wie sich der mensch aus dem tierreich heraus“arbeitete”

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Geschichte
1
WIE SICH DER MENSCH AUS DEM TIERREICH HERAUS“ARBEITETE”
Daß uns die Affen näher Vor einiger Zeit nahm man noch an, daß schon vor 30 bis 35 Millionen Jahren Pongide
stehen, als wir lange Zeit (Affenartige) und Hominide (Menschenartige) getrennte Wege gegangen seien. Neuere
geglaubt haben Untersuchungen legen aber nahe, daß verschiedene Affenarten zu sehr verschiedenen
Zeitpunkten den Weg verlassen haben, der zum Menschen führt: die Gibbons vor 20, die
Orang-Utans vor 15 und die Gorillas vor 10 Millionen Jahren und als letzte, nämlich erst
vor fünf oder sechs Millionen Jahren die Schimpansen. Die afrikanischen Menschenaffen
sind - so sagen uns einschlägig bewanderte Wissenschafter – enger mit uns Menschen
verwandt als mit den Orang-Utans, weshalb sie nicht mehr den Pongiden, sondern den
Hominiden zugerechnet werden.
Daß die einen im
Regenwald zu guten
Turnern wurden, während
sich andere in der Savanne
den aufrechten Gang
angewöhnten
Auf jeden Fall paßten sich vor Millionen Jahren unsere tierischen Vorfahren
verschiedenen Lebensräumen an: Im tropischen Regenwald entwickelten sich die
einen zu spezialisierten Schwing-Hangelkletterern, während sich aus den
Lebensbedingungen der mit hohem Gras bestandenen Savanne der aufrechte Gang der
anderen ergab, der die Hände von der Fortbewegungsfunktion befreite.
Daß es
entwicklungsgeschichtlich
entschieden günstiger war,
die Hände frei zu haben
In vielfältiger Weise konnten diese unspezialisierten Organe nun zur Beschaffung des
zum Leben Notwendigen eingesetzt werden. Die Menschenartigen begannen in Afrika auf
der Stufe des Homo habilis (“befähigter Mensch”) vielleicht schon vor drei Millionen
Jahren damit, in der Natur vorgefundene Gegenstände als Werkzeug zu benutzen und was viel wichtiger ist - dieses Werkzeug (und nicht etwa sich selbst als Art) bestimmten
Problemstellungen anzupassen, während sich körpereigene Waffen und Werkzeuge
(Gebiß) allmählich zurückbildeten.
Daß man den Menschen
am Werkzeuggebrauch und
an der
Werkzeugherstellung
erkennt
Bearbeitungsspuren an Steinen, die von Hominiden als Werkzeug verwendet wurden,
lassen die ersten Ansätze spezifisch menschlichen Verhaltens, nämlich planmäßigen,
bewußten Handelns und damit des Denkens, erkennen. So unansehnlich die Faustkeile
der Hominiden auch neben einer Bienenwabe wirken, sie sind Ausdruck eines gewaltigen
Entwicklungssprungs.
Wie Hand und Hirn sich Hand und Hirn, Praxis und Theorie, entwickelten sich und einander im
und einander im Wechselspiel, forderten einander mit immer neuen Problemstellungen heraus, bis sich
Wechselspiel entwickelten aus dem Menschenartigen der Homo sapiens entwickelt hatte. (H. habilis - H. erectus
- H. neanderthalensis - H. sapiens). Etwa 60.000 Jahre alte Reste, die in Frankreich, Israel
und Äthiopien gefunden wurden, weisen bereits weitgehend die Merkmale des Homo sapiens auf.
Daß nur der Mensch sein Das Tier “arbeitet” nicht, es verhält sich instinktiv, unbewußt. Selbstverständlich
Verhalten plant, denkt und verhält sich auch der Mensch instinktiv, hat aber als am weitesten entwickelte
spricht Lebensform darüber hinaus die Möglichkeit, sein Verhalten zu planen, es in Gedanken
vorwegzunehmen, zu denken. Bearbeitungsspuren an Steinen, die von Hominiden als
Werkzeug verwendet wurden, lassen auf die ersten Ansätze menschlichen Denkens
schließen.
Die Sprache ist das “Vehikel” des Denkens und mit diesem untrennbar verbunden. Sie ist
sozusagen dessen praktische Seite über die das Bewußtsein eines menschlichen
Individuums auch den anderen zugänglich wird. Der Lebenskampf des “nackten Affen”,
des Menschen, erforderte von Anfang an die Zusammenarbeit in der Gruppe und
damit die Entwicklung eines Kommunikationssystems - der Sprache.
Welche Bedeutung der Von entscheidender Bedeutung für seine weitere Entwicklung war der Übergang zur Nut-
Geschichte
2
Nutzung des Feuers bei der zung des Feuers, der vielleicht eine halbe Million Jahre zurückliegt. Die über dem
weiteren Entwicklung des Feuer zubereitete tierische Nahrung wurde besser aufgeschlossen und der Körper
Menschen zukam reichlicher mit hochwertigem Eiweiß versorgt.
Bis der Mensch lernte, Feuer selbst zu erzeugen, vergingen 350.000 Jahre. Die erste
Naturgewalt, die der Mensch damit beherrschen lernte, stellt einen chemischen Prozeß
dar, während der nächste große Schritt vorwärts mit der Beherrschung biologischer
Prozesse verbunden ist: Ackerbau und Viehzucht. Die Nutzung mechanischphysikalischer Naturkräfte durch Wasserräder etwa, gelang erst viel später. Andererseits
gelang
die
wissenschaftliche
Durchdringung
mechanisch-physikalischer
Gesetzmäßigkeiten viel früher als die chemischer oder biologischer Zusammenhänge.
Geschichte
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WIE DER MENSCH VON ANEIGNENDEN ZU PRODUZIERENDEN WIRTSCHAFTSFORMEN GELANGTE
Wie der Mensch
aneignende
Wirtschaftsformen
perfektionierte
Bis ins zehnte Jahrtausend v. befleißigte sich der Mensch ausschließlich der aneignenden Wirtschaftsformen des Sammelns, der Jagd und des Fischfangs. Inzwischen hatte er
die dabei eingesetzten Geräte und Methoden perfektioniert. Er stellte Fallen, jagte mit
Speer, Pfeil und Bumerang, erleichterte sich das Ausgraben von Wurzeln durch
Grabegabel und Haken und verwendete Gefäße aus gebranntem Ton. In guten
Jagdgebieten und an fischreichen Gewässern wurde der Mensch seßhaft.
Wie der Mensch mit
produzierenden
Wirtschaftsformen experimentierte
Der seßhaft gewordene Mensch hatte Gelegenheit neue Beobachtungenzu machen. Er
konnte die Entwicklung der Pflanzen über die ganze Wachstumsperiode verfolgen.
Es sollte aber Jahrtausende dauern, bis sich solche Beobachtungen zu neuen
Erkenntnissen verdichteten aufgrund derer die besten Körner des gesammelten
Wildgetreides bewußt wieder ausgesät wurden.
Die Anfänge der Domestikation liegen dort, wo Tiere als lebender Fleischvorrat
gefangengehalten oder von den Pflanzungen angelockt wurden.
Der Mensch hatte also begonnen, sich die Erde untertan zu machen, die Vorgaben der
Natur seinen Bedürfnissen anzupassen. Die ältesten Befunde für Feldbau und
Tierhaltung stammen aus den Bergländern Vorderasiens.
Geschichte
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WIE ACKERBAU UND VIEHZUCHT SOZIALE GEGENSÄTZE UND ORGANISIERTEN KRIEG MIT SICH BRACHTEN
Die Änderung der Methoden, die der Mensch bei der Beschaffung des zum Leben
Notwendigen anwandte, zog - auch in späteren Epochen - Veränderungen in den
Formen des Zusammenlebens nach sich.
Wie sich der organisierte Altsteinzeitliche Jäger hatten einander im Kampf um die Jagdbeute vielleicht getötet,
Krieg entwickelte oder gar einander als Jagdbeute aufgefressen, aber sie hatten einander nicht unterjocht,
weil es so gut wie nichts gab, was sie einander nehmen konnten, außer dem Leben oder
der Jagdbeute.
Mit der Entwicklung produzierender Wirtschaftsformen aber entwickelte sich der
organisierte Krieg, der nun die gewaltsame Aneignung von Viehherden, Weideplätzen
und Wasserstellen, von Äckern Ernte und Arbeitskräften zum Ziel hatte.
Als Jäger und Sammler hatte der Mensch von der Hand in den Mund gelebt. Die
Produktivität seiner Arbeit hatte nur zur Aufrechterhaltung seiner bloßen Existenz gereicht.
Ackerbau und Viehzucht aber gestatteten die Produktion von Überschüssen, um
deren Aneignung sich seither die ganze menschliche Geschichte dreht.
Wie sich soziale Solange der Pflug nicht bekannt war, bestand der Zwang einer kollektiven BewirtschafGegensätze entwickelten tung des Bodens. Durch den Einsatz des Pfluges (genauer: des “Hakens”, da er nur den
Boden aufriß und die Scholle nicht wendete) und von Zugtieren vor dem Pflug konnte
eine Familie ihren Landanteil selbständig bearbeiten und die Vorstellung von
privatem Eigentum an Land, Arbeitsgeräten und Vieh entwickeln.
Die Produktion von Überschüssen war die Voraussetzung dafür, daß ein Teil der
Gesellschaft, dem nun organisatorische, kultische und dergleichen Aufgaben oblagen, von unmittelbar produktiver Arbeit befreit werden konnte. Aus den Funktionären aber wurden Herren. Diejenigen, die den Boden bloß bearbeiteten, waren nicht
diejenigen, die über ihn verfügten.
Die Spaltung der Gesellschaft äußert sich bereits deutlich in der unterschiedlichen
Ausstattung jungsteinzeitlicher Gräber und vor allem den aus riesigen Felsblöcken
errichteten Grabmälern der Megalithkultur (Stonehenge).
Wie die Verwendung von Die Arbeitsteilung und die mit ihr einhergehende soziale Differenzierung wurde
Metallen die soziale durch die Verwendung metallischer Werkstoffe vorangetrieben. Im 6. Jahrtausend
Differenzierung förderte entdeckte der Mensch (zuerst in Vorderasien und Südosteuropa) das Kupfer, das im
Vorderen Orient im 4. Jahrtausend v. mit Zinn legiert wurde. Seit etwa 3000 v. war das
optimale Mischungsverhältnis (80-90% Kupfer) bekannt. Der Besitz reichlicher
Bronzevorräte war ein kriegsentscheidender Faktor. Durch Plünderung und Unterwerfung
fremder Stämme kam es gelegentlich zur Anhäufung von Bronzeschätzen, die in der
Verfügungsgewalt der Kriegshäuptlinge und Stammesführer verblieben, deren Ruhm
vermehrten und allmählich als deren Eigentum betrachtet wurden.
Eisen wurde ebenfalls zuerst im Vorderen Orient verarbeitet (ab etwa 1500 v.).
Wie die Unterdrückung der Die Jahrtausende lange Unterdrückung der Frau, die Herrschaft des Mannes - das
Frau begann Patriarchat - begann, als die überlegene Körperkraft des Mannes mit dem
Übergang zu Ackerbau und Viehzucht und zum organisierten Krieg in den
Vordergrund trat. Dazu kam die Entwicklung der Einzelfamilie mit privatem
Grundeigentum, deren Angehörige - freie und unfreie Personen - der Gewalt des väterlichen Familienoberhaupts unterworfen waren. Ursprünglich bezieht sich der Begriff
“Familie” wohl gar nur auf Sklaven (lat. “famulus” - Sklave).
Geschichte
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WIE SICH DIE ERSTEN HOCHKULTUREN ENTWICKELTEN
Wie die Probleme der
Bewässerung in den
großen subtropischen
Stromtälern zentrale
Planung und staatliche
Organisation erforderten
und hervorbrachten
Hochkulturen (durch schriftliche Quellen dokumentierte Kulturen) sind an der Wende
vom 4. zum 3. Jahrtausend v. zuerst im Niltal, in Mesopotamien und im Südwestiran
(Chusistan) entstanden. Indien und China folgten um die Mitte des 2. Jahrtausends v.
Die großen Stromtäler der subtropischen Zone konfrontierten den Menschen mit
technischen und organisatorischen Problemen, deren Meisterung mit dem im 4.
Jahrtausend v. erreichten Entwicklungsstand der Produktion möglich wurde und
gleichzeitig einen entscheidenden Schritt vorwärts erforderte.
Während die Hochwasserperiode des Nil in die Zeit zwischen Ernte und Saat fiel, waren
die von Euphrat und Tigris vorgegebenen Bedingungen für den Feldbau wesentlich
ungünstiger: Beide Ströme führten Hochwasser während der Wachstumsperiode.
Eine in den orientalischen Trockengebieten verbreitete Bewässerungsmethode wurde auf
dem Gebiet des heutigen Iran entwickelt: Tief in die Erde gelegte Tunnel, die in
regelmäßigen Abständen durch Schächte zugänglich sind, leiten das, solcherart vor
Verdunstung geschützte Wasser auf die Felder.
Welche konkreten Probleme die Bewässerung auch mit sich brachte, die erforderlichen
Arbeiten an Dämmen, Kanälen, Zisternen und Schöpfwerken bedurften der rationellen Zusammenfassung der Arbeitskraft der Bauern und einer einheitlichen
Planung, der sich die einzelnen Dorfgemeinschaften unterordnen mußten. Aus den
leitenden Funktionären wurde eine herrschende Klasse, an deren Spitze die
altorientalischen Despoten standen, die die höhere Einheit personifizierten, die durch
die Kooperation der Bauerngemeinden entstanden war, und im Namen des jeweiligen
Staatsgottes ein Obereigentum am Grund und Boden beanspruchten: in Ägypten der
“Pharao”, in den Stadtstaaten Mesopotamiens der Priesterfürst, der “Ensi”. Als
Rahmenbedingung großräumiger Kooperation war die altorientalische Despotie
ökonomisch gerechtfertigt. Zu ihrer eigenen Verherrlichung aber zwang sie ganze
Heere von Bauern zur Arbeit an den Kolossalbauten.
Geschichte
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WIE SICH DER ÄGYPTISCHE STAAT ENTWICKELTE
Wie man die ägyptische
Geschichte periodisiert und
dabei hauptsächlich Altes,
Mittleres und Neues Reich
unterscheidet
Wie der Pyramidenbau die
Wirtschaft des alten
Ägypten belastete
Was in Ägypten zur Zeit des
Mittleren Reiches geleistet
wurde
Wie es den Hyksos gelang,
Unterägypten zu erobern
Wie Echnaton vergeblich
versuchte, die AmonPriesterschaft
Ägypten, das ist im wesentlichen die nicht ganz 1000 km lange und 10 bis 20 km
breite Flußoase des Nil bis zum ersten Katarakt (Assuan). Unter- und
Oberägypten (auf die Stromrichtung des Nil bezogen) waren ursprünglich selbständige
Staaten, die um 3000 (unter Menes) vereinigt wurden. Die Pharaonen trugen weiterhin
die Kronen der “beiden Länder” - die weiße, mitraähnliche Krone Oberägyptens und
die rote Krone Unterägyptens - als Doppelkrone.
Der ägyptische Priester Manetho verfaßte um 280 v. eine Darstellung der Geschichte
Ägyptens, die in griechischer Sprache überliefert worden ist. Er unterscheidet darin 30
Dynastien und ordnet sie folgenden Zeitabschnitten zu:
Frühzeit/Thinitenzeit (nach Thinis in Mittelägypten): 1. und 2. Dynastie
! ALTES REICH: 3.-6. Dynastie (2778-2423)
Erste Zwischenzeit: 7.-9. Dynastie (2423-2065)
! MITTLERES REICH: 10.-12. Dynastie (2065-1785)
Zweite Zwischenzeit / Hyksoszeit: 13.-17. Dynastie (1785-1580)
! NEUES REICH: 18.-20. Dynastie (1580-1085)
Spätzeit: 21.-30. Dynastie (1085-341)
In der Frühzeit wurden die Pharaonen mit dem Himmelsfalken Horus identifiziert.
“Da nicht nur der Himmel, sondern auch die Sonne als Falke angesehen wurde, ergab
sich die Gleichung ›König = Sonne = Himmel‹, die schließlich in dem Königssymbol
der Flügelsonne ihren Ausdruck fand”.1 Im Alten Reich wurden sie zu Söhnen des
Sonnengottes Re degradiert. Dessen ungeachtet wurden ihnen Grabmäler von so
gewaltiger Größe errichtet - die großen Pyramiden von Saqqara, Giza, Medum und
Dahschur -, daß deren Bau den Bauern allzu schwere Frondienste aufbürdete und
ihre Arbeitskraft den Feldern allzu lange entzog. Hungerrevolten waren die Folge,
die gemeinsam mit Selbständigkeitsbestrebungen der Gaufürsten und Nomadeneinfällen aus dem syrischen Raum den Zusammenbruch des Alten Reiches
herbeiführten. Pyramiden wurden wohl bis ins 16. Jahrhundert errichtet, erreichten
aber nie mehr die Ausmaße der zur Zeit der 4. Dynastie (2723-2563, “Pyramidenzeit”)
errichteten Anlagen.
Die Gaufürsten von Theben (heute: Luxor) gingen siegreich aus dem Kampf rivalisierender lokaler Dynastien hervor und stellten die, von wirtschaftlichen Erfordernissen
gebieterisch geforderte, Reichseinheit wieder her (Mittleres Reich). Der thebanische
Lokalgott Amon wurde zum Staatsgott befördert und mit Re fusioniert.
Zur Zeit des Mittleren Reiches setzte sich Gold als Wertmaßstab durch (nicht gemünzt)
und der Werkstoff Glas wurde bekannt (Glasbläserei ist eine phönizische Erfindung).
Eine der Depressionen in der libyschen Wüste - das Fajjum, etwa 75 km südwestlich
des heutigen Kairo gelegen - wurde (unter Amenemhet III. [1842-1795]) durch einen
Kanal mit dem Nil verbunden und kultiviert. Der solcherart entstandene Moerissee
diente als Ausgleichsbecken für das Nilhochwasser. Überhaupt wurde im Mittleren
Reich die Wasserwirtschaft perfektioniert.
