BAUEN 05 MAI.12 Ökologisch, energieeffizient und leistbar Visualisierung der gesamten Anlage Eurogate – der größten Passivhaussiedlung Europas. Visualisierung: beyer.co.at / nach Plänen von Albert Wimmer ZT-GmbH Bauzustand Mit dem Projekt Eurogate will die Stadt Wien eine Vorreiterrolle im großvolumigen Wohnbau einnehmen und trotz Hightech leistbaren Wohnraum schaffen. Die Objekte der ersten vier Bauplätze der größten Passivhaussiedlung Europas auf den Aspanger Gründen sind fertiggestellt. Die Architektur wie auch die Ingenieurskunst trägt maßgeblich zur Schaffung des Spagats zwischen Stadtplanung und gefördertem Wohnbau bei. von Gisela Gary A uf Grundlage des Masterplans von Architekt Sir Norman Foster fand bereits 2004/2005 ein Ideenwettbewerb für die Bebauung der nördlich gelegenen Aspanggründe statt. 2005 fiel die Entscheidung für das Projekt von Architekt Albert Wimmer als Grundlage für die städtebauliche Weiterentwicklung und die Festsetzung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans. Die Bundesimmobilien GesmbH und die Bauträger Austria Immobilien GmbH lobten 2007 in Kooperation mit der Stadt Wien, vertreten durch die Magistratsabteilung 21 A und den Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds, den Bauträgerwettbewerb Eurogate auf dem Baugrund des ehemaligen Aspanger Bahnhofs aus. Die Freiraumplanung setzt auf dem Masterplan der Architekten Wimmer und GanahlIfsits-Larch auf und berücksichtigt die Studie „Rahmenbedingungen zur Grün- und Freiraumplanung im halb öffentlichen und privaten Grünraum – Eurogate“ von Indrak-Lacina. In die Errichtung des Eurogate fließen Wohnbauförderungsmittel der Stadt von rund 40 Millionen Euro. „Diese Passivhauswohnanlage ist ein Vorzeigeprojekt, das besten Wohnkomfort mit hohen ökologischen Standards verbindet. Im geförderten Wohnbau Wiens widmen wir ökologischen Aspekten seit vielen Jahren höchstes Augenmerk. Denn nicht nur Klima und Umwelt werden dadurch entlastet, sondern die niedrigen Heizkosten schlagen sich auch sehr positiv in den Haushaltsbudgets der Bewohner nieder. Die große Nachfrage macht deutlich, dass ökologisches Wohnen voll im Trend liegt“, so Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Das Ziel der Stadt: leistbarer Wohnraum mit hohem architektonischen Anspruch und zugleich auf dem neusten Stand in puncto Passivhaustechnologie. Ökologische Bauweise Vor wenigen Wochen erfolgte die Übergabe von zwei der bisher vier fertiggestellten Objekte des Eurogates im dritten Bezirk in Wien. Insgesamt entstehen auf den 20 Hektar großen, ehemaligen Aspanggründen auf sieben Bauplätzen rund 2.000 Wohnungen. Bauherr von Bauplatz 1 ist die Heimbau, die Architektur stammt von Dietmar Feichtinger. Der Wohnbau umfasst 71 von der Stadt Wien geförderte Genossenschaftswohnungen mit Eigentumsoption. Vasko+Partner zeichnet u. a. für die örtliche Bauaufsicht wie auch für die gesamte Haustechnikplanung verantwortlich. Insofern ist dies bei diesem Projekt bemerkenswert, da der Anspruch an Energieeffizienz wie auch an die ökologische Bauweise sehr hoch war und interdisziplinäres Arbeiten notwendig wurde. Die Wohnungen variieren von Zwei bis Fünf-Zimmer-Einheiten, mit Loggien, Terrassen und Gärten ausgestattet. Eine energieeffiziente Lüftung, optimale Wärmedämmung und bester Schallschutz sorgen für einen hohen Wohnkomfort. Offenheit und Transparenz waren für Architekt Feichtinger eines der wichtigsten Anliegen: „Es geht um die Gestaltung eines städtischen Entrees in das neue Wohngebiet, um einen Übergang der gewachsenen Stadtstruktur in die Stadt des 21. Jahrhunderts: Großzügige, qualitativ hochwertige Freiräume in Verbindung mit einer kompakten Bebauung, Passivhausstandard und gleichzeitig helle sonnige Wohnungen mit großen Loggien- und Terrassenflächen, offene einladende Gemeinschaftsbereiche als halb öffentliche Treffpunktzone im Erdgeschoß sind die Mittel, um diesem Anspruch gerecht zu werden.