zieldosis 60 mg/Tag
für Patienten bis 54 Jahre, 40
mg/Tag für ältere) behandelt, um
die Therapieresistenz zu sichern.
455 Patienten beendeten diesen
Studienabschnitt, hiervon erwiesen sich 97,5% (n=434) als weiterbestehende Non-Responder.
Von diesen wurden 386 dann
für vier bis sechs Wochen zusätzlich mit 1,0 bzw. 0,5 mg/Tag Risperidon im Sinne einer Augmentierung behandelt. Es zeigte sich ein
deutlicher Abfall auf der Montgomery-Åsberg-Depressionsskala
(MADRS) von etwa 26 auf zirka 14
(p<0,001). 68,1% der Patienten respondierten (MADRS-Reduktion >
50%), 59,1% der Patienten erreichten eine Remission (MADRS-Gesamtscore < 12). Der Abfall der Depressionswerte in der RisperidonAugmentationsphase war wesentlich ausgeprägter als in der vorangegangenen offenen CitalopramMonotherapiephase. Die Verträglichkeit in der Augmentierungsphase war ausgezeichnet, trockener Mund und Kopfschmerzen traten bei jeweils 12,9% der Patienten
als führende Nebenwirkung auf.
EPS-Nennungen waren unter der
Zugabe von Risperidon nicht häufiger als unter der Citalopram-Monotherapie.
In dieser Studie wurde der Erfassung der bei depressiven Patienten in der Regel erheblich verminderten Lebensqualität besondere Aufmerksamkeit geschenkt,
indem das Quality of Life Enjoyment und Statisfaction Questionnaire (Q-LES-Q) mehrfach er-
hoben wurde. Der Ausgangswert
des Q-LES-Q vor Beginn der Augmentierung mit Risperidon betrug
42,8 (Standardabweichung 14,6),
was einer erheblichen Beeinträchtigung entspricht, und besserte
sich bereits nach einer Woche Risperidon-Augmentation auf 51,7
(17,6), um am Ende der Studie einen Wert von 56,0 (18,7) zu erreichen, was dem Wert einer gesunden Probandengruppe entspricht.
Besonders ausgeprägt war die Zu-
duktion der Depressionswerte als
auch in einer raschen Verbesserung der Lebensqualität. Sollten
sich diese deutlichen Effekte in
doppelblinden Studien verifizieren
lassen, stände eine neue Augmentationsoption bei der Behandlung
der therapieresistenten Depression zur Verfügung.
www.risperdal.de
T
herapieresistente Depressionen sind ein Standardproblem bei der antidepressiven Pharmakotherapie. Hochdosierung, der Wechsel auf ein Antidepressivum einer anderen Klasse
oder die Kombination zweier Antidepressiva aus unterschiedlichen
Wirkklassen sind dann übliche
Strategien. Daneben können auch
Augmentationsstrategien angewandt werden. Hierunter wird die
Zugabe eines Nicht-Antidepressivums zu einer bestehenden Antidepressivum-Therapie verstanden.
Am besten etabliert ist dann die
Zugabe von Lithium, gefolgt von
T3, Buspiron und Pindolol.
durch wird die serotonerge Transmission an 5-HT1A-Rezeptor, der
bei Stimulation die antidepressive
Wirksamkeit vermittelt, relativ erhöht. Im Übrigen gibt es bei unterschiedlichen Indikationen antidepressive Wirkhinweise für Risperidon (in eher niedrigen Dosen,
siehe Übersichtsarbeit von Myers
und Thase, 2001).
bei manischen Episoden
RISPERDAL® Lösung 1 mg/ml; RISPERDAL® 1 mg/- 2 mg/- 3 mg/- 4 mg, Filmtabletten; RISPERDAL® Filmtabletten 0,5 mg; RISPERDAL® QUICKLET® 1 mg/- 2 mg, Schmelztabletten. Wirkstoff: Risperidon. Zusammensetz.: 1 ml Lösung enth. 1 mg Risperidon. 1 Filmtbl. RISPERDAL 0,5 mg/
- 1 mg/- 2 mg/- 3 mg/- 4 mg enth. 0,5 mg, 1 mg, 2 mg, 3 mg bzw. 4 mg Risperidon. 1 Schmelztabl. RISPERDAL QUICKLET 1 mg/- 2mg enth. 1 mg bzw. 2 mg Risperidon. Sonst. Bestandt.: RISPERDAL Lösung 1 mg/ml: Benzoesäure, Weinsäure, Natriumhydroxid, ger. Wasser. RISPERDAL
0,5 mg/- 1 mg/- 2 mg/- 3 mg/- 4 mg: Lactose-Monohydr., Maisstärke, Magnesiumstearat, Natriumdodecylsulfat, Propylenglyc., Hypromellose, mikrokristall. Cellulose, hochdisp. Siliciumdioxid; zusätzl. bei: RISPERDAL Filmtabletten 0,5 mg: E171, E172, Talkum; RISPERDAL 2 mg: E171,
E110, Talkum; RISPERDAL 3 mg: E171, E104, Talkum; RISPERDAL 4 mg: E171, E104, E132, Talkum. RISPERDAL QUICKLET 1 mg/- 2 mg: Polacrilex Harz (Methacrylsäure-Polymer mit Divinylbenzen), Gelatine, Mannitol, Glycin, Simeticon, Carbomere, Natriumhydroxid, Aspartam, E172,
Pfefferminzöl. Anw.geb.: RISPERDAL 1 mg/- 2 mg/- 3 mg/- 4 mg, Filmtabletten/- QUICKLET 1 mg/- 2 mg/- Lösung 1 mg/ml: Chron. schizophrene Psychosen einschl. Exazerbationen; auch für d. Erhaltungstherapie zur Rezidivprophylaxe v. stabil eingestellten Patienten. Mäßig schwere bis
schwere manische Episoden im Rahmen bipolarer Störungen. Es wurde nicht gezeigt, dass Risperidon e. erneutes Auftreten v. manischen od. depressiven Episoden verhindert. RISPERDAL Filmtabletten 0,5 mg/- 1 mg, - QUICKLET 1 mg/- Lösung 1 mg/ml: Schwere chron. Aggressivität,
durch die sich d. Pat. selbst u. andere gefährden od. psychot. Symptome b. Demenz, durch die d. Pat. erhebl. beeinträcht. werden. Verhaltensstörg. in Form v. Impulssteuerungsstörg. m. selbst-/fremdaggressivem od. bhdlgs.bedürftigem störenden Verhalten b. Intelligenzminderung
od. Intelligenz im unteren Normbereich. Gegenanz.: Überempfindl. gg. Wirkst. od. sonst. Bestandt.; besteh., nicht durch Arzneim. bed. Hyperprolaktinämie; Kinder unter 5 Jahren. Stillzeit. Vorsicht bei: Leber- u. Niereninsuff.; vorbest. Parkinson-Krankheit; Lewy-Body-Demenz; anamn.
bek. Epilepsie; Prolaktin-abh. (z.B. Prolaktinom d. Hypophyse) u. möglicherw. Prolaktin-abh. Tumoren (z.B. Mamma-Ca); pathol. Blutbildveränd.; bek. schwere Herz-Kreisl.-Erkr. (angebor. langes QT-Syndr., Bradykardie, Herzinsuff., Myokardinfarkt, Reizleit.störg., Dehydrierung,
Hypovolämie od. zerebrovask. Erkr.); Elektrolytstörg.; Kombin. m. QT-Intervall-verlängernden Arzneimitteln; Demenzpat. m. Bluthochdruck, kardiovask. Erkr., Pat. m. vaskulärer Demenz; b. ält. Pat. Nutzen u. Risiken d. Verschreib., insbes. b. prädispon. Faktoren f. einen Insult, individ.
sorgf. abwägen (die Pat. in regelmäß. Abständen untersuchen, ob weiterhin eine Bhdlgs.bedürftigkeit besteht); Schwangerschaft. Nebenwirk.: D. Nebenwirk. werden nach Organklassen u. Häufigkeiten (häufig: ≥ 1 % bis < 10 %; gelegentl.: ≥ 0,1 % bis < 1 %; selten: ≥ 0,01 % bis < 0,1 %;
sehr selten: < 0,01 %, inkl. Einzelfälle) gegliedert. Nervensyst. u. Psyche: häufig: Kopfschm., Schlaflosigk., Agitat., Angstzust., Sedierung (b. Kdrn. u. Jugendl. häufiger berichtet, als b. Erw.); gelegentl.: EPS (Tremor, Rigidität, Hypersalivation, Bradykinesie, akute Dystonie). B. Pat. m.
akuter Manie traten in klin. Stud. sehr häufig EPS auf. Selten: Somnolenz, Benommenh., Konzentr.störg.; sehr selten: tard. Dyskin., malig. neurolept. Syndr. m. Fieber, Muskelrigid., autonom. Instabilität, Bewusstseinstrüb., erhöht. CK-Werten, Hypothermie; Krampfanfall, Panikreakt..
Sinnesorg.: selten: Sehstörg.. Atemwege: selten: Rhinitis. Herz-Kreislauf-Syst.: gelegentl.: orthostat. Dysregulat., erhöh. Blutdruck. Gastrointest.trakt: selten: Obstipat., Dyspepsie, Übelk./Erbr., Bauchschm.. Urogenitaltrakt: selten: Priapismus, erekt. Dysfunkt., Ejakulat.störg., Störg.
d. Orgasm., Harninkont.. Endokrin. Syst.: Erhöhung d. Prolaktinspiegel (dosisabh.); gelegentl.: Amenorrhö, Galaktorrhö; selten: Gynäkomastie. Muskulatur u. Beweg.app.: sehr selten: Muskelschwäche. Haut: selten: Hautausschl. u. and. allerg. Reakt.; sehr selten: Pruritus, Exanth.,
Photosensitiv.. Stoffw. u. Elektrolyte: sehr selten: Hyperglykämie u. Exazerbat. e. vorbesteh. Diab. mell., Störg. d. Wasserhaush. (b. schizophr. Pat., durch übermäß. Flüssigk.aufn. od. d. Syndr. d. inadäqu. Sekret. v. antidiuret. Hormon [SIADH]). Blut- u. Lymphsyst.: sehr selten: Leukopenie, Thrombozytopenie. Sonstiges: selten: Schwäche; sehr selten: Regulat.störg. d. Körpertemp.. Ferner wurden
Gewichtszunahme, Ödembildg. u. Erhöh. d. Leberwerte beob.. Unter d. Bhdlg. wurde üb. zerebrovask. Ereign. einschl. Insult (auch mit Todesfolge) u. transitor. ischäm. Attacken (TIA) berichtet.Risperdal
Lösung 1 mg/ml: Aufgr. d. Gehaltes an Benzoesäure können b. entspr. veranlagt. Pat. Überempfindlichkeitsreakt. in Form v. Reizungen an Haut, Augen u. Schleimhäuten auftreten. RISPERDAL 2 mg,
Filmtabl.: Gelborange S kann allerg. Reakt. auslösen. RISPERDAL QUICKLET 1 mg/- 2 mg: Phenylalanin-Quelle. Stand d. Inform.: 03/04. Verschreibungspflichtig. JANSSEN-CILAG GmbH, Neuss.
6
Highlights
Current congress
höhen die Behandlungszufriedenheit, verlängern die rezidivfreien Zeiten, verkürzen den stationären Aufenthalt und verbesssern somit die Lebensqualität der
Betroffenen und ihrer Angehörigen. Strukturierte psychologische
Interventionen sind daher sehr
wichtig, um die Behandlung bipolarer Erkrankungen zu optimieren.
Bedeutung psychologischer
Therapieansätze in der Behandlung bipolarer Störungen
Dr. Annette Schaub und Dr. Britta Bernhard aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München betonen
den Wert der Kombination kognitiv-psychoedukativer Interventionen mit der Psychopharmakotherapie
Literatur
T
rotz Fortschritten in der
Pharmakotherapie besteht
dringender Bedarf, die Behandlung bei bipolaren Störungen weiterhin zu optimieren:
Probleme der Betroffenen in der
Krankheits- und Lebensbewältigung, mangelnde Compliance als
häufiger Grund für Rezidive, medikamentös weniger beeinflussbare soziale Defizite sowie der
familiäre Interaktionsstil (HEE).
