PH-Folien

Werbung
Vereinbarkeit von
Wirklichkeitskonstruktionen
Wirklichkeitskonstrukt der
helfenden
Erwachsenen
Wirklichkeitskonstrukt des
Jugendlichen
Ziele
Hilfestellung
Hilfebedarf
Auffälligkeiten
= negativ
Widerstand
= Entwicklungsaufgabe
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
1
Wirklichkeiten des Jugendlichen
kindliche
Wirklichkeit
„neue“
jugendliche
Wirklichkeit
Wirklichkeit
der
psychischen
Erkrankung
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
2
Entwicklungsaufgaben (Remschmidt)
Grundschulalter
8-11 Jahre
Freundschaften
Soziale Kooperation (Arbeit in der Gruppe)
Kulturtechniken (Lesen, Schreiben)
Körperliche und schulische Kompetenz und Selbstbewusstsein (leistungsfähig, fleißig, tüchtig)
Arbeitshaltung
Pubertät
12-14 Jahre
Auseinandersetzung mit körperlichen Veränderungen
Auseinandersetzung mit psychischen Veränderungen
Abstrakt-formales Denken
Introspektionsfähigkeit
Mittlere Adoleszenz
15-17 Jahre
Gemeinschaft mit Gleichaltrigen
(hetero)sexuelle Beziehungen
Auseinandersetzung mit moralischen Prinzipien
Stabilisieren der Geschlechtsrollenidentität
Späte Adoleszenz
18-21 Jahre
Ablösung von den Eltern
Stabilisierung eines internalisierten moralischen
Bewusstseins
Berufswahl
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
3
Anforderungen an Mitarbeiter
• Aneignung von spezifischem Fachwissen über die
Störung bzw. enge Kooperation mit Experten.
• Gute Kooperation mit anderen Berufsgruppen, mit
klarer Definition, wessen Aufgabe was ist.
• Klare Haltung und Definition der eigenen Rolle.
• Es gibt keinen „one best way“.
• Vorbild sein, an dem sich der Jugendliche
orientieren kann.
• Gute Kommunikationsmöglichkeiten entwickeln.
• Gut mit den eigenen Grenzen umgehen.
• Akzeptieren: man kann nicht alle retten.
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
4
Affektive Störungen (ICD-10 F30-F39)
- F30 manische Episode: Ein Zustand intensiver, aber
unbegründet gehobener Stimmung, die sich in
übersteigerter (oft sinnloser) Aktivität, Rededrang,
sprunghaftem Denken, Distanzlosigkeit, Ablenkbarkeit
und unrealistischen Plänen äußert.
- F31 bipolare affektive Störung: abwechselnd
depressive und manische Phasen
- F32 depressive Episode: sind gekennzeichnet durch
Antriebs- und Hoffnungslosigkeit / pessimistische
Stimmung.
- F33 rezidivierende depressive Störungen
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
5
Depression: Symptome
•
•
•
•
•
•
•
•
•
gedrückte Stimmung
Interessenverlust
Freudlosigkeit
Verminderung des Antriebs
Konzentrations- und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten
negativer Selbstwert
negative Zukunftsperspektiven
Schlaf- und Appetitstörungen
Typisch für das Jugendalter:
▫
▫
▫
▫
Erhöhte Reizbarkeit
Motorische Unruhe
„Gequältsein“
Alkoholmissbrauch/Cannabisabusus
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
6
Depression: Warum wird sie oft
übersehen?
• Gefühlswelt schwer beobachtbar
• Verhaltensauffälligkeiten sehen im Vordergrund
• Angst der Betroffenen und Familien vor Diagnose: „Ich
bin doch nicht verrückt.“
• Erscheinungsbild unterscheidet sich oft stark
• Abgrenzung von „normaler“ Entwicklung schwierig
• „Reiß Dich doch zusammen.“
• Depression braucht keine Behandlung, geht von alleine
wieder weg
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
7
Depression: Ursachenfaktoren
Biologische
Faktoren
Psychische
Faktoren
Soziale
Faktoren
Genetische Faktoren
Negative
Denkmuster
Familiäre
Bedingungen
Geringe soziale
und Problemlösefähigkeiten
Lebensumstände
Biochemische
Mechanismen im
Gehirn
Persönlichkeit
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
Kontakt zu
Gleichaltrigen
8
Depression: Ursachenfaktoren
Biologische
Faktoren
Psychische
Faktoren
Soziale
Faktoren
Vulnerabilität /
Verletzlichkeit
Auslöser
Stress
Depression
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
9
Das erste Kernproblem…
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
10
Das zweite Kernproblem…
A
Auslösende Situation
activating event
Die Freundin ruft nicht
an.
