Vorlesungsmitschrift Graphentheorie 4 F¨ arbung in Graphen F¨ arbung in Graphen Definition : Eine zul¨assige F¨arbung ist eine F¨arbung der Knoten des ( ungerichteten ) Graphen, so daß je zwei adjazente Knoten verschiedene Farben haben. Trivial ist, daß n verschiedene Farben immer eine zul¨assige F¨arbung sind ( Anzahl Knoten = Anzahl Farben ). Definition : Die chromatische Zahl eines Graphen G ist die kleinste Anzahl von Farben f¨ ur eine zul¨assige F¨arbung. Symbol : χ(G) Beispiele : 1. Polyeder : χ(G = W¨ urfel) = 2, χ(G = Tetraeder) = 4 (a) W¨ urfel (b) Tetraeder Abbildung 10: F¨arbung von Polyedern 2. F¨arbung eines Graphen : χ(G) = 4 21 zul¨ assige F¨ arbung chromatische Zahl Vorlesungsmitschrift Graphentheorie F¨ arbung in Graphen 3. F¨arben einer Landkarte : Eine Landkarte ist ein planarer Graph2 . Die Knoten sind durch die L¨ander gegeben. 2 Knoten werden durch eine Kante verbunden, wenn die L¨ander eine gemeinsame Grenze haben. Abbildung 11: F¨arbung einer Landkarte Jede Landkarte kann mit vier Farben zul¨assig gef¨arbt werden ( Vierfarbensatz ) 4. Party mit n G¨asten : Die G¨aste stellen die Knoten dar. Jede Kante zwischen zwei Knoten bedeutet, daß die jeweiligen zwei G¨aste nicht miteinander harmonieren. Gesucht ist eine zul¨assige F¨arbung des Graphen, die einer Verteilung der G¨aste auf verschiedene Tische ohne Disharmonien entspricht. Einfache Aussagen : 1. F¨ ur einen vollst¨andigen Graphen G mit n Knoten gilt : χ(G) = n 2. F¨ ur einen Kreis G mit gerader L¨ange gilt : χ(G) = 2 3. F¨ ur einen Kreis G mit ungerader L¨ange gilt : χ(G) = 3 2 ¨ in der Ebene ohne Uberschneidungen der Kanten darstellbar 22 Vierfarbensatz Vorlesungsmitschrift Graphentheorie 4.1 F¨ arbung in Graphen F¨ arbung mit 2 Farben Satz : Ein Graph G = (X, K) hat eine zul¨assige F¨arbung mit 2 Farben ⇔ G hat keinen Kreis mit ungerader L¨ange. Beweis : ⇒“: trivial ( siehe Aussage 3 ) ” ⇐“: ” In jeder Zusammenhangskomponente von G wird folgendermaßen gef¨arbt : 1. W¨ahle x0 aus der Knotenmenge der Zusammenhangskomponente beliebig. Alle Knoten y mit Distanz D(x0 , y) = gerade erhalten die Farbe F1 . Alle Knoten y mit Distanz D(x0 , y) = ungerade erhalten die Farbe F2 . 2. Noch zu zeigen : 2 adjazente Knoten x1 und x2 haben nicht die gleiche Farbe. Indirekter Beweis : Annahme : x1 und x2 seien adjazent und haben die gleiche Farbe F1 ( oder F2 ). k¨ urzester Weg von x0 nach x1 k¨ urzester Weg von x0 nach x2 Kante von x1 nach x2 : : : gerade ( ungerade ) L¨ange gerade ( ungerade ) L¨ange L¨ange 1 uck zu x0 ist offenbar stets ein Der Weg von x0 u ¨ber x1 und x2 und zur¨ Kreis ungerader L¨ange ! Zwei-Farben-Algorithmus Algorithmus : Beginne mit einem beliebigen Knoten x0 aus X. Bilde sukzessive um x0 konzentrische Schalen gleichgef¨arbter Knoten, solange dies m¨oglich ist. Die Schalen enthalten genau die Knoten gleicher Distanz von x0 . Eine zul¨assige F¨arbung ist m¨oglich, wenn in keiner Schale adjazente Knoten existieren. Gegeben sei ein ungerichteter zusammenh¨angender Graph G = (X, K) mittels Nachfolgerliste nf der L¨ange 2m und zugeh¨origer Indexliste inf der L¨ange n + 1. Außerdem ist ein Startknoten x0 ∈ X mittels des Indexes i0 gegeben. Gesucht ist die Entscheidung, ob eine zul¨assige F¨arbung mit 2 Farben m¨oglich ist. Falls ja, Angabe der F¨arbung der Knoten mittels farbe. 