Psychoedukativer Therapieansatz
In den letzten zehn Jahren
haben daher kognitiv-psychoedukative Interventionen in Kombinination mit Psychopharmako-
therapie an Bedeutung gewonnen, da ihre Wirksamkeit eindrücklich belegt wurde. Der psychoedukative Ansatz von Colom
und Mitarbeitern (2003) zeigte in
einer kontrolliert randomisierten
Studie mit 120 Patienten eine
erhebliche Überlegenheit der
strukturierten psychoedukativen
gegenüber einer unstrukturierten
Gruppenintervention während
der Behandlungsphase (Rückfallrate: 38 vs. 60%) und in der
Zwei-Jahres-Katamnese (67 vs.
92%). Ein von uns entwickeltes
Manual für Betroffene und ihre
Angehörigen (Schaub et al. 2004)
greift die Behandlungselemente
auf, deren Effizienz bereits in
Therapiestudien bestätigt wurden:
Psychoedukation über die Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten zur Förderung eines funktionalen Krankheitsmodells, anhand dessen der Betroffene seine Einflussmöglichkeiten
erkennen und mit der pharmakologischen Behandlung kooperieren kann; das Erkennen und der
angemessene Umgang mit Frühwarnsignalen zur Rezidivprophylaxe; das Einüben von Strategien
(wie Aktivitätenaufbau und kognitive Umstrukturierung), um die
für die bipolare Störung typischen Symptome besser bewältigen zu können; Sensibilisierung
Erfahrungen mit der
Familientherapie bei manischdepressiven und schwer
depressiven Erkrankungen
Günter Reich vom Zentrum für soziale Medizin der Kliniken der Universität in Göttingen und Prof. Dr. Manfred Cierpka
aus der Psychosomatischen Klinik der Universität Heidelberg betonen, dass man zwar von einer multikausalen Verursachung ausgehen muss, dass sich aber in Familien manisch-depressiver Patienten immer wieder typische Muster zeigen
W
ie alle seelischen Erkrankungen entstehen
auch manisch-depressive und depressive Störungen im
Kontext von Familien- und Paarbeziehungen und wirken auf
diese zurück. In den letzten Jahren sind beziehungsdynamische
Ansätze zugunsten eines biologischen Verständnisses dieser Erkrankungen in den Hintergrund
getreten. Paar- und familientherapeutischen
Interventionen
wird zumeist lediglich auf der
Ebene der Psychoedukation ein
Platz zugewiesen.
Typische Muster
Auch wenn man von einer
multikausalen Verursachung dieser Erkrankungen ausgehen muss
und es – ähnlich wie bei den hier
gefundenen
pathophysiologischen Prozessen – keine Spezifität bestimmter familiendynamischer und paardynamischer
Merkmale gibt, so finden sich
doch immer wieder typische
Muster in Familien manischdepressiver und schwer depressiver Patienten. Diese kann man als
„depressive Konstellation“ (Reiter
1990) bzw. als „manisch-depressive Konstellation“ (Massing und
Reich 2000) beschreiben.
Familiendynamische Hypothesen zur Entstehung dieser Erkrankungen beschreiben ein familiäres „symbiotisches Überlebensmuster“ mit einem auf den
Erfolg bezogenen „Double-bind“
für die späteren Patienten, die einerseits erfolgreich sein müssen,
um das narzisstische Gleichgewicht mindestens eines Elternteils zu regulieren, andererseits
eng an die Ursprungsfamilie gebunden bleiben sollen. Dabei
spielen Störungen der interpersonellen Grenzen in den Beziehungen über mehrere Generationen
eine Rolle. Dichotome Muster von
„Schwäche“ und „Stärke“, von
chaotischer Unordentlichkeit und
zwanghafter Ordentlichkeit stehen nebeneinander in einer „restriktiven
Komplementarität“
(Stierlin et al. 1986).
für einen ausgeglichenen Lebensrhythmus durch das Erkennen
von Belastungsfaktoren und von
Möglichkeiten, diese zu reduzieren und die Belastbarkeit zu steigern; die Mitarbeit der Angehörigen, denen Gelegenheit zu entlastenden Gesprächen und einem
vertieften Krankheitsverständnis
gegeben wird.
Sinnvolle Ergänzung der Pharmakotherapie
Folgendes Fazit kann gezogen
werden: Psychoedukation und
kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen sind eine
sinnvolle Ergänzung zur Pharmakotherapie. Diese Ansätze er-
Auslöser oft Trennungs- und
Verlusterfahrungen
Aus mehrgenerationaler Perspektive erscheint als der wesentliche Konflikt häufig ein Traditionskonflikt (Massing et al. 1999).
Aufgrund eines tatsächlich stattgefundenen oder erlebten Verlustes ist in den Familien das Bestreben stark, Ansehen und Prestige zu gewinnen. Vorstellungen
von Grandiosität und gleichzeitig
von Verlust und Niederlage beherrschen die Familienphantasien. Außerhalb der manischen
bzw. depressiven Phasen erscheint die Familie als schablonenhaft normal. Als auslösende
Situationen werden häufig Trennungs- oder Verlusterfahrungen
beschrieben, die den brüchigen
Zusammenhalt der Familie und
damit die brüchige Ich-Struktur
des Patienten gefährden. Hierzu
gehören auch Veränderungen, die
– von außen betrachtet – positiv
erscheinen, z.B. Abschlüsse von
Ausbildungen oder beruflicher
Aufstieg. Hier kommen Angst vor
Neid und Entwertung sowie
Schuldgefühle zum Tragen, die
durch Realitätsverleugnung bis
hin zum Realitätsverlust abgewehrt werden müssen.
Ein Beispiel
Die Behandlung einer Familie
bzw. eines Paares mit einem manisch-depressiven Index-Patienten soll anhand eines Fallbeispiels
skizziert werden. Der Patient war
vor 33 Jahren erstmals nach dem
Tod seines Vaters an einer schweren Manie erkrankt. Es folgten
eine Reihe von stationären Behandlungen und nach zirka acht
Jahren eine Lithiumtherapie sowie in den 70er Jahren eine fünfjährige Familientherapie unter
Einbeziehung seiner Ursprungsfa-
1. Colom F, Vieta E, Martinez-Aran A,
Reinares M, Goikolea JM, Benabarre A,
Torrent C, Conmes M, Corbella B, Parramon G & Corominas J (2003): A randomized trial on the efficacy of group psychoeducation in the prophylaxis of recurrences in bipolar patients whose disease is in remission. Archives of General
Psychiatry, 60, 402-407.
2. Schaub A, Bernhard B, Gauck L (2004):
Kognitiv-psychoedukative Therapie bei
bipolaren Erkrankungen. Verhaltenstherapeutische Konzepte, Behandlungsanleitung und Materialien für Betroffene
und Angehörige. Göttingen: Hogrefe.
Freitag, 10. September
Forum 1: Zwischen Macht und
Ohnmacht – State of the Art
13.30 Uhr
milie. Er nahm weiterhin Lithium
ein, woraufhin sich zehn Jahre vor
der erneuten Aufnahme der Therapie ein inkompletter trifaszikulärer Block am Herzen entwickelte. Die Implantation eines
Herzschrittmachers oder das Absetzen des Lithiums mit eventuell
erneuter Gefahr einer manischdepressiven
Dekompensation
standen zur Diskussion. In der
daraufhin begonnenen, über zwei
Jahre dauernden Paartherapie
entschied sich der Patient zum
Absetzen des Lithiums. Zudem
wurden in dieser Zeit die Paardynamik und die depressive Problematik der Ehefrau, die sich unter
anderem in einer Sexualstörung
äußerte, bearbeitet. Hierbei spielten in der familiären Dynamik der
Ehefrau ebenfalls eine fusionäre
Beziehung zur Mutter, ein brüchiges Selbstgefühl sowie schwere
Schuldgefühle aufgrund der Trennung aus der Familie eine bedeutende Rolle. Mit der Bearbeitung
dieser Dynamik stabilisierten sich
das Paarsystem und auch der Index-Patient.
Literatur
1. Cierpka M, Reich G, Massing A. (2001):
Phasen einer Mehrgenerationen-Familientherapie bei einer manisch depressiven Psychose. Psyche 55: 1193-1216.
2. Massing A., Reich G. (2000): Familienund Paartherapie bei Depressionen. In:
N. Hoffmann, H. Schauenburg (Hg.):
Psychotherapie der depressiven Störungen. Stuttgart (Thieme), 95-106.
3. Massing A., Reich G., Sperling E.
(1999): Die Mehrgenerationen-Familientherapie. Göttingen (Vandenhoeck &
Ruprecht) 3. Aufl.
Freitag, 10. September
Forum 3: Zwischen Nähe und
Distanz – was können Angehörige aushalten, was können
sie lernen?
13.30 Uhr
Highlights
Current congress
7
Rahmenbedingungen für
emotionale Stabilität: Arbeit,
Beziehung, Stigma
Michael Tillmann, 40 Jahre alt, zwei Kinder, getrennt lebend, seit elf Jahren manisch-depressiv, drei Jahre intensive therapeutische Behandlung, etwa 21 Monate Behandlungen in einer
Psychiatrie erlebt, nach 2,5 Jahren Auszeit, den Versuch ins Arbeitsleben zurück zu finden,
Konstrukteur, Projektleiter und technischer Betriebswirt, ein kreativer Mensch
S
eit ich 30 Jahre alt geworden
bin, habe ich wohl das manisch-depressive in mir und
Anfang 2001 hatte ich meinen
ersten Aufenthalt in der Psychiatrie. Nichts ging mehr und ich sah
nur noch den Ausweg im Suizid.
Dies ist nun drei Jahre her, dass
ich einen konkreten Selbstmordversuch hinter mir habe, den ich
überlebte, und heute bin ich wesentlich stabiler, als dies vor drei
Jahren der Fall gewesen ist. Was
ist geschehen, was sind die Rahmenbedingungen für emotionale
Stabilität?
Eines ist gewiss, jede Krankheitsgeschichte ist individuell
und jeder hat seine „Rahmenbedingungen“, die zur Krankheit
führten und ebenso zur Stabilität
beitragen können. Meine Art mit
der Krankheit umzugehen, kann
man auf meiner Homepage
www.herztilly.de nachlesen und
sich ein Bild verschaffen, wie ich
persönlich zur Stabilität finde –
ein langer Prozess.
•
•
•
•
•
Grundvoraussetzung für
meine emotionale Stabilität
Dass meine Krankheit von
den Ärzten, Psychologen,
Neurologen usw. nicht nur auf
eine „Stoffwechselerscheinung im Hirn“ reduziert wird,
sondern meine Absurditäten
ganzheitlich betrachtet werden. Dass ich als Patient mit
meiner
Lebensgeschichte
ernst genommen werde.
Die Kombination aus der Prophylaxe mit Medikamenten
und Gesprächs-Gruppentherapie (in der ich meine Gefühle hinterfragen kann).
Selber etwas für den Gesundungsprozess tun zu können,
Hilfe zur Selbsthilfe erfahren.
Mich selber einschätzen und
ein Feedback erhalten und die
Abweichungen professionell
im vertrauensvollen Umgang
miteinander herausarbeiten
und Lösungsstrategien entwickeln.
Dass ich mein Verhaltensmuster ändere (Ergebnisse
aus der Therapie umsetze),
ein langwieriger Prozess. Die
Krankheit zu verstehen und
angemessen danach lebe (auf
Symptome achte).
Rahmenbedingungen für
emotionale Stabilität im
Bereich Arbeit
Erst seit ich in einem BerufsTrainings-Zentrum (BTZ Dortmund) an einer REHA-Maß-
nahme teilnehme und speziell
auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben vorbereitet werde, bin
ich in der Lage, auch emotional
stabil auf der Arbeit zu sein.