Der ägyptische Staat expandierte in den Sudan und nach Syrien-Palästina (=
Kanaan - “Land der roten Farbe), pflegte Handelsbeziehungen mit dem sagenhaften
Goldland Punt, worunter man wahrscheinlich Somaliland zu verstehen hat, und mit dem
ägäischen Raum.
Bildende Kunst und Literatur (Märchen und die Erzählung von den Erlebnissen des Sinuhet in Palästina) erreichten in dieser Epoche den Höhepunkt ihrer Entwicklung.
Das Ende des Mittleren Reiches war abermals von der Schwäche der Zentralgewalt und
Bauernerhebungen charakterisiert. Den Schlußpunkt setzte der Einfall der aus Syrien
kommenden und schwer einzuordnenden (mehrheitlich wohl semitischsprachigen)
“Hyksos”, die ihre vorübergehende Herrschaft in Unterägypten dem (zuvor in
Ägypten unbekannten) Pferd und ihren Streitwagen verdankten (als Reittier wurde
das Pferd noch nicht verwendet).
Die Wiederherstellung der Reichseinheit erfolgte abermals von Theben aus (Neues
Reich). Ägyptische Heere stießen (unter Thutmosis I. [1557-1539]) erstmals. bis zum
Euphrat vor. Mit Hatschepsut (1490-1468) kam ausnahmsweise eine Frau an die
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zurückzudrängen Macht. Amenophis IV.(1372-1354) versuchte, die allmächtige Amon-Priesterschaft
auszuschalten und dem Sonnengott Aton als neuem zentralistischem Staatsgott mit
dem Hang, keine anderen Götter neben sich zu dulden, zur Macht zur verhelfen,
konfiszierte die Güter der Amon-Priesterschaft, brach mit den Traditionen, verlegte die
Hauptstadt nach Norden (Achet-Aton / Tell el-Amarna), legte sich einen neuen
Namen zu (Echnaton) und - scheiterte. Echnaton konnte mit seinen Reformen die
Masse der Bevölkerung nicht mobilisieren, da sie sich von diesen keine
Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse erwarten konnte. Sein berühmter aber
bedeutungsloser Nachfolger unterwarf sich Amon und nannte sich wieder nach
ihm: Tut-Anch-Amon.
Wie Echnatons Bruch mit Echnatons Bruch mit den Traditionen äußert sich auch in dem naturalistischen
den Traditionen sich auch in Kunststil, den die Amarna-Zeit mit sich brachte, und dessen berühmtestes Beispiel
der Kunst seiner Zeit äußerte die Portraitbüste Nofretetes, der Frau Echnatons, darstellt.
Daß die Auseinandersetzung
mit den Hethitern um die
Vorherrschaft in Kanaan mit
einem Remis endete und die
Ägypter auch mit der
Bedrohung durch die
“Seevölker” fertig wurden
Wer die “Seevölker” waren
und, daß zu ihnen die
“Philister” und vielleicht auch
die Etrusker gehörten
Wie letztlich doch der
Hohepriester des Amon sich
zum Pharao aufschwang
Daß vermutlich schon zur
Zeit des Neuen Reiches der
Nil und das Rote Meer durch
einen Kanal verbunden
waren
Zur Zeit der 19. Dynastie (13. Jh. v.) kam es zu schweren Kämpfen mit Kanaanäern und
Hethitern (einem indoeuropäisch sprechenden Volk unbekannter Herkunft, das das im
zweiten Jahrtausend v. vom östl. Kleinasien aus einen bedeutenden vorderorientalischen
Staat errichtet hatte) um die Herrschaft in Palästina. Die zwischen Ägyptern und
Hethitern geschlagene Schlacht von Kadesch (1286) endete unentschieden, und
Palästina blieb in ägyptischer Hand. Der danach zwischen Ägyptern und Hethitern
geschlossene Frieden wurde durch die Heirat Ramses´ II. (1290-1224) mit einer
hethitischen Königstochter besiegelt.
Einfälle der sogenannten “Seevölker” (ein Völkerkonglomerat, das im
Zusammenhang mit der Ägäischen Wanderung, in deren Verlauf die Landnahme
griechischer Stämme erfolgte, in Bewegung geraten war) konnten durch Ramses II. und
seine Nachfolger abgewehrt werden. In ägyptische Gefangenschaft geratene
Gruppen wurden in dem später nach ihnen benannten Gebiet - Palästina angesiedelt. Es handelt sich um die “Philister”. Durch den Niedergang der
ägyptischen Macht erlangten sie bald die Selbständigkeit. Einer der in einem Papyrus
aufgeführten Namen der Seevölker ist übrigens möglicherweise mit dem der Etrusker zu
identifizieren.
Als der letzte der “Ramessiden” (19. und 20. Dynastie) starb, erhob sich Herihor, der
Hohepriester des Amon, zum Pharao und begründete den Gottesstaat des Amon
(1085). Mit Herihor begann die Spätzeit der ägyptischen Geschichte. Ägypten war in
dieser Zeit vorübergehend den Assyrern tributpflichtig, die syrisch-palästinischen
Besitzungen gingen unter Necho (609-594) verloren.
Nach ihm ist der Kanal benannt, der das Nildelta mit dem Roten Meer verband und
solcherart einen Vorläufer des Suez-Kanals darstellte. Vermutlich aber war diese
Wasserstraße schon zur Zeit des Neuen Reichs angelegt worden und war nur versandet.
Nachdem die Perser Ägypten schon einmal (525 unter Kambyses II.) unterworfen,
aber (404) wieder verloren hatten, besetzten sie es neuerlich im Jahre 341 (unter
Artaxerxes III.).
Geschichte
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WIE SICH DIE MESOPOTAMISCHEN STAATEN ENTWICKELTEN
Daß die Sumerer die Die eigentlichen Begründer der mesopotamischen Hochkultur waren die Sumerer,
Begründer der mesopotami- die man - sprachlich gesehen - mit der (vorindogermanischen, drawidischen) frühen
schen Hochkultur waren Induskultur (Harappa, Mohendjo Daro) in Verbindung bringt. Sie errichteten im Süden
Mesopotamiens eine Reihe von Stadtstaaten, deren wichtigste Ur, Uruk, Lagasch,
Kisch, Umma, Nippur und Eridu waren.
Daß im Lauf des dritten Seit etwa 3000 wanderten semitischsprachige Stämme ein, die die sumerische
Jahrtausends Kultur übernahmen und weiterentwickelten und das Zweistromland erstmals (unter
semitischsprachige Stämme Sargon um 2350) zu einem Großreich vereinigten, das knapp 200 Jahre bestand, und
in Mesopotamien eindrangen dessen Zentrum die Stadt Akkad war, deren Name zugleich den Oberbegriff
und die sumerische Kultur bezeichnet, unter dem die in Nord- und Südmesopotamien gesprochenen ostsemitischen
übernahmen und Dialekte Assyrisch und Babylonisch zusammengefaßt werden: “Akkadisch”.
weiterentwickelten
Daß die Geschichte
Mesopotamiens durch den
Wechsel der Zentren, von
denen aus sich grössere
Staaten bildeten, sowie durch
den Einbruch semitisch
sprechender Stämme von
Süden und indoeuropäisch
sprechender Stämme von
Norden charakterisiert ist
Daß der Codex Hammurapi
die bedeutendste
Gesetzessammlung des
Alten Orients darstellt und
durch die Prinzipien der Ungleichheit vor dem Gesetz
und der Vergeltung
charakterisiert ist
Daß Codex Hammurapi und
Gilgamesch-Epos
grundlegende Werke der
altorientalischen Literatur
darstellen, die auch bei der
Abfassung der Bibel als
Vorbild gedient haben
Wie Assur das Zentrum einer
Grossmacht wurde, deren
Truppen Babylon zerstörten
und vorübergehend sogar
Teile Ägyptens besetzten
Wie sich ein
neubabylonisches Reich
unter aramäischer Führung
entwickelte und in Babylon
Die weitere Geschichte Mesopotamiens wird durch den Wechsel der Zentren, von
denen aus sich größere Staaten bildeten, sowie durch den Einbruch weiterer
semitischsprachiger Stämme von Süden (Aramäer, insb. Chaldäer) und
indoeuropäisch sprechender Stämme von Norden (Hethiter, Meder, zuletzt Perser)
charakterisiert.
Den Sumerern gelang es unter der III. Dynastie von Ur kurz vor 2000
vorübergehend noch einmal, fast ganz Mesopotamien zusammenzufassen.
Nach dem Zerfall des Reiches von Ur in kleinere Staaten vereinigte nach 1800
Hammurapi, von der bis dahin ziemlich unbedeutenden Stadt Babylon aus unter
seiner Herrschaft neuerlich ganz Mesopotamien.
In der während seiner Regierungszeit verfaßten berühmten Gesetzessammlung spiegeln
sich die sozialen Gegensätze der altorientalischen Gesellschaft. Der Codex
Hammurapi begünstigte die Herrschenden und Besitzenden und regelte Strafmaß und
Ersatzansprüche nach dem sozialen Stand der Streitparteien. Neben dieser
ausdrücklichen Ungleichheit vor dem Gesetz ist das Prinzip der Vergeltung (“Auge
um Auge, Zahn um Zahn”) ein hervorstechendes Merkmal dieser Gesetzessammlung.
Noch lange aber galt der Codex Hammurapi nicht einfach nur als Gesetzestext,
sondern auch als Meisterwerk der Literatur, dem großen Epos gleichwertig, das
auf sumerischen Erzählungen beruht, die von dem legendären König Gilgamesch
von Uruk handeln, ein über viele Jahrhunderte weiterentwickelter Stoff, der in
Babylonien unter das Leitmotiv der Suche nach dem ewigen Leben gestellt wurde.
Das Gilgamensch-Epos wurde auch in andere Sprach- und Kulturkreise des Vorderen
Orients übernommen (es gibt auch eine hethitische und eine churritische Version). Aus
dem Text der Bibel geht hervor, daß ihren Autoren zweifellos sowohl der Codex
Hammurapi als auch das Gilgamesch-Epos bekannt waren.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts besetzten die Hethiter Babylon vorübergehend. Sie waren zu Beginn des zweiten Jahrtausends gemeinsam mit anderen - gleich ihnen
indoeuropäische Dialekte sprechenden - Gruppen in Kleinasien eingedrungen. Danach
wurde Babylonien mehrfach von Assur unterworfen, das Zentrum eines kräftig
expandierenden Staates in Obermesopotamien geworden war. Im Jahre 689 kam es
(unter dem assyrischen König Sanherib) gar zur völligen Zerstörung Babylons. Assur
eignete sich (671) auch Teile Ägyptens an.
Nach 1700 drangen die aus dem Iran kommenden und sprachlich schwer einzuordnenden Churriter in Assyrien ein und gründeten dort eine Reihe von Staaten, deren
wichtigster das Mitanni-Reich war. Die Herrscher der Churriterstaaten trugen seit etwa
1500 indoeuropäische Namen.
Seit etwa 1100 waren Aramäer (Chaldäer) in Babylonien eingedrungen. Bereits im
Jahre 626 befreite sich Babylonien unter chaldäischer Führung von assyrischer
Herrschaft. Im Bündnis mit den Medern (unter Kyaxares) eroberten die Chaldäer
(unter Nabopolassar) Assyrien und machten Assur und Ninive dem Erdboden gleich.
Geschichte
unter Nebukadnezar ein
wahrer Bau-Boom einsetzte,
schließlich aber Perserkönig
Kyros
in Babylon einzog
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Damit hatte die sogenannte neubabylonische Periode begonnen. Nebukadnezar (II.
605-562) unterwarf Syrien und Palästina. Während seiner Regierungszeit entfaltete sich
in Babylon eine rege Bautätigkeit (Terassengärten, die “hängenden Gärten der
Semiramis”, eines der “sieben Weltwunder”, ferner der “Turm zu Babel”, der etwa
90 Meter hohe Turm des dem Stadtgott Babylons [Marduk] geweihten Heiligtums).
Nebukadnezars Nachfolger Nabonid geriet in einen offenen Gegensatz mit der MardukPriesterschaft, der den vordringenden Persern den Sieg leicht machte. Der Perserkönig
Kyros (II.) zog 539 in Babylon ein.
Geschichte
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WIE DIE ISRAELITEN NACH ÄGYPTEN KAMEN UND HEILFROH WAREN,
ALS SIE ES WIEDER VERLASSEN KONNTEN, WONACH SIE EINEN
EIGENEN STAAT IN KANAAN GRÜNDETEN
Wie und warum überhaupt
Nomaden in die Fruchtländer
Mesopotamiens und
Ägyptens kamen
daß sich die Stammesgruppe
der Israeliten wahrscheinlich
erst bildete, nachdem sie aus
Ägypten geflohen war
Daß die Landnahme der
Israeliten in Kanaan etwas
von Invasion, von Heimkehr
und von Sozialrevolution an
sich hatte und nicht ganz so
schnell und glatt vor sich
ging, wie´s in der Bibel steht
Wie sich um 1000 ein
israelitischer Staat bildete
und Jahwe dort eine feste
Behausung bekam, daß
dieser Staat aber bald in
zwei Teile zerfiel
Wie aus Rest-Kanaan
Phönikien wurde
Bereits gegen Ende des dritten Jahrtausends kamen semitisch sprechende Stämme
auch nach Ägypten. Wie in Mesopotamien kamen sie , um die Produkte ihrer auf
Kleinviehzucht beruhenden Nomadenwirtschaft einzutauschen (auf Kamelzucht
spezialisierte Nomaden traten erst im 9. Jh. v. unter dem Namen “carab” auf), sie
kamen als Eroberer oder - in Dürrejahren - vom Hunger getrieben, was oft das
Gleiche war. Viele kamen als Kriegsgefangene. In der Hyksoszeit trugen etliche
Machthaber Unterägyptens semitische Namen.
Es spricht einiges dafür, daß der Ausdruck “Hebräer” (in ägyptischen Quellen
“capiru”, in akkadischen Texten “chabiru”) nicht als Bezeichnung eines Stammes,
sondern einer niederen Sozialschicht zu deuten ist. Die Ägypter meinten damit
jedenfalls die verschiedenen ausländischen Zwangsarbeiter. Die Bibel hingegen
beschränkt die Verwendung des Begriffs “Hebräer” auf die Israeliten, die als
Stammesgruppe erscheinen, die sich im östlichen Nildelta niederließ und aller
Wahrscheinlichkeit nach von Ramses II. für Bauarbeiten an den Grenzfestungen PerAtum und Per-Ramses (in der Bibel: Pitom und Ramses) herangezogen wurde, und
unter dessen Nachfolger Merneptah (1224-1204) abwanderte.
Es ist wahrscheinlich, daß die als “Israeliten” bezeichnete Gruppe sich überhaupt
erst im Zusammenhang mit dem Exodus, der Flucht aus Ägypten, aus einigen
semitisch sprechenden Stämmen gebildet hat. Etwa gleichzeitig mit den Israeliten
entwickelten sich im Raum Kanaans (Syrien-Palästina) andere Nationen aus semitisch
sprechenden Stämmen: Edom, Moab und Ammon. In der Erzählung von der
Offenbarung am Berg Sinai spiegelt sich vielleicht das Werden der israelitischen
Nation. “Die biblische Überlieferung unterstellt, daß der zusammengewürfelte Haufen
von Menschen, der aus Ägypten entrann (Num 11, 4) den Bund am Sinai auf sich nahm
und von Anfang an unter dem Namen Israel in Sippen geordnet und sauber in zwölf
Stämme aufgeteilt war. Diese zwölf halbnomadischen Stämme überdauern durch eine
Reihe von Wundern die Wüstenwanderung - woraus hervorgeht, daß sie keine richtigen
Nomaden, sondern dem Wüstenleben schlecht angepaßt waren. Sie waren offenbar
ebensowenig ein starker Truppenkörper ...”2 In der Genesis (46,26) ist von nur 70
Personen die Rede.
Jedenfalls dürfte die “Landnahme” zunächst höchstens von einigen tausend Mann unternommen worden sein. Vieles spricht dafür, daß es sich dabei nicht (wie die Bibel das
Geschehen schildert) um eine rasche, zielstrebige Invasion, sondern um einen in
mehreren Schritten erfolgten Infiltrationsprozeß handelte. Verschiedene Indizien
sprechen auch für eine Präsenz israelitischer Stämme (Benjamin, Sebulon) vor der
Landnahme sowie dafür, daß sich das Eindringen der Israeliten mit
Bauernaufständen in den verschiedenen kanaanitischen Staaten verbunden habe.
Die Herausbildung eines israelitischen Staates beendete die Herrschaft
charismatischer Stammesführer (der “Richter”). Saul wurde (1010) zum König
proklamiert. Unter David (1006-966) wurde Jerusalem den Philistern entrissen
und zum politischen und kultischen Zentrum eines kanaanitischen Großstaates,
der bis an den Euphrat reichte. Davids Sohn und Nachfolger Salomo verlor
allerdings die aramäischen Gebiete wieder. Der eine Gott der Israeliten erhielt
nun im einen Staat der Israeliten mit dem (salomonischen, ersten) Tempel eine
dauernde Heimstatt statt eines baulichen Provisoriums, wie es das “Stiftszelt”
gewesen war. Im Allerheiligsten stand die “Bundeslade”, die die Moses
übergebenen Gesetzestafeln enthielt.
Nach dem Tod Salomos zerfiel der israelitische Staat in das Nordreich Israel (mit
der Hauptstadt Samaria) und das Südreich (mit der Hauptstadt Jerusalem).
