Psychoanalyse + Film Oktober 2013 März 2014 Melancholia Lars von Trier, DK/S/F/D 2011, 136‘ dt.U. mit Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland, Charlotte Rampling Justine und Michael feiern ihre Hochzeit mit einem rauschenden Fest auf dem Landsitz von Schwester und Schwager der Braut. Währenddessen nähert sich der riesige Planet Melancholia immer weiter bedrohlich der Erde... Ein wunderschöner Film über das Ende der Welt - wer außer Lars von Trier würde sich auf so ein waghalsiges Unterfangen einlassen? Der seit Jahren für seinen Mut und seine Risikobereitschaft gefeierte Regisseur legt mit Melancholia erneut ein Meisterwerk vor, mit dem er ganz neue Wege beschreitet und sein Publikum abermals überrascht. Einmal mehr blickt der mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Däne, dabei mit seinem bildgewaltigen und emotional schonungslosen Drama, das im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes seine Weltpremiere feierte, tief in die seelischen Abgründe und Ängste seiner ungleichen Protagonistinnen. (...) Concorde Melancholia hat seit seinem Erscheinen vor zwei Jahren eine Vielzahl von Interpretationen erfahren: als grandiose Inszenierung einer depressiven Suizidphantasie, als existenzielle Konfrontation des Zuschauers mit der Unvermeidbarkeit des Todes in einer Gesellschaft, in der es keine Hoffnung auf ein Jenseits mehr gibt, bis hin zur Darstellung der apokalyptischen Vernichtung der Erde, mit der die optimistischen Prognosen der Wissenschaft ad absurdum geführt werden. Primärprozesshaft entworfen sind sie alle bereits in dem Traum Justines, der den Vorspann des Films bildet und mit faszinierenden, in Zeitlupe gedrehten Bildern die dramatische Filmhandlung vorweg nimmt. Ich möchte meine Sicht von Melancholia aus der psychoanalytischen Analyse dieses Traums heraus entwickeln und den Film zusammen mit Ihnen einer psychoanalytischen Betrachtung unterziehen. Anschließend Referat und Diskussion mit Prof. Dr. Christa Rohde-Dachser Mo. 7. Oktober 2013|19.30 Uhr Barbara Christian Petzold, Deutschland 2012, 105‘ mit Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Rainer Bock, Christina Hecke, Jasna Fritzi Bauer Barbara, eine Ärztin, hat einen Ausreiseantrag aus der DDR gestellt, während ihr Geliebter Jörg im Westen ihre Flucht vorbereitet. Als Folge des Gesuchs wird Barbara von Berlin in ein Provinzkrankenhaus strafversetzt, wo sie unter ihrem neuen Chef Andre in der Kinderchirurgie arbeitet. Der Mann verwirrt sie - mit seiner Freundlichkeit, seiner Fürsorge, seinem Verständnis. Ist er ein Spitzel? Ist er in sie verliebt? Barbara beginnt den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie ist sich über nichts mehr im Klaren: ihre Flucht, ihre Liebe, ihre Pläne. kino.de Der Film über eine Frau und einen Mann aus der DDR erzählt eine in seinem Verlauf überraschende Geschichte. Barbara will in den Westen und nimmt dafür Gefängnis, Demütigung und Schikane in Kauf. André will bleiben, arrangiert sich und träumt eher von der Freiheit. Der Film zeigt, wie sich das Äußere in der Innenwelt der beiden Ärzte und ihrer kleinen Patienten entfaltet, verwickelt und entwickelt. Wir erleben, wie aus zunächst paranoidem Misstrauen und massiver Angst vor Kontrolle allmählich Zutrauen, schließlich eine anteilnehmende innere Verfassung entsteht, die am Ende der Geschichte triumphiert. Wie konnte das geschehen? Das wollen wir aus der Sicht einer Psychoanalytikerin aus West- und eines Psychoanalytikers aus Ostdeutschland betrachten und mit Ihnen diskutieren. Anschließend Referat und Diskussion mit Dipl.-Psych. Christa Marahrens-Schürg und Dr. phil. Dipl.