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
B
C
Bewertung /
Automatische Gedanken
belief
Konsequenzen
Gefühle / Stimmung
consequences
Sie hat mich fallen
lassen, sie mag mich
nicht mehr.
Ich bin
niedergeschlagen,
traurig.
11
Schizophrenie ICD-10 F20: Phasen
• Prodromalphase: unspezifische Symptome
• Zwischenphase: psychosetypische Symptome in
abgeschwächter Form
• Akute Phase: volle psychosetypische
Symptomatik, Plus- und Minussymptome
• Residuum: Restsymptomatik oder keine
Symptome
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
12
Mögliche Symptome in der Prodromalphase
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Ruhelosigkeit, Nervosität
Schlafstörungen
Anspannung, Irritierbarkeit
Leistungsabfall
Konzentrationsstörungen
Gedächtnisstörungen
Ängste
Gefühl, nicht verstanden zu werden
Gefühl der Überforderung
Sozialer Rückzug
Sich nicht freuen können
Reizbarkeit, Aggressivität
Schwierigkeiten mit komplexen Aufgaben und
Handlungen
Zwangsgedanken / -handlungen
Antriebsverlust, Motivationslosigkeit
Zukunftsängste
Soziale Unsicherheit
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Humorlosigkeit
Entscheidungsschwierigkeiten
Schwierigkeiten mit abstrakten Ideen und
Begriffen
Verlangsamung
Körperliche Beschwerden
Veränderung der Ernährung
Veränderung der Kleidung
Mangelnde Körperhygiene
Starek Beschäftigung mit religiösen,
mystischen und philosophischen Themen
Selbstversunkenheit
Innere Leere
Stimmungsschwankungen
Suizidgedanken
Gefühl des Kontrollverlustes
…
13
Mögliche Symptome in der Zwischenphase
• Gedankeninterferenz: Schwierigkeiten, einen Gedanken zu Ende zu
denken, da immer wieder andere Gedanken dazwischen schießen.
• Gedankenblockade: Schwierigkeiten, überhaupt einen Gedanken zu
entwickeln und zu halten
• Perseverieren: ständiges Wiederholen eines Gedankens oder eines
Themas
• Eigenbeziehungstendenz: Ereignisse in der Umgebung werden auf
sich selbst bezogen. Alles was geschieht, steht in Beziehung zu
einem selbst.
• Wahrnehmungsveränderungen: Das normale Sehen, Hören, Fühlen,
Riechen, Schmecken verändert sich und ist immer wieder gestört.
Gegenstände verändern etwa ihre Form, Farben werden anders
gesehen oder alles wird von neuartigen Gerüchen begleitet.
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
14
Mögliche Symptome in der Akutphase
• Gedanken und Sprache (formale Denkstörung, inhaltliche
Denkstörung, wirre, zerfahrene Sprache)
• Wahrnehmung (Halluzinationen jeder Sinnesmodalität,
Derealisation, Depersonalisation)
• Wahn und Bedeutungsgebung
• Gefühle
▫ Leere, Dumpfheit und Gleichgültigkeit bis hin zur Apathie
▫ Übermütig gehobene Stimmung, läppisch oder künstlich
• Bewegung (Reduzierte Bewegung, Verharren in bestimmten
Körperhaltungen (Katatonie), Bewegung gegen Wiederstand,
„wächserne Biegsamkeit“)
• Verhalten (richtet sich am Denken, erleben und Wahrnehmen aus)
• Der Verstand an sich bleibt weitgehend erhalten, die Jugendlichen
merken, dass Seltsames geschieht!
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
15
Typischer Verlauf
aus: Bäuml & Lambert. Psychosen erkennen, verstehen und behandeln.