Im Zuge der Invasionen und Völkerbewegungen jener Zeit hatten die Kanaanäer neun
Zehntel ihres Gebietes an die Aramäer, Israeliten und Philister verloren. Den
selbständig gebliebenen etwa 200 km langen Streifen an der Mittelmeerküste, der
Geschichte
Wie sich die Phönizier auf
die Seefahrt spezialisierten,
von Salomo aber auch als
Baumeister und handwerker
geschätzt wurden
Wie die Assyrer das
israelitische Nordreich
eroberten und die dort
ansässigen zehn Stämme
deportierten, die seither als
“verloren” gelten, und wie
Nebukadnezar im Jahre 587
den salomonischen Tempel
zerstörte und die Israeliten in
die babylonische
Gefangenschaft führte, die
Perser sie aber wieder gehen
ließen
11
sich im wesentlichen mit dem Gebiet des heutigen Libanon deckte, nannten die
Griechen “Phönikien”, was ebenso wie die semitische Bezeichnung “Kanaan”
“Land der roten Farbe” bedeutet. In der Tat waren mit dem Sekret der
Purpurschnecke gefärbte Textilien das wichtigste Exportgut jenes Raumes.
Die Kanaanäer/Phönizier sahen sich genötigt, ihre Wirtschaft den neuen beengten
Verhältnissen anzupassen, woraus sich geradezu der Zwang einer Spezialisierung
auf die Seefahrt ergab, die ihnen auf diesem Gebiet bald einen
Entwicklungsvorsprung verschaffte. Im gesamten Mittelmeeraum errichteten die
Phönizier Handelsstützpunkte. Auf ihren Fahrten gelangten sie bis Westafrika und
Britannien. Selbst die Machthaber der damaligen Großstaaten ließen bei den Phöniziern
fahren. Die phönikischen Stadtstaaten (Ugarit, Byblos [Gebal], Arwad, Sidon, Tyrus)
standen in besonders enger Beziehung zu Ägypten, das schon im Alten Reich Bauholz
aus dem Libanon bezogen hatte. Intensive Beziehungen gab es auch mit dem Ägäischen
Raum (Kreta, Mykene), Kleinasien und natürlich mit der näheren Umgebung: Salomo
schloß mit Hiram, dem König von Tyrus, einen Vertrag, der die Lieferung von
Baumaterialien und die Bereitstellung spezialisierter Handwerker für den Bau des
Tempels in Jerusalem vorsah. Phönikische und die Königshäuser Israels und Judas
waren durch Heirat verbunden.
Die Assyrer eroberten 722 Israel und zerstörten Samaria. Die - seither
“verlorenen” - zehn Stämme des Nordreichs (oder wenigstens ihre
Führungsschicht) wurden deportiert. Juda teilte später das Schicksal des
Nordreichs: Die Aramäer zerstörten 587 unter Nebukadnezar den Tempel Jahwes
(“erste” Tempelzerstörung) und deportierten einen Teil der Bevölkerung
(“babylonische Gefangenschaft”), dem die Perser (unter Kyros) aber die
Rückkehr gestatteten. Auch der Tempel wurde nun wieder aufgebaut.
Geschichte
12
WIE SICH DIE ERSTEN SCHRIFTEN ENTWICKELTEN
Daß Die ägyptische
Hieroglyphenschrift und die
mesopotamische Keilschrift
Mischsysteme aus Laut- und
Begriffszeichen darstellen
Was die Besonderheiten der
Hieroglyphenschrift sind
Was die Besonderheiten der
Keilschrift sind
Wie die Phönizier nurmehr
Konsonantenzeichen
verwendeten und die Schrift
damit zum Alphabet
vereinfachten
Aus dem Bedürfnis der Nachrichtenübermittlung und der Speicherung von Daten
und Fakten ergab sich im Alten Orient die Erfindung der Schrift. Die eigentliche
Leistung bestand dabei nicht etwa darin, daß die Ägypter und Sumerer Dinge, Tiere und
Menschen bildlich darstellten (das hatten viele tausend Jahre zuvor auch schon die
Menschen der Altsteinzeit getan), sondern darin, daß sie viele geeignete Zeichen nicht
nur als Träger des dargestellten Begriffs (Begriffszeichen, Ideogramme), sondern
als Träger der entsprechenden Lautkombination, als Lautzeichen, Phonogramme,
verwendeten. Die ägyptische Hieroglyphenschrift und die mesopotamische Keilschrift
stellen damit Mischsysteme aus Laut- und Begriffszeichen dar.
Das Altägyptische gehört der Familie der hamitosemitischen Sprachen an, in denen den
Vokalen nur sehr untergeordnete Bedeutung zukommt. Die Ägypter verstanden daher
die Vokale nur als “Färbung” der sie umgebenden Konsonanten. Das Zeichen men
(Brettspiel) z.B. konnte nun auch für die Konsonantenkombination m+n stehen, das
Zeichen wen (Hase) für w+n, das Zeichen pe (Sitz) für den Konsonanten p.
Etwas mehr als 150 der insgesamt ca. 750 Zeichen umfassenden ägyptischen
Hieroglyphenschrift sind solche Lautzeichen. Die Lautzeichen (Phonogramme)
wurden ursprünglich den Begriffszeichen (Ideogrammen) beigegeben, um
Mißverständnisse bei der Lesung auszuschließen. Ferner fügte man jenen Zeichen, die
für zwei oder drei Konsonanten standen, noch ein oder zwei Einkonsonantenzeichen
hinzu, die ebenfalls nicht gelesen werden dürfen, sondern nur die Eindeutigkeit der
Lesung sicherstellen sollen.
Etwa 100 von den Symbolen der Hieroglyphenschrift sind sogenannte Determinative.
Das sind Deutzeichen, die - ans Ende eines Worts gesetzt - insbesondere bei
gleichlautenden Begriffen Eindeutigkeit herstellen sollen. So zum Beispiel ist die
Grundbedeutung der Konsonantenkombination n+f+r “gut”. Mit dem Determinativ
“sitzende weibliche Person” versehen bedeutet diese Konsonantenkombination “junges
Mädchen”.
Die Hieroglyphenschrift kann von links nach rechts, von rechts nach links oder von
oben nach unten geschrieben sein. Schriftzeichen, die Menschen oder Tiere darstellen.
blicken immer zum Anfang der Zeile.
Für den alltäglichen Gebrauch wurden Kursivschriften entwickelt (Hieratisch und
Demotisch).
Im Jahre 1799 fand ein Offizier der französischen Expeditionsarmee nahe einer
Ortschaft im Nildelta namens La Rosette einen Stein aus ptolemäischer Zeit (196
v.) mit hieroglyphischer, demotischer und griechischer Inschrift, an Hand dessen
der französische Ägyptologe Champollion die Hieroglyphenschrift entziffern
konnte.
Als Systeme sind Keilschrift und Hieroglyphenschrift gut miteinander vergleichbar,
wenn sie sich auch in den graphischen Formen sehr stark unterscheiden. Der
Unterschied zwischen beiden ist hauptsächlich darin zu sehen, daß die Lautzeichen
(Phonogramme) der sumerischen Keilschrift immer Silben, die Vokale enthalten,
oder Vokale darstellen. Einzelne Konsonanten kommen nicht vor.
Babylonier und Assyrer übernahmen die Keilschrift und paßten sie den Erfordernissen semitscher Sprachen an. Ein berühmtes Beispiel für die babylonische Keilschrift ist die Gesetzesstele des Hammurabi.
Die Phönizier vereinfachten die ägyptische Hieroglyphenschrift zum
Konsonantenalphabet mit nur 22 Zeichen. Das älteste Dokument der phönizischen
Konsonantenschrift stammt aus dem 17. oder 16. Jahrhundert.
Die Griechen übernehmen das phönizische Alphabet. Die älteste griechische
Inschrift stammt aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts v.. Die Griechen ergänzten
das semitische Konsonantenalphabet durch Vokale, indem sie die Zeichen für
typisch semitische Konsonanten, die das der indogermanischen Sprachfamilie
angehörende Griechisch nicht kennt, uminterpretierten. Sie taten damit den
letzten Schritt zur Entwicklung der vollständigen Lautschrift.
Letztlich haben alle Alphabete ihren Ursprung im phönizischen Alphabet.
Geschichte
13
WIE SICH AUCH IM ÄGÄISCHEN RAUM HOCHKULTUREN
ENTWICKELTEN
Daß Kreta der wichtigste
Verkehrsknotenpunkt des
östlichen Mittelmeerraums
war, daß der Palast von
Knossos auch als
Warenlager diente, und daß
man sich dort leicht
verlaufen konnte
Wie sich auf dem
griechischen Festland unter
kretischem Einfluss die
“mykenische” Kultur
entwickelte.
Daß ihre Spezialität
besonders solides Bauen
war
Seit der Mitte des dritten Jahrtausends traten “ägäische” Kulturen neben die
Ägyptens, Mesopotamiens und Kanaans. Primär sind das die sogenannte “minoische”
Kultur auf Kreta und die von ihr stark beeinflußte helladische Kultur auf dem
griechischen Festland.
Die Bezeichnung “minoische Kultur” ist vom Namen des Minos abgeleitet, des
sagenhaften Königs von Knossos, der ein Sohn des Zeus und der Europa gewesen sein
soll. Der Sage zufolge entprang einem Seitensprung seiner Frau mit einem Stier der
Minotauros - halb Stier, halb Mensch, der in dem eigens für ihn erbauten Labyrinth
Menschenopfer verspeiste, bis ihm Theseus mit Hilfe Ariadnes, der Tochter des Minos,
den Garaus machte. Hierin spiegelt sich die Kompliziertheit der Palastanlage von
Knossos und eventuell die Tributpflicht der (in der Sage Menschenopfer liefernden)
Festlandskultur. Die minoischen Palastanlagen (Phaistos, Knossos) stellten
gleichzeitig Herrensitz, politisches Zentrum und ökonomisches Zentrum dar, in
dem auch die Waren, die Gegenstand des minoischen Handels waren, gelagert
wurden. Die geographische Lage Kretas prädestinierte es zum Knotenpunkt der
Schiffahrtsrouten, die Griechenland, Ägypten und Kanaan miteinander
verbanden. Die durch die Wanderungen indoeuropäisch oder semitisch sprechender
Völker an den Küsten des östlichen Mittelmeeres hervorgerufenen Wirren ließen
dem kretischen Handel dort zunächst keine Konkurrenz erstehen. Der Handel
bildete den Nerv der kretischen Palastwirtschaft.
Ähnliche “Ballungszentren” entwickelte auch die helladische Kultur in Mykene,
Tiryns, Pylos, Athen und Theben, deren monumentale Architektur Festungsanlagen, Kuppelgräber - “kyklopische” Dimensionen hat (die Kyklopen,
ungeschlachte Riesen der griechischen Sage galten als ihre Erbauer). Hauptfundort
der helladischen Kultur ist Mykene, nach dem auch die helladische Spätphase (ab
1600) “mykenisch” genannt wird.
Die minoische Kultur stand in enger Beziehung mit Ägypten und Kanaan.
Möglicherweise stammte auch die Bevölkerung Kretas aus dem Vorderen Orient.
Jedenfalls sprach sie keine indoeuropäische Sprache. Eine schwache Erinnerung scheint
sich in der Sage zu spiegeln: Europa wird von Syrien nach Kreta entführt und gebiert
dort Minos.
Nach 1500 v. versetzten anscheinend Erdbebenkatastrophen der minoischen
Kultur schwere Schläge, von denen sie sich nicht mehr erholte. Kreta stand nun
im Schatten und bald unter der Herrschaft Mykenes, was sich auch in der Ablösung
der alten (noch nicht entzifferten) minoischen Silben- oder Hieroglyphenschrift (Linear
A) durch die auch aus Mykene bekannte (nicht vollständig entzifferte) Schrift (Linear
B) äußert.
Geschichte
14
WIE DIE GRIECHEN IN DIE GESCHICHTE TRATEN UND WELCHE
GEGENSÄTZE DIE GRIECHISCHE GESELLSCHAFT KENNZEICHNETEN,
BIS ES ZUR ERRICHTUNG DER DEMOKRATIE KAM, DIE ABER EINEN
ENTSCHEIDENDEN SCHÖNHEITSFEHLER HATTE
Wie die Griechen im
ägäischen Raum
einwanderten und die
kretisch-mykeni-sche Kultur
zerstörten
Wie sich in der griechischen
Gesellschaft soziale
Gegensätze entwickelten
und die Schuldsklaverei zu
einer verbreiteten
Erscheinung wurde
Daß die “Polis” im
wesentlichen die
gemeinsame Siedlung der
Grundbesitzer eines
bestimmten Gebietes
darstellte und nichts zu
melden hatte, wer nichts
besaß
Daß Drakon in Athen das bis
dahin nur mündlich tradierte
Gewohnheitsrecht aufschrieb
und drakonische Strafen das
Eigentum schützten
Schon seit dem Beginn des zweiten Jahrtausends waren indoeuropäisch
sprechende Stämme in die Balkanhalbinsel eingewandert und hatten die frühe
helladische Kultur (von einer nicht indoeuropäisch sprechenden Bevölkerung)
übernommen und weiterentwickelt. Sie werden mit einem bei Homer entlehnten
Ausdruck als “Achäer” bezeichnet. Ob man in ihnen bereits “Griechen” sehen soll, ist
zweifelhaft. Seit etwa 1250 v. aber erschütterte eine Völkerbewegung die Welt des
östlichen Mittelmeers, die den schon erwähnten “Seevölkersturm” und das
gewaltsame, von Verwüstungen begleitete Eindringen weiterer indoeuropäisch
sprechender - griechischer - Stämme in den ägäischen Raum mit sich brachte,
deren eisernen Waffen der kretisch-mykenische Kulturkreis lediglich bronzene
Schwerter entgegenzusetzen hatte.
Als kurz nach 1000 v. das Hethiterreich unterging, siedelten sich Jonier, die dem
Druck der Dorer wichen, an der Westküste Kleinasiens an, ein Vorgang, den man
als sogenannte “Erste Kolonisation” bezeichnet. Von der kleinasiatischen Kultur,
auf die die Griechen in den Kolonialgebieten trafen, gingen Impulse aus, die zu
einer schnelleren Entwicklung als im eigentlichen Griechenland führten. Hier
entstanden vermutlich die “Homerischen” Epen, hier liegen die Anfänge der
griechischen Philosophie.
Nach der Zerstörung der kretisch-mykenischen Kultur traten die Phönizier deren
Erbe als Vermittler zwischen den Kulturen an. Von ihnen übernahmen die
Griechen die Schrift und paßten sie ihrer Sprache an.
Die Eroberer teilten das Land unter sich auf, wobei die Stammesaristokratie sich
mehr und besseres Land sicherte. Dabei mag schon eine Fläche von 20 Hektar als
Großbesitz gegolten haben, während Kleinbauern nur ein, zwei Hektar ihr Eigen
nannten. Die ungleiche Landverteilung zog weitere soziale Differenzierung und
schließlich die Schuldknechtschaft nach sich: Der Kleinbauer wurden durch
Mißernten, Krieg und Naturkatastrophen eher an den Rand seiner Existenz gebracht als
der Großbesitzer. Nahm der Kleine die Hilfe des Großen in Form von Saatgut und Vieh
in Anspruch und konnte er sich wegen eines Mißgeschicks der dafür eingegangenen
Verpflichtungen (Entschädigung in Naturalien) nicht entledigen, so hielt sich der
Gläubiger am Besitz und gegebenenfalls auch an der Person des Schuldners schadlos.
Die Grundbesitzer siedelten geschlossen in Städten, vielleicht, weil sie Schutz vor
Erhebungen der geknechteten Vorbevölkerung, der “Heloten”, boten. Im Fall
Spartas standen den Heloten so wenige Eroberer gegenüber, daß diese
militärisches Training und militärische Lebensweise zu ihrem Lebensinhalt
machen mußten.
Der griechische Ausdruck “Polis”, der eine solche Siedlung bezeichnet, meinte
ursprünglich einen Verband von Personen, denen ein bestimmtes Gebiet gehörte.
“Politische” Rechte waren an Grundbesitz gebunden. Der Polisbürger verlor sie,
wenn er sein Grundeigentum verlor. Der Anteil der besitz- und daher rechtlosen
Bevölkerung wuchs ständig.
Waren die politischen Verhältnisse der Wanderungszeit durch das
Zusammenwirken der Volksversammlung mit dem Kriegshäuptling oder Heerkönig
charakterisiert gewesen, so traten an dessen Stelle nun auf Zeit gewählte Beamte.
In Athen waren das die neun “Archonten”, die jeweils für ein Jahr gewählt wurden.
Drakon schuf eine gewisse Rechtssicherheit durch die schriftliche Fixierung des
bis dahin nur mündlich tradierten Gewohnheitsrechts (621). “Drakonische”
Strafen schützten das Eigentum: Auf den Diebstahl von Feldfrüchten etwa stand die
Todesstrafe.
Geschichte
15
Daß Solon die
Schuldknechtschaft
abschaffte und den Bürgern
Athens politische Rechte
nach ihrem Vermögen
zuwies
Solon milderte die Strafen, vor allem aber schaffte er die Schuldknechtschaft ab
(594). Die eigentliche Sklaverei gewann damit an Bedeutung. Ferner schuf er eine
Verfassung, die eine Staffelung der politischen Rechte nach Vermögensklassen
vorsah. An den Besitzverhältnissen änderte sich nichts.
Daß in den meisten Poleis
Volksaufstände
Tyrannenherrschaften mit
sich brachten
Es kam daher zu einer Volkserhebung, die den Tyrannen Peisistratos an die Macht
brachte (560). In den meisten griechischen Poleis führten im 7. und 6. Jahrhundert
Erhebungen der Unterschicht zu revolutionären Diktaturen sogenannter
“Tyrannen”.
Wie die
Kolonisationsbewegung den
Unterprivilegierten die
Möglichkeit bot, sich eine
neue Existenz aufzubauen
Die Kolonisationsbewegung der Zeit zwischen etwa 750 und 550 (“Zweite”
Kolonisation) bot den Angehörigen der Unterschicht griechischer Poleis die
Möglichkeit, sich eine neue Existenz aufzubauen. Allenthalben an den Küsten des
Mittelmeers und des Schwarzen Meers, besonders dicht aber in Süditalien,
entstanden neue, unabhängige Griechenstädte.