“ Ein zentraler Gemeinschaftsraum unter dem freigestellten Bauteil der Stiege 1 stellt völlig verglast den Bezug zum Außenraum dar. Die DreiScheiben-Verglasung hält in Kombination mit den Beschattungen durch Loggien und Laubengänge die Temperatur – im Winter wie im Sommer. Roland Jahn, Projektleiter von Vasko+Partner, beschreibt die Herausforderungen in Bezug auf die technischen Details: „Aufgrund der sehr kompakten Bauweise erreichten wir trotz der großzügigen Glasflächen den Passivhausstandard. Wir entschieden uns für eine bis zu 36 Zentimeter dicke Wärmedämmung. Eine wärmeschutztechnische Optimierung der Auskragungen erreichten wir unter anderem mit speziellen thermisch getrennten Konsolenlösungen.“ Bewusstsein für Energieeffizienz steigt Das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW) ist Bauträger des zweiten Bauteils. Nach Plänen von Architekt Krischanitz wurde das Projekt „Passivhaus Plus“ mit 110 Mietwohnungen vor kurzem bereits an die Bewohner übergeben. Das architektonische Konzept beeindruckte Wohnbaustadtrat Ludwig bei einem Lokalaugenschein ebenso wie die Umsetzung ökologischer Aspekte: „Dadurch entlasten wir nicht nur das Klima und die Umwelt, die niedrigen Heizkosten schlagen sich auch positiv in den Haushaltsbudgets der Bewohner nieder.“ Ludwig bestätigt die große Nachfrage nach ökologischen Bauten und das gestiegene Bewusstsein der Bevölkerung für Energieeffizienz. Die kompakte Baukörperform mit den abgerundeten Gebäudeecken sowie die optimierten Fensterflächen tragen zur Minimierung von Wärmeverlusten bei. Es gibt keinerlei EinFortsetzung auf Seite 18 18 | Bauzustand Bauplatz 1: 71 geförderte Eigentumswohnungen, geplant von ­Architekt Dietmar Feichtinger. Foto: Franz Ertl / Vasko+Partner Bauplatz 2: 110 Mietwohnungen, geplant von den Architekten Krischanitz & Frank. Eine kompakte Baukörperform mit abgerundeten Gebäudeecken zeichnet das Objekt des ÖSW aus. Foto: ÖSW Bauplatz 3: Die übergeordnete städtebauliche Idee der längsorientierten Struktur entlang des nach Norden abfallenden Hangs wurde aufgegriffen. Foto: s&sarchitekten Links: Bauplatz 7: 78 Wohneinheiten, geplant von den Architekten Tillner & Willinger. Visualisierung: Architekt Willinger Rechts: Bauplatz 7: Als Konstruktion wurde ein möglichst reduziertes System aus Stahlbetonscheiben und Decken mit hohem Vorfertigungsgrad gewählt. Foto: Tillner & Willinger Fortsetzung von Seite 17 schränkungen für die Nutzer: Eine Fensterlüftung ist möglich – aber nicht nötig. Der Wohnkomfort jeder Wohnung ist durch die Querlüftung gesichert. Bei Wohnungsgrößen zwischen 60 und 106 Quadratmetern konnten die Geschoßwohnungen flexibel mitgestaltet werden; die Wohnküchen erschließen sich zum Freiraum mit Loggien, Balkonen und Terrassen. Wohnkomfort als oberstes Ziel Die größten Vorteile eines Passivkomforthauses liegen im Bereich der Lebens- und Wohnqualität. Die Tatsache, dass keine Kältestrahlung von Fenstern und Wänden ausgeht und die Temperatur im Raum gleichmäßig verteilt ist, sorgt für Behaglichkeit und Wohlgefühl. Weiters ist dank ausgereifter Filtersysteme eine hohe Raumluftqualität gewährleistet, da Pollen und Feinstaub aus der Raumluft entfernt werden. Durch die Erdkühlung im Dachgeschoß wird bei starker Sonneneinstrahlung die Überhitzung des Objekts verhindert. Michael Pech, ÖSW, legte besonderen Wert auf eine großzügige Information der Bewohner im Umgang mit der neuen Technologie: „Wir haben ein nutzerfreundliches, sogenanntes Passivkomforthaus entwickelt. Die kompakte Baukörperform mit den abgerundeten Gebäudeecken sowie die optimierten Fensterflächen, tragen zur Minimierung von Wärmeverlusten bei. Mit der Umsetzung dieses Passivkomforthauses ist ein wesentlicher Beitrag zur Akzeptanz des Passivhausstandards im mehrgeschoßigen Wohnbau geleistet worden.