16
Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Genetische
Grundausstattung
Stress
Erkrankungen der
Mutter während der
Schwangerschaft
Störung der
Hirnreifung
Sauerstoffmangel bei
der Geburt
Vulnerabilität
Psychose
Schwere
Erkrankungen in der
Kindheit
Häufiger
Cannabiskonsum in
der frühen Jugend
…
17
Vulnerabilitätsfaktoren 1
•
Klinisch
▫
▫
▫
▫
▫
•
Verhaltensbezogen
▫
▫
•
Persönlichkeitsstörung Cluster A
Schizotypie des Betroffenen oder in der Familie (z. B. Introvertiertheit, Selbstbezogenheit, Probleme bei der
Beziehung zu anderen Menschen)
Familiäre Belastung mit einer Schizophrenie-Spektrumsstörung
Diagnose einer psychischen Störung im Kindes- und Jugendalter
Asperger-Syndrom
Frühe Entwicklungsstörungen mit Defiziten im rechtzeitigen Laufen und Sprechen, im Temperament
Auffälligkeiten vor der Prodromalphase (=prämorbid) inklusive kognitiver Defizite mit entsprechenden
Verhaltensauffälligkeiten, neuromotorische Dysfunktionen, geringe emotionale Ausdrucksfähigkeit, soziale
Kompetenzdefizite, Antriebsschwäche, schulische und funktionelle Defizite
Umweltbezogen
▫
▫
▫
Psychosozialer Stress inklusive negatives emotionales Klima, niedriger sozioökonomischer Status, instabiles
Erziehungsumfeld
Schwangerschafts-, Geburts- und Stillzeitfaktoren inklusive Maserninfektion der Mutter in der
Schwangerschaft, Infektion der Mutter im sechsten Schwangerschaftsmonat, schlechte Ernährung der Mutter
während der Schwangerschaft, Drogen- oder Alkoholgebrauch der Mutter während der Schwangerschaft,
Frühgeburt, Sauerstoffmangel des Säuglings unter der Geburt, niedriges Geburtsgewicht
Cannabiskonsum vor dem 15. bis 18. Lebensjahr
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
18
Vulnerabilitätsfaktoren 2
•
Anatomisch / neuroanatomisch
▫
▫
•
Chemisch
▫
▫
▫
•
Defizite in langsamen Augenbewegungen
Neurologische Softsigns wie z. B. Tremor (Händezittern) oder EEG-Veränderungen
Perzeptiv-kognitiv
▫
•
Genetische Belastung , jedoch keine sicheren Angaben zu Anzahl und Art der betroffenen Gene
Motorisch
▫
▫
•
Dopaminerge Hypoaktivität im mesokortikalen und Hyperaktivität im mesolimbischen System
Veränderungen anderer Neurotransmitter inklusive Glutatmat, Serotonin etc.
Veränderungen der Verfügbarkeit verschiedener Neurotransmitterrezeptoren
Genetisch
▫
•
Abweichungen in der Hirnstruktur inklusive Erweiterungen der lateralen Ventrikel und der
Basalganglienkerne, Veränderungen des limbischen Systems, Volumenverkleinerung verschiedener
Hirnregionen
Verletzung oder Infektion des Gehirns in der Vorgeschichte
Defizite in verschiedenen neuropsychologischen Bereichen wie z. B. Vigilanz, Antwortbereitschaft bei
einfachen Reaktionstests, selektive Aufmerksamkeit, frühe Informationsverarbeitung, visuell-räumliche und
sensorisch-motorische Informationsdefizite, Assoziationslockerung, Defizite in der Diskrimination
mehrdeutiger Stimuli
Neuropsychologisch
▫
▫
Niedriger IQ
Dyslexie
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
19
Dopaminungleichgewicht
aus: Bäuml & Lambert. Psychosen erkennen, verstehen und behandeln.
20
Patientenaufklärung
aus: Bäuml & Lambert. Psychosen erkennen, verstehen und behandeln.
21
Therapierationale
Medikamentöse
Therapie
Psychosoziale
Maßnahmen
Psychotherapie
aus: Bäuml & Lambert. Psychosen erkennen, verstehen und behandeln.