Wie sich die griechische Nachdem die Herrschaft des Adels vorübergehend wiederhergestellt worden war, gab
Sklavenhalterdemokratie sich Athen unter dem Archontat des Kleisthenes (507) eine demokratische
entwickelte Verfassung. Die demokratische Regierungsform setzte sich während der
Perserkriege (erste Hälfte des 5. Jahrhunderts v.) in den Poleis durch. Gleichzeitig
wurde die Sklaverei zum bestimmenden Faktor der Wirtschaft. Krieg und Handel
sorgten für den Nachschub an Arbeitskräften. Griechenland ist die Wiege der
Demokratie. Die Sklaven gehörten nicht zum “Demos” und hatten daher auch
nichts zu “krateín”. Diejenige Bevölkerungsschicht, die die Hauptlast der Produktion
zu tragen hatte war also rechtlos. Der freie Polisbürger erachtete körperliche Arbeit für
seiner unwürdig.
In Athen wählte die Volksversammlung Jährlich die zehn “Strategen” als die höchsten
Beamten.Die bedeutendste Politikerpersönlichkeit der attischen Demokratie ist
Perikles, der in den Jahren 443 bis 430 zum Strategen gewählt wurde. Unter seiner
Regierung entwickelte sich Athen zum kulturellen Zentrum der griechischen Welt.
Geschichte
16
WIE DIE GRIECHEN DIE BEDROHUNG DURCH DIE PERSER
ABWEHRTEN, EINANDER IN EINEM DREISSIGJÄHRIGEN KRIEG
SCHWÄCHTEN UND SCHLIESSLICH MIT MAKEDONIEN
ZWANGSVEREINIGT WURDEN
Wie die Perser in der ersten
Hälfte des 5. Jahrhunderts v.
vergeblich versuchten,
Griechenland zu
unterwerfen, wobei ihre
phönizischen Untertanen
ihnen Schiffe zur Verfügung
stellten, letztlich aber den
Handel im Ägäischen Raum
den Griechen überlassen
mußten
Wie es nach einem fast
dreissigjährigen Krieg
zwischen Athen und Sparta
um die Vorherrschaft in
Griechenland nur Verlierer
gab
Wie Philipp von Makedonien
Griechenland unter seiner
Herrschaft einte und sein
Sohn Alexander die
vereinigten Griechen und
Makedonen gegen die
Perser führte und ein Reich
von gewaltiger Ausdehnung
errichtete
Daß das Reich Alexanders
keinen inneren
Zusammenhang hatte und
nach seinem Tod in die
Herrschaftsbereiche seiner
Nachfolger (Diadochen)
zerfiel, inzwischen aber
griechische und orientalische
Kultur einander näher
gekommen waren
Im 6. Jahrhundert v. gerieten die jonischen Griechenstädte Kleinasiens unter
persische Herrschaft. Ein Aufstand, der im Jahre 500 v. unter der Führung Milets
begann, endete mit dessen Zerstörung. Eine persische Invasion unter Dareios
konnte an der Ostküste Attikas bei Marathon zum Stehen gebracht werden (490).
Zehn Jahre später wurde ein von Xerxes unternommener abermaliger Angriff
durch einen griechischen Seesieg bei der Insel Salamis abgewehrt. Zur weiteren
Zurückdrängung der Perser schloß Athen mit den Jonischen Poleis und den
Inselstaaten den Delisch-Attischen Seebund (478). Der Oberbefehl kam Athen zu.
Das oberste Organ des Bundes war der Bundesrat, der auf Delos zusammentrat.
Sparta blieb dem Bund fern. Weitere Niederlagen der Perser zu Lande und zur
See folgten. Das Gros der persischen Flotte stellten die Phönizier. Die Perser sahen
sich (449) genötigt, einen Kompromiß zu schließen: Die jonischen Küstenstädte
Kleinasiens blieben unter persischer Oberhoheit, behielten aber ihre Autonomie,
die Ägäis war für die persisch-phönikische Flotte gesperrt. Die phönikische
Konkurrenz des griechischen Handels war nun weitgehend ausgeschaltet.
Mit dem Ende der Perserkriege zeigte sich deutlich die Absicht Athens, den
Seebund zu seinem Herrschaftsbereich umzuwandeln. Die Tribute der Mitglieder
dienten nun nicht mehr dazu, den Krieg gegen die Perser zu finanzieren, sondern
wurden etwa für den Ausbau der Akropolis in Athen verwendet.
Unter der Hegemonie Spartas war schon um 550 der “Peloponnesische Bund”
gegründet worden, dem auch Korinth angehörte, das die stärkste Handelsmacht
des Peloponnesischen Bundes darstellte. Die Handelskonkurrenz zwischen Athen
und Korinth bildete das Hauptmotiv für den sogenannten “Peloponnesischen
Krieg” (431-404). Die Spartaner ließen sich nur ungern in den Krieg hineinziehen, da
sie einen Helotenaufstand fürchteten, fielen schließlich aber in Attika ein. Unter der in
Athen eingeschlossenen Bevölkerung brach die Pest aus, der auch Perikles zum Opfer
fiel (429). Sparta blieb siegreich und installierte in Athen eine spartafreundliche
Oligarchie. Letztlich aber gab es nach diesem fast dreißigjährigen Krieg, der
systematische Verwüstungen mit sich gebracht hatte, nur Verlierer. Griechenland
erholte sich nie mehr ganz.
Es konnte den nördlichen Nachbarn und Verwandten, den Makedonen nichts
entgegensetzen. Viele, besonders die Aristokraten, wollten das auch gar nicht. Nach
einem makedonischen Sieg bei Chaironeia (338) erkannten die Griechen Philipp II.
von Makedonien als Hegemon an. Nachdem dieser ermordet worden war,
realisierte sein von Aristoteles in griechischem Geist erzogener Sohn Alexander den
Plan eines Feldzugs gegen die Perser.
Alexander brach 334 auf, eroberte Phönikien und Ägypten und brachte dem
Perserkönig Dareios bei Gaugamela am Tigris 331 die entscheidende Niederlage
bei. Dareios wurde auf der Flucht von einem seiner Satrapen ermordet. Alexander
drang bis zum Indus vor. Dort verweigerte ihm die Truppe den Gehorsam und
zwang ihn umzukehren.
Alexander machte Babylon zur Hauptstadt seines “Reiches” das allerdings keinen
inneren Zusammenhang hatte und nur das Ergebnis eines Feldzuges darstellte. Er
förderte die Verschmelzung griechischer und orientalischer Kultur zum
“Hellenismus”, ermutigte seine Soldaten, Ehen mit Perserinnen einzugehen und
heiratete selbst zwei persische Prinzessinnen.
Von den vielen Städten denen Alexander den Namen Alexandria gegeben hatte,
war nur eine eine wirkliche Neugründung: die künftige Hauptstadt Ägyptens,
westlich des Nildeltas gelegen.
Das “Reich” Alexanders zerfiel nach seinem Tod in die Herrschaftsbereiche seiner
Nachfolger (Diadochen), von denen hier nur einige genannt seien: Ptolemaios,
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Geschichte
17
Seleukos und Antigonos, Dynastiegründer und Herren in Ägypten, Babylonien
und Makedonien.
Geschichte
18
WIE DIE RÖMER IN DIE GESCHICHTE EINTRATEN, EINE ZEIT LANG DIE
HERRSCHAFT ETRUSKISCHER KÖNIGE HINNEHMEN MUSSTEN, BEVOR
SIE EINE UNABHÄNGIGE REPUBLIK GRÜNDEN KONNTEN, UND WELCHE
SOZIALEN GEGENSÄTZE IN DIESER REPUBLIK HERRSCHTEN
Wie italische Stämme in die
Apenninenhalbinsel
einwanderten und
sabinische und latinische
Dörfer zur Stadt Rom
zusammenwuchsen
Wie Rom unter etruskische
Fremdherrschaft geriet
Wie Rom mit der
Vertreibung der Etrusker zur
aristokratischen Republik
wurde, die kleinbäuerlichen
Plebejer aber schrittweise
ihre Gleichberechtigung
durchsetzten
Daß die römische
Verfassung drei
verschiedene Formen der
Volksversammlung vorsah
Eng verwandte indoeuropäische Sprachen sprechende Stämme, die unter dem Begriff
“Italiker” zusammengefaßt werden, wanderten seit dem 2. Jahrtausend auch in die
Apenninenhalbinsel ein (Latiner, Osker, Umbrer, Bruttier, Kampaner, Lukaner,
Sabiner, Samniten). Der römischen Überlieferung zufolge soll im Jahre 753 v. die
Stadt Rom gegründet worden sein. Anscheinend wuchsen im 8. Jahrhundert v. die auf
den “sieben Hügeln” des späteren Rom gelegenen latinischen und sabinischen Dörfer zu
einer Stadt zusammen.
Im 6. Jahrhundert geriet Rom unter die Herrschaft der Etrusker, die
möglicherweise als eines der “Seevölker” zu identifizieren sind. Sie hatten sich in
Nordwestitalien festgesetzt. Ihre - vor allem auf dem Gebiet der Metallbearbeitung überlegene Kultur, die in etlichen Details nach Kleinasien als Ursprungsland weist,
befähigte sie, sich zu Herren der Vorbevölkerung aufzuschwingen. Die Namen der
letzten der sagenhaften sieben Könige, die in Rom vom 8. bis zum 6. Jahrhundert
v. geherrscht haben sollen, sind etruskisch.
Mit der Vertreibung des Tarquinius Superbus (510 v.) erlangte Rom seine
Selbständigkeit als aristokratische Republik an deren Spitze jährlich gewählte
Beamte, die beiden Konsulen, standen. Bis 287 v. währten die “Ständekämpfe”, in
deren Verlauf die persönlich freien aber politisch rechtlosen kleinbäuerlichen
“Plebejer” ihre Gleichberechtigung mit den großbäuerlichen “Patriziern”
erlangten. Durch die Verweigerung des Heeresdienstes setzten die Plebejer das Recht
durch, Vertreter ihrer Interessen, die Volkstribunen, zu wählen (494 v.). Die Parallelen
mit der griechischen Geschichte sind augenfällig: Im Jahre 449 v. erzwangen die
Plebejer die schriftliche Fixierung des bis dahin nur mündlich tradierten
Gewohnheitsrechts (“Zwölftafelgesetze”). Seit 396 v. wurden die Plebejer bei der
Verteilung des Eroberungen in römischen Besitz gekommenen “Staatslandes”
berücksichtigt. Niemand sollte mehr als 125 ha Staatsland besitzen (367 v.). Die
Aufhebung der Schuldsklaverei erfolgte 326 v.. Seit 287 v. hatten die von den
Plebejern in ihren Versammlungen gefaßten Beschlüsse (Plebiszite) Gesetzeskraft.
Patrizier und wohlhabende Plebejer wuchsen nun zu einer neuen Oberschicht, zur
“Nobilität” zusammen.
Eine Besonderheit der römischen Verfassung bestand darin, daß sie drei
verschiedene Formen der Volksversammlung (comitia) mit jeweils verschiedenen
Befugnissen vorsah:
Da waren zunächst die Kuriatskomitien, die es schon in der Königszeit gegeben hatte.
Die Teilnahme an dieser ältesten Form der Versammlung war ursprünglich wohl den
Patriziern vorbehalten. In der römischen Republik waren die Kuriatskomitien
politisch bedeutungslos. In der Königszeit war eine ihrer Aufgaben die Inauguration
des Königs gewesen. In der Republik kam es ihnen zu, den hohen Beamten
(Magistraten) das imperium, die Amtsgewalt, zu übertragen, deren äußeres Zeichen die
fasces darstellten (jeweils ein Beil umschließende und von Lederriemen
zusammengehaltene Rutenbündel).
Gewählt wurden die hohen Magistrate aber von der Heeresversammlung, den
Zenturiatskomitien, die auch über Krieg und Frieden entschieden und ursprünglich,
nach Hundertschaften (Zenturien) gegliedert, außerhalb Roms auf dem Marsfeld
antraten. Der römischen Überlieferung zufolge soll noch zur Zeit des vorletzten Königs
(Servius Tullius) die Heeresversammlung ihren rein militärischen Charakter verloren
haben und zu einem Instrument der “Timokratie” (gr. “Herrschaft des Reichtums”)
geworden sein. Jedenfalls wurde in der Republik die Einteilung der Bürgerschaft in
Zenturien mit einer Einteilung nach Vermögensklassen so kombiniert, daß den
Besitzenden bei den Abstimmungen ein sattes Übergewicht zukam.
Geschichte
Daß die römische
Verfassung nicht ganz so
demokratisch war, wie es
auf den ersten Blick scheint
Welche Macht der Senat
hatte, obwohl ihm die
Verfassung keine
Gesetzgebende oder
ausführende Gewalt
zuerkannte
Wie Rom espandierte, dabei
aber manchen Rückschlag
hinnehmen mußte
Warum grad die Römer zu
den Herren Italiens wurden
Wie Rom im Rahmen der
“Punischen Kriege” die
karthagische Konkurrenz im
westlichen Mittelmeer
ausschaltete, dabei aber in
mancherlei Schwierigkeiten
geriet
Wie die Römer die
Provinzen ausbeuteten
19
In den Tributkomitien schließlich versammelten sich die Bürger nach Wohnbezirken
geordnet, wählten die niederen Magistrate, darunter auch die Volkstribunen, und
ermittelten den Willen des Volkes durch Plebiszit - die normale Form der
Gesetzgebung bis zum Ende der Republik. Aber auch hier trügt der demokratische
Anschein: Die Abstimmung erfolgte nach tribus - Wohnbezirken, wodurch die
stimmenschwachen
tribus
ländlicher
Grundbesitzer
gegenüber
den
stimmenstarken tribus städtischer Habenichtse aufgewertet wurden.
Der Senat, der “Rat der Alten” (lat. senex = Greis) stellte ursprünglich die
Versammlung der Häupter des patrizischen Adels dar. In der Republik wandelte er
sich zu einem Rat gewesener Magistrate. Hier versammelten sich die “großen alten
Männer” der römischen Politik. ”Ohne eine eigentliche gesetzgebende oder
ausführende Gewalt zu besitzen, hat der Senat als ständiger Beirat der jeweils
amtierenden Magistrate [...] die wirkliche Leitung des Staates fest in der Hand
gehalten. Seine in gutachtlicher Form abgefaßten und darum “Ratschläge” (senatus
consulta) genannten Beschlüsse enthielten die maßgeblichen politischen
Entscheidungen, und durch sein Verfügungsrecht über die Gemeindefinanzen sowie
durch geschickte Ausnutzung der sich aus Annuität und Kollegialität ergebenden
Schranken magistratischer Gewalt vermochte er auch widerstrebende Amtsträger
seinem Willen zu beugen.”3
Nach der Abschüttelung der etruskischen Fremdherrschaft und dem Übergang zur
Republik, hatte Rom begonnen zu expandieren, erlitt dabei aber auch mehrere
Rückschläge: Die in Norditalien eingefallenen (indoeuropäisch sprechenden) Gallier
(unter Brennus) verwüsteten Rom und konnten nur das Kapitol nicht einnehmen. Ihren
Abzug ließen sie sich durch römischen Tribut bezahlen (387 v.). Während der Kämpfe
mit den südlichen Nachbarn, den Samniten, mußte ein römisches Heer kapitulieren (321
v.). Im Verlauf der Auseinandersetzung mit den Griechen Süditaliens brachte deren
verbündeter Pyrrhos, König von Epirus, den Römern zwei empfindliche Niederlagen
bei (Heraclea 280 v., Ausculum 279 v.), wobei ihn aber die zweite gewonnene Schlacht
soviel Substanz kostete, daß er ausrief: “Noch ein solcher Sieg, und ich bin verloren”.
Der “Pyrrhussieg” ist seither sprichwörtlich. Die Ambitionen des Pyrrhos, die Wirren
der Diadochenkämpfe zu nutzen und - nach dem Vorbild Alexanders - die Herrschaft
über ganz Griechenland und letztlich die ganze damals bekannte Welt zu erringen,
fanden bei einem Straßenkampf in Argos ein jähes Ende. In ihrem Ringen mit den
Griechen Süditaliens waren die Römer seit 275 v. wieder Herren der Lage. Zehn Jahre
später waren sie Herren Italiens.
Unter dem Einfluß der Kulturen der Etrusker und der Griechen Süditaliens war
bei den Römern die gesellschaftliche Entwicklung etwas rascher vorangeschritten
als bei den übrigen Italikern. Plebejer wie Patrizier profitierten durch
Landzuteilungen von der römischen Expansion und betrieben sie mit
kriegerischem Elan. Die Etrusker und Griechen waren uneinig, ihren Söldnertruppen
fehlte der Eifer und die Disziplin der römischen Legionäre. Die geschickte römische
Diplomatie, die (erst in der Neuzeit) mit dem treffenden Schlagwort “divide et impera”
- “teile und herrsche” umrissen worden ist, trug das Ihre zu einem letztendlichen
römischen Sieg über Italien bei: Die Römer gliederten die Besiegten als
“Bundesgenossen” ihrem Herrschaftsbereich ein und maßen ihnen
unterschiedliche Rechte zu, wodurch sie unter ihnen eine Konkurrenzsituation
schufen, die das Entstehen einer einheitlichen antirömischen Front verhinderte.
Als Rom zur Herrin Italiens geworden war, stießen seine Herrschafts- und
Handelsinteressen mit denen Karthagos, der Herrin des westlichen Mittelmeers,
zusammen. Im Rahmen der drei “Punischen” Kriege zwischen 264 und 146 v.
verdrängte Rom die Karthager aus Sizilien, Sardinien, Korsika und Spanien, obwohl der
karthagische Feldherr Hannibal die Römer (im zweiten Punischen Krieg 218 - 201 v.) an
den Rand einer katastrophalen Niederlage brachte. Karthago selbst wurde im Jahre 146
v. von den Römern zerstört. Die den Karthagern entrissenen Gebiete wurden als
“Provinzen” dem römischen Herrschaftsbereich eingegliedert.