“ Die Aufklärung der Bewohner erfolgte im Rahmen von speziellen Informationsveranstaltungen im Beisein von allen Experten vor Bezug der neuen Häuser. Weiters wurden den Bewohnern Info-Broschüren zur Verfügung gestellt, die den Umgang mit der neuen Technologie erläutern. Architekt Krischanitz erklärt seinen Entwurf: „Die beiden parallel situierten Baukörper auf dem Bauplatz zwei teilen sich ihre Lagen in eine straßenbegleitende und eine parkbegleitende Bebauung. Dazwischen liegt der Wohnhof als distanzbildende, intime Fläche mit einem leicht terrassierten Hügelzug. Der auf dem Kamm von den Wohnbauten bewusst abgesetzt positionierte Fußweg erschließt die Gemeinschafts- und Kinderspielplatzflächen im Osten des Baufelds. Durch horizontale Teilung der Fassadenflächen und der minimalen gestalterischen Maßnahme der ‚gerundeten Ecke‘ wird die leistungsfähige umlaufende Außenhaut gefasst und thematisiert. Die Zonierung der Außenhaut durch horizontale geschoßweise differenzierte Streifen, durch aufgesetzte, technisch getrennte Loggien- bzw. Balkonelemente sowie durch ein expressiv skulpturales Attikageschoß verleiht den Baukörpern sowohl virulente Spannung als auch innere Kompaktheit. Diese in der Wohnbauarchitektur durchaus anzustrebenden Faktoren bilden sich trotz der durch die besonderen bauphysikalischen Eigenschaften veränderten Balance zwischen Öffnung und Geschlossenheit. Diese Differenz zum herkömmlichen Wohnbau muss als neue künstlerische Herausforderung begriffen werden und gestalterisch sublimiert werden.“ Ausgeklügelte Grundrisse Bauplatz 3 – Architektur von S&S architekten, Architekten Cornelia Schindler und Rudolf Szedenik, Bauträger Sozialbau – gliedert sich in drei Baukörper. Das Projekt umfasst 165 geförderte Mietwohnungen. Insgesamt wurden drei Gebäudeteile errichtet. Das L-förmige Wohnhaus an der Aspangstraße und ein parallel dazu verlaufendes Gebäude umschließen den Innenhof. Der dritte Teil ist ein Solitärgebäude in Dreieckform auf dem südlichen Teil des Bauplatzes. Um eine nachhaltige Flexibilität gewährleisten zu können, entschieden die Architekten ein hybrides Erschließungssystem, das 59 verschiedene Grundrissvarianten ermöglichte. Die Wohnungen sind jeweils zwischen 66 und 106 Quadratmeter groß, vorwiegend mit Balkonen, Loggien oder Eigengärten ausgestattet. Die privaten Freiräume sind großzügig dimensioniert und wurden in zwei Bereiche geteilt. Im Hofbereich entwickelten die Architekten eine sogenannte „Aktivzone“ – dazu gibt es im Solitärgebäude einen Fitness- sowie einen Gemeinschaftsraum. Die vorhandene Erdwärme wird über Wärmetauscher durch Zuluftvorerwärmung genutzt. Im Sommer strömt die kühle Luft über einen Erdwärmetauscher in die Wohnräume. Die kontrollierte Wohnraumlüftung ermög­licht eine individuelle Regelung – die Beheizung erfolgt über zuschaltbare Plattenkonvektoren. „Das Energiekonzept senkt den ganzheitlichen Primärenergiebedarf inklusive Haushaltsstrombedarf über den normalen Passivhausstandard hinaus ab“, erklärt Architekt Rudolf Szedenik. Architektur steigert Akzeptanz des Passivhauskonzepts Noch im Bau befindet sich Bauplatz 7 – Architektur von Tillner & Willinger ZT GmbH, Bauherr BAI. Bilfinger Berger errichtet als Generalunternehmer eine Passivwohnhausanlage mit einer Bruttogeschoßfläche von zirka 8.200 Quadratmeter. Die 78 Wohneinheiten und 130 Stellplätze teilen sich dabei in sieben Obergeschoße und zwei Untergeschoße auf. Die zweilagige, schwingungsgedämpfte insgesamt 2,10 Meter starke Fundamentplatte überbrückt dabei die unterirdisch verlaufende Schnellbahnlinie und den City Airport Train. Architekt Willingers Ziel ist es, die