Frühere Wiedereingliederungsmaßnahmen (Hamburger Modell) sind gescheitert.
Für mich waren folgende Gesichtspunkte sehr wichtig:
Den Zusammenhang zwischen
Erkrankung und Arbeit (ZERA)
transparent darzustellen, genauer
hinzuschauen, was mich in der
Vergangenheit in die Manie und in
die Depression gestürzt hat.
Im Sozialtraining mit Rollenspielen bestimmte Konfliktsituationen darzustellen und gemeinsam in der Gruppe die damit
erfahrenden Gefühle und Stimmungen zu analysieren. Verhaltensmuster offen zu legen und
Lösungswege aufzeichnen. Konflikte anzusprechen und neue
Wege zu finden, diese zu lösen
ohne nachhaltige Verletzungen
hinzunehmen. Genau zu analysieren, was man tatsächlich noch
im Stande ist zu leisten und den
Mut zu bekommen, auch nach
Jobs Ausschau zu halten, die seinen Talenten und Neigungen entsprechen. Grenzen zu setzen, lernen, auch mal nein zu sagen, um
sich nicht zu überfordern. Der offene Umgang mit meiner Krankheit auch im Berufsleben, dazu
gehört aber auch eine neutrale
Aufklärung des Arbeitgebers, die
durch das BTZ Dortmund erfolgte.
Ein aufgeschlossenes und modernes Unternehmen, das den
Mut hat, einen Arbeitsplatz nach
den Anforderungen des seelisch
kranken Menschen zu gestalten
(flexible Arbeitszeit, Freiraum für
Ruhephasen, flache Organisation,
offene Konfliktbewältigung ohne
Restriktionen).
Rahmenbedingungen für
emotionale Stabilität im
Bereich Beziehungen
Die Beziehungsproblematik
ist mein Kernbereich, der Auslöser für ein Wechselbad der Gefühle. Die Kernfrage hierbei ist,
wie ich zu meiner eigenen Person
stehe. Bei der Achterbahnfahrt
der Gefühle habe ich mich selbst
verloren und hatte keine gesunde
Einstellung mehr zu mir selbst.
Menschen, die sich selbst hassen
sind schlechte „Vertragspartner“
im Beziehungsgeflecht der Gefühle. Nach dem totalen Zusammenbruch musste ich neu aufgebaut werden und vieles neu da-
zulernen. Es gibt nicht viele Partner, Freunde und Bekannte, die
dieses Wechselbad der Gefühle
ertragen können, und selbst Familienangehörige sind schlichtweg überfordert. Was folgt, ist die
Vereinsamung und die damit verbundene Ohnmacht, sich selber
ausgeliefert zu sein. Die Krankheit wirkt wie ein „Gefühlsverstärker“, und es sind die Verletzungen, meist unterschwellig, die
instabil wirken. Was also sind die
Rahmenbedingungen für emotionale Stabilität im Bereich der Beziehungen, eine schwierige Frage.
Ich musste meine Krankheit
verstehen lernen, Schuldkomplexe mussten abgebaut werden,
und ich musste den Mechanismus verstehen, wie ich in Beziehungen „funktioniere“, welche
Gefühle wann auftreten. Meine
engsten Freunde, Familienmitglieder und nahe stehende Bekanntschaften mussten verstehen, dass mein Verhalten durch
die Krankheit stark beeinflusst
wird und so manche Aktion keine
Charakterschwäche ist, sondern
eben „krank“ ist. Ich musste lernen, mir selbst zu verzeihen.
Beziehungen hinterfragen,
welche tut mir gut und welches
Beziehungsgeflecht schadet mir,
um dementsprechend mich auch
von Bezugspersonen trennen. Erfahrungsaustausch mit gleichermaßen Betroffenen führen und
Freunde finden, die mich justieren, meine teilweise verzerrte
Wahrnehmung in die rechten
Bahnen lenken.
Ich benötige Bezugspersonen
im privaten und beruflichen Umfeld, die mich verstehen und achten. Diese Bezugspersonen sind
meine „Versicherung“ für emotionale Stabilität. Mein Regelsystem hat eine große Bandbreite,
größer als bei „Normalos“, und
diese Bezugspersonen wirken
wie ein Steuerungsorgan, das verhindert, dass mein Gefühlssystem außer Kontrolle gerät. Was so
einfach klingt, muss erst einmal
begriffen werden, und noch
schwieriger ist die Umsetzung.
Stigma
Ein Stigma oder ein „Schandmal“ ist definiert als Merkmal,
das eine Person von anderen unterscheidet, negativ bewertet
wird und zur Ausgrenzung führt,
wie z.B. Sprache, Aussehen, Hautfarbe, körperliche und seelische
Beeinträchtigung.
Ja, als manisch depressiver
Mensch habe ich ein Stigma, des-
sen muss ich mir bewusst sein.
Ich unterscheide mich von der
Gemeinschaft. Ich „ticke“ eben
etwas anders. Dennoch liegt hier
eine ganz besondere Gefahr, und
dieses Stigma erschwert uns nur
allzu oft das Leben und die Wiedereingliederung. Am schlimmsten ist es, wenn dies im Verborgenen geschieht (Mobbing) und
Menschen sich von einem abwenden. Dies hat immer mit Verletzungen zu tun, und die emotionale Stabilität ist gefährdet.
Ungerechtigkeiten sind an der Tagesordnung, und wir stellen fest,
dass dies sehr oft geschieht. Ärzte
tun es oft sehr unbewusst, Behörden machen es täglich, und selbst
Freunde können sich davon nicht
lossagen.
Stigmatisierung
Als Stigmatisierung bezeichnet man die Zuschreibung negativer Eigenschaften, die zur Diskriminierung führt. Betroffen sind in
der Regel Randgruppen, die gemeinsame Merkmale haben, die
sie von anderen Gesellschaftsmitgliedern unterscheiden (Etikettierung, Labeling).
Ist es nicht ein Dilemma für
Betroffene? Da werden wir im
ICD-Code stigmatisiert, Medikamente werden verordnet, und die
Gemeinschaft denkt, jetzt ist ja
genügend getan worden. Nun gilt
man als Kostenfaktor in der Gesellschaft, und Kosten müssen ja
bekanntlich reduziert werden.
Das Menschliche kommt dabei
oftmals zu kurz, und es wird gerade das eingespart, was uns am
ehesten hilft. Aufklärung, Verständnis und Fürsorge. Eine gute
therapeutische Begleitung ist nur
sehr schwer zu bekommen, und
alternativen Konzepten begegnen
die Kostenträger eben sehr defensiv. Freunde ziehen sich zurück,
und bei der Arbeit hat man immer mit der Rechtfertigung zu
kämpfen, als seelisch Kranker
doch etwas leisten zu können.
Stigmatisierung erleben wir
täglich, oft ist es uns auch gar
nicht bewusst und erst spät, dann
nämlich, wenn das Kind in den
Brunnen gefallen ist, hat der Tatbestand einen Namen. Es wird
Zeit, dass gegen diese Stigmatisierung öffentlich angegangen
wird und den Menschen bewusst
wird, was sie damit anrichten.
Vorurteile müssen abgebaut werden, und da hilft eben nur die
Aufklärung. Wir Betroffene haben
dazu nicht immer die Kraft, dafür
müssen sich Institutionen stark
mache.
Freitag, 10. September
Forum 2: Zwischen Höhen und
Tiefen: Was geht in Selbsthilfe,
was nicht?
13.30 Uhr
Impressum
Redaktion (V.i.S.d.P.):
Günther Buck
Redaktion:
Günther Buck,
Tel. 07 11/89 31-9 55
Herstellung & Layout:
Karl-Heinz Zobel
Druck:
Kohlhammer, Stuttgart
Verlag:
Karl Demeter Verlag
im Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14
70469 Stuttgart
8
Highlights
Current congress
Nachrichten aus der Industrie
Bipolare Patienten mit
gemischten Episoden profitieren
von Olanzapin
Effektive Phasenprophylaxe unabhängig von der Indexepisode
B
ipolare Patienten mit gemischten Episoden haben
insgesamt eine schlechtere
Prognose als Patienten mit vorherrschend manischen oder depressiven Episoden. Auf der diesjährigen Jahrestagung der American Psychiatric Association (APA)
in New York wurden viel versprechende Daten einer Langzeitstudie vorgestellt, die – unabhängig
Prozent der Patienten
davon, ob die Indexepisode manisch oder gemischt ist – für Patienten mit gemischten Episoden
eine effektive antimanische und
phasenprophylaktische Wirkung
einer Monotherapie mit Olanzapin zeigen. Damit erfüllt Olanzapin eine wichtige Anforderung,
um auch diesen Patienten wieder
Hoffnung und Perspektive zu
geben.
Gemischte
Episoden stellen
Abb. 1 Auftreten einer neuen manischen
nach den Ergeboder gemischten bipolaren
nissen verschieEpisode
dener epidemio100
logischer Unter90
p < 0,001 Olanzapin Plazebo suchungen die
n = 45
80
häufigste
Verp < 0,001
70
laufsform bipolan = 88
60
rer Erkrankunn = 76
50
gen dar, erläun = 144
40
terte Prof. Ste30
phan
Heckers,
20
Boston. Ihre Prä10
valenz beträgt im
0
Mittel etwa 31%.
gemischte Episode manische Episode
Das Ersterkrankungsalter der
zwölfmonatige Therapie mit Olanzapin oder Plabetroffenen Pazebo (Tohen et al., APA 2004)
tienten und die
Episodenlänge
unterscheiden
sich jedoch nicht von denen anderer Verlaufsformen. Patienten
mit gemischten Episoden respondieren insbesondere auf Lithium
deutlich schlechter als manische
Patienten, auch ist die Dauer bis
zu einer deutlichen symptomatischen Besserung oder Remission
länger als bei vorherrschend manischen oder depressiven Episoden. Gleichzeitig müssen diese
Patienten deutlich schneller mit
dem Auftreten einer neuen Episode rechnen.
Olanzapin: beste Datenlage
für gemischte Episoden
Eine reine Manie ist eher selten, denn auch bei den meisten
Patienten mit einer vorherrschend manischen Episode finden sich leichte depressive Symptome, erläuterte Heckers. Umso
erstaunlicher ist es für ihn, dass
die Datenbasis für die Wirksamkeit bei Patienten mit gemischten
Episoden deutlich schlechter ist
als für Patienten mit vorherrschend manischen oder depressiven Episoden. Olanzapin ist der-
zeit das international am besten
untersuchte Antimanikum und
Phasenprophylaktikum, und auch
für gemischte Episoden besitzt es
die beste Datenlage unter allen
modernen Neuroleptika, die derzeit zur Therapie bipolarer Patienten untersucht werden.
Ob die Art der Indexepisode
das langfristige Therapieergebnis
beeinflusst, fragten sich vor
kurzem Tohen und Mitarbeiter. In
einer Post-Hoc-Analyse einer
großen prospektiven, randomisierten doppelblinden Langzeitstudie über zwölf Monate werteten sie die Daten von 351 bipolaren Patienten (im Durchschnitt
etwa 40 Jahre, 61% Frauen) mit einer gemischten oder manischen
Indexepisode aus, die mit Olanzapin (gemischte Indexepisode: n =
76; manische Indexepisode: n =
144) oder Plazebo (gemischte Indexepisode: n = 45; manische Indexepisode: n = 88) behandelt
wurden. Als Remission wurde
Symptomfreiheit (YMRS ≤ 12;
HAM-D-21 ≤ 8) über mindestens
zwei Wochen festgesetzt. Gemessen wurde das Auftreten neuer
Episoden (YMRS ≥ 15 oder HAMD-21 ≥ 15 oder Hospitalisierung
wegen einer akuten Episode) insgesamt sowie die Zeit bis zu einer
neuen Episode.
der Therapie mit Olanzapin gegenüber der Plazebo-Gruppe signifikant weniger neue Episoden
auf (Olanzapin: 59,2%; Plazebo:
91,1%; p < 0,001). Gleichzeitig
dauerte es unter Olanzapin insgesamt signifikant länger bis zu einer neuen Episode (p < 0,001)
(Abb. 1).