22
Abgrenzung: Selbstverletzung / Suizid
Autoaggression
Automutilation
(nicht-suizidales autoaggressives
Verhalten)
Selbstverletzendes
Verhalten im
engeren Sinn
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
Suizidales und
parasuizidales Verhalten
Artifizielle Störungen
(Automanipulation
von Erkrankungen)
23
Formen der Selbstverletzung
•
•
•
•
•
•
•
Schneiden (72 %)
Verbrennungen zufügen (35 %)
Sich selbst schlagen (30 %)
Wundheilung verhindern (22 %)
Sich schwer die Haut zerkratzen (22 %)
Haare ausreißen (10 %)
sich Knochen brechen (8 %)
(Favazza & Conterio, 1989)
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
24
Funktionen Selbstverletzenden Verhaltens
(Petermann und Winkel, 2005)
• Selbstregulation
▫
▫
▫
▫
Eigene Gefühle sichtbar machen
Regulation von Gefühlen
Selbstbestrafung / Selbstfürsorge
Selbstverletzung und Identität
• Bewältigung von belastenden Lebensereignissen
▫ Ereignisse aus der Vergangenheit
▫ Aktuelle Ereignisse
▫ Bewältigung von Dissoziationen
• Soziale Funktion
▫
▫
▫
▫
▫
Kommunikation über Gefühle
Erhalt von Aufmerksamkeit und Zuwendung
Regelung von Nähe und Distanz
Soziale Beeinflussung und Kontrolle
Ausdruck von Gruppenzugehörigkeit
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
25
Problembereiche der Borderline-Störung
• Affektregulation: hohes Erregungsniveau, niedrige Reizschwelle,
langsame Rückbildung, phasenweise emotionale Taubheit
• Selbstbild: „Ich weiß gar nicht, wer ich bin.“, „Ich bin der letzte
Dreck.“
• Psychosoziale Integration: „Ich bin ganz anders, als alle
anderen.“, „Ich gehöre gar nicht auf diese Welt.“
• Kognitive Funktionsfähigkeit: z.B. paranoide Denkmuster („Alle
sind gegen mich.“), depressive Denkmuster („Es ist schrecklich,
so wie es ist und wird nie besser werden.“), Alles-oder-nichtsDenken (z.B. wird der Partner entweder völlig idolisiert oder ist
der letzte Dreck)
• Verhalten: Selbstverletzendes Verhalten, Hochrisikoverhalten,
Störung des Ess- und Trinkverhaltens, Substanzmissbrauch
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
26
Biosoziales Modell der Borderlinestörung
Biologisch
bedingte
Empfindlichkeit
(Gene)
Negative
Erfahrungen
Non-validierendes
Umfeld
Emotionale
Instabilität
Dysfunktionales
Verhalten
Dysfunktionale
Glaubenssätze
Emotionale
Instabilität
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
27
„Selbstverletzungsalternativen“
Sport: Trimm-Dich-Rad, Springseil, Hula-Hup-Reifen, Jonglierbälle, Teller balancieren,
joggen, Stepper, tanzen, Trampolin, Fahrradfahren, Badminton, Ballspiele,
Tischtennis, Sackhüpfen, Gummitwist, Diabolo, boxen, jonglieren
Fühlen: Eiswürfel, Coolpacks, Igelbälle, Wechselduschen oder Bäder, Tannennadel,
Gummiband (ums Handgelenk tun und flitschen lassen), runder Stein im Schuh
Hören: Rhythmen nachschlagen, Weckerklingel, laute Musik oder Entspannungsmusik,
Hörspiele
Sehen: Fernsehen, Autos oder Menschen beobachten, im Internet stöbern
Schmecken: Eis, Peperoni, Chilischoten, Tabasco, Shock-Kaugummi (sauer oder
scharf), Brausetablette im Mund zergehen lassen (nicht runterschlucken!), Salz,
Pfeffer, scharfe Zahnpasta, Fishermen's Friend, Airwaves, Zitrone, salzige oder bittere
Dinge (Bitter Lemon), Senf
Riechen: kräftige, starke Gerüche, Essig, Ammoniak, Riechöl (gibt es in Apotheken zu
kaufen), verschiedene Duftöle, Zitrone, Gewürze, Reinigungsmittel
Sich etwas Gutes tun: Theaterbesuch, Kinobesuch, Konzertbesuch, Einkaufen
Verschiedene Strategien der Ablenkung: Hirn-Flick-Flacks (z.B. Tierketten bilden
"AmseL LuchS SchlangE ElephanT Tiger ...), „noch 5 Minuten...“, Kreuzworträtsel,
Zauberwürfel, Mikado, Spiele, backen, Instrument spielen, singen, schreiben,
puzzeln, putzen, abwaschen, Ruhebild, Momenttagebuch
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
28
Suizidalität im Kindes- und Jugendalter Definition
• Suizid: Selbst intendierte Handlung mit tödlichem Ausgang
• Suizidversuch: Handlung mit nicht-tödlichem Ausgang, bei der
ein Individuum entweder gezielt ein nicht-habituelles Verhalten
zeigt, das ohne Intervention von dritter Seite eine Selbstschädigung bewirken würde, oder absichtlich eine Substanz in einer
Dosis einnimmt, die über die verschriebene oder im Allgemeinen
als therapeutisch angesehene Dosis hinausgeht und die zum Ziel
hat, durch die aktuellen oder erwarteten Konsequenzen
Veränderungen zu bewirken (WHO).