Die Abgaben der Provinzen bildeten die Haupteinnahmequelle des römischen
Staates, der ihre Eintreibung privaten Pächtern (publicani) überließ. Diese hatten
eine im voraus festgesetzte Summe an den Staat abzuführen. Was sie darüber hinaus aus
den Provinzen herausholten, war ihr Profit. Die Vorauszahlung des Fixums überstieg oft
die Möglichkeiten eines einzelnen publicanus, weshalb sich Steuerpächter häufig zu
Geschichte
20
Pachtgesellschaften vereinigten.
Gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. begannen die Römer, ihre Herrschaft auch über das
östliche Mittelmeer auszudehnen. Bezeichnenderweise zerstörten die Römer Korinth,
die wichtigste Konkurrentin im Ostmittelmeerhandel, und Karthago im gleichen
Jahr (146 v.).
Bei den unterworfenen Völkern versorgten sich die Römer reichlich mit Sklaven. Die
Sklaverei wurde zur Grundlage der römischen Wirtschaft. Es entstanden
landwirtschaftliche Großbetriebe (Latifundien), die durch den rationellen und
massenweisen Einsatz von Sklavenarbeit den kleinen Bauernwirtschaften Italiens
überlegen waren. Diese hatten außerdem unter der Konkurrenz billigen Getreides zu
leiden, das aus den Provinzen Sizilien und Africa eingeführt wurde. Und wachsende
Entfernungen der Kriegsschauplätze von der Heimat hielten die römischen Bauern, die
(vom 17. bis zum 60. Lebensjahr) als Legionäre dienten, für immer längere Zeiträume
von ihren Feldern fern.
Wie viele Kleinbauern bald Die Bauernschaft, die doch das Rückgrat der römischen Gesellschaft darstellte,
nichts mehr hatten außer verarmte. Viele gaben ihre Wirtschaften auf und vermehrten in den Städten die Zahl
einer zahlreichen der besitzlosen proletarii (von lat. proles = Nachkommenschaft). Frei übersetzt bedeutet
Nachkommenschaft dieser Ausdruck etwa “diejenigen, die nichts besitzen außer einer zahlreichen
Nachkommenschaft”.
Daß die “Proletarier” aber Das einzige, was sie außerdem noch besaßen, waren ihre Stimmen in der
noch im Besitz ihrer Volksversammlung. Wer ihnen Unterhalt und Unterhaltung bot - “panem et
politischen Rechte waren circenses”, “Brot und Spiele” - konnte ihre Stimmen haben. Von den Besitzenden
und ihre Wahlstimmen dem verachtet und doch umworben - selbst Cicero schmeichelte ihnen in zehn Reden - waren
Meistbietenden verkauften sie zu einem Dasein als Parasiten verurteilt, denn die Mittel, die großzügige
Getreidespenden, öffentliche Ausspeisungen und glänzende Zirkusspiele ermöglichten,
stammten aus der Ausplünderung der Provinzen und der Ausbeutung der Sklaven.
Solange die einzige Ware, mit der die Proletarier Handel treiben konnten, etwas galt,
war ihr Leben erträglich, es hatte sogar seine Vorzüge gegenüber dem mühevollen
Bauerndasein.
Daß politische und Aber als sich die Realität der römischen Gesellschaft durch die Proletarisierung der
ökonomische Verhältnisse Kleinbesitzer allzu weit von den überkommenen politischen Verhältnissen und der
durch die Proletarisierung überkommenen Verfassung entfernte, die von einer gesunden Bauernschaft, von
der Kleinbesitzer in einen einem Volk von Kleineigentümern ausging, setzte sich eine Angleichung der
schroffen Widerspruch politischen Verhältnisse an die ökonomischen Gegebenheiten auf die Tagesordnung
geraten waren der römischen Geschichte. Das konnte nur bedeuten, daß am Ende die große Masse
der römischen Habenichtse ihre politischen Rechte verlieren mußte.
GESCHICHTE IST NICHT EINFACH ENTWICKLUNG. GESCHICHTE IST EBENSOSEHR DER
GLEICHZEITIGE MANGEL AN ENTWICKLUNG.
Zwischen beiden baut sich allmählich jene Spannung auf, die sich in den Brennpunkten
der Geschichte in sich überstürzenden Ereignissen entlädt. Es ist deshalb übrigens
Unsinn, die Evolution gegen die Revolution auszuspielen, die eine als maßvollvernünftigen Normalfall der anderen als Inbegriff menschlicher Leidenschaften und
Unvernunft gegenüberzustellen. Beide haben ihre Berechtigung im historischen Prozeß.
Wie die Römer ihre
Herrschaft auch über das
östliche Mittelmeer
audehnten und sich bei
dieser Gelegenheit reichlich
mit Sklaven versorgten,
deren Arbeit den
Kleinbauern Konkurrenz
machte
Geschichte
21
WIE DIE IN DER RÖMISCHEN GESELLSCHAFT ERFOLGTEN
VERÄNDERUNGEN ZU EINER POLITISCHEN DAUERKRISE FÜHRTEN, DIE
RÖMISCHE EXPANSION INZWISCHEN ABER FORTGESETZT WURDE
Wie die Brüder Gracchus
bei dem Versuch, aus
römischen Proletariern
wieder Kleinbauern zu
machen, scheiterten
Wie die Untersprivilegierten
ihre kargen Privilegien
hüteten
Wie Sklavenaufstände die
Republik erschütterten
Warum die aufständischen
Sklaven keine
“Revolutionäre” waren
Wie die Proletarisierung der
Kleinbauern sich auch auf
das römische Heer
auswirkte und Marius dem
entgegenwirkte
Wie die römische
Innenpolitik durch die
Auseinandersetzungen
zwischen Optimaten und
Popularen geprägt wurde
Eine Periode des Umbruchs wurde in der römischen Geschichte durch die
Reformversuche der Brüder Tiberius Sempronius Gracchus und Gajus
Sempronius Gracchus eingeleitet, die als Volkstribunen der Jahre 133 bzw. 123/22
der Proletarisierung des Bauerntums durch die Erneuerung jenes Ackergesetzes
entgegenwirken wollten, das den Besitz an Staatsland beschränkte. Dadurch sollte
Land für neue Bauernstellen gewonnen werden. Ihr Reformeifer kostete beide Brüder
und einige tausend ihrer Anhänger das Leben. Gajus Gracchus beging zudem den
Fehler, nicht nur die Ansprüche der Besitzenden in Frage zu stellen, sondern die
Agrarfrage mit dem Bundesgenossenproblem zu verbinden, womit er sich vielen
seiner Anhänger entfremdete.
Die rechtlich und wirtschaftlich benachteiligten zwangsverbündeten Italiker und
Griechen Süditaliens forderten das römische Bürgerrecht. Die Proletarier aber wollten
ihre kargen Privilegien nicht mit den Bundesgenossen teilen. In einem regelrechten
Krieg (Bundesgenossenkrieg 90 - 88 v.) erkämpften sich die socii dann doch das
Bürgerrecht. Allerdings erforderte die Stimmabgabe persönliche Anwesenheit in Rom.
Als in der Kaiserzeit aus Bürgern Untertanen geworden waren und das Bürgerrecht seine
Bedeutung verloren hatte, erhielten alle freien Reichsbewohner das römische
Bürgerrecht (unter Caracalla 212).
Nicht nur die Auseinandersetzungen unter den Freien, sondern auch Sklavenaufstände
erschütterten die Republik, so etwa der von dem syrischen Sklaven Eunus geführte
Aufstand.
In den Dreißigern des 2. Jahrhunderts ließ sich Eunus unter dem Namen “Antiochos”
zum König eines Sklavenstaates auf Sizilien ausrufen und brachte römischen Truppen
eine Reihe von Niederlagen bei, bevor er besiegt und gefangengenommen wurde.
Am bedeutendsten war der von dem Thraker Spartacus, dem Fechtmeister der
Gladiatorenschule in Capua, in den Jahren 74 - 71 geführte Sklavenaufstand. Auch
Spartacus errang mehrere Siege über römische Heere. Uneinigkeit über die Ziele der
Bewegung führte aber zu ihrer Zersplitterung. Spartacus fiel mit den meisten seiner
Anhänger in seiner letzten Schlacht in Apulien. 6.000 überlebende Aufständische
wurden entlang der Via Appia (Verbindung zwischen Rom und Capua) gekreuzigt.
Die Sklavenaufstände waren übrigens keine eigentlich “revolutionären”
Bewegungen. Noch war die Sklaverei so fest in der antiken Gesellschaft verankert,
daß sich selbst die Sklaven eine Gesellschaftsordnung ohne Sklaverei nicht
vorstellen konnten. Sie hatten kein Gegenkonzept, das sie der herrschenden
Ordnung hätten entgegenstellen können. Sie erstrebten persönliche Befreiung und
nicht Abschaffung der Sklaverei.
Gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. bedrohten die germanischen Kimbern und
Teutonen den Norden des Römischen Reiches (manche betrachten die Kimbern als
keltischen Volksstamm). Die Römer mußten im Kampf gegen sie die Niederlagen von
Noreia (Neumarkt/Stmk., 113) und Arausio (Orange in Südfrankreich, 105) hinnehmen.
Unter dem Eindruck dieser Niederlagen reformierte Marius als Konsul von 105
das römische Heer, vor allem, indem er Freiwillige aus den Reihen der besitzlosen
(und daher nicht dienstpflichtigen!) Proletarier aufnahm, die nach 16 bis 20
Dienstjahren Anspruch auf Versorgung hatten. Damit begann der - wie sich in den
folgenden Bürgerkriegen zeigen sollte - folgenschwere Übergang zum Berufsheer. Nicht
der römische Staat und nicht die Verfassung garantierten die Erfüllung der
Versorgungsansprüche der Veteranen, sondern ihr Feldherr.
Die Auseinandersetzungen zweier “Parteien” prägten die römische Innenpolitik:
die der “Optimaten” und der “Popularen”.
Die Optimaten waren die Partei der reaktionären Scharfmacher, deren Anhänger aus der
Nobilität kamen (Patriziat plus plebejische Oberschicht).
Die Popularen stellten eine Art “Reformpartei” dar, deren heterogene Anhängerschaft
Geschichte
22
Popularen geprägt wurde alle anderen umfaßte.
Wie der Bürgerkrieg
zwischen Marius und Sulla
verlief und Sulla Diktator
wurde
Wie Pompejus die
hellenistische Staatenwelt
zerschlug
Was sich in Judäa
zugetragen hatte, bevor
Pompejus eingriff
Wie die “Makkabäer” Judäa
von der Herrschaft der
Seleukiden befreit hatten
Der Bürgerkrieg entzündete sich am Kampf des Optimaten Sulla und des Popularen
Marius um den Oberbefehl im Krieg gegen Mithridates, den Herrscher des Königreichs
Pontos (an der Südküste des Schwarzen Meeres, aus den Diadochenkämpfen als
selbständiger Staat hervorgegangen).
Sulla war in der römischen Geschichte der erste, der römische Soldaten gegen Rom
führte. Seinem Terror fielen etwa 10.000 Marianer zum Opfer. Als er sich zur Führung
des mithridatischen Krieges nach Osten begab, kehrte Marius , der nach Afrika geflohen
war, zurück und rechnete mit seinen Gegnern brutal ab (“Proskription” - “öffentlicher
Anschlag”: Ächtung durch öffentlichen Anschlag). Marius starb 86 v..
Als Sulla seinerseits zurückkehrte, besiegte er die Marianer (82 am Collinischen Tor),
ließ sich zum Diktator auf Lebenszeit ausrufen und schritt sodann an die Ausmerzung
seiner Gegner durch Proskription. Manche gerieten nur wegen ihres Vermögens auf die
Proskriptionslisten, weil dieses für einen Anhänger Sullas bestimmt war.
Sulla legte 79 seine Vollmachten zurück und starb im Jahr darauf.
Danach wuchs der Widerstand gegen die von ihm installierte oligarchische
Verfassung. Das Proletariat drängte auf die Wiedereinführung der von Sulla
abgeschafften Getreidezuwendungen und auf die Wiederherstellung der Rechte der
Volkstribunen, die Italiker murrten wegen der Ansiedlung der Veteranen Sullas. Die
Konsulen des Jahres 70, Crassus und Pompejus, stellten die vorsullanische
Ordnung wieder her.
Von der Südküste Kleinasiens (Kilikien) und von Kreta aus beherrschten seit dem
Ende des 2. Jhs. v. Piraten das Mittelmeer. Zu ihrer Bekämpfung wurde Pompejus
im Jahr 67 für drei Jahre mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet.
Pompejus räumte in wenigen Monaten mit der Piraterie auf und zerschlug im
Anschluß die hellenistische Staatenwelt endgültig. Er schuf eine Reihe neuer
Provinzen und Klientelstaaten.
Auch Judäa geriet in Abhängigkeit vom Römischen Reich. Wir wollen einen Blick auf
die dortigen Entwicklungen seit den Tagen Alexanders des Großen werfen:
Nach dessen Tod fiel Judäa zunächst den Ptolemäern zu. 198 wurde es dem
Seleukidenreich eingegliedert. Die Juden sahen sich massivem Steuer- und
Hellenisierungsdruck ausgesetzt. Ein Gutteil der Oberschicht arrangierte sich mit
den neuen Herren und übernahm deren Anschaungen und Lebensart. Der
wachsende Gegensatz zwischen ihr und der Masse des Volkes äußerte sich in
Unruhen und Straßenkämpfen und führte in die Katastrophe von 169, zu der die
Bibel folgendes meldet:
“Als dem König [Antiochus IV.] zu Ohren kam, was geschehen war, glaubte er, Judäa
wolle von ihm abfallen. Wütend wie ein wildes Tier brach er daher mit seinem Heer von
Ägypten [das er vorübergehend unter seine Herrschaft gebracht hatte] auf und nahm die
Stadt mit Waffengewalt ein. ... Sie richteten unter jung und alt ein großes Blutbad an;
junge Männer Frauen und Kinder kamen um, man erstach Mädchen und Säuglinge. In
nur drei Tagen verlor die Stadt achtzigtausend Einwohner; vierzigtausend fanden im
Kampf den Tod, ebensoviele, wie man ermordet hatte, wurden in die Sklaverei verkauft.
Doch das genügte dem König noch nicht; in seiner Frechheit betrat er den heiligsten
Tempel der ganzen Erde ... Seine blutbefleckten Hände griffen nach den heiligen
Geräten, und was andere Könige gestiftet hatten, um Glanz und Würde des Ortes zu
erhöhen, raffte er mit unreinen Händen zusammen.” (2. Makkabäer 5, 11-16)
Ein Partisanenkrieg unter der Führung des Jehuda Makkabi aber befreite Judäa,
das sodann von einer makkabäischen (hasmonäischen) Dynastie regiert wurde, von
der Herrschaft der Seleukiden:
“Judas aber, den man auch den Makkabäer nennt, und seine Leute schlichen sich
heimlich in die Dörfer und holten ihre Verwandten zu sich; auch gewannen sie die
treugebliebenen Juden, so daß sie etwa sechstausend Mann zusammenbrachten.
Sie riefen zum Herrn, er möge auf das von allen geschundene Volk schauen und Mitleid
haben mit dem Tempel, den ruchlose Menschen entweiht hätten, er möge auch der Stadt
gnädig sein, die zerstört werde und bald dem Erdboden gleichgemacht sei, und auf das
unschuldig vergossene Blut hören, das (anklagend) zu ihm aufschreie. Er solle daran
denken, daß man entgegen jedem Recht unschuldige Kinder ermordet und seinen Namen
gelästert habe, und zeigen, daß er das Böse hasse.
Geschichte
Wie sich die Römer in Judäa
festsetzten
Wie sich Cäsar, Crassus
und Pompejus zum
“Triumvirat” verbündeten
Wie Cäsar das noch freie
Gallien eroberte
Wie der erste der Triumvirn
ausfiel
23
Sobald der Makkabäer eine Streitmacht aufgestellt hatte, konnten ihn die Heiden nicht
mehr aufhalten; denn der Herr hatte seinem Zorn Gnade folgen lassen. Er überfiel
Städte und Dörfer und steckte sie in Brand. Da er günstige Stellungen bezog, jagte er
nicht wenige Feinde in die Flucht. Meist nutzte er die Nächte zu solchen
Unternehmungen, und der Ruf seiner Kühnheit verbreitete sich überall.” (2. Makkabäer
8, 1-7)
“Der Makkabäer aber und seine Leute konnten unter der Führung des Herrn das
Heiligtum und die Stadt wieder in Besitz nehmen. Sie rissen die Ältäre ein, die die
Heiden auf dem Tempelplatz errichtet hatten, und legten die Umfriedungsmauern nieder.
Den Tempel selbst reinigten sie und bauten einen neuen Brandopferaltar. Sie schlugen
Feuer aus Steinen und zündeten so die Opfer an, die sie nach zweijähriger
Unterbrechung wieder darbringen konnten. Auch bemühten sie sich um Räucherwerk,
Leuchter und Schaubrote.
Dann warfen sie sich auf die Erde nieder und flehten zum Herrn, daß sie nie wieder in
solches Unglück gerieten.” (2. Makkabäer 10, 1-3)
Bis auf den heutigen Tag feiern die Juden die Wiedereinweihung des geschändeten
Tempels im Rahmen des achttägigen Chanukkafestes. Zu den damit verbundenen
Bräuchen gehört das Anzünden des achtflammigen Chanukkaleuchters, wobei man beginnend mit einer Flamme - jeden Tag eine weitere entzündet. Die Legende erzählt
von einem letzten übriggebliebenen Fläschchen kultisch reinen Öls, das
wunderbarerweise acht Tage lang für die Beleuchtung gereicht habe, bis neues Öl zur
Verfügung stand.
Die gemeinsame Feindschaft gegenüber den Seleukiden hatte Juden und Römer
noch während des Makkabäeraufstandes einander näher gebracht. Die Römer
aber mischten sich unter Pompejus in den Thronstreit zwischen den
hasmonäischen Rivalen Aristobul II. und Hyrkan II. und gingen nicht mehr aus
dem nur noch formell unabhängigen und seit 6 n. einem römischen Statthalter
unterstellten Land. Lediglich messianische Hoffnungen und eschatologische
(Endzeit-) Erwartungen wiesen den Weg aus neuerlicher bedrückender
Fremdherrschaft in die Freiheit, die im “Krieg der letzten Tage” zu erkämpfen
sein würde.