Auch bei Patienten mit einer
manischen Indexepisode war
Olanzapin signifikant überlegen
(Olanzapin: 39,6% Plazebo:
73,9%; p < 0,001). Dabei war die
Dauer bis zu einer neuen Episode
insgesamt (p < 0,002) oder einer
neuen
manischen
Episode
(p ≤ 0,001) signifikant länger.
Die Daten zeigen, dass Olanzapin die therapeutische Allianz
zwischen Arzt und Patienten mit
gemischten Episoden unabhängig
von der Indexperiode stärkt. Prof.
Paul Keck, Cincinnati, erklärt
diese viel versprechenden Ergebnisse auch mit der Beeinflussung
der Psychopathologie durch
Olanzapin von beiden Seiten der
Stimmungspole. Dies entspricht
der Forderung an einen Stimmungsstabilisierer, dass eine
Symptombesserung nicht mit einer erhöhten Switch-Rate oder
einer Verschlechterung der Stimmung am entgegengesetzten
Stimmungspol verbunden sein
darf.
Signifikant weniger neue
Episoden, signifikant längere
Dauer bis zur neuen Episode
Bei Patienten mit einer gemischten Episode traten während
Dr. Alexander Kretzschmar
Bipolare Störungen
als lebenslanges Schicksal
Prof. Dr. Jules Angst und Dr. Alex Gamma aus der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich betonen, dass die Diagnose
„bipolare Störung“ auch heute noch viel zu spät gestellt wird und weisen darauf hin, dass sie ein lebenslanges Problem
ist – das aber therapiert werden kann
J
eder Mensch erlebt Stimmungsschwankungen, in denen er sich besser oder
schlechter fühlt. Rasche und
starke Schwankungen sind besonders für Kinder charakteristisch. Wenn die Stimmungsschwankungen in die Adoleszenz
oder ins Erwachsenenalter anhalten oder gar zunehmen und für
den Betroffenen oder seine Umgebung ein abnormes Ausmaß
mit subjektivem Leiden oder sozialen Konsequenzen annehmen,
spricht man von bipolaren
Störungen.
In etwa der Hälfte der Fälle beginnt die Störung schon vor dem
20. Lebensjahr; das Risiko beginnt
in der Vorpubertät, d.h. ab dem
elften Lebensjahr. Vorerst werden
gewöhnlich nur die depressiven
Schwankungen als störend empfunden und erkannt, was in vielen
Fällen zur Fehldiagnose Depression führt. Die korrekte Diagnose
einer bipolaren Störung lässt im
Schnitt acht bis zehn Jahre auf sich
warten. Hypomanische Symptome
werden besonders bei Jugendlichen oft über Jahre als Sozialverhaltensstörung oder als Aktivitätsund
Aufmerksamkeitsstörung
(Hyperaktivität) verkannt. Frühmanifestationen sind oft schwer
wiegend, weil dadurch der Erfolg
in der Schule, Berufslehre oder im
Studium gefährdet wird. Später
sind die Ehe und die berufliche
Karriere oft schwer beeinträchtigt.
Der natürliche Verlauf bipolarer Erkrankungen wurde erst seit
der Einführung von Antidepres-
siva (1957) und Lithium als Prophylaktikum (Baastrup and
Schou 1967) systematisch erforscht. Im Erfolgsfall stellte sich
rasch die Frage nach der Lebenszeitprognose und wie lange die
Lithiumprophylaxe deshalb aufrechterhalten werden muss.
Bipolare Störungen heilen
nicht „spontan“
Bis etwa 1960 galt unter dem
Einfluss von Kraepelin die
Faustregel, dass manisch-depressive Erkrankungen, im Gegensatz
zur Schizophrenie, eine gute
Prognose hätten, obwohl bekannt
war, dass zwischen schwereren
Phasen of Stimmungsschwankungen leichteren Grades oder gar
anhaltende Veränderungen auftraten. Weil man ursprünglich annahm, bipolare Störungen heilten
spontan, wurde irrtümlich die Lithiumwirkung von einzelnen Autoren als nicht existent verkannt
(Blackwell und Shepherd 1968).
Erst systematische LangzeitUntersuchungen schafften Klarheit über die Periodizität der bipolaren Störungen. Zu Beginn der
Störungen nehmen oft über Jahre
die Stimmungsschwankungen an
Intensität zu, bis sie klar als Krankheit erscheinen. Dazu kommt
nach deren Ausbruch eine Verschlimmerungstendenz in Form
von Verkürzungen der Abstände
(Intervalle) zwischen den Phasen.
Neuste Untersuchungen zeigen,
dass diese Verkürzungstendenz in
den ersten Phasen am stärksten
ist, aber auch nach vielen Phasen
noch auftreten kann. Wird eine
Jahre dauernde Prophylaxe plötzlich abgebrochen, was ein Kunstfehler ist, beobachtet man daher
eine Verschlimmerung der Periodizität im Vergleich zur Krankheit
vor Beginn der Prophylaxe.
Lebenslange Langzeituntersuchungen zeigen, dass die Periodizität bis ins hohe Alter anhält, was
für die Prophylaxe maßgebend ist.
Vorträge und Poster auf der 157. Jahrestagung der American Psychiatric Association (APA), New York, 1.–6. Mai 2004
Außerdem können periodische
Depressionen nach jeder neuen
Phase auch noch nach Jahrzehnten in bipolare Störungen kippen.
Etwa die Hälfte aller Depressionen ist daher bipolar. Mit der anhaltenden Periodizität ist oft zusätzlich eine anhaltende Selbstgefährlichkeit verknüpft. Die Lebenserwartung unbehandelter bipolar Kranker ist etwa um zehn
Jahre verkürzt. Große Bedeutung
kommt deshalb auch der Früherkennung der Suizidgefährdung
zu.
Unbehandelte
bipolare
Störungen sind also nicht nur
beim Erstauftreten sondern
während des ganzen Lebens ein
anhaltendes Problem und prägen
die Lebensentwicklung der Betroffenen und ihrer Umgebung
sehr stark. Neuste Studien zeigen
glücklicherweise, dass nicht nur
die Rückfallgefährdung sondern
auch die Selbstgefährdung durch
eine kombinierte Behandlung
von Stimmungsstabilisatoren mit
Antidepressiva und/oder atypischen Neuroleptika wirksam behandelt werden können.
Freitag, 10. September
Leben mit Manie und
Depression
10.00 Uhr
Highlights
Current congress
9
Nachrichten aus der Industrie
Atypische Neuroleptika bei bipolaren Störungen
Quetiapin bessert nicht nur die
Manie sondern auch die Depression und Ängste des Patienten
M
it atypischen Neuroleptika lassen sich in der
manischen Phase der Patienten nach Angaben von Professor Dr. Eduard Vieta, Barcelona,
gute Therapieerfolge erzielen. So
bewirkt einer Studie bei 208 Patienten zufolge der Wirkstoff Quetiapin (Seroquel®) bereits in nur
vier Tagen eine signifikante Besserung der Symptomatik, und das
nach Vieta nicht nur global im
Symptomenscore, sondern praktisch in allen Einzelsymptomen.
Besonders gut werden durch die
Substanz Symptome wie Aggressivität und Feindseligkeit gemindert. Sie lindert aber nicht nur die
manische Symptomatik sondern
auch die Depression, wie die BOL-
DER-Studie (The BipOLar DEpRession) belegt, deren Ergebnisse
erstmals jetzt auf der diesjährigen Jahrestagung der American
Psychiatric Association (APA) von
Professor Dr. Josef Calabrese aus
Cleveland/Ohio präsentiert wurden. 542 Patienten mit bipolarer
Depression wurden acht Wochen
lang doppelblind randomisiert
mit 300 oder 600 mg Quetiapin
täglich oder Plazebo behandelt.
Eingeschlossen waren dabei auch
Patienten mit schnellem Phasenverlauf (rapid cycling), deren Behandlung schwierig ist. In der
Studie wurde bereits von der ersten Woche an eine statistisch eindeutige Reduktion der depressiven Symptomatik, gemessen am
MADRS-Score
(MontgomeryAsberg Depression Rating Scale),
gesehen, und das sowohl unter
600 wie auch unter 300 mg Seroquel®. Es besserten sich auch alle
im Rahmen der Depression
erfassten Einzelsymptome wie
Traurigkeit, innere Anspannung,
reduzierter Schlaf sowie Konzentrationsstörungen und allgemein
pessimistische Gedanken.
Sogar die Suizidalität sowie
Angstsymptome werden
gebessert
Auffallend war nach Calabrese, dass unter der Therapie
auch suizidale Gedanken signifikant abnahmen. „Die Reduktion
der Suizidalität war doppelt so
Differenzialdiagnostik
und Psychopharmakotherapie bipolarer
Störungen
E
Lithium – noch immer meist
primäre Option
Bei den meisten Formen bipolarer Störungen stellt Lithium un-
verändert die primäre Therapieoption - entweder in Monotherapie oder in Kombination – dar. In
besonderem Maße gilt dies für
Bipolar-I-Störungen mit relativ
wenigen Episoden, überwiegend
euphorischen Manien bei gleichzeitiger Abwesenheit psychotischer Symptome.
Zeigt sich hingegen ein mehr
„atypischer Verlauf“, d.h. dass
eine andere Verlaufsform bipolarer Störungen mit anderen Symptomkombinationen vorliegt, so
können bereits als erste Therapiewahl Antiepileptika, beispielsweise Carbamazepin, Valproat,
Lamotrigin oder aber auch atypische Antipsychotika infrage kommen. Die meisten der erwähnten
Substanzen haben ihre Stärke in
der Verhütung neuer manischer
Episoden, Lamotrigin hingegen
scheint präferenziell eher depressiven als manischen Episoden
vorzubeugen. Wie weit sich atypische Antipsychotika auch in der
Langzeittherapie durchsetzen
werden und ob sie präferenziell
eher zur Verhütung neuer Manien oder neuer Depressionen
Therapieerfolge bei Bipolar I
und Bipolar II und beim „rapid
cycling“
Positiv zu bewerten ist nach
Calabrese ferner, dass die Besserung der depressiven Symptomatik sowohl bei Patienten mit einer
Bipolar-I- wie auch einer BipolarII-Störung erfolgte und darüber
hinaus auch bei Patienten mit einem raschen Phasenwechsel, bei
denen die Therapieeffekte ebenfalls statistisch signifikant waren.
Parallel zur Besserung der De-
pressivität, die auch anhand der
Hamilton-Depressions-Skala
(HAM-D) belegt wurde, zeigte
sich ferner eine signifikante Besserung der Angstsymptome
(HAM-A). Außerdem wurden
Schlaf- und Lebensqualität der
Patienten signifikant gebessert.
Quetiapin wurde von den Studienteilnehmern gut vertragen,
gravierende Nebenwirkungen
oder gar ein Suizid unter der Therapie wurden nicht gesehen.
Auch traten weder Bewegungsstörungen auf noch eine nennenswerte Gewichtszunahme,
wie es bei anderen Atypika zu beobachten ist. Gerechnet werden
muss nach Calabrese lediglich
mit Symptomen wie Müdigkeit,
die jedoch meist nur in der ersten
Behandlungswoche beklagt wird.
Quelle: AstraZeneca-Symposium „Striking the balance: Recent breakthroughs
in mood stabilization“ anlässlich der
157. Jahrestagung der „American Psychiatric Association“ am 3. Mai 2004 in
New York
Die Deutsche Gesellschaft
für Bipolare Störungen e.V.