23 Vorlesungsmitschrift Graphentheorie F¨ arbung in Graphen Listing 2: Zwei-Farben-Algorithmus 1 2 3 VAR N ,M , I0 : i n t e g e r; TYPE PListe = array [1.. N +1] OF i n t e g e r; KListe = array [1..2* M ] OF i n t e g e r; 4 5 6 7 8 9 P R O C E D U R E Z w e i F a r b e n ( nf : KListe ; inf , Farbe , D : PListe ); VAR i ,j ,k , Dakt , F a r b e A k t : i n t e g e r; unfaerbbar : b o o l e a n; BEGIN FOR i :=1 TO N DO D [ i ]:= -1; 10 11 12 D [ I0 ]:=0; Dakt :=0; Farbe [ I0 ]:=0; u n f a e r b b a r := false ; F a r b e A k t :=0; // A n f a n g s i n i t i a l i s i e r u n g 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 REPEAT FOR i :=1 TO N DO BEGIN IF D [ i ] = Dakt THEN BEGIN FOR j := inf [ i ] TO inf [ i +1] -1 DO BEGIN k := nf [ j ]; IF D [ k ] = -1 THEN BEGIN D [ k ]:= Dakt +1; Farbe [ k ]:=1 - F a r b e A k t; END ELSE IF D [ k ] = Dakt THEN u n f a e r b b a r := TRUE ; END ; END ; END ; Dakt := Dakt +1; F a r b e A k t :=1 - F a r b e A k t; UNTIL ( Dakt = N ) OR ( u n f a e r b b a r ); END ; 24 Vorlesungsmitschrift Graphentheorie F¨ arbung in Graphen Beispiel : 1 2 3 4 5 Nachfolgerliste : j nf[j] 1 2 2 1 3 3 4 5 i Index- und F¨arbeliste : inf[i] farbe[i] 5 2 1 1 6 4 → → → → → 7 3 2 3 4 2 5 7 gesucht 2 1, 3, 5 2, 4 3, 5 2, 4 8 5 9 2 5 9 10 4 6 11 Die Abarbeitung des Zwei-Farben-Algorithmus liefert folgende L¨osung: i farbe[i] 1 0 2 1 3 0 4 1 5 0 25 Vorlesungsmitschrift Graphentheorie 4.2 F¨ arbung in Graphen Maximalgrad und Greedy-Algorithmus Definition : Der Maximalgrad eines Graphen G ist definiert durch Maximalgrad δ(G) := max d(xi ). i=1,2,...,n Offensichtlich gilt: χ(G) ≤ δ(G) + 1 . Eine zul¨assige F¨arbung mit h¨ochstens δ(G) + 1 Farben ermittelt der Greedy-Algorithmus : Greedy-Algorithmus Schritte : 1. x1 ∈ X erh¨alt Farbe 0; i = 2 2. x1 , x2 , . . . , xi−1 ∈ X seien bereits gef¨arbt (a) Betrachte die in Γ(xi ) ∩ {x1 , x2 , . . . , xi−1 } vergebenen Farben j1 , j2 , . . . , jr (b) xi erh¨alt die Farbe ji = min({0, 1, 2, . . . , δ(G)} \ {j1 , j2 , . . . , jr }) (c) i := i + 1 3. Solange i < n + 1 fahre mit Schritt 2 fort. 26 Vorlesungsmitschrift Graphentheorie F¨ arbung in Graphen Beispiel : Der Greedy-Algorithmus ben¨otigt f¨ unf Farben, um den obigen Graphen zul¨assig zu f¨arben. Durch Vertauschen der Knotennummern 10 und 12 wird eine Farbe weniger ben¨otigt. Eine eventuell g¨ unstigere Knotennummerierung kann durch den folgenden Algorithmus erreicht werden : 1. i := n, Gi := G 2. Ermittle in Gi einen Knoten xi mit minimalem Grad di. (a) Bilde Gi−1 dadurch, daß xi und alle inzidenten Kanten entfernt werden (b) i := i − 1 3. Solange i > 0, setze in Schritt 2 fort. Der Greedy-Algorithmus liefert jetzt eine zul¨assige F¨arbung mit h¨ochstens δ (G) + 1 Farben, wobei δ (G) := maxi=1,2,...,n d (xi ). 