Akzeptanz des Passivhauskonzeptes im städtischen Raum durch attraktive architektonische Gestaltung zu stärken. Das Gebäude ist vertikal in drei klare Teilbereiche gegliedert: Dachwohnungen, ein kompakter Wohnungsblock und ein zurückgesetzter Sockelbereich. Um den Wohnungen durchwegs die Möglichkeit direkt vorgelagerter optimal orientierter Freiflächen gewährleisten zu können, ist die südwestliche Fassade um 1,90 Meter zurückgesetzt. Optimierte solare Gewinne, Orientierung zur Sonne, hohes Wärmedämmniveau, Luftdichtheit, kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung und Pufferzonen bei Stiegen, Foyers und Gemeinschaftsräumen zeichnen das Gebäude aus. „Die den Wohnungen vorgelagerten Loggien bzw. die Konstruktion der Balkone bilden die durch die Bebauungsplanung intendierte städtebauliche Flucht der Gebäude an der Baulinie. Sie bieten als Verschattung Schutz vor Überhitzung im Sommer und erzeugen im Tagesverlauf ein spannendes Licht/SchattenSpiel. Durchdachtes Design und Flexibilität sind Grundlagen für Nachhaltigkeit und sollen die Akzeptanz des energieeffizienten Bauens im urbanen Raum erhöhen“, erklärt Architekt Willinger sein Konzept. Erdgeschoß und erstes Obergeschoß werden zweigeschoßig, die fünf Regelgeschoße sowie das Dachgeschoß jeweils nach ihrer Nutzung als gestalterische Einheit gruppiert, um eine angenehme Proportion der Teilbaukörper zu erreichen. Die frei werdenden Kubaturen des Gebäudes erweitern den öffentlichen Raum. An der zum hofseitigen Freiraum gerichteten nordnordostseitigen Fassade ist das außenliegende Erschließungssystem ablesbar. Die Stiegen sind statisch als eigene Einheit ausgebildet, die Gangbereiche sind wärme- und schalltechnisch getrennt zwischen Stiegen und thermischer Gebäudehülle gelegen. Die Stiegenhäuser können als thermischer Pufferraum im Winter geschlossen, im Sommer zur besseren Durchlüftung geöffnet werden. Als Konstruktion wurde ein möglichst reduziertes System aus Stahlbetonscheiben und Decken mit hohem Vorfertigungsgrad gewählt. Damit ist eine spätere Änderung der Nutzungsanforderungen leicht möglich – und die nachhaltige Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes gesichert. Eurogate auf einen Blick Fertigstellung aller Bauplätze bis 2019 Bauplatz 1: Heimbau – Feichtinger Architectes Wien, 2012 Bauplatz 2: ÖSW – Architekten Krischanitz & Frank, 2012 Bauplatz 3:Sozialbau – s&sarchitekten Schindler & ­Szedenik, 2012 Bauplatz 4+5: BAI – Architekt Johannes Kaufmann Bauplatz 6: Arwag Holding – Architekt Albert Wimmer Bauplatz 7: BAI – Architekten Tillner & Willinger Nettobauland: rund 131.000 m² Wohnen: rund 36 Prozent restliche Nutzung: gewerbliche Bauten, Schule, Kindergarten Projektdaten Eurogate – Bauplatz 1 Bauherr/Projektleitung:Heimbau Architektur: Dietmar Feichtinger Architectes ÖBA, Statik, Haustechnik- und Elektroplanung, Bauphysik,Passivhausplanung, Prüfingenieur samt Fertigstellung: Vasko+Partner Ausführendes Bauunternehmen: Alpine Eurogate – Bauplatz 2 Bauherr:ÖSW Architektur: Krischanitz & Frank Bauphysik: Schöberl & Pöll OEG Statik: K+S Ingenieure Haustechnikplanung bis zur Einreichung, Ausschreibungsplanung Lüftung, Qualitätssicherung inkl. Abnahme:Vasko+Partner Freiraumplanung: Anna Detzlhofer Ausführendes Bauunternehmen: Alpine Eurogate – Bauplatz 3 Bauträger:Sozialbau Architektur:s&sarchitekten Haustechnik:thermoprojekt Haustechnische PlanungsGmbH Bauphysik/Statik: dorr – schober & partner Landschaftsarchitektur: Anna Detzlhofer Ausführendes Bauunternehmen: Gerstl Bauunternehmen Eurogate – Bauplatz 7 Bauträger:BAI Architektur: Architekten Tillner & Willinger ZT GmbH Ausführendes Bauunternehmen/ Generalunternehmer: Bilfinger Berger Energiekonzept: IC Consulenten ZT GmbH Haustechnik:PME Bauphysik:IBO Landschaftsplanung: Land in Sicht