Dr. med. Heinz Grunze, 1. Vorsitzender des DGBS e.V., Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie der Ludwig Maximilians-Universität München zu Zielen
und Aufgaben der Gesellschaft
Dr. med. Heinz Grunze aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig Maximilians-Universität München
betont, dass für eine richtige Pharmakotherapie der bipolaren Störungen eine korrekte Diagnostik Voraussetzung ist
ine individuelle und adäquate Psychopharmakotherapie bei bipolaren Störungen hängt im entscheidenden
Maße von einer korrekten Diagnostik ab. Sowohl die Charakterisierung des langfristigen Verlaufes
als auch des Querschnittsbildes
hat unmittelbaren Einfluss auf die
Therapie der ersten Wahl. Beim
langfristigen Verlauf gilt es
zunächst, Bipolar-I-Störungen von
Bipolar-II-Störungen und anderen
Manifestationsformen des bipolaren Spektrums zu unterscheiden.
Zusätzliche wichtige Entscheidungskriterien sind, ob zum Beispiel in den Manien gehäuft psychotische oder depressive Symptome auftreten, ob es Zeiten mit
einem so genannten „rapid cycling“-Verlauf (vier oder mehr Episoden pro Jahr) gegeben hat und
ob die Erkrankung bezüglich Häufigkeit und/oder Schwere der Episoden progredient verläuft.
hoch wie unter Plazebo. Die gute
antidepressive Wirkkomponente
von Quetiapin bei der bipolaren
Depression zeigt sich nicht zuletzt dadurch, dass mit Ausnahme des reduzierten Appetits
praktisch alle Symptome gelindert wurden“. Dass der Appetit
nicht gesteigert wurde, bewerte
der Mediziner als positiv. Dieser
Befund unterstreicht nach seinen
Worten die gute Verträglichkeit
von Quetiapin, unter dem anders
als unter anderen Atypika in aller
Regel keine Gewichtszunahme
erfolgt.
zum Einsatz kommen, bleibt abzuwarten.
In den bisher vorliegenden
Studien zeigte zum Beispiel Olanzapin eine tendenziell bessere
Wirksamkeit in Verhütung neuer
Manien. Umgekehrt konnte jedoch beispielsweise Quetiapin
gute antidepressive Effekte bei
bipolaren Patienten nachweisen.
Insgesamt zeigt sich eine zunehmendere Differenziertheit in der
Behandlung bipolarer Störungen,
die mit in der Vergrößerung des
Behandlungsportfolios einhergeht. Insbesondere jedoch für
optimale Kombinationstherapien
besteht noch ein deutlicher
Mangel an wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnissen.
Freitag, 10. September 2004
Forum 1: Zwischen Macht und
Ohnmacht – State of the Art
13.30 Uhr
D
ie Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS e.V.)
wurde 1999 anlässlich einer internationalen Konferenz gegründet. Ihren Ursprung hat sie in der Erkenntnis der Gründungsmitglieder, dass insbesondere in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, qualifizierte Fortbildung und Entstigmatisierung bipolarer Patienten in Deutschland noch ein großes Defizit besteht.
Dementsprechend wurden als Ziele die Weiterbildung von Fachkreisen sowie eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit definiert.
Darüber hinaus versteht sich die DGBS e.V. jedoch nicht nur als eine
professionelle Fachvereinigung, sondern gleichzeitig auch als Interessenverband für Patienten und Angehörige. Entsprechend setzen
sich die Mitglieder aus verschiedenen Gruppen, nämlich Professionellen, Patienten und Angehörigen, zusammen.
In den letzten fünf Jahren wurden bereits viele Ziele der Gesellschaft erfolgreich vorangetrieben. Die Mitgliederzahl stieg von ursprünglich sieben auf nunmehr mehr als 500. Im Bereich der Patienten- und Angehörigenarbeit definiert die Gesellschaft als Ziel,
eine Katalysatorrolle für die Gründung neuer Selbsthilfegruppen
einzunehmen. Die Website der DGBS e.V. (www.dgbs.de) bietet ein
umfangreiches Informationsmaterial sowohl für Professionelle als
auch für Betroffene und Angehörige an. Mehrere Buchprojekte wurden in Eigenregie verwirklicht. An herausragender Stelle ist dabei
insbesondere das „Weißbuch bipolare Störungen“, die erste umfassende Bestandsaufnahme zu dieser Thematik in Deutschland, zu
nennen. Ziele der näheren Zukunft sind die weitere Etablierung der
DGBS e.V. in der Forschungsförderung, insbesondere der Versorgungsforschung, sowie die Etablierung von Netzwerken für Betroffene und Angehörige.
Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.
(DGBS e.V.)
Postfach 920 249
21132 Hamburg
Tel.: 0 40/85 40 88 83 (Di.+ Do., 14.00–18.00 Uhr)
mailto: [email protected]
www.dgbs.de
10
Highlights
Current congress
Stationäre Zwangsmaßnahmen und Selbstverantwortung des Behandlungsteams
Prof. Dr. Erdmann Fähndrich aus der Psychiatrischen Abteilung im Krankenhaus Neukölln in Berlin betont, dass Zwang nur das letzte Mittel sein kann und häufig
auch ein Zeichen minderer Versorgungsqualität ist
Z
wangsmaßnahmen gehören zum klinischen Alltag.
Ziel des Beitrages wird es
sein, den Entscheidungsprozess
bis zur Anwendung einer
Zwangsmaßnahme darzustellen.
Dabei wird auch auf das Erleben
der Patienten eingegangen. Beispielhaft werden Türschließung,
Fixierung und Zwangsmedikation
näher betrachtet. Grundlage sind
die über Jahre laufenden Dokumentationen dieser Maßnahmen
in einer Klinik mit Pflichtversorgung für 320 000 Einwohner und
die systematische Befragung der
Patienten zu erlebten Zwangsmaßnahmen.
1. Türschließung: Tägliche Dokumentation. Die Entscheidung wann und wie lange die
Stationstür geschlossen wird,
liegt weit gehend beim Pflegepersonal. In den vergangenen fünf Jahren waren die
Stationstüren zu etwa 80%
uneingeschränkt offen und zu
zirka 6% völlig geschlossen.
2. Fixierung: Spezielle Dokumentation. Leitlinienorientiertes Vorgehen. Die Entscheidung fällt nach intensiver Abstimmung zwischen
Arzt und Pflegepersonal. In
den letzten fünf Jahren wurde
pro Jahr durchschnittlich 174-
mal fixiert (5,3% aller Aufnahmen), betroffen waren jährlich 88 Patienten (3,9% aller
Patienten).
3. Zwangsmedikation:
Trotz
Operationalisierung ist die
Grenze zwischen „Freiwilligkeit“ und „Zwang“ fließend.
Es handelt sich um eine ärztliche Entscheidung. Jede (eindeutige) Zwangsmedikation
wird auf speziell entwickeltem Beleg dokumentiert. Pro
Jahr wurden 108 Zwangsmedikationen bei 90 Patienten
durchgeführt.
4. Befragung der Patienten: 20%
aller Patienten geben an, be-
reits früher Zwangsmaßnahmen erlebt zu haben. Der Begriff „Zwang“ wird von den
Betroffenen eindeutig weiter
gefasst als von uns Professionellen.
Diskussion
Umgang mit Zwangsmaßnahmen ist ein wichtiges Element
der Qualitätssicherung. „Weiche“
Zwangsmaßnahmen wie zum
Beispiel Anbringen von Bettgittern, die Zuteilung der Zigaretten, der zeitlich limitierte „Parkausgang“ und vieles andere mehr
sind in die Diskussion mit einzubeziehen.
Als Voraussetzungen zur Minimierung von Zwangsmaßnahmen werden vor allem diskutiert:
• rationale (operationalisierte)
Entscheidungsfindung
• Leitlinien (gemeinsam erarbeitet!) zur Durchführung
und Dokumentation
• die „Personalfragen“ (ausreichende Zahl von Pflegekräften in jeder Schicht, gute Ausbildung und hohe Motivation
aller Mitarbeiter).
Konsens aller ist, dass Zwang
nur das letzte Mittel sein darf und
häufig ein Zeichen von minderer
Versorgungsqualität ist.
Samstag, 11. September
Forum 4: Bipolare Störungen:
Therapie zwischen Selbstverantwortung und Kontrolle
9.00 Uhr
Bipolare Störungen
Welche Symptome kennzeichnen die einzelnen Pole der Erkrankung?
•
•
Manische Episoden (Manie)
Zumeist
hervorstechende
Merkmale der Manie sind ein intensives Hochgefühl, eine übersteigerte und meist unbegründete gute Laune, sowie das subjektive Gefühl erhöhter persönlicher Leistungsfähigkeit. In der eigenen Einschätzung empfinden
sich die Betroffenen meist als
außergewöhnlich leistungsstark,
kreativ und schöpferisch. Damit
geht ein sehr geringes Schlaf- und
Erholungsbedürfnis einher, typisch ist, dass Schlaf als Zeitverschwendung und Unterbrechung
des (oft ziellosen) Tatendrangs
empfunden wird. Im Extremfall
können sogar kurzfristige Halluzinationen
auftreten,
dann
spricht man von einer psychotischen Manie. In der Manie leugnen die Betroffenen oft hartnäckig, dass in irgendeiner Art
und Weise Probleme bestehen
würden. Außerdem reagieren sie
oft gereizt, wenn sie von anderen
auf offensichtliche Schwierigkeiten hingewiesen werden. Daher ist es schwer, einen manischen Patienten von der Notwendigkeit einer Therapie zu überzeugen; oft müssen die Betroffenen in der akuten manischen
Episode gegen ihren Willen in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses behandelt werden. Gerade
wenn die Manie einer vorausgegangenen lang dauernden Depression folgt, wird sie von dem
Betroffenen eher als Befreiung
und Wiederaufleben, aber nicht
als neue Krankheitsepisode empfunden.
Die wichtigsten Symptome
der Manie sind nachfolgend
nochmals aufgeführt:
• Intensives Hochgefühl, gesteigerte Leistungsfähigkeit und
Kreativität
• Deutlich vermindertes Schlafbedürfnis
• Kritikunfähigkeit und Umschlagen der Hochstimmung
in Gereiztheit, wenn der manische Patient Widerspruch
erfährt
• Distanzlosigkeit und Rededrang im Umgang mit anderen Menschen
• Gedankensprünge und Beschleunigung des Denkens,
sodass Außenstehende dem
Inhalt des Gespräches oft nur
schwer folgen können
• Sprunghaftigkeit im Handeln:
Viele Dinge werden begonnen, aber nicht zu Ende geführt
• Eine Enthemmung in verschiedensten Bereichen, angefangen von exzessivem
Kaufrausch weit über die finanziellen
Möglichkeiten
hinaus bis hin zu sexuellen
unangepassten Handlungen.
Oft stehen diese Enthemmungen im krassen Widerspruch
zu der normalen, gesunden
Persönlichkeit des Betroffenen und führen entsprechend
nach Abklingen der Manie zu
starken Scham- und Schuldgefühlen.
rien ist sie deutlich kürzer definiert, man spricht bereits von einer hypomanen Episode, wenn die
Dauer vier Tage erreicht. Während
der Hypomanie fühlt sich der Betroffene wesentlich besser als üblich, verspürt mehr Kreativität
und Lebensfreude, neigt aber
nicht zu grob unvernünftigen und
persönlichkeitsfremden Verhaltensweisen wie der Maniker. Gerade wenn der Patient aus der Depression herauskommt, wäre man
geneigt, dem Patienten seine Hypomanie zu gönnen. Dem stehen
jedoch zwei Argumente gegenüber, die sorgfältig bedacht werden
sollten:
• Zu Beginn der hypomanen
Episode weiß man nie, wo sie
endet. Auch eine typische Manie entwickelt sich erst langsam. So ist es durchaus möglich, dass die Hypomanie nach
wenigen Tagen in eine Manie
mit allen ihren schweren
Konsequenzen umschlägt.
• Jede neue Krankheitsepisode,
die nicht behandelt wird, verschlechtert den Gesamtverlauf der Erkrankung. Die Abstände zwischen den einzelnen Episoden werden immer
kürzer, die Zeiten ausgeglichener Stimmung immer seltener. Daher ist es wichtig,
erste Anzeichen neuer Episoden zu erkennen und sie
durch frühzeitige Behandlung
abzuwenden.