• Parasuizidale Gedanken und Affekte: verbale und nichtverbale Anzeichen, die direkt oder indirekt Beschäftigung mit
Selbsttötungsideen anzeigen ohne Verknüpfung mit Handlungen.
Suizidalität ist ein Symptom – keine Diagnose!
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
29
Suizid: Methoden
• Harte Methoden (Erhängen, Erschießen, Erstechen,
Sprung aus der Höhe, Legen/Werfen auf Bahnschienen,
Ertrinken, Strom)
• Weiche Methoden (Einnahme von Substanzen wie
Medikamente oder Drogen, Schnittverletzungen,
Einatmen von Gas)
• Verbale Ankündigungen (Hilferuf, Appell, Drohung)
• Präsuizidales Syndrom (affektive Einengung,
Aggressionsstau, Wendung der Aggression gegen die
eigene Person, parasuizidale Phantasien).
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
30
Suizid – Schweregradeinteilung nach äußeren
Kriterien
Hoher Schweregrad: harte Methoden, hohe Substanzdosis, gezielte
Auswahl oder Hortung gefährlicher Substanzen mit objektiver
Gefährdung, Wirkung des Mittels subjektiv als sicher
lebensgefährlich eingestuft und auch objektiv gefährlich,
lebensrettende Entdeckung unwahrscheinlich, geringer
apellativer Aspekt.
Mittlerer Schweregrad: vorwiegend weiche Methoden, mittlere
Substanzdosen, vorwiegend subjektive Gefährdung,
lebensrettende Entdeckung möglich, appellative Aspekte
vorhanden.
Leichter Schweregrad: weiche Methoden, niedrige Substanzdosen,
Substanzen mit niedriger Gefährdung, lebensrettende
Entdeckung wahrscheinlich, ausgeprägter appellativer Aspekt.
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
31
Suizid – wie häufig kommt das vor?
• 2006 starben in Deutschland insgesamt 12256
Menschen durch Suizid, davon
▫ 3 in der Altersgruppe unter 10 Jahren
▫ 46 in der Altersgruppe 10 – 15 Jahre
▫ 276 in der Altersgruppe 15 – 20 Jahre
▫ 470 in der Altersgruppe 20 – 25 Jahre
• Erfolgreiche Suizide: Jungen > Mädchen
• Suizidversuche: Jungen < Mädchen
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
32
Suizidmodelle
Psychische, biologische und
soziologische Ausgangsbedingungen
Psychische, biologische und
soziologische Ausgangsbedingungen
Lebensgeschichtliche Entwicklung
Lebensgeschichtliche Entwicklung
„Psychisch gesunde“ Persönlichkeit,
jedoch:
Genese einer psychischen
Erkrankung (Hoffnungslosigkeit,
Bedrohtheitsgefühle, Wahn,…)
Selbstdestruktiver
Konfliktbewältigungsstil,
depressiver Attributionsstil, Neigung
zur Selbstabwertung, Gefühl von
existentieller Lebensunfähigkeit
Selbstdestruktiver
Konfliktbewältigungsstil,
depressiver Attributionsstil, Neigung
zur Selbstabwertung, Gefühl von
existentieller Lebensunfähigkeit
„Auslöser“
„Auslöser“
Krise und Suizidalität
Psychische Erkrankung (akut /
chronisch) mit Suizidalität
Krankheitsmodell nach Wolfersdorf, 2004
Krisenmodell und Krankheitsmodell nach Wolfersdorf, 2004
Langfristige Risikofaktoren für suizidales
Verhalten
• Lebensereignisse
▫ Verlust wichtiger
Bezugspersonen
▫ Schulverweis / -auschluss
• soziales Netzwerk
▫ Nicht gut gehalten in der
Familie
▫ keine Familie
• Suizidmodelle
▫ in der Familie, im
Bekanntenkreis
▫ in den Medien
• Affektiver Stil
• Somatische Faktoren
▫ schlechte Gesundheit
• Interpersonelle Faktoren
▫ geringe soziale Unterstützung
▫ geringe Wahrscheinlichkeit,
Hilfe zu suchen und
anzunehmen
• Generelle Faktoren
▫ vorausgegangene parasuizidale
Handlungen
▫ Alkohol- / Drogenmissbrauch
• Kognitiver Stil von
Hoffnungslosigkeit
▫ depressiv
▫ gleichgültig
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
34
Akute Anzeichen, die auf Selbstmordgedanken
hinweisen:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Änderung der Ess- und Schlafgewohnheiten;
Rückzug von Freunden, sowie familiären und normalen Aktivitäten;
Gewalttätigkeit, rebellisches Verhalten oder Weglaufen;
Konsum von Drogen und Alkohol;
ungewohnte Vernachlässigung der persönlichen Erscheinung;
Veränderungen der Persönlichkeit;
Andauernde Langeweile, Konzentrationsschwierigkeiten oder Nachlassen der schulischen
Leistungen;
Häufiges Klagen über körperliche Symptome (Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Müdigkeit)
Nachlassendes Interesse an Aktivitäten, die Vergnügen bereiten;
Die Jugendlichen können es schlecht aushalten, gelobt zu werden oder Geschenke zu bekommen.