27 Vorlesungsmitschrift Graphentheorie F¨ arbung in Graphen Fu ¨ r obiges Beispiel : i 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 xi xi di 1 12 2 2 11 2 3 10 2 4 9 2 5 8 1 6 7 2 7 4 2 8 3 1 9 2 1 10 6 2 11 1 0 12 5 1 (a) Ausgangsf¨arbung (b) F¨ arbung nach Neunummerierung Also reichen sogar 3 Farben f¨ ur eine zul¨assige F¨arbung. Bemerkung : Es gibt eine Nummerierung der Knoten, so daß der GreedyAlgorithmus zu einer zul¨assigen F¨arbung mit χ(G) Farben f¨ uhrt. 28 Vorlesungsmitschrift Graphentheorie F¨ arbung in Graphen Backtracking-Algorithmus : 1. x1 , x2 , . . . , xi−1 seien zul¨assig gef¨arbt, dann (a) wird xi zun¨achst mit der ersten Farbe gef¨arbt, (b) vertr¨agt sich diese Farbe mit den bereits gef¨arbten Nachbarn von xi , so geht man zu xi+1 , uft, (c) wenn nicht, dann wird die n¨achste Farbe f¨ ur xi u ¨ berpr¨ uft, so geht (d) sind alle c Farben f¨ ur xi mit negativem Resultat u ¨berpr¨ man zu xi−1 zur¨ uck und ¨andert die Farbe f¨ ur xi−1 . 2. Nach Abarbeitung von 1. tritt eine der folgenden Situationen ein: (a) man erreicht den letzten Knoten xn , kann diesen zul¨assig f¨arben und hat damit eine zul¨assige F¨arbung des Graphen mit h¨ochstens c Farben gefunden, (b) man steht wieder am Anfang des Algorithmus, was bedeutet, dass eine zul¨assige F¨arbung des Graphen mit c Farben nicht m¨oglich ist (alle M¨oglichkeiten wurden durchprobiert). Beispiel : (a) Graph G (b) c = 2 (c) c = 3 Abbildung 12: Backtracking-Algorithmus F¨ ur c = 2 entsteht ein Farb¨anderungsverlauf mit dem Ergebnis, daß eine zul¨assige F¨arbung mit 2 Farben nicht m¨oglich ist. F¨ ur c = 3 entsteht ein g¨ ultiger Farb¨anderungsverlauf und somit eine zul¨assige F¨arbung. 29 Vorlesungsmitschrift Graphentheorie 4.3 F¨ arbung in Graphen Das Vier-Farben-Problem, der Fu ¨nf-Farben-Satz Graphentheoretisch lautet das Vier-Farben-Problem : Jeder planare Graph G hat die chromatische Zahl χ(G) ≤ 4. Vier-Farben-Problem Historie des Vier-Farben-Problems : 1850 1976 in letzter Zeit Vermutung von de Morgan, u ¨ber 125 Jahre ungel¨ost K. Appel, W. Hahen, ( H. Heesch ) : Betrachtung von ca. 1950 Arten von planaren Graphen, Computerl¨osung N. Robertson, D. Sanders, P. Seymow, R. Thomas : Vereinfachung des Beweises, Reduktion auf ca. 650 F¨alle bisher kein Beweis ohne Computerhilfe Eulersche Polyederformel : Sei G ein zusammenh¨angender planarer Graph mit n Knoten, m Kanten und g Gebieten ( einschließlich des sog. Außengebietes ). Dann gilt : m + g =2 n − Knoten Kanten Gebiete Bemerkung : Aus einem Polyeder entsteht durch Projektion ein planarer Graph. (a) Polyeder (b) planarer Graph Abbildung 13: Projektion eines Polyeders auf einen planaren Graph Der Quader hat n = 8 Ecken, m = 12 Kanten und g = 6 Fl¨achen; der planare Graph n = 8 Knoten, m = 12 Kanten und g = 6 Gebiete ( einschließlich des Außengebietes ). 30 Eulersche Polyederformel Vorlesungsmitschrift Graphentheorie F¨ arbung in Graphen Beweis der Eulerschen Polyederformel : Induktionsanfang : f¨ ur m = 0 folgt, daß n = 1 und g = 1 Induktionsvoraussetzung : f¨ ur m > 0 sei die Behauptung richtig Induktionsbehauptung : die Eulersche Polyederformel ist richtig f¨ ur einen zusammenh¨angenden planaren Graphen G mit m + 1 Kanten Induktionsbeweis : 1. Fall : G enthalte keinen Kreis. Dann muß g = 1 und n = m + 2 sein. Folglich : (m + 2) − (m + 1) + 1 = 2. 2. Fall : G enthalte einen Kreis. Es wird eine Kante aus dem Kreis entfernt. Dadurch verschmelzen zwei Gebiete. Nach Induktionsvoraussetzung gilt : n − m + (g − 1) = 2 ⇒ n − (m + 1) + g = 2 Aussagen : 1. F¨ ur einen planaren Graphen G mit n ≥ 3 Knoten gilt : m ≤ 3n − 6 2. In einem planaren Graphen G gibt es mindestens einen Knoten x mit d(x) ≤ 5. Beweis zu Aussage 1 : G sei zusammenh¨angend ( ansonsten f¨ ur jede Zusammenhangskomponente ) 1. Fall : g = 1 ( d.h. G hat Baumstruktur ). Aus der Baumstruktur folgt, daß m = n − 1 sein muß. F¨ ur n ≥ 3 gilt sicher n − 1 ≤ 3n − 6. 