Hypomane Episoden
Eine Hypomanie ist eine deutlich abgeschwächte Form der Manie. Auch von den zeitlichen Krite-
Depressive Episode
Die meisten Menschen setzen
den Begriff „Depression“ mit
Traurigkeit oder Trauer gleich.
Eine Depression ist jedoch weit
mehr als nur ein Gemütszustand.
Sie ist eine Erkrankung, die sehr
wohl unsere Stimmung, aber
auch unser Denken, unser Handeln und selbst unsere körperlichen Funktionen betrifft. Hinsichtlich der Stimmungslage ist
es dabei für den depressiven
Menschen oft charakteristisch,
dass er sich nicht traurig im eigentlichen Sinne fühlt, sondern
dass er eher über ein Erlöschen
der Gefühle klagt. Sowohl die
Fähigkeit zur Freude als auch zur
Trauer sind abhanden gekommen. Oft wirken depressive Menschen wie versteinert.
Mit einher geht ein Verlust an
sämtlichen Interessen sowie der
Antrieb und die Energie, etwas zu
unternehmen. Selbstwertgefühl
und Selbstvertrauen sind stark
vermindert; Denken und Konzentrieren wird als mühsam empfunden. Erfreuliche Ereignisse
oder eine Veränderung der Lebenssituation haben wenig Einfluss auf die Stimmung. Die
Schwere der Depression kann dabei im Tagesverlauf durchaus
fluktuieren, viele Patienten beschreiben ein Morgentief und ein
Aufklaren zum Abend hin. Die
wichtigsten Symptome der Depression beinhalten:
• Verlust der Gefühle und der
Fähigkeit zu trauern und sich
zu freuen
• Antriebslosigkeit und Interesselosigkeit an Dingen, die
normalerweise Freude bereitet haben
• Verlust sexuellen Interesses
• Neigung zu ständigem Grü-
•
•
•
•
•
beln und pessimistischer Zukunftsperspektive
Schlafstörungen, oft Durchschlafstörungen und morgendliches Früherwachen,
manchmal aber auch gesteigertes Schlafbedürfnis
Veränderung des Hungergefühls: Sowohl Appetitverlust,
aber auch in seltenen Fällen
gesteigerter Appetit können
auftreten
Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen
Unfähigkeit, Entscheidungen
zu treffen
Gefühl der Wertlosigkeit,
Schuldgefühle und mangelndes Selbstbewusstsein
Todeswünsche bis hin zu Suizidversuchen
Verschiedenste körperliche
Missempfindungen: oft Engegefühl
im
Brustbereich,
Durchfall oder Verstopfungen.
Gemischte Episode
(Mischzustand)
Manie und Depression sind
nicht immer streng voneinander
getrennnt, sondern können bei
vielen Patienten auch praktisch
zeitgleich oder im kurzen Wechsel innerhalb weniger Stunden
auftreten. Patienten fühlen sich
energiegeladen, aktiv und schlaflos, zu gleicher Zeit aber auch
gereizt und leicht irritierbar. Die
Gedanken rasen, beinhalten aber
überwiegend depressive Inhalte.
Mischzustände sind oft nicht nur
für den Patienten die unangenehmsten Manifestationen bipolarer Störungen, sondern gehen
auch mit einer hohen Gefahr des
Suizides aufgrund der Kombination von gesteigertem Antrieb bei
gleichzeitigen depressiven Gedankeninhalten einher.
(Aus: Rosa Geisinger, Heinz Grunze: Bipolare Störungen (manisch-depressive
Erkrankungen). Ratgeber für Betroffene
und Angehörige. 56 Seiten, € 8,60,
BoD GmbH Nordenstedt, ISBN 3-83114519-9)
Highlights
Krisen früh erkennen
Dr. Lars Schärer und R. Gielen aus der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg über
die Möglichkeit, mithilfe eines Palm PC ein elektronisches Tagebuch zu führen und so aufziehende Krisen früh zu erkennen
P
atienten mit manisch-depressiver Erkrankung können mithilfe eines Tagebuchs frühzeitig erkennen, wenn
sie auf eine Krise zusteuern. Das
hat eine kürzlich abgeschlossene
Pilotstudie mit dem elektronischen Patiententagebuch „Palm
Life Chart“ (PLC) belegt. Rund drei
Viertel der Befragten messen diesem Patiententagebuch einen hohen oder sehr hohen Nutzen zu.
Die Studie hat außerdem gezeigt:
Für Betroffene stellt ein elektronisches Tagebuch eine gleichwertige
Alternative zur Papiervariante dar.
Patienten, die PLC anwenden, erhalten einen Palm-Taschencomputer mit Tagebuch-Software. Die
überwiegende Mehrheit der befragten PLC-Nutzer halten das
elektronische System für mindestens ebenso handlich und einfach
in der Handhabung wie ein Papiertagebuch, der Spaß am Eintragen
ist beim PLC sogar größer.
Patiententagebücher nach der
so genannten Life-Chart-Methode
nach R. Post und G. Leverich werden bei der Behandlung manischdepressiver Patienten eingesetzt.
Die detaillierte und langfristige Beobachtung des Krankheitsverlaufs
liefert hochwertige Informationen,
ohne den Patienten zeitlich sehr zu
belasten. Die Life-Chart-Daten sind
keine Augenblickseindrücke und
werden auch nicht durch den beobachtenden Arzt beeinflusst. Ein
großer Vorteil der Methode: 72%
der Patienten sehen darin ein
Frühwarnsystem für sich selbst,
55% einen Weg zum besseren Verständnis der eigenen Erkrankung
und 48% einen Beitrag zu mehr
Stabilität.
Elektronische Chart und ärztliche Einschätzung stimmen
gut überein
Unter Federführung der Arbeitsgruppe Neue Medien der
Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS) wurde PLC
als elektronische Variante der bewährten Life-Chart-Methodik entwickelt. Der vom Patienten genutzte Palm-Taschencomputer – in
der Pilotstudie war es der Palm Pilot M100 – und die darauf installierte Tagebuch-Software automatisieren arbeitsintensive Schritte
der Tagebuchführung. Täglich gibt
der Patient über entsprechende
Eingabemasken seine Stimmung,
krankheitsbedingte Beeinträchtigungen im täglichen Leben, Schlafdauer, Bezeichnungen und Mengen der genutzten Medikamente,
aufgetretene Nebenwirkungen
und zusätzlich außergewöhnliche
Lebensereignisse (etwa Verlust des
Arbeitsplatzes) ein. Die vom Patienten eingetragenen Daten werden per Knopfdruck über eine Internet-Verbindung an einen Auswertungsserver gesendet. Der Server bereitet die Daten auf und
schickt an den Patienten eine grafische Auswertung zurück.
Diese Server-Übersicht zeigt
auf einem Din-A4-Blatt alle Eintragungen eines Monats im
Überblick. Als besonders hilfreich
hat sich die Darstellung der krankheitsbedingten Beeinträchtigungen im täglichen Leben (funktionale Beeinträchtigung) erwiesen.
Wiedergegeben wird sie als variabler Balken auf einer Skala von minus vier (Depression) bis plus vier
(Manie), der für jeden Tag zugleich
die Schwankungsbreite der funk-
tionalen Beeinträchtigung und
ihre Schwere zeigt. In Kombination
mit der getrennt erfassten Stimmung werden so verlässliche Aussagen über den tatsächlichen Zustand des Patienten möglich. Die
Pilotstudie hat die Ergebnisse aus
dem PLC mit ärztlichen Einschätzungen verglichen und einen sehr
hohen Übereinstimmungsgrad ermittelt. Insbesondere werden zuverlässig auch so genannte dysphorische Manien (hohe Energie
verbunden mit negativer Stimmung) erkannt.
Current congress
Eine große Stärke von PLC besteht in den vielfältigsten Auswertungsmöglichkeiten. Auf Knopfdruck können beispielsweise Auswertungsgrafiken über mehrere
Jahre erstellt werden, was die langfristige Beurteilung eines Krankheitsverlaufs enorm erleichtert.
Die Tagebuch-Software kann um
zusätzliche Fragen erweitert werden. Patienten berichten beispielsweise darüber, dass sie während
manischen Phasen immer wieder
die selben Gedanken haben, etwa
den an ein bestimmtes Auto. So
könnte die Frage „Haben Sie heute
verstärkt über den Kauf eines 7erBMW nachgedacht?“ zusätzliche
Warnhinweise auf eine beginnende Krise liefern. Mit entsprechenden Anpassungen kann PLC
zudem als Unterstützung für eine
Psychotherapie genutzt werden,
wenn dabei so genannte Soziale
Rhythmus-Metrik eingesetzt wird
und Informationen über den genauen Tagesablauf eines Patienten
gefragt sind.
Weitere Informationen
Arbeitsgruppe Neue Medien
der Deutschen Gesellschaft für
Bipolare Störungen (DGBS) unter
[email protected]. Finanzielle Unterstützung von PLC ist möglich
über die DGBS Konto Nr.
0005031826 BLZ 200 90 602
Stichwort „PLC“.
Freitag, 10. September
Forum 2: Zwischen Höhen und
Tiefen: Was geht in der Selbsthilfe, was nicht?
13.30 Uhr
DGBS
Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.
(manisch – depressive Erkrankungen)
www.dgbs.de
Fragen Sie die Experten!
Chat – Woche Bipolare Störungen
für Professionelle, Betroffene und Angehörige
5., 6. und 7. Oktober 2004
Treffen Sie Experten im Internet: www.manic-depressive.de/chat/
Stellen Sie Fragen, die Ihnen wichtig sind
Dienstag, 5. Oktober 2004, 18.00 – 19.00 Uhr
Rechtsfragen bei bipolaren Störungen
Als Expertin steht Ihnen im Chat zur Verfügung
Rechtsanwältin Sybille M. Meier
Fachanwältin für Sozial- und Arbeitsrecht
Berlin
Mittwoch, 6. Oktober 2004, 18.00 – 19.00 Uhr
Diagnose und Therapie bipolarer Störungen
Als Experte steht Ihnen im Chat zur Verfügung
Prof. Dr. Dr. Michael Bauer
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Charité Campus Mitte, Berlin
Donnerstag, 7. Oktober 2004, 18.00 – 19.00 Uhr
Psychotherapie und Psychoedukation bei bipolaren Störungen
Als Expertin steht Ihnen im Chat zur Verfügung
Dr. phil. Dipl.-Psych. Petra Wagner
Klinik für Psychiatrie, Verhaltensmedizin und Psychosomatik
Klinikum Chemnitz
11
12
Highlights
Current congress
Wie wird die Therapie erreichbarer – aus Sicht des Angehörigen
Prof. Dr. Reinhard Peukert von der Fachhochschule in Wiesbaden zeigt, dass es den Angehörigen gut geht, wenn es dem
Patienten schlecht geht und dann schlecht, wenn die Manie beginnt und stellt das Konzept des „Familiengastes“ vor
A
lle Familienmitglieder leiden bei bipolaren Störungen
unter den phasentypischen
kontradiktorischen Selbstwahrnehmungen. Der „Rest der Familie“
fühlt sich in den Zeiten entlastet, in
denen es dem verstörten Familienmitglied subjektiv besonders
schlecht geht und es seine Hilfebedürftigkeit erkennt und kommuniziert.
Den Angehörigen geht es in
den Zeiten subjektiv besonders
schlecht, sie fühlen sich belastet
und unter hohem Druck, wenn
sich das verstörte Familienmitglied zu Beginn seiner Manie als
erfolgreich, glücklich, unwiderstehlich usw. erfährt, denn sie sind
von der Angst vor dem, was folgen
wird, erfüllt – und sie müssen das
völlige Fehlen jeglicher „Hilfeannahmebereitschaft“ (häufig als
„Krankheitsuneinsichtigkeit“ bezeichnet) erleben.