-Psych. Michael Froese Mo. 4. November 2013|19.30 Uhr Good Bye, Lenin! Wolfgang Becker, D 2003, 121' mit Daniel Brühl, Katrin Saß Kurz vor dem Fall der Mauer fällt Mutter Kerner, ihres Zeichens stolze DDR-Bürgerin und Sozialistin von altem Schrot und Korn, ins Koma. Als sie acht Monate später die Augen wieder aufschlägt, empfehlen die Ärzte, jeden Schock für die Dame zu vermeiden. Für Sohnemann Alex und den Rest der Familie bedeutet das, im nunmehr gründlich veränderten Einheitsdeutschland alle Register potemkinscher Improvisation zu ziehen... Fünf Jahre nach Das Leben ist eine Baustelle kehrt Regisseur Wolfgang Becker in den Regiestuhl zurück und lässt in einer nostalgischen Komödie die gute alte DDR wieder auferstehen - wenn auch nur auf 79 qm Plattenbau. moviedata.de Die deutsche Wiedervereinigung als Komödie? Die ganze Tragik des Identitätsverlusts scheint für Christiane Kerner zur tödlichen Bedrohung zu werden. Beherzt greift ihr Sohn Alexander ein und lässt die DDR für seine Mutter virtuell weiterleben. Der Film spielt mit den Ebenen von Illusion und Wirklichkeit und der Frage, was dem Individuum letztlich zugemutet werden kann. Alexander muss erkennen, dass auch ihm immer schon ein „Alsob“ vorgespielt worden ist. Aus psychoanalytischer Sicht werden die fesselnd inszenierten Konflikte zwischen Mutter, Sohn und abwesendem Vater unter die Lupe genommen. Anschließend Referat und Diskussion mit Dipl.-Med. Birgit Kayser und Dr.med. Mattias Kayser Mo. 2. Dezember 2013|19.30 Uhr Alles ist erleuchtet Everything is illuminated Liev Schreiber, USA 2005, 102‘ dt.F. mit Elijah Wood, Eugene Hutz, Boris Leskin Jonathan Safran Foer (*1977) stammt aus einer jüdischen Familie, die den Holocaust überlebte; er studierte Literatur und Philosophie. Bereits als 24jähriger schrieb er seinen kaum faßbar klugen und kreativen Roman „Alles ist erleuchtet,“ dessen Rahmenhandlung folgt auch sein kongeniales Drehbuch. Dem Regisseur Liev Schreiber und dem Komponisten Paul Cantelon gelang daraus eine faszinierende Verfilmung. Bei aller sich erschließenden Tiefe stets unterhaltsam, eröffnen sich auf Basis einer sehr bewegenden Musik-Spur Bilder von traumartiger Symboldichte und betörender Schönheit. Wir begleiten die skurrile, „sehr harte Suche“ des jungen US-Vegetariers Jonathan (mit lupenartigen Brillengläsern und Sammelzwang: Elijah Wood) nach seinen familiären Wurzeln in der heutigen Ukraine. Reiseführer zwischen Odessa und Lemberg sind ein offiziell judenhassender Großvater (als scheinblinder Trabi-Fahrer mit unvergeßlichem Gesicht: Boris Leskin), dessen Enkel Alex (umwerfend komisch und anrührend: der ukrainisch-amerikanische Musiker Eugene Hütz) sowie der etwas neurotische „Blindenhund“ namens Sammy Davis jr. jr. Der gesuchte Ort ist aber anscheinend nicht mehr auffindbar: „Niemand weiß, wo Trachimbrod ist.“ Es geht, ganz analog zum Verlauf einer gelingenden Psychoanalyse, um das „Sehen mit blinden Augen“, das Sammeln biographischer Details, um Schweigen und verbergendes Sprechen, um die Suche nach dem gemeinsamen Gedächtnis, um Identität und Verleugnung, Dunkel und Licht, letztlich um die titelgebende „Erleuchtung.“ Vernichtung, Mord, Schmerz und Identitätsverleugnung kann mit Erinnern, Suchen von Zusammenhängen und mit Trauern beantwortet werden — aber, wie dieser Film zeigt, trotz allem auch mit Schönheit, Lebensfreude, Liebe und Humor, die sich von der Zerstörung nicht mehr unterwerfen lassen. Anschließend Referat und Diskussion mit Dr. med. Eckhardt Gehde (mit Unterstützung von Dipl.-Psych. Sylvia Fischer) Mo. 6. Januar 2014|19.30 Uhr Mahler auf der Couch Percy Adlon/Felix Adlon, D/A 2010, 101‘ mit Johannes Silberschneider, Barbara Romaner, Karl Markovics Der deutsch-österreichische Film von Percy und seinem Sohn Felix Adlon aus dem Jahr 2010 basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit. 1910 hatte Sigmund Freud eigens seinen Urlaub unterbrochen und sich mit dem Komponisten Gustav Mahler zu einem langen Gespräch im holländischen Leiden getroffen. Inhalt waren die Eheprobleme Mahlers mit seiner Frau Alma. In Rückblenden wird die Beziehung von Gustav und Alma Mahler beleuchtet, die durch einen Seitensprung Almas mit dem Architekten Walter Gropius zu zerreißen droht. Freud analysiert Mahlers Mutterbindung und entwickelt daraus Gründe für das problematische Verhältnis der Eheleute, bei dem Despotismus, Unterwerfung und Aufbegehren eine große Rolle spielen. Mahler auf der Couch ist einer von über siebzig Filmen, die das Wirken von Sigmund Freud thematisieren. Da es hier jedoch ganz wesentlich auch um Musik geht, wird der Film von einer Psychoanalytikerin, Dipl.