2. Fall : g ≥ 2. F¨ ur ein Gebiet i in G ist die L¨ange li des umlaufendes Kreises ≥ 3. Somit ergibt sich : 2m = gi=1 li ≥ 3g. Wenn man nun die umgeformte Eulersche Polyederformel g = 2 − n − m einsetzt, ergibt sich folgende Absch¨atzung : 2m ≥ 6 − 3n + 3m und damit m ≤ 3n − 6. Beweis zu Aussage 2 : F¨ ur n ≤ 6 ist die Aussage klar. Sei nun n > 6 und d(x) ≥ 6 f¨ ur alle x ∈ X angenommen. Dann gilt : 6n ≤ 2m, was im Widerspruch zu m ≤ 3n − 6 steht. 31 Vorlesungsmitschrift Graphentheorie F¨ arbung in Graphen Fu ¨nf-Farben-Satz : F¨ unf-Farben-Satz 1879 zeigte A. Kempe einen Beweis f¨ ur das Vier-Farben-Problem. 1890 entdeckte P. Heawood einen Fehler in diesem Beweis, der jedoch bei der F¨arbung mit 5 Farben nicht auftritt. Kempes Beobachtung ist die folgende : Sei G zul¨assig gef¨arbt. F¨ ur zwei Farben i, j wird definiert : Xij = {x ∈ X|x ist mit i oder j gef¨arbt} Gij = der durch Xij erzeugte Teilgraph Beispiel : 12 11 10 12 10 9 1 2 9 1 5 8 6 3 6 3 4 7 (a) Graph G 4 7 (b) Graph G13 mit getauschten Farben Z sei eine Zusammenhangskomponente von Gij . Nun werden in Z die Farben getauscht“: x wird mit der Farbe i gef¨arbt, falls x vorher mit der Farbe j ” gef¨arbt war, und umgekehrt. Die neue F¨arbung wird nach G u ¨bertragen. Die neue F¨arbung ist in G zul¨assig und die Anzahl der Farben bleibt gleich. Beim Beweis des F¨ unf-Farben-Satzes, dass jeder planare Graph mit 5 Farben zul¨assig gef¨arbt werden kann, wird dieser Farbentausch Kempes genutzt.. 32 Vorlesungsmitschrift Graphentheorie F¨ arbung in Graphen Beweis des Fu ¨nf-Farben-Satzes: Induktionsanfang : f¨ ur n = 1 trivial Induktionsvoraussetzung : f¨ ur n sei die Behauptung richtig Induktionsbeweis : Sei G ein planarer Graph mit n + 1 Knoten, Sei x ∈ X ein Knoten mit d(x) ≤ 5. Sei G der durch X \ {x} erzeugte Teilgraph von G. Nach der Induktionsvoraussetzung besitzt G eine zul¨assige F¨arbung mit 5 Farben. 1. Fall : Verwenden die Nachbarn von x nicht alle 5 Farben, so ist eine zul¨assige F¨arbung von G mit 5 Farben trivial. 2. Fall : Die 5 Nachbarn xi von x benutzen alle 5 Farben i, wobei i = 1, . . . , 5. Die Knoten xi laufen um x im Uhrzeigersinn. x1 x5 x2 x x3 x4 Ziel ist es, die Knoten x1 bis x5 mit 4 Farben zul¨assig f¨arben. Es werden die Teilgraphen Gij mit 1 ≤ i, j ≤ 5 von G nach der Idee von Kempebetrachtet, konkret G13 . 1. Fall : Es gibt keinen Weg in G13 von x1 nach x3 . x1 liege in einer Zusammenhangskomponente Z von G13 . In Z werden die Farben 1 und 3 getauscht. Insgesamt bleibt eine zul¨assige F¨arbung von G erhalten. x1 und x3 sind jedoch beide mit der Farbe 3 gef¨arbt. Die Farbe 1 kann f¨ ur x verwendet werden. x1 Z x5 x2 x x4 x3 33 Vorlesungsmitschrift Graphentheorie F¨ arbung in Graphen 2. Fall : Es gibt einen Weg in G13 von x1 nach x3 . Zusammen mit x und den beiden Kanten von x nach x1 und x3 ergibt sich ein Kreis GK . x1 Gk x5 x2 x x3 x4 Jeder Weg von x2 nach x4 in G muß einen Knoten xK von GK benutzen. xK ist mit Farbe 1 oder 3 gef¨arbt. Somit liegen x2 und x4 in unterschiedlichen Zusammenhangskomponenten von G24 . Das heißt, auf G24 kann der 1. Fall angewendet werden. x1 Gk x5 x2 x xk x4 x3 34