Aber auch in der für das verstörte Familienmitglied schweren
Zeit ist die Bereitschaft, professio-
nelle Hilfen anzunehmen, häufig
verlaufstypisch begrenzt: Die Zeit
tiefster Verzweifelung und Hoffnungslosigkeit ist von weit reichendem sozialen Rückzug und
der passiven Verweigerung von
professionellen Hilfsmöglichkeiten geprägt. Dabei wäre aus Sicht
der Angehörigen gerade jetzt intensive Hilfe erforderlich:
Das Verhalten des verstörten
Angehörigen löst bei ihnen nicht
nur die Angst vor einem möglichen
Suizid aus, sondern in dieser Zeit
könnte eine therapeutische Beziehung wachsen, die unter anderem
auch durch den Wendepunkt zur
Manie trägt.
Erwartungsfreie Anwesenheit
der Therapeuten
Dafür müssten – aus Sicht der
Angehörigen – die Therapeuten
die von ihnen definierten Settings
verlassen und sich mit der Haltung
der „erwartungsfreien Anwesenheit“ im Lebensumfeld des Erkrankten zur Verfügung halten.
Diese neue professionelle Rolle
nennen wir „Familiengast“ (Peukert in: Psychosoziale Umschau 4
2003, S. 12–15), da sich die Person
auf Einladung des oder der Angehörigen ohne zielgerichtete Hilfeintention in der Wohnung aufhält, und „nur“ seine Aufmerksamkeit darauf richtet, ob das verstörte
Familienmitglied irgendwie mit
ihm in Kontakt treten möchte, z.B.
von ihm, dem Gast, kleine alltägliche Hilfen wünscht, da die anderen Angehörigen „frei haben“ und
während des Gast-Besuches angstfrei andere Erledigungen tätigen
können. Was ist der erwünschte
Effekt? Auch eine tief verängstigte,
hoffnungslose und verstörte Person kann selbst mit jemand Fremdem Kontakt aufnehmen, der in
der ihr gewohnten Umgebung
zurückhaltend auftritt, keine Forderungen stellt und nur da ist.
Angehörige haben Angst vor
den manischen Zuständen und
sind hin und wieder übersensibel.
Dennoch berichten viele Ange-
hörige über zumeist leichte krisenhafte soziale Entwicklungen, bevor
„der manische Weg eingeschlagen“ wird. Auch hier besteht die
Hoffnung, dass eine professionelle
Begleitung durch soziale Alltagssituationen – eine frühe, intensive
und „weiche“ Hilfe – spätere, harte
und interventionistische Hilfen
erübrigen könnte. Angehörige haben den Eindruck, dass das Familienmitglied in dieser Zeit am ehesten Hilfen von jemandem akzeptiert, der auch schon mal in alltäglichen Situationen alltäglich-banale Unterstützungen gab, z.B.
beim Reparieren eines Fahrrades
(diese Annahme hat sich in Untersuchungen zum Hilfesuchverhalten bestätigt) oder „störungsspezifisch“: Hilfe bei der Bewältigung
von Folgeproblemen (z.B. Schulden).
Hat der Angehörige einmal begonnen, seine Manie zu leben, besteht aus Angehörigensicht wenig
Hoffnung, den Zug mit einfachen
und „weichen“ Stoppsignalen zum
Zur Psychodynamik und Psychotherapie bipolarer Störungen
Dr. Peter Hartwich aus der Psychiatrischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses in Frankfurt betont, dass es beim
Einzelschicksal eines depressiv oder manisch Erkrankten einer individuellen Gewichtung seiner lebensgeschichtlichen
Faktoren bedarf
W
irksamkeitsstudien, die
positive Effekte zur
Psychotherapie affektiver Erkrankungen zeigen, sind
unter anderem von Elkin et al.,
Leuzinger-Bohleber et al., Sandell
et al., van Praag, sowie eine Metaanalyse von Geerson et al. erarbeitet worden.
Die gewichtigen somatischen
Komponenten in der Ätiologieforschung sowie in der Therapie
begrenzen allerdings psychodynamisch orientierte Psychotherapien. Heute sehen wir in der Entstehungsgeschichte der Erkrankung das komplexe Zusammenspiel zwischen somatisch-biologischen, psychodynamischen und
sozialen Faktoren. Es handelt sich
um einen Kreisprozess, bei dem
die Dimension Zeit, von Kindheit
über Pubertät bis frühes Erwachsenenalter, hinzukommt, eine –
bildlich gesehen – Spirale formt,
auf der sich „Unwuchten“ einstellen können, die das Ganze aus der
Bahn geraten und in eine bipolare
Erkrankung münden lassen. Solche Unwuchten können beispielsweise Verlusterlebnisse,
hormonelle Umstellungen, Geburt, somatische Erkrankungen
etc. sein. Infolgedessen sind generelle Aussagen zu wenig prä-
zise, statt dessen bedarf es beim
Einzelschicksal eines depressiv
oder manisch Erkrankten einer
individuellen Gewichtung seiner
persönlichen lebensgeschichtlichen Faktoren. Formal ähnliche
Erkrankungen und ähnliche Psychopathologie spiegeln nicht die
ätiopathogenetische Gewichtung
des Einzelnen wider. Hierin liegt
die Begrenztheit des nomothetischen Ansatzes bei Untersuchungen zur Wirksamkeit der Psychotherapie, was die empirische
Überprüfbarkeit erschwert.
Voraussetzungen zur
Psychotherapie
Für die Indikation der Psychotherapie bedarf es einer ätiologischen Gewichtung bezüglich der
psychischen
Einflussfaktoren
beim Schicksal des Einzelnen.
Dieses führt zu unterschiedlichen
Prägnanztypen und erfordert
auch unterschiedliche psychotherapeutische Vorgehensweisen. Hier verhaltenstherapeutisch, da psychodynamisch, wobei es zusätzlich Persönlichkeitsfaktoren (Intelligenz, Introspektionsfähigkeit, Kreativität etc.)
gibt, die mehr für das eine, das
andere oder weitere Verfahren
sprechen.
Historischer Beitrag psychoanalytischer Hypothesen
Die Depression wurde als Abwehr der Aggression durch die
Wendung gegen das eigene Selbst
gesehen oder durch narzisstische
Kränkung infolge von Verlusterlebnissen hervorgerufen und der
synthyme Schuldwahn als verdrängter Sadismus interpretiert
(siehe Abraham). Die Manie wurde
als Triumph über den depressiven
Affekt, als Abwehr der Depression
(Winnicott) oder als regressive Aktivierung des Größenselbst (Jacobson) angesehen.
Solche Kernaussagen, die hier
nur beispielhaft wiedergegeben
werden können, haben vertiefte
Einblicke in das Erleben und die
Psychodynamik bipolar erkrankter
Menschen gegeben. Sie sind aber
nur begrenzt zutreffend, wenn
biologisch-somatische Aspekte in
die Gewichtung von Ätiologie und
Psychopathologie eingehen.
Konzept der Parakonstruktion
Heute stellen wir, die Tradition
von Benedetti und Mentzos weiterführend, die somatopsychische
Wechselwirkung in den Vordergrund. Dabei geht es um die Betrachtung der verschiedenen Ebenen des psychischen Strukturni-
veaus in Hinblick auf ihre Stärke
und Festigkeit. Bei höherem Strukturniveau, wie es Neurosekranken
zugeschrieben wird, werden Abwehrmechanismen zum Schutz
der Psyche eingesetzt im Sinne von
Kompensation und Rekonstruktion. Ist das Strukturniveau psychotisch verändert, kommt es
ebenfalls zu Schutz- und Gegenregulationsversuchen, diese sind
aber nicht als gelungene Kompensationen oder Konstruktionen anzusehen, sondern als Parakonstruktionen (Hartwich, Grube). Das
Konzept der Parakonstruktion verbindet zum Verständnis gegenwärtiger Symptome psychodynamische und somatische Modelle
miteinander und grenzt sich damit
vom rein psychodynamischen Abwehrkonzept ab. Beispiele sind der
depressive und der maniforme
Wahn; hier kommt entweder
durch zu wenig oder zu viel an Dynamik die psychische Struktur in
Gefahr. Sie versucht sich als Gegenregulation in Parakonstruktionen zu retten.
Therapiehinweise
Verschiedene Formen der Gegenregulation auf unterschiedlichem Niveau der psychischen
Strukturstärke erfordern verschie-
Halten zu bringen. Auf diese Situationen können aber alle Beteiligten
vorbereitet sein (es sei denn, es
handelt sich um eine Neuerkrankung), und zwar mit einer Behandlungsvereinbarung, die in den ruhigeren Zeiten zwischen den Behandlern und dem Familienmitglied abgeschlossen wurde – möglichst unter Einbeziehung der Angehörigen!
Hat das Familienmitglied den
Behandler bzw. jemandem aus
dem Behandlungsteam schon als
Familiengast, als „weichen Helfer“,
in kleinen promordialen sozialen
Krisen und hilfreich in sonstigen
Alltagssituationen erlebt, und
wurde eine frühere gegebenenfalls
nicht zu umgehende harte Intervention anschließend intensiv besprochen, so sind das sehr gute
Voraussetzungen für ein tragfähiges Bündnis auf der Basis einer Behandlungsvereinbarung – selbst
dann, wenn in der Situation, in der
die Vereinbarung zum Zuge kommen muss, das verstörte Familienmitglied den Vereinbarungen wieder einmal vehement widerspricht!
Samstag, 11. September
Forum 4: Bipolare Störungen –
Therapie zwischen Selbstverantwortung und Kontrolle
9.00 Uhr
denartige Behandlungsmaßnahmen. Die Kombination von Pharmakotherapie und Psychotherapie
sollte sich nach dem jeweiligen individuellen Strukturniveau und
der gegenwärtigen Gewichtung
der beteiligten Faktoren richten.
Individuelle psychodynamische
Aspekte und interaktionelle Psychodynamik mit Angehörigen haben eine unterschiedliche Betonung und sind infolgedessen in
psychodynamisch orientierte Einzeltherapie, Prophylaxe, Intervalltherapie, Paartherapie und Angehörigenberatung aufzugliedern.
Neben der pharmakologischen Beeinflussung von Antrieb und Dynamik sind besonders kreative Therapieverfahren, die mit Medien
und Objekten arbeiten, einzusetzen (Hartwich, Fryrear).
Literatur
1. Hartwich P (2002) Psychodynamik
und Psychotherapie schizoaffektiver
Psychosen. In: Böker H, Hell D (Hrsg)
Therapie der affektiven Störungen. Psychosoziale und neurobiologische Perspektiven. Schattauer, Stuttgart
2. Hartwich P (2004) Wahn – Sinn und
Antikohäsion. In: Hartwich P, Barocka A
(Hrsg) Wahn: Definition, Psychodynamik, Therapie. Wissenschaft & Praxis.
Sternenfels
3. Hartwich P, Fryrear JL (2002) (Hrsg)
Kreativität: Das dritte therapeutische
Prinzip in der Psychiatrie. Wissenschaft
& Praxis, Sternenfels
4. Hartwich P, Grube M (2003) Psychosen-Psychotherapie. Psychodynamisches Handeln in Klinik und Praxis. 2.
Aufl. Steinkopff, Darmstadt
Freitag, 10. September
Leben mit Manie und Depression
10.00 Uhr
Hamburg
l
l
e
r
u
t
kul
Sehenswertes
Blankenese: Das einstige Fischerdorf unmittelbar an der Elbe ist das
Ausflugsziel schlechthin. Einer der
schönsten Wanderwege Deutschlands zieht sich am Ufer der Elbe
entlang nach Blankenese. Ein Besuch lohnt, sei es wegen der malerischen Gassen, den eng beieinander stehenden Häuschen oder
wegen der Blankeneser Bahnhofstraße. Restaurants und Cafés bieten Ausblick auf vorüberfahrende
Schiffe. Und wer Blankenese vom
Wasser aus sehen möchte, der
sollte sich eine Hafenrundfahrt
gönnen. Von April bis September
fährt ein Liniendienst der HADAG
ab den St. Pauli-Landungsbrücken
regelmäßig nach Blankenese.