Zurück zu Pompejus. Im Jahr 62 kehrte er als strahlender Held und reicher Mann nach
Italien zurück. In Brundisium entließ er sein Heer. In Rom geriet er in politische
Isolierung. Den Popularen galt er als Optimat. Ihr Mann war Cäsar, der sich seine
Beliebtheit unter der städtischen Plebs ein Vermögen kosten ließ. Die von Pompejus im
Osten getroffenen Verfügungen waren jedoch durchaus nicht immer im Sinn der
Optimaten gewesen. So zum Beispiel hatte er die “Ritter” (nicht der Nobilität
zuzurechnende aber vermögende Schicht, deren Angehörige bei der Reiterei Dienst
taten) durch Aufhebung von Beschränkungen, die ihnen bezüglich der Steuerpacht
auferlegt worden waren, begünstigt.
Im Jahr 60 verband sich Pompejus mit Cäsar und Crassus (Beiname “dives” - “der
Reiche”) zum sogenannten Ersten Triumvirat (“Dreimännerbund”). Diese drei
verhalfen einander und ihren Günstlingen, zum Teil durch Anwendung blanker
Waffengewalt, zum Konsulat.
Konsul des Jahres 59 war Cäsar. Für die Zeit danach ließ er sich die Verwaltung der
Provinzen Gallia Cisalpina, Gallia Ulterior (oder: Gallia Narbonensis - die Provence in
Südfrankreich) und Illyricum übertragen. Die Eroberung des noch freien Gallien
durch Cäsar dauerte bis in das Jahr 50.
Pompejus und Crassus wurden Konsulen des Jahres 55. Danach war für jeden von ihnen
ein fünfjähriges Kommando vorgesehen, für Pompejus in Spanien, für Crassus in Syrien.
Crassus fiel 53 im Kampf gegen die Parther, ein dem iranischen Sprachraum
zuzurechnendes Reitervolk. Die Parther waren um die Mitte des 3. Jhs. v. aus der
Gegend östlich des Kaspischen Sees gegen den Widerstand der Seleukiden
vorgedrungen und hatten um die Mitte des 2. Jhs. ein zwischen Euphrat und Indus
liegendes Großreich geschaffen, dessen Hauptstadt Ktesiphon am Tigris war.
Führender Kopf der städtischen Plebs war der Volkstribun Clodius, der bewaffnete
Gefolgsleute um sich sammelte, darunter auch Freigelassene und Sklaven. Auch die
Optimaten stellten bewaffnete Abteilungen auf. Unter ihren Anführern tat sich vor allem
Milo hervor. Seinen Bürgerkriegstruppen gehörten ebenfalls zahlreiche Gladiatoren an.
Permanente Straßenkämpfe zwischen den Leuten des Milo und denen des Clodius
Geschichte
Wie Cäsar zurückberufen
wurde, sein Heer jedoch
nicht entließ, sondern damit
nach Italien marschierte
Wie Pompejus auf der
Flucht ermordet wurde
Wie Cäsar sich in
ägyptische Angelegenheiten
einmischte, dabei Kleopatra
näher und in Schwierigkeiten
kam
24
verhinderten in Rom in den Jahren 54 und 53 reguläre Wahlen.
Der Senat sah sich genötigt, Pompejus abermals mit außerordentlichen Vollmachten (als
Konsul “sine collega” - “ohne Kollegen”) auszustatten, damit er die innere Ordnung
wiederherstelle.
Cäsar wurde aus Gallien zurückberufen, fügte sich jedoch dem (von Pompejus
initiierten) Befehl, sein Heer zu entlassen, nicht, sondern überschritt zu Beginn des
Jahres 49 mit seinen Truppen den Rubico (“alea iacta est”), den Grenzfluß zwischen
der Gallia Cisalpina und Italien. Nach wenigen Monaten war ganz Italien in Cäsars
Hand.
Danach kämpfte er mit Pompejus um die Provinzen. Die entscheidende Niederlage
mußte Pompejus im Jahr 48 bei Pharsalos hinnehmen. Als er nach Ägypten floh,
wurde er (auf Befehl Ptolemaios´ XIII.) ermordet.
Nach seiner Landung in Alexandria mischte sich Cäsar in Thronstreitigkeiten der
Ptolemäer und ermöglichte Kleopatra VII., die von ihrem Bruder Ptolemaios XIII.
vertrieben worden war, die Rückkehr. Cäsar blieb bis 47 in Ägypten und kam
dabei Kleopatra näher. Den Ägyptern kam er währenddessen nicht näher. Im
Gegenteil: Sein eigenmächtiges Schalten und Walten in ägyptischen Fragen sowie
hohe Geldforderungen seinerseits führten zum (alexandrinischen) Krieg, der ihn in
sehr ernste Schwierigkeiten brachte. Während jener Tage brannte die berühmte
alexandrinische Bibliothek ab.
Der Sohn des Königs Mithridates von Pontus (Pharnakes) meinte, den Bürgerkrieg zur
Rückgewinnung verlorenen Gebietes ausnützen zu können, unterlag aber (47 bei Zela)
Cäsar, der lapidar an den Senat meldete: “Veni, vidi, vici” - “Ich kam, sah und siegte”.
Die Kämpfe mit den Anhängern des Pompejus dauerten noch bis 45 an.
Cäsar erhielt nach seinem Sieg bei Pharsalos die Diktatur auf unbestimmte Zeit, danach
auf Lebenszeit und schließlich den vererbbaren Titel “Imperator”.
Geschichte
25
WIE DIE BÜRGERKRIEGE EINE NEUE HERRSCHAFTSFORM
HERVORBRACHTEN UND DIESE DEN RÖMISCHEN
SKLAVENHALTERSTAAT NOCH EINMAL STABILISIERTE
Wie Cäsar seine frühere
populistische Haltung aufgab
und sich innenpolitisch
zwischen die Stühle setzte
Wie Cäsar einer
Verschwörung zum Opfer
fiel
Daß die Republik dennoch
nicht zu retten war
Wie sich die führenden
Anhänger Cäsars zum
“zweiten Triumvirat”
zusammenschlossen
Wie die Triumvirn über die
Cäsarmörder siegten
Wie Octavian im Kampf um
die Alleinherrschaft siegte
Welche Lehren Octavian
aus der Ermordung Cäsars
zog und sich zum
“Augustus” wandelte
Cäsars Politik lief nunmehr (im Gegensatz zu seiner früheren “populistischen”
Haltung) auf die Beseitigung der Gegensätze zwischen den verschiedenen
besitzenden Schichten des römischen Reiches und auf die Zurückdrängung des
Einflusses städtischer Habnichtse hinaus. Cäsar vergab großzügig das römische
Bürgerrecht
an
Provinziale
und
beschnitt
den
Proletariern
die
Getreidezuteilungen.
Die Optimaten würden ihre Privilegien mit anderen besitzenden Ständen teilen
müssen, die besitzlose städtische Plebs würde ihr politisches Gewicht und ihr
Privileg, ein parasitäres Leben auf Kosten der Provinzialbevölkerung zu führen,
verlieren. Das war der Zug der Zeit. Cäsar aber hatte sich zwischen zwei Stühle
gesetzt: Die einen konnte er nicht für sich gewinnen, auch wenn er seine früheren
Gegner mit Milde behandelte, die anderen waren enttäuscht.
Im Jahr 44 fiel Cäsar an den Iden des März (15. März) einer
Optimatenverschwörung zum Opfer, an der auch Männer teilnahmen, die zu ihm
übergelaufen waren: Brutus und Cassius (in Shakespeare’s Julius Cäsar daher: “Auch
du, mein Brutus”).
Die Monarchie war aber durch diesen Mord nicht aufzuhalten. Die
republikanische Verfassung entsprach der veränderten römischen Gesellschaft
nicht mehr.
Die Verfassung des Stadtstaates stand im Gegensatz zu den Verhältnissen des
Weltreichs, die Verfassung einer Republik von Kleineigentümern stand im
Gegensatz zu der gesellschaftlichen Wirklichkeit in großer Zahl proletarisierter
Kleineigentümer. Kurz: die Form stand im Gegensatz zum Inhalt.
Der Mord ließ nun die städtischen Habenichtse sich wieder um die zum Gott überhöhte
Figur Cäsars scharen.
Aus den Kämpfen um das Erbe und die Nachfolge Cäsars sollte dessen Großneffe und
Adoptivsohn Octavian siegreich hervorgehen.
43 ging er mit Antonius und Lepidus das sogenannte zweite Triumvirat “zur
Ordnung des Staatswesens” (“tres viri rei publicae constituendae”) ein - keine private,
sondern eine von den Cäsarianern, die koordiniertes Vorgehen gegen die Cäsarmörder
wünschten, geforderte und gesetzlich bestätigte Übereinkunft.
Antonius hatte Cäsar als Truppenführer, Volkstribun und Konsul gedient und sich
Cäsars Nachlaß angeeignet. Lepidus war als Befehlshaber der Reiterei und als Pontifex
maximus einiges Gewicht zugekommen.
Durch abermalige blutige Proskriptionen schalteten die Triumvirn ihre Gegner (darunter
Cicero) aus.
Nach dem Sieg über die Cäsarmörder Brutus und Cassius (42 bei Philippi) teilten
sie das Reich unter sich auf, wobei Octavian den Westen, Antonius den Osten und
Lepidus lediglich Sizilien erhielt. Lepidus wurde auch als erster ausgeschaltet. Der
Endkampf zwischen Octavian einerseits und Antonius und der ägyptischen
Königin Kleopatra anderseits (die Antonius trotz seiner Ehe mit Octavia, der
Schwester Octavians geheiratet hatte) wurde durch einen Seesieg Octavians (31 bei
Aktium) entschieden.
Octavian zog die Lehren aus der Ermordung Cäsars und verkündete die
“Wiederherstellung
der
Republik”.
Der
Schönheitsfehler
an
der
wiederhergestellten Republik: Octavian vereinigte die wichtigsten Ämter in sich.
Er nannte sich “Prinzeps” - “erster Bürger”. Die frühe Kaiserzeit wird deshalb auch
mit dem Begriff “Prinzipat” etikettiert (zum Unterschied vom unverhüllten “Dominat”
[lat. “dominus” = “Herr”] der späten Kaiserzeit [284 - 476]). Im Jahr 27 v. nahm
Octavian den Titel “Augustus” - “der Erhabene” an. Als “divi filius” - “Sohn des
Göttlichen (Cäsar)” genoß er göttliche Ehren.
Seit 14 n. wurden die Komitien nicht mehr einberufen.
Geschichte
Daß es seit Augustus zu
keinen großen
Eroberungskriegen mehr
kam
Wie die Judäer versuchten,
die römische Herrschaft
abzuschütteln
Wie aus Judäa Palästina
wurde
26
Nach den Kaisern der julisch-claudischen (Augustus, Tiberius, Caligula, Claudius,
Nero) und der flavischen (Vespasian, Titus, Domitian) Dynastie wurde die Nachfolge
(von Nerva bis Marc Aurel) durch Adoption geregelt. Auf Commodus, den Sohn Marc
Aurels, folgten bis 284 die sogenannten Soldatenkaiser, die den Thron ihren Truppen
verdankten.
Augustus und seine Nachfolger führten wohl keine großen Eroberungskriege
mehr, aber das Römische Reich expandierte zunächst noch. Das Staatsgebiet der
heutigen Republik Österreich erstreckt sich über Teile der neuerworbenen
Provinzen Rätien, Noricum und Pannonien. Zum Reichsgebiet kamen ferner
Britannien, Armenien und Mesopotamien.
Unter Kaiser Trajan (98 - 117) erreichte das Römische Reich seine größte
Ausdehnung.
Ein großer Teil der Grenzlinie wurde zum Schutz vor Einfällen benachbarter Völker
befestigt.
Verschiedene unterjochte Völker versuchten, die Herrschaft der Römer abzuschütteln
(Aufstände beispielsweise in Nordafrika 17 - 24, in Britannien 60 - 61, in Gallien 68 69), so auch die Juden in den Jahren 66 bis 70.
Der jüdische Krieg wurde mit aller Härte geführt. (Der spätere Kaiser) Titus legte
Jerusalem im Jahre 70 (zur Zeit Vespasians) in Schutt und Asche und zerstörte den
Tempel. Der Titusbogen in Rom erinnert noch heute an den Sieg der Römer und zeigt
denTriumphzug des Titus, anläßlich dessen die Tempelschätze mitgeführt wurden, die
übrigens erst bei der Plünderung Roms durch die Vandalen (455)endgültig
verlorengingen.
Die auf einem Tafelberg westlich des Toten Meeres gelegene Festung Massada fiel erst
73, wobei die 900 Verteidiger kollektiven Selbstmord begingen, um den Römern nicht
in die Hände zu fallen, die bereits eine Bresche geschlagen hatten.
Auch der Aufstand des Bar-Kochba (132 - 135) endete in einem blutigen Desaster.
580.000 jüdische Kämpfer sollen (nach Dio Cassius) gefallen sein, Zehntausenden war
das Los der Sklaverei beschieden. Den Juden war es nun verboten, Jerusalem zu
betreten. Selbst den Namen der Juden tilgten die Römer von der Landkarte: Aus
Judäa wurde Palästina, das Land der Philister.
Daß das Judentum dennoch Einen römischen “Staatsantisemitismus” gab es dennoch nicht. Die Römer
“religio licita” war respektierten die Religion der Juden als “religio licita” - “erlaubte Religion”. Die
Juden verweigerten konsequent den Kaiserkult und die Römer - befreiten sie
davon.
Die Juden bildeten einen unter vielen Mosaiksteinen des römischen Vielvölkerreichs, in
dem sie mit vier bis fünf Millionen Menschen etwa sieben oder acht Prozent der
Bevölkerung darstellten. Man respektierte oder verachtete, bewunderte oder haßte,
verleumdete oder lobte sie wie andere Gruppen auch. Niemand kam auf die Idee, die
Juden für eine besondere “Rasse” zu halten, niemand kam auf die Idee, sie mit Handel
und Geldgeschäft zu identifizieren. Ihre Lage verschlechterte sich erst im christlichen
Staat.
Geschichte
27
WIE DER MASSE DER BESITZ- UND HOFFNUNGSLOSEN DES
RÖMISCHEN REICHS NUR NOCH GOTT HELFEN KONNTE
Wie im Wettstreit der
Erlösungsreligionen das
Christentum siegte
Was sich die frühen
Christen für die nächste
Zukunft versprachen
Den Massen der Besitz- und Hoffnungslosen, die sich in den Städten des
Römischen Reiches konzentrierten, konnte - insbesondere nach der Konsolidierung
des Imperiums unter Augustus - keine Macht der Welt helfen. Nur noch Gott.
Das lateinische Wort “paganus” enthält einen deutlichen Hinweis darauf, daß die
Anhänger des christlichen Glaubens zunächst wohl im städtischen Milieu zu finden
waren: Es bedeutet “Landbewohner” und “Heide”. Auch die Lilien auf dem Felde, die
nicht säen und spinnen, aber doch gedeihen, geben damit die Lebensverhältnisse des
städtischen Proletariats wider.
Orientalische Kulte (um Isis und Osiris, Mithras, Sol invictus und andere), die
Erlösung, eine Umkehr der sozialen Ordnung und womöglich ein Weiterleben nach
dem Tod versprachen, erfreuten sich an der Zeitenwende großer Beliebtheit.
Im Wettstreit der Religionen siegte trotz Verfolgungen, (die ihren Höhepunkt
[303/13] unter Diocletian und Galerius erreichten) das Christentum. Es entwickelte
sich zunächst im Schutz der religiösen Freiheiten, die den Juden zugestanden wurden,
bis die Römer erkannten, daß sie es nicht mehr mit der bloßen Stammesreligion eines
schrulligen Völkchens zu tun hatten, sondern mit einer eigenen Religion, die den
Charakter einer sozialen Protestbewegung hatte: Die jetzt hungern werden dann satt
sein, und die jetzt satt sind, werden dann Hunger leiden. Laßt eure Schuldner frei, so
werdet auch ihr freigelassen werden. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.
Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß ein Reicher in den Himmel eingeht.
Auf revolutionäres Handeln verzichtete des Christentum: Gebt dem Kaiser, was des
Kaisers ist, und Gott was Gottes ist. Jedermann sei obrigkeitlichen Gewalten untertan,
denn es gibt keine Obrigkeit, die nicht von Gott ist.
Allerdings kündigt die Apokalypse (auch: “Offenbarung des Johannes”, nicht zu
verwechseln mit dem Jahannesevangelium), die vermutlich bald nach Nero und unter
dem Eindruck der von ihm initiierten Christenverfolgungen niedergeschrieben wurde,
an, daß es in nächster Zukunft zu einem furchtbaren, entscheidenden Kampf
zwischen dem Antichrist und dem zurückkehrenden Christus und letztlich zur
Errichtung eines Tausendjährigen Reichs durch ihn kommen werde.
In diesem Tausendjährigen Reich wollten die von Christus zur herrschenden Klasse
erhobenen Elenden des römischen Reichs der Freuden teilhaftig werden, die ihnen
einstweilen noch versagt blieben. Bischof und Kirchenlehrer Irenäus (2. Hälfte d. 2.
Jhs.) stellte folgendes beispielsweise folgendes in Aussicht:
“Es wird die Zeit kommen, da die Weinstöcke wachsen, jeder mit zehntausend Reben,
jede Rebe mit zehntausend großen Zweigen, jeder große Zwei mit zehntausend kleinen
Zweigen, jeder kleine Zweig mit zehntausend Trauben, jede Traube mit zehntausend
Beeren und jede Beere mit Saft für zwanzig Maß Wein.”
Und:
“Die jungen Mädchen werden sich da in Gesellschaft der Jünglinge ergötzen; die Greise
werden dieselben Vorrechte genießen, und ihr Kummer wird sich in Vergnügen
auflösen.”4
In dem Maß, in dem sich das Christentum mit der herrschenden Staatsmacht
arrangierte, trat die Apokalypse in den Hintergrund und mit ihr die
“chiliastischen” Erwartungen, die mit dem erhofften, baldigen Anbruch eines
Tausendjährigen Reiches verbundenen Erwartungen (gr. “chilias” bedeutet
“tausend”).