-Psych. Christa Marahrens-Schürg, und einer Musikwissenschaftlerin, Dr. Sabine Sonntag, vorgestellt. Thema des sich an die Filmvorführung anschließenden Referates wird auch der zweite Film sein, der das Treffen von Mahler und Freud visualisiert. Es handelt sich um den französischen Dokumentarfilm D’un pas mesurée (In gemessenem Schritt, Frankreich 2010, 58’), aus dem zum Vergleich ebenfalls ein Ausschnitt gezeigt wird. Anschließend Referat und Diskussion mit Dipl.-Psych. Christa Marahrens-Schürg und Dr. Sabine Sonntag Mo. 3. Februar 2014|19.30 Uhr Die zwölf Geschworenen Twelve Angry Men Sidney Lumet, USA 1957, 95‘ dt.F. mit Henry Fonda, Ed Begley, Lee J. Cobb Am heißesten Tag des Jahres müssen 12 Geschworene nach einem Strafprozess über die Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten, der seinen Vater ermordet haben soll, entscheiden. Das Urteil muss einstimmig ausfallen. Anfangs sieht es auch nach einem „kurzen Prozess“ aus, denn für alle scheint der Fall klar zu sein, so dass sie sich für eine sofortige Abstimmung entscheiden. Dass hiervon das Leben oder der Tod des Angeklagten abhängt, scheint niemanden zu interessieren, bis auf einen. Er stimmt als einziger für „nicht schuldig“, nicht weil er von der Unschuld des 18-jährigen Angeklagten überzeugt wäre, sondern weil er über den Prozesshergang und die Aussagen der Belastungszeugen noch einmal diskutieren möchte. Dies ruft bei den anderen zunächst Unverständnis und Wut hervor. Sie sind von der Schuld des Angeklagten überzeugt, oder beugen sich einfach dem Gruppendruck, teilweise aus lapidaren Gründen. Die lautesten der Gruppe wollen ein schnelles Urteil, die Sache sei sonnenklar, der Angeklagte habe seinen Vater kaltblütig ermordet. Als in einer 2. Abstimmung ein weiterer Geschworener mit „nicht schuldig“ stimmt, entbrennt ein wahrer Kampf unter den 12 Männern um die Wahrheitsfindung. Immer mehr Geschworene zweifeln an der Schuld des angeblichen Täters, wobei die verschiedenen Charaktere und die persönlichen Erfahrungen aller Beteiligten brillant in Szene gesetzt werden. Der Film zeigt sehr realistisch das amerikanische Justizsystem, das sich bis heute kaum verändert hat. Da dieser Film sowohl juristische als auch psychologische Aspekte vereint, wird er von einer Psychoanalytikerin und Dipl.-Psych., Frau Ruth Schulz-Jagutis und einem Rechtsanwalt, Herrn Detlef Schulz, vorgestellt. Anschließend Referat und Diskussion mit Dipl.-Psych. Ruth Schulz-Jagutis und Rechtsanwalt Detlef Schulz Mo. 3. März 2014|19.30 Uhr „Die Menschen haben das Kino geschaffen, um sich in einem von Konsequenzen befreiten Rahmen ein Bild von diesem schwer fassbaren Unternehmen namens Leben zu machen.“ Dirk Blothmer 2003 Kinofilme faszinieren uns. Wir reagieren mit unserer Innenwelt auf sie, und finden uns auf verschiedenste Art darin wieder. Unsere Ängste, Wünsche und Träume werden aus der sicheren Distanz des Theatersessels betrachtbar. Die Psychoanalyse als eine Verstehensmethode kann uns einen Zugang dazu geben und uns in einen Austausch mit dem Gegenüber bringen. Die Veranstaltungsreihe „Psychoanalyse und Film“ im Kino im Künstlerhaus stellt ausgewählte Filme meist bekannter Regisseure vor, die sowohl von psychoanalytisch tätigen Kollegen als auch von anderen Berufsgruppen eingeführt werden. Nach der Vorstellung und einem kurzen Referat wollen wir Sie so zu einem gemeinsamen Dialog einladen. Eintritt: 7,50 Euro / 5,50 Euro Kommunales Kino Hannover Sophienstr. 2 • 30159 Hannover Kartenreservierung: 0511/168-45522 oder [email protected] www.koki-hannover.de in Zusammenarbeit mit Lehrinstitut für Psychoanalyse und Psychotherapie e.V. Hannover (DPG) Geibelstr. 104 • 30173 Hannover Tel.: 0511-804790 / Fax: 0511-80 47 46 [email protected] Psychoanalyse-hannover.de