*
Der letzte erhaltene klassische
Stückgutfrachter „Cap San Diego“
oder auch der „Weiße Schwan
des Südatlantiks“ liegt an der
Überseebrücke in Hamburg (Tel.
0 40/36 42 09). Er kann täglich von
10-18 Uhr besichtigt werden.
*
Ein Besuch von Hamburg ohne den
Besuch des Fischmarkts ist nur
eine halbe Sache: Also, den Wecker
früh stellen und auf geht’s zum traditionsreichsten Markt (seit 1703)
der Stadt. Sonntags von 5–9.30 Uhr
wird dort so gut wie alles gehandelt, und wem bei dieser Uhrzeit
noch nicht zum Handeln zumute
ist, der sollte sich zum Brunch in
13
Kulinarisches
die historische 100jährige Fischauktionshalle begeben, und sich
dabei von Musik (Jazz,
Skiffle, Country, Western) berieseln lassen.
*
Der Hamburger Hafen
ist der zweitgrößte Hafen Europas und zählt
zu den zwölf bedeutendsten Container-Häfen der
Welt. Im Jahr laufen rund 13 000
Seeschiffe aus der ganzen Welt
dort ein. Am besten unternimmt
man eine Hafenrundfahrt und
schaut sich vom Schiff aus die eindrucksvollen Hafenanlagen an.
Täglich von Sonnenaufgang bis
Sonnenuntergang begrüßt die
Willkommhöft jedes ein- und
auslaufende Schiff über 500 BRT.
Die Schiffsbegrüßungsanlage ist
weltberühmt: Bei Ein- oder Auslaufen eines Schiffes wird die
Hamburger Flagge halb niedergeholt, die entsprechende Nationalhymne gespielt und ein Grußwort
in der jeweiligen Landessprache
gesprochen.
*
Shoppen, flanieren, bummeln ...
wer das in Hamburg tun möchte,
sollte den Jungfernstieg an der
Alster ansteuern. Auf der Hamburger Einkaufs- und Promenadenstraße kreist alles ums Einkaufen
in großen Kaufhäusern und feinen
Boutiquen. Exklusive Angebote liegen in den Auslagen und verführen
zum Kauf. Außerdem bekannt und
am Jungfernstieg gelegen, sind:
das Alsterhaus, die Passage des
Hamburger Hofes oder Streit’s
Kino.
*
Historische Straßen gibt es in
Hamburg einige: Einen Besuch
wert sind der Bäckerbreitergang
Nr. 49–58, eine geschlossene Reihe
von einfach restaurierten Fachwerkhäusern aus dem 18./19. Jahrhundert, die Cremon, eine Straße,
in der es früher Speicher und
Wohnhäuser mit einer Fleet- und
Straßenfront gab, was besonders
für den Ab- und Antransport der
Handelsgüter sowohl auf dem
Wasser- als auch auf dem Landweg
geeignet war, die Deichstraße, eine
alte Kaufmannsstraße mit Kontorund Wohnhäusern aus dem 17.–
19. Jahrhundert mit sehr guten
Restaurants und Kneipen, die Peterstraße mit wiederaufgebauten
Alt-Hamburger Bürgerhäusern sowie die kleineren restaurierten
Fachwerkspeicher der Reimerstwiete Nr. 17–21 aus der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts.
*
Der wichtigste Barockkirchenbau
Norddeutschlands ist die Hauptkirche St. Michaelis, die von 1751
bis 1762 erbaut wurde. Der 132
Meter hohe Turm, der „Michel“, ist
das Wahrzeichen der Stadt Hamburg. Von seiner Besucherplattform aus hat man einen schönen
Blick auf Hafen und Stadt. Außerdem trägt der Michel die größte
Turmuhr Deutschlands mit Ziffer-
blättern mit mehr als 24 Metern
Umfang. Jeden Tag ist um 10 und
21 Uhr das Turmblasen angesetzt.
*
Nahe beim Michel liegen die Krameramtswohnungen aus dem 17.
Jahrhundert. Eine dieser Wohnungen ist als Museum umfunktioniert worden und zu besichtigen:
Krayenkamp 10/11, 20459 Hamburg, Öffnungszeiten: Di–So, 10–
17 Uhr, Tel. 0 40/4 28 41 23 60
*
Begibt sich jemand auf die große
Hafenrundfahrt, dann startet er
an den Landungsbrücken, dem
Hamburger Wasserbahnhof. Von
der 700 Meter langen Anlegestelle
aus schippern Fähren und Dampfer nach Finkenwerder, Övelgönne
und Blankenese. Drumherum gibt
es Andenken-Shops und urige
Fischrestaurants, in denen Köstlichkeiten wie frische Kutterschollen oder Nordseekrabben auf den
Tisch kommen.
*
Die Speicherstadt von Hamburg
ist der größte zusammenhängende
Lagerhauskomplex auf der Welt.
Sie liegt zwischen Deichtorhallen
und Baumwall im Freihafen und
fällt auf durch die wilhelminische
Backsteingotik der Gründerzeit
und durch seltsam anmutende
Giebel und Türmchen. Wertvolle
Güter werden dort gelagert wie
Kaffee, Tee, Gewürze, Kakao,
Tabak, aber auch Computer und
Orientteppiche. Ein Museum gibt
Einblick in die heutige Arbeit der
Speicherstadt, die – 800 Scheinwerfer machen’s möglich – mit
Einbruch der Dunkelheit anfängt,
zu erleuchten.
*
Eine heiße Meile ist die Reeperbahn in St. Pauli zwar immer noch,
aber ihr Bild hat sich seit einigen
Jahren doch verändert. Auf kleinstem Raum drängen sich dort etwa
400 Gastronomiebetriebe, von denen viele rund um die Uhr geöffnet
haben. Nachteulen kommen hier
voll auf ihre Kosten. Musicaltheater, Diskotheken, Clubs und Bars
sorgen für Stimmung unter den
Kiez-Besuchern.
Alt Helgoländer Fischerstube
Fischmarkt 4
22767 Hamburg
Tel.: 0 40/3 19 46 96
Fax: 0 40/3 19 31 39
Öffnungszeiten: tgl. 12–24 Uhr
(Küche: 12–22 Uhr)
Die „Alt Helgoländer Fischerstube“ liegt direkt am Fischmarkt.
Das Restaurant mit seinem stilvollen und maritimen Ambiente
ist Anlaufpunkt für Liebhaber der
exquisiten Fischküche und Treffpunkt der Reeder, Kapitäne,
Schiffsmakler und anderer Hamburger Geschäftsleute. Genießen
Sie die berühmte Hamburger Aalsuppe, eine Helgoländer Bouillabaisse oder eine Helgoländer
Krebsrahmsuppe, zum Hauptgang dann ein Rotzungenfilet, ein
Lachsfilet, oder Medaillons vom
Seeteufel..., um nur eine kleine
Auswahl der Speisen zu nennen.
Selbstverständlich gibt es typische norddeutsche Gerichte wie
Matjes, Labskaus und Scholle.
Von der Terrasse aus blickt man
auf die Elbe, den Hafen und den
Marktplatz.
Warsteiner Elbspeicher
Große Elbstraße 39
22767 Hamburg/St. Pauli
Kalender
Dialog im Dunkeln
Öffnungszeiten: Di–Fr 9–17
Uhr, Sa/So/Feiertags 11–19
Uhr, Mo geschlossen
Kurze Tour ca. 60 Min.,
lange Tour ca. 90 Min.
Speicherstadt, Alter Wandrahm 4
Natur ganz Kunst
16.01.04 – 16.01.05
Öffnungszeiten: Di–So 10–18
Uhr, Do 10–21 Uhr
Museum für Kunst und
Gewerbe
liebe.komm – Botschaften
des Herzens
25.03.04–9.01.05
Öffnungszeiten: Di–So 9–17
Uhr
Museum für Kommunikation
Im Garten von Max Liebermann
11.06.–26.09.04
Öffnungszeiten: Di–So 10–18
Uhr, Do 10–21 Uhr,
Mo geschlossen
Hamburger Kunsthalle
Miss Berlin
24.07.–12.09.04
Komödie Winterhuder Fährhaus
Hamburger Stadtgeflüster –
Ein inszenierter Stadtspaziergang
13.08.–16.10.04
Jeden Fr+Sa um 21 Uhr, ab
1.10.04 um 20 Uhr
Route: Treffpunkt am Michel
(Rückseite, Eingang Nr. 4) –
Krameramtsstuben - Michaelisbrücke - Stadthausbrücke vorbei am Rödingsmarkt Alte Börse - Nikolaikirchturm
- Hopfenmarkt - Deichstraße
Hamburg, Innenstadt
Tel.: 0 40/38 22 42
Fax: 0 40/38 61 07 22
Öffnungszeiten: Mo–Fr 11–24 Uhr,
Sa ab 11 Uhr, So ab 9 Uhr, Restaurant-Küchenzeiten: Mo–So 12–22
Uhr
Im alten, sanierten Elbspeicher
befinden sich ein Restaurant und
ein Bistro. Vom Restaurant im
ersten Stock aus hat der Gast einen schönen Blick auf den Hamburger Hafen und die Elbe. Die
Speisekarte bietet Fisch in allen
Variationen, aber auch verschiedene Fleischgerichte. Im Außenbereich gibt es einen Biergarten
und eine Terrasse mit 80 Plätzen.
Friesenkeller
Jungfernstieg 7/Ecke Alsterarkaden
20354 Hamburg
Tel.: 0 40/35 76 06 20
Fax: 0 40/34 23 85
Öffnungszeiten: tgl. von 11.30–24
Uhr
Norddeutsche Spezialitäten, Deftiges aus Friesland, Suppen, Salate, Fleisch und natürlich Fisch
von der Emder Fischpfanne bis
zur Greetsieler Kutterfischerplatte, das ist die Friesische Antwort auf die Hamburgische Gastronomieszene.
Das Feuerschiff
im City Sporthafen
Vorsetzen
20459 Hamburg
Tel.: 0 40/36 25 53
Fax: 0 40/36 25 55
Öffnungszeiten: tgl. (Rezeption: 9–
19 Uhr, Turmbar: Mo–Sa 11–1 Uhr,
So 9.30–22.30, Restaurant: Mo-Fr
18-22 Uhr, Sa 12–22 Uhr,
So 10–17 Uhr)
In der Leuchtturmbar und im
Restaurant werden warme und
kalte Speisen von 12 bis 22 Uhr
serviert. Das gehobene Angebot
besteht aus deutschen und internationalen Gerichten. Sonntags
gibt es ab 10 Uhr Frühstück.
Restaurant Calla
im Steigenberger Hamburg
Heiligengeistbrücke 4
20459 Hamburg
Tel.: 0 40/3 68 06-0
Fax: 0 40/3 68 06-77 7
Öffnungszeiten: Di–Sa 18–23 Uhr;
So, Mo und an Feiertagen geschlossen
Kreative Verquickung von europäischer und asiatischer Küche.
Das Ambiente ist stimmungsvoll
und der Gast blickt auf das Alsterfleet mit vorbeigleitenden Barkassen.
Fotos: Hamburg Tourismus GmbH
Maximal 2,50 Meter tief ist die
Alster, der bekannte künstliche
See mitten in Hamburg. Mit seiner
doch beträchtlichen Größe von
160 Hektar bietet er Bootsfans eine
weite Fläche zum Rudern, Paddeln
oder Segeln. Wem die dazu passenden Boote zu klein sind, der
kaufe sich ein Ticket für den Alsterdampfer, der am Jungfernstieg
startet und sich von dort seinen
Weg über den See bahnt. Die Passagiere haben dabei einen schönen
Blick auf die Silhouette von Hamburg. Wer lieber zu Fuß geht, und
dabei den Weg um den See nimmt,
wird auch mit einer schönen Ansicht – nämlich der auf den See –
belohnt. Nach diesem benannt ist
auch das „Alsterwasser“, ein sehr
erfrischendes Getränk aus Bier und
süßem Sprudel.
*
Current congress
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