Mit den sozialen Bewegungen des Mittelalters sollten sie jeweils wieder aufleben.
Welche Lehren man aus Die Sklavenaufstände hatten deutlich die Gefahren aufgezeigt, die die
den großen Bewirtschaftung riesiger Latifundien durch Tausende von Sklaven mit sich
Sklavenaufständen zog brachte. Außerdem hatte sich gezeigt, daß ab einer bestimmten Betriebsgröße die
Kosten schneller wuchsen als der Gewinn. In der frühen Kaiserzeit wurde daher die
extensive Latifundienwirtschaft durch die auf arbeitsintensive Kulturen (Wein,
Oliven) spezialisierte Villenwirtschaft abgelöst.
Geschichte
28
Neben der Sklaverei entwickelte sich eine Form der Pacht, das sogenannte
Kolonat: Besonders nach dem Spartacusaufstand übergaben die Großgrundbesitzer
einen Teil ihrer Ländereien -zunächst noch - freien Pächtern, den “colones” zur
Bewirtschaftung.
Geschichte
29
WIE HINTER DER IM ZERFALL BEGRIFFENEN RÖMISCHEN
SKLAVENHALTERGESELLSCHAFT BEREITS DIE UMRISSE DES
CHRISTLICHEN MITTELALTERS SICHTBAR WURDEN
Wie die römische Die Verelendung breiter Schichten schränkte in der Kaiserzeit die Kaufkraft und
Marktwirtschaft verfiel damit den Markt ein. Durch das Ausbleiben von Kriegserfolgen wurden Sklaven
vom Massenartikel zum Luxusgut. Die Sklaverei trat mit dem 2. Jh. zugunsten des
Kolonats in den Hintergrund. Gegen Ende des 3. Jhs. verloren die Kolonen ihre
persönliche Freiheit und unterschieden sich von Sklaven nurmehr dadurch, daß sie
frei wirtschafteten. Sie produzierten primär für den eigenen Bedarf sowie den des
Herrn, und nicht für den Markt.
Damit insgesamt zeichneten sich bereits in der späteren römischen Kaiserzeit die
Umrisse der mittelalterlichen Feudalgesellschaft ab.
Die allgemeine Krise spiegelte sich im raschen Wechsel der Soldatenkaiser, in
Volksaufständen und in der Bedrohung der Grenzen des römischen Reichs.
Wie Diocletian und Zur Stabilisierung der Verhältnisse führte Diocletian (284 - 305) die “Tetrarchie”
Konstantin das römische (“Viererherrschaft”) ein, eine administrative und territoriale Gewaltenteilung unter zwei
Reich zu stabilisieren Cäsares, die von zwei Augusti unterstützt wurden, die auch als ihre Nachfolger gedacht
versuchten waren. Damit war die spätere Reichsteilung (395) bereits vorbereitet. Mit den Reformen
Diocletians begann der Dominat, die orientaisch geprägte offene Despotie.
Konstantin (I., d. Gr. 272 - 337) riß wieder die Herrschaft über das Gesamtreich an sich
und wählte Byzanz als neue Reichshauptstadt (Konstantinopel).
Wie Konstantin das Er tolerierte (mit dem Edikt von Mailand 313) das Christentum (trat aber selbst erst
Christentum tolerierte auf dem Sterbebett zum Christentum über) und versuchte es mit dem syrischen Kult um
den “Sol invictus” - “die unbesiegte Sonne” zu vereinigen. Noch mehr als ein
Jahrhundert später geißelte Papst Leo I. die Sitte, sich beim Betreten des Petersdoms
nach Osten, zur aufgehenden Sonne hin zu verneigen.
Konstantin leitete das Konzil von Nikäa (325), das die Lehre des Arius verdammte
und die wichtigsten Dogmen des Christentums zusammenfaßte. Die durch das
Konzil geprägte Formel “Ein Gott, ein Logos (gr. Wort = der Sohn Gottes als
menschgewordene Lehre), ein Kaiser!” drückt das gemeinsame Interesse aus, das die
Kirche mit dem Kaiser verband.
Daß es verschiedene Schon im 2. Jh. hatte der Streit bezüglich der Menschen- und/oder Gottesnatur Jesu
Auffassungen von Christi begonnen. Im 4. Jahrhundert erhielten diese Streitigkeiten politische Bedeutung.
Christentum gab Arius bestritt die Gottesnatur Jesu und fand damit bei den unteren
Bevölkerungsschichten großen Anklang.
381 erhob Theodosius (auf dem Konzil von Konstantinopel) die Lehre des
Athanasius (295 -373, Bischof von Alexandria) zur Staatsreligion.
Wie sich das Christentum Mindestens so heftig wie der Kampf zwischen den einzelnen Richtungen des
von der jüdischen Religion Christentums wurde christlicherseits der Kampf gegen das Judentum geführt.
abgrenzte und diese Zwei Jahrtausende lang berief sich christliche Judenfeindschaft auf das Neue
bekämpfte Testament, obwohl es bei Johannes - auch - (4, 22) heißt “Das Heil kommt von den
Juden.”:
“Warum versteht ihr nicht, was ich sage? Weil ihr nicht imstande seid, mein Wort zu
hören. Ihr habt den Teufel zum Vater, und ihr wollt tun, wonach es euren Vater
verlangt.”
(Johannes 8, 44)
“Und ich weiß, daß du von solchen geschmäht wirst, die sich als Juden ausgeben; sie
sind es aber nicht, sondern sind eine Synagoge des Satans.”
(Offenbarung 2, 9)
“Leute aus der Synagoge des Satans, die sich als Juden ausgeben, es aber nicht sind,
sondern Lügner - ich werde bewirken, daß sie kommen und sich dir zu füssen werfen und
erkennen, daß ich dir meine Liebe zugewandt habe.”
(Offenbarung 3, 9)
“Gebt acht auf diese Hunde, gebt acht auf die falschen Lehrer, gebt acht auf die
Verschnittenen!”
Geschichte
Welche Argumente die
Kirchenväter gegen die
Juden ins Treffen führten
Daß beispielsweise der
heilige Johannes
Chrysostomos die Juden als
reif zur Schlachtung
bezeichnete
30
(Philipper 3, 2)
Wie immer man jene Textstellen des Neuen Testaments, die sich auf die Juden
beziehen, heute interpretieren mag, die Kirchenväter stellten die Juden sehr wohl
“als von Gott verworfen oder verflucht” dar, “als ob dies aus der Heiligen Schrift zu
folgern sei”, wogegen sich das zweite Vatikanische Konzil (1962 - 1965)
ausdrücklich wandte.
Die Kirche war (und bleibt nach christlicher Auffassung) das “neue Volk Gottes”,
das “neue”, das “wahre” Israel. Und diejenigen, die Israel nur “dem Fleische
nach” bildeten, wurden zu “verstockten” Juden, indem sie an ihrem alten Glauben
festhielten, der schon deshalb sündhaft war, weil er weiterexistierte.
Ein 1982 von der Österreichischen Bischofskonferenz genehmigter Text der
Pastoralkommission
Österreichs
nimmt
Bezug
auf
jene
Stellen
des
Johannesevangeliums, die auf den Unkundigen judenfeindlich wirken:
“Mit ‘Juden’ meint Johannes nicht die Juden im Gegensatz zu den Heiden, sondern er
benützt den Ausdruck als Typos für den Ungläubigen, also für jeden, der Jesus und seine
Botschaft vom Reich Gottes trotz Erkenntnis nicht annimmt; der Ausdruck gilt also für
schuldhaft Ungläubige auch heute ...”
Den Juden wurde der Tod Jesu Christi zur Last gelegt, obwohl nichts in der Lehre
des Nazareners der jüdischen Religion grundsätzlich widersprach und den Gottesmord
motivieren hätte können. Hingegen konnte sich die Entlastung der römischen
Staatsmacht vom Vorwurf des Gottesmords nur günstig auf die Entwicklung der
Beziehungen zwischen dieser und dem Christentum auswirken.
Die Kirchenväter äußerten sich vielfach rabiat judenfeindlich. Etliche von ihnen
verfaßten Kampfschriften mit dem Titel “Gegen die Juden”. Der heilige Augustinus
etwa bot in einem solchen Œuvre einen handlichen Überblick über die judenfeindlichen
Argumente der frühen Christen. Ihm (und schon Tertullian [um 200, Präzisierung der
lateinischen Kirchensprache]) diente die Geschichte von Jakob und Esau als Beleg
dafür, daß Gott die Juden dazu bestimmt hätte, den Christen zu dienen: “Merkt auf das
Mysterium: Der Jude ist Sklave des Christen. Das ist offenkundig und erfüllt den
Erdkreis”. Als Belegstelle diente ihm Genesis 25, 23. Dort heißt es: “Ein Stamm ist dem
andern überlegen. Der ältere muß dem jüngeren dienen.” Damit war die theologische
Grundlage der mittelalterlichen Kammerknechtschaft vorbereitet.
Eusebius (260/65-339, Verfasser der ersten Kirchengeschichte) meinte in seiner “Vita
Constantini”, daß sich der christliche Ostertermin nicht nach dem jüdischen Pessachfest
richten dürfe, denn “ ... Nichts soll uns also gemeinsam sein mit dem verhaßten Volk der
Juden.”
Und beim heiligen Johannes Chrysostomos (344/54-407, gefeierter Prediger, Bischof
von Konstantinopel, umfangreichstes Schrifttum der griechischen Patristik) lesen wir
beispielsweise: “Die Synagoge ist nicht bloß ein Theater, sie ist ein Hurenhaus, eine
Räuberhöhle und Zufluchtsstätte unreiner Tiere, eine Wohnstätte der Teufel.”
Und das folgende Wort dieses Heiligen klingt für den unbefangenen und theologisch
nicht vorgebildeten Leser schlicht nach einer Aufforderung zum Massenmord: “[Die
Juden] nehmen das Joch Christi nicht an und ziehen nicht den Pflug der Lehre ...
Solche Tiere aber, die zur Arbeit unnütz sind, sind reif zur Schlachtung geworden. So
geht es auch ihnen: sie haben sich für die Arbeit als unnütz erwiesen und sind
deshalb reif zur Schlachtung geworden.”
Im christlichen Staat verschlechterte sich die Lage der Juden, die radikal antijüdischen
Worte der Kirchenväter schlugen in Taten um - Zerstörung von Synagogen oder deren
Umwandlung in Kirchen: Der erste bekannte Fall ist die Zerstörung der Synagoge von
Kallinikon am Euphrat 388.
Das unter Kaiser Theodosius II. 438 zusammengefaßte römische Recht (Codex
Theodosianus) enthielt bereits eine ganze Reihe von gegen die Juden gerichteten
Gesetzen, die sie unter anderem von öffentlichen Ämtern und Würden ausschlossen.
In der zweiten Hälte des 4. Jhs. erlangte infolge der Bedrohung der römischen
Grenzen durch die Völkerwanderung das von Konstantin geschaffene Amt des
“Heermeisters” (militärisches Oberkommando), das wie andere militärische
Kommandopositionen
zunehmend
mit
Persönlichkeiten
germanischer
Abstammung besetzt wurde, politische Bedeutung, während auf den Kaiserthron
schließlich Kinder gesetzt wurden (der achtjährige Gratian, der vierjährige
Valentinian II., der sechsjährige Arcadius, der neunjährige Honorius).
Geschichte
31
Wie Odoaker den letzten Auch der letzte weströmische Kaiser Romulus “Augustulus” war noch ein Kind,
römischen Kaiser in Pension als er 476 von dem germanischen Söldnerführer Odoaker, dessen Leute ihn zum
schickte König ausriefen, auf seinen Landsitz in Kampanien geschickt wurde.
Geschichte
32
WIE ES ZUR ZEIT DER VÖLKERWANDERUNG
DRUNTER UND DRÜBER GING
Wie in Italien auf Odoaker Der Staat Odoakers fiel 493 einer ostgotischen Invasion unter Theoderich (bis 526)
die Ostgoten, Byzantiner und zum Opfer. Theoderichs Nachfolger Totila vermochte sich nicht gegen die oströmische
Langobarden folgten Aggression unter Justinian (527 - 565) zu behaupten. Aber auch die byzantinische
Herrschaft in Italien blieb eine kurze Episode, denn im Jahr 568 besetzten die
Langobarden einen Großteil des Landes.
Während des 5. Jhs. waren germanische Stämme als “Föderaten” auf römischem Boden
angesiedelt worden, wo man ihnen ein bis zwei Drittel des Bodens zugewiesen hatte.
Dafür sollten sie sich verpflichten, die Grenzen des Reiches zu schützen.
Wie die Reiche der
Burgunder, Westgoten und
Vandalen entanden und
vergingen
Die im Gebiet der Rheinpfalz als Föderaten angesiedelten Burgunder versuchten nach
Westen zu expandieren, wurden jedoch von Heermeister Aetius mit Hilfe der Hunnen
vernichtend geschlagen, ein Ereignis, das sich in der Nibelungensage spiegelt. Darauf
wurden sie im Gebiet zwischen Genfer und Neuenburger See angesiedelt. In den
Sechzigerjahren des 5. Jhs. drangen die Burgunder bis ans Mittelmeer vor. Ihr Staat
wurde jedoch 534 von den Franken erobert
Die Hunnen drangen seit 420 wiederholt in das oströmische Reich ein und wandten sich
unter Attila (434 - 453) auch gegen das weströmische Reich. Aetius trat ihnen 451 (auf
den Katalaunischen Feldern) mit einem Heer entgegen, das hauptsächlich von Föderaten
gestellt wurde, und besiegte ihn. Attila verwüstete im Jahr darauf Oberitalien und zog
sich dann in den Raum Noricum-Pannonien zurück, wo er starb.
Die 382 in Mösien und Thrakien als Föderaten angesiedelten Westgoten plünderten 410
unter Alarich, der im gleichen Jahr starb, Rom. Unter seinem Nachfolger zogen sie nach
Südgallien und errichteten einen Staat mit der Hauptstadt Tolosa (Toulouse). Von dort
aus dehnten die Westgoten ihre Herrschaft über den größten Teil Spaniens und über
Gallien bis zur Loire aus. Die Franken nahmen ihnen 506 den gallischen Anteil ihres
Reiches ab. Das Westgotenreich in Spanien fiel 711 der arabischen Expansion zum
Opfer.
An der Jahreswende 406/07 überschritten Vandalen, Alanen und Sueben den mittleren
Rhein und drangen in den folgenden Jahren bis Spanien vor. Ein selbständiger
Suebenstaat in Nordwestspanien wurde 584 von den Westgoten erobert. 429 stießen die
Vandalen unter Geiserich mit den Alanen nach Nordafrika vor. 455 landete
Vandalenkönig Geiserich persönlich mit einer Flotte an der Tibermündung, nahm Rom
ein und ließ seine Leute die Stadt zwei Wochen lang plündern. Der Vandalenstaat
erfreute sich bis 533 seiner Unabhängigkeit, als er nach aufreibenden Kämpfen mit
berberischen Völkern des Hinterlandes von den Truppen des Belisar, des Feldherrn
Justinians, erobert wurde.
Geschichte
33
WIE SICH IN KURZER ZEIT EIN ARABISCHES GROSSREICH
ENTWICKELTE
Wie und warum sich der
Islam entwickelte
Was die wichtigsten
Grundsätze des Islam sind
Wie sich verschiedene
islamische Konfessionen
herausbildeten und die
Omayyaden an die Macht
kamen
Der Lebensraum der arabischen Halbinsel brachte im wesentlichen die Lebensformen
der nomadischen Dromedarzüchter (die unter der Bezeichnung carab erstmals im 9. Jh.
v. auftraten), der Oasenbauern und der Städter hervor.
Auf der arabischen Halbinsel ging die Herausbildung (feudal-)staatlicher
Verhältnisse Hand in Hand mit der Entwicklung einer die Stammesdifferenzen
überwindenden monotheistischen Religion. Der Fernhandel - Lebensnerv der
städtischen Wirtschaft - war von einer funktionierenden Zentralherrschaft
abhängig, seine ständige Bedrohung durch nomadisierende Reiterkrieger (badw Beduinen) untragbar. Schon vor Mohammed traten sogenannte Hanifen als
Verkünder monotheistischer Ideen auf, aber erst ihm war es beschieden, die Araber
zu einen.
Mohammed sah sich nicht als Religionsgründer, sondern als Vollender des jüdischchristlichen Monotheismus. Seit etwa 610 empfing er göttliche Offenbarungen und
predigte die Hingabe an den Einen Gott (= Islam). In seiner Heimatstadt Mekka fand
er jedoch nur wenige Anhänger, zumeist Angehörige der Unterschicht. In Mekka, auch
Heimatstadt zahlreicher Götter, die von den arabischen Stämmen verehrt wurden,
stießen seine Ideen zunächst auf Ablehnung, sodaß er 622 nach Medina übersiedeln
mußte, wo es ihm gelang, ein islamisches Staatswesen zu begründen. 622, das Jahr des
Auszugs - der Hedschra, bildet den Beginn der islamischen Zeitrechnung (in
Mondjahren). 630 konnten die Anhänger Mohammeds Mekka nahezu ohne
Gewaltanwendung besetzen.
Der Koran, das Heilige Buch des Islam, enthält insgesamt 114 Offenbarungen
(Suren), die man, als das Gesamtwerk im Jahr 650, also 18 Jahre nach dem Tod des
Propheten, veröffentlicht wurde, kurzerhand nach ihrer Länge ordnete. Der Koran lehrt
einen absoluten Monotheismus, Vergeltung der Taten des Menschen im Jüngsten
Gericht, regelt kultische, rechtliche und wirtschaftliche Fragen und legt die religiösen
Pflichten fest. Das sind vor allem die sogenannten fünf Säulen des Islam:
• Glaubensbekenntnis: Es gibt keinen Gott außer dem Einen Gott, und
Mohammed ist sein Prophet.