Äußerungen, dass sie das Gefühl haben innerlich zu "verfallen" oder "zugrunde zu gehen";
Hinweise in Form von: "Ich mache euch nicht mehr lange Schwierigkeiten", "es hat alles keinen
Sinn" oder "Ich werde euch nicht mehr sehen".
Sie bringen ihre Sachen in Ordnung, z.B. geben geliebte Gegenstände weg, reinigen ihr Zimmer,
usw.;
Cave: Wenn ein Kind oder Jugendlicher die feste Absicht gefasst hat, sich umzubringen, kann
auch fröhliche, fast euphorische Stimmung nach einer depressiven Episode auftreten!
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
35
Störung des Sozialverhaltens
• Ist charakterisiert durch ein sich wiederholendes, andauerndes
Muster an dissozialem, aggressivem, aufsässigem Verhalten und der
Verletzung altersentsprechender sozialer Erwartungen und Normen
▫ Extremes Streiten / Tyrannisieren
▫ Grausamkeit gegenüber Tieren oder Menschen
▫ Stehlen
▫ Lügen
▫ Zerstören von anderem Eigentum
▫ Feuerlegen
▫ Schule schwänzen
▫ Weglaufen
▫ Ungewöhnlich häufige und schwere Wutausbrüche
• Dauer > 6 Monate
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
36
Störung des Sozialverhaltens: Untergruppen
• F 91.0: auf den familiären Rahmen beschränkt (abnormes Verhalten ist auf
den häuslichen Rahmen oder auf die Interaktion mit Familienmitgliedern beschränkt,
aber normale soziale Bindungen außerhalb, regelkonformes Verhalten außerhalb)
• F 91.1: SSV bei fehlenden sozialen Bindungen (keine Einbindung in „peer
group“, Fehlen enger Freunde und dauerhafter Beziehungen, Zurückweisung durch
andere, Isolation, aggressive Übergriffe werden meist alleine begangen)
• F 91.2: SSV bei vorhandenen sozialen Bindungen (gute Einbindung in „peer
group“, oft besteht „peer group“ aus delinquenten oder dissozialen Kindern /
Jugendlichen, Beziehungen zu Autoritätspersonen sind konfliktbelastet)
• F 91.3: SSV mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten (Beginn meist vor
9./10. LJ., aufsässiges, ungehorsames, trotziges Verhalten (geringe
Frustrationstoleranz, schnell ärgerlich, Missachtung von Regeln und Anforderungen
etc.), Fehlen schwerer aggressiver und dissozialer Verhaltensweisen, die das Gesetz
oder die Rechte andere verletzen)
• F92: kombinierte Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen
(Kombination von andauerndem aggressiven, dissozialen oder aufsässigen Verhalten
mit deutlichen Symptomen von Angst, Depression oder sonstigen emotionalen
Störungen Schweregrad muss Kriterien der einzelnen Störungen (F91, F4 oder F3)
erfüllen)
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
37
•
Störung des Sozialverhaltens: Verläufe
• Life course persistent
▫ Earlystarter (Beginn
aggressiven Verhaltens im
Vorschulalter)
▫ Schwieriges, impulsives
Temperament
(Hyperaktivität)
▫ Ungünstige Eltern-KindInteraktion (erpresserischeskalierende)
▫ Psychosozial hoch belastete
Familien
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
• Adolescence limited
▫ Beginn im Jugendalter
▫ Bleibt auf das Jugendalter
beschränkt
38
Störung des Sozialverhaltens: Verlauf
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
39
Störung des Sozialverhaltens:
Geschlechtsunterschiede
• Jungen:
▫
▫
▫
▫
Körperliche, offen direkte Formen
Instrumentelle Aggressionen mit egoistischen Absichten
Starkes Dominanzstreben in Gruppen
Begrenzte soziale Fertigkeiten zur Konfliktlösung
• Mädchen:
▫ Hinterhältig verdeckte Formen
▫ Emotional motivierte Aggression (aufgrund Verlust von
Selbstkontrolle)
▫ Relationale Aggression (Beziehungsaggression)
▫ Differenzierte soziale Fertigkeiten, die aggressives
Verhalten reduzieren können
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
40
Störung des Sozialverhaltens: Ursachen
•
Biologische Faktoren (genetisch/physiologisch)
▫
▫
▫
•
Psychische Faktoren (kognitiv/emotional)
▫
▫
▫
▫
▫
▫
•
Geschlecht
Prä- und perinatale Risiken
Neurologische Funktionsstörungen
Schwieriges Temperament
Geringes, störbares Selbstwertgefühl
Unzureichende soziale Kompetenz
Unzureichende Impulskontrolle und Emotionsregulation
Verzerrte sozial-kognitive Informationsverarbeitung
Unzureichende Empathie
Soziale Faktoren (familiär/umweltbezogen)
▫
▫
▫
▫
▫
▫
▫
Schwaches sozioökonomisches Milieu
Unzureichende Erziehungskompetenz der Eltern
Unzureichende emotionale Unterstützung und Akzeptanz
Negative Erziehungspraktiken
Familiäre Stressbelastung
Erfahrene körperliche Misshandlung
Soziale Ablehnung durch Gleichaltrige
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
41
Störung des Sozialverhaltens: Therapie
• Mit dem Jugendlichen
▫
▫
▫
▫
▫
▫
Kognitive Verhaltenstherapie / Verhaltensanaysen
Problemlösetraining
Ärgerkontrolltraining / Selbstinstruktion
Soziales Kompetenztraining
Behandlung komorbider Störungen
Medikamentöse Behandlung (evtl. zur Verbesserung der Impulskontrolle)
• Mit den Eltern / Bezugspersonen
▫
▫
▫
▫
Herausarbeiten positiver Eigenschaften des Kindes
Familienregeln
Klare Grenzen / wirkungsvoll Anweisungen geben
Richtige Anwendung von Verstärkung (Tokensysteme, Auszeit)
Nicht: „Du machst, was ich sage!“
Sondern: „Ich mache, was ich sage!“
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
42
Gewaltloser Widerstand (Haim Ohmer)
•
•
•
Gewaltloser Widerstand
▫ Hartnäckigkeit und Standhalten gegenüber aggressiv gestellten Forderungen sowie die
Bereitschaft, alle Maßnahmen zu unternehmen, um schädlichen Handlungen des Jugendlichen
vorzubeugen
▫ Absolute Bereitschaft, auf physische oder verbale Gewalt zu verzichten
▫ Der Versuch, eine Lösung zu finden, in der der Jugendliche sich weder gedemütigt, noch
besiegt fühlt.
Prinzip des Aufschubes
▫ Reaktionen aufschieben / Zeit nehmen, um Reaktionen zu planen
▫ Sich nicht in die Eskalation hineinziehen lassen (nicht predigen, diskutieren oder drohen)
▫ Im Zweifelsfall schweigen, Schweigen ist keine Kapitulation
Sit-in
▫ „Wir können dein Verhalten nicht mehr ignorieren und wollen damit nicht mehr weiter leben.“
▫ „Wir sind hergekommen, um eine Lösung für da Problem zu finden. Wir bleien hier sitzen und
warten auf deinen Vorschlag, wie du dein Verhalten ändern willst.“
▫ Positiven Vorschlägen eine Chance geben, destruktive nicht akzeptieren, keine Vorschläge
nach einer Std. gehen, „Es ist noch keine Lösung gefunden“.
• Mobilisieren von Unterstützung
• Rundtelefonieren (elterliche Präsenz)
• Versöhnungsaktivitäten (bedingungslose Gesten)
Dr. Judith Arnscheid (Dipl.-Psych.)
43
Herunterladen