• Fasten im Monat Ramadan.
• Fünfmaliges Gebet am Tag (bei den Schiiten dreimalig).
• Wallfahrt nach Mekka.
• Mildtätigkeit.
Außerdem dient dem Muslim die Sunna als Richtschnur, die zahlreiche Berichte über
die Taten des Propheten und seiner Gefährten enthält, die nicht in den Koran
aufgenommen wurden.
Als der Prophet 632 starb, wurde sein Schwiegervater Abu Bakr zum Nachfolger
(chalifa - Kalif) bestimmt. Ihm gelang es, die islamische Gemeinde zusammenzuhalten,
obwohl viele die Auffassung vertraten, daß sie nur dem Propheten persönlich
verpflichtet gewesen seien.
Abu Bakrs Nachfolger Omar war der Begründer des theokratischen arabischen
Weltreichs. Er eroberte (635) Damaskus, Jerusalem (637), Persien (640 - 644) und
Ägypten (639 - 641).
Unter Osman zeigten sich bereits erste Verfallserscheinungen und Richtungstreitigkeiten
innerhalb des Islam. Osman wurde - wie schon Omar - ermordet (656).
Ali, Schwiegersohn und Vetter des Mohammed wurde nicht überall anerkannt und
unterlag schließlich Moawija, dem (mit dem Propheten verwandten) Statthalter
Syriens und Begründer der Omayyadendynastie. Seither aber ist die islamische Welt in
verschiedene Konfessionen gespalten. Da ist zunächst die Schi’at Ali, die Partei des
Ali, kurz Schia (Stimmabsatz zw. i und a), die davon ausgeht, daß die Lenkung der
islamischen Gemeinde Ali und seinen Nachfahren gebühre. Die Sunna wird von den
Schiiten nicht anerkannt. Die Sunniten bilden die große Mehrheit (90%) in der
Geschichte
34
islamischen Welt. Das Kalifat sollte ihrer Auffassung nach den nächsten Verwandten
des Propheten in männlicher Linie vorbehalten sein.
Unter den Omayyaden erreichte das arabische Reich seine größte Ausdehnung
(vom Kaukasus bis Spanien, das 711 [unter dem Feldherrn Tarik: Djebel Tarik Gibraltar] erobert wurde).
Der Franke Karl Martell wies 732 (zwischen Tours und Poitiers) einen tief ins Innere
Frankreichs führenden arabischen Vorstoß ab.
Wie die Omayyaden von den Um an die Macht zu kommen nutzten die Abbasiden (Ahnherr Abbas, ein Onkel
Abbasiden verdrängt wurden Mohammeds) erfolgreich Volksbewegungen im Osten des Reiches aus, die sich
gegen die Diskriminierung nichtarabischer Muslime richteten, und rotten das
Geschlecht der Omayyaden aus. Lediglich Abd ar-Rahman gelang es, nach Spanien zu
entkommen, wo er das Emirat (später Kalifat) Cordoba und damit den ersten vom
Kalifen unabhängigen islamischen Staat begründete.
Mittelpunkt des Abbasidenreiches war Bagdad. Bekanntester und bedeutendster
Abbasidenkalif war Harun ar-Raschid, ein Zeitgenosse Karls des Großen.
Weitere Regionen (Tunesien-Tripolitanien, Ägypten, Nordostpersien, Transoxanien)
entzogen sich der Zentralgewalt, erkannten aber die Oberhoheit des Kalifen formell an.
Geschichte
35
WIE SICH DER FRÄNKISCHE FEUDALSTAAT ENTWICKELTE
Was der Ausdruck Noch in der römischen Antike warem die Umrisse der mittelalterlichen Feudalge“Feudalismus” im weiteren sellschaft sichtbar geworden, die auf Subsistenzwirtschaft beruhte (geschlossene
Sinn bezeichnet Hauswirtschaft, keine Warenproduktion), und in der das Eigentum am Grund und
Boden und bald schon ein eingeschränktes Eigentum an den Bauern der
Grundbesitzerklasse zukam. Die Völkerwanderung brachte vielfach nur einen
Wechsel der Herren mit sich.
Auch bei den germanischen Eroberern kam es zu einer Art “Arbeits-teilung” zwischen
einem auf das Kriegshandwerk spezialisierten grundbesitzenden Stammesadel und
abhängigen Bauern, die zur Ablieferung von Naturalien und zu allerlei Diensten
verpflichtet waren. Ihre Abhängigkeit und Unfreiheit reichte in vielfältigen Abstufungen
von einer lockeren Tributpflicht bis zur eigentlichen Leibeigenschaft, die sich kaum von
Sklaverei unterschied.
Was der Ausdruck Im engeren Sinn bezeichnet der Ausdruck “Feudalismus” lediglich die
“Feudalismus” im engeren Beziehungen und Abhängigkeiten innerhalb der Gesellschaftsklasse der
Sinn bezeichnet kriegeradeligen Grundbesitzer: Die Krone überließ ihren Vasallen (Grafen, Herzögen)
Land als “Lehen” (lat. “feudum”), das heißt “leihweise” und nicht als Eigentum. Die
Gegenleistung bestand im Kriegsdienst der Vasallen, die ihrerseits wieder
“Aftervasallen” (Ritter) belehnten. Im Frankenreich wurden die Bauern im 8.
Jahrhundert (Schlacht zwischen Tours und Poitiers) nicht mehr im Krieg aufgeboten.
Wie sich das Frankenreich Feudalstaatliche Verhältnisse entwickelten sich um die Wende vom 5. zum 6. Jahrhunund das Königtum der dert zuerst bei den Franken, die von ihrem Stammland an der unteren Schelde ins Pariser
Merowinger herausbildeten Becken expandierten. Am Ende des 5. Jahrhunderts brach der Merowinger
und die Kirche zur Chlodwig die Macht der übrigen fränkischen Stammesfürsten und Kleinkönige und
wichtigsten Stütze begründete das fränkische Königtum.
des fränkischen Staates
Chlodwig trat zum katholischen Christentum über, das als Religion der “Mühseligen
wurde
und Beladenen” entstanden war. Die Kirche wurde nun aber zur stärksten Stütze des
fränkischen Staates und der feudalen Gesellschaftsordnung. Die Unterwerfung von
Völkerschaften ging in den folgenden Jahrhunderten mit deren Christianisierung einher.
Und stets war es der Adel, der zuerst zum Christentum übertrat. Schenkungen machten
die Kirche zum größten Grundbesitzer des Reiches.
Wie die Merowinger von den Seit der Mitte des 7. Jahrhunderts wurden die Merowinger mehr und mehr zu bloßen
Karolingern abgelöst wurden Schattenkönigen herabgedrückt, während die Familie der Karolinger ihre Stellung als
und das Frankenreich den Hausmeier immer mehr ausbaute und festigte. Im Jahre 751 wurde der letzte
Höhepunkt seiner Macht Merowingerkönig in ein Kloster gebracht und der Karolinger Pippin mit päpstlicher
unter Karl dem Grossen Hilfe zum König des Frankenreiches erhoben.
erreichte
Den Höhepunkt seiner Macht erreichte das fränkische Karolingerreich um die
Wende des 8. zum 9. Jahrhundert. Karl der Große unterwarf/christianisierte die
Sachsen. Eine Verschwörung gegen die fränkische Herrschaft wurde von ihm im Jahre
782 mit Hilfe von Teilen des sächsischen Adels blutig unterdrückt. Zeitgenössische
Quellen berichten, daß damals in Verden an der Aller 4.500 Aufständische hingerichtet worden sein. Widukind, der bedeutendste unter ihren Führern unterwarf sich drei
Jahre später.
Nachdem Karl der Große die Sachsen und Bayern unterworfen hatte, war der fränkische
Staat zum wichtigsten Machtfaktor Mittel- und Westeuropas geworden, und, indem er
sich im Jahre 800 vom Papst zum Kaiser krönen ließ, erhob er den Anspruch auf die
Erbschaft des weströmischen Reiches. Die oströmischen Kaiser anerkannten Karl
notgedrungen.
Daß das Reich Karls des Das Karolingische Reich war ein mit militärisch-administrativen Mitteln
Grossen aber lediglich ein zusammengefügtes Konglomerat von Völkerschaften, die im Verband des Reiches
mit militärisch-adminis- weiterhin ihr Eigenleben führten und ihre eigenen Sprachen besaßen. Das einzige Band,
trativen Mitteln das diese einander fremden Teile zusammenhielt, war die relativ starke Zentralgewalt
zusammengefügtes unter Karl dem Großen mit einer strengen Verwaltungsordnung. Die Zentralgewalt, die
Konglomerat von Völ- sich faktisch nur auf den königlichen Grundbesitz stützte und die nicht einmal einen
Geschichte
36
kerschaften darstellte, das sich faktisch nur auf den königlichen Grundbesitz stützte und die nicht einmal einen
bald nach Karls Tod ausein- festen Königshof besaß - aus Versorgungsgründen wechselte der Sitz des karolingischen
anderfiel Hofes -, zerfiel bereits wieder mit dem Tod Karls im Jahre 814. Die Kräfte, die an
ihrer Aufrechterhaltung interessiert waren, eine kleine Reichsaristokratie, die in allen
Teilen des Imperiums begütert war, und die Kirche, waren nicht stark genug, das
Auseinanderbröckeln zu verhindern.
Geschichte
37
WIE AUS DEN FRÄNKISCHEN TEILUNGEN EIN SELBSTÄNDIGER
DEUTSCHER STAAT HERVORGING
Daß ausgerechnet die erst
von Karl unterworfenen
Sachsen danach die
deutschen Könige stellten
Daß die deutschen Könige
die Kirchenorganisation zur
Ausübung der Macht
benutzten, deshalb auch
gerne den Papst von sich
abhängig machen wollten
und überhaupt gerne nach
Italien zogen
Drei Jahrzehnte später, im Jahre 843, wurde in Verdun das Karolingische Reich in drei
Teile aufgeteilt, wenn auch seine Einheit formal als weiterbestehend anerkannt wurde.
Ausgangspunkt für die Entwicklung zu einem selbständigen deutschen Staat wurde
das ostfränkische Reich. Bis zur Konsolidierung eines eigentlichen deutschen Staates
sollten freilich noch mehr als sieben Jahrzehnte vergehen, in denen das Reich in kleine
Königreiche und Adelsherrschaften auseinanderzufallen drohte. Im Jahre 919 wurde
aber Herzog Heinrich von Sachsen von den sächsischen und einem Teil der
fränkischen Feudalherren zum König gewählt.
Daß ein relativ starkes Königtum an der Spitze des deutschen Staates fortbestand, hat
seine Ursache nicht zuletzt in der Existenz eines mit diesem Königtum verbundenen
relativ stabilen Organs: der Reichskirche. Gerade das aber mußte in der Folgezeit
Auseinandersetzungen zwischen Papsttum und Königtum In dem Versuch, den Einfluß
des deutschen Königtums auf die Kirche dadurch zu sichern, daß auch der Papst in seine
Abhängigkeit gebracht wurde, können wir eine der Wurzeln der Italienpolitik erkennen,
die um die Mitte des 10. Jahrhunderts unter Otto I. (936-973) begann. Eine der Wurzeln,
aber nicht die einzige: Zugleich spielte das Streben, die reichen oberitalienischen
Handelsstädte auszuplündern, eine Rolle, und da auch die süddeutschen Herzogtümer
sich deshalb in Italien festsetzen wollten, versuchten die Könige, das Erstarken der Partikulargewalt dadurch zu verhindern, daß sie sie von dort verdrängten und selbst Einfluß
auf Ober- und Mittelitalien zu gewinnen suchten.
Geschichte
38
WIE DIE DEUTSCHEN KÖNIGE BZW. KAISER DURCH IHRE ITALIENPOLITIK DIE ZENTRALGEWALT STÄRKEN WOLLTEN, ABER DAS GEGENTEIL ERREICHTEN
Daß die deutschen Könige
dem Adel Zugeständnisse
machten, um freie Hand für
ihre Italienpolitik zu haben,
und damit die Zentralgewalt
schwächten
Wie sich eine innerkirchliche
Reformbewegung gegen die
Eingriffe der deutschen
Könige bzw Kaiser in
kirchliche Angelegenheiten
richtete
Wie Kaiser und Papst im
Investiturstreit
aneinandergerieten
Daß die kaiserliche Macht
sich von den im
Investiturstreit erlittenen
Schlägen nie mehr ganz
erholte
Statt daß die Italienexpansion die Zentralgewalt stärkte, war sie umgekehrt nur durch
immer neue Zugeständnisse an die Partikularmächte fortzuführen. Immerhin hatte
Otto wenigstens insofern Erfolg, als es ihm und seinem Nachfolger gelang, die
Kaiserkrone zu erwerben, während die bereits im 9. und 10. Jahrhundert
unternommenen Versuche einer Expansion nach Osten, gegen die slawischen Nachbarn,
mit dem umfassenden Slawenaufstand 983 wenigstens für eineinhalb Jahrhunderte
scheiterten und der erfolgreiche Widerstand der Elbslawen auch den weiter östlich
lebenden slawischen Völkern die zeitweilige Unabhängigkeit sicherte und ihnen die
Festigung selbständiger Staaten erleichterte.
Reichskirchensystem und Italienpolitik konnten freilich keine dauerhaften Erfolge zeitigen. Eine vom Kloster Cluny in Burgund (gegr. 910) ausgehende Reformbewegung
beeinflußte auch die Geschicke der deutschen Königsmacht. Die cluniazensische
Bewegung richtete sich gegen die Verweltlichung des Klosterlebens und gegen die
Eingriffe weltlicher Herrscher in kirchliche Angelegenheiten.
Wenn die Spannungen zwischen der weltlichen und geistlichen Feudalmacht aber zu
dieser Zeit in allen Ländern wuchsen, wurden sie in Deutschland dadurch verschärft und
kompliziert, daß die Expansion der deutschen Kaiser nach Italien zusätzliche
Konfliktstoffe zwischen Staat und Kirche schuf.
Die Herrschaftsansprüche Heinrichs IV. stießen mit weltlichen Ansprüchen des
Papstes in Italien bald so scharf zusammen, daß Gregor VII., Papst seit 1073, in
ihm seinen Hauptgegner erkannte. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand
die Laieninvestitur, d.h. das Recht weltlicher Mächte, Geistliche, vor allem Bischöfe,
Äbte und andere hohe Kirchenfürsten, in ihr Amt einzusetzen. Im Kampf gegen den
König besaß Gregor VII. auch die Unterstützung weltlicher Feudalherren, die ihre
Macht auf Kosten der Zentralgewalt vergrößern wollten. Heinrich IV. dagegen konnte
nur das junge Bürgertum der Städte, wie Worms am Rhein, das er vor Übergriffen der
Feudalherren schützte, als sicheren Bundesgenossen ansehen. Als er Gregor VII. für
abgesetzt erklärte, antwortete der Papst mit einem wirksamen Gegenschlag: Er
verhängte über König Heinrich den Kirchenbann. Heinrich IV. konnte nur dadurch
seinen Thron halten, daß er 1077 durch Ableistung der Kirchenbuße den Papst zwang,
ihn vom Bann zu lösen.
Vor dem Bergschloß Canossa erlebte Heinrich IV. eine persönliche Demütigung, sicherte aber seiner Macht eine Grundlage, indem er es den deutschen Feudalherren
unmöglich machte, sich unter Berufung auf den Bannfluch des Papstes noch länger ihres
Treueides für entbunden zu erklären. Die völlige Wiederherstellung seiner Macht,
gelang jedoch nicht: Mit dem Ausgang des Investiturstreites wurde der König zum
Primus inter pares herabgedrückt, die Fürsten setzten das freie Wahlrecht
gegenüber dem königlichen Geblütsrecht durch, und das Reichskirchensystem
zerbrach.
Geschichte
39
WIE EINIGE UNSCHEINBARE NEUERUNGEN IN DER LANDWIRTSCHAFT
GROSSE VERÄNDERUNGEN BEWIRKTEN
Wie die Landwirtschaft ihre
Produktivität steigerte und
dadurch die Trennung des
Handwerks von der
Landwirtschaft und das
Wiederaufleben des
Städtewesens möglich
wurde
Neuerungen, die seit der Zeit Karls des Großen (768-814) feststellbar sind, wie der
Übergang von der Feldgraswirtschaft zur Dreifelderwirtschaft, die Erfindung des
Pferdekummets und des zweiteiligen Dreschflegels ermöglichten eine Steigerung der
Produktivität der Landwirtschaft . Die regelmäßige Produktion von Überschüssen
war eine unerläßliche Voraussetzung für die Herauslösung des Handwerks aus der
Landwirtschaft, die im 10./11. Jahrhundert das Wiederaufleben des Städtewesens
mit sich brachte, da die fortschreitende Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen
Sparten des Handwerks deren Konzentration an günstig gelegenen Orten erforderte, die
gleichzeitig als Märkte dienten.
Die Römer hatten die Warenproduktion bereits zu einer beachtlichen Höhe entwickelt.
Das frühe Mittelalter hatte spezialisierte Warenproduktion, Markt und Geldwirtschaft
nicht gekannt, es hatte “von vorne” begonnen. Für das Jahr 1363 jedoch zählt
beispielsweise die Nürnberger Chronik bereits wieder 50 verschiedene Handwerksberufe
auf.
Das waren die Anfänge der - zunächst noch hinter den Stadtmauern eingeschlossenen bürgerlichen Gesellschaft.
Geschichte
40
WIE EUROPA IN DEN BEZIEHUNGEN MIT DEM ORIENT DIE INITIATIVE ZU
ERGREIFEN BEGANN UND DER VERMITTLERDIENSTE DER
“UNGLÄUBIGEN” NICHT MEHR BEDURFTE
Daß man die Ursachen der Europa begann in den wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Orient die Initiative
Kreuzzugsbewegung nicht zu ergreifen. Vermittlerdienste der “Ungläubigen” wurden nicht mehr benötigt.
unbedingt nur im religiösen Nun wurde die (schon früher gedachte) Kreuzzugsidee aktuell.
Übereifer suchen muß
Am 27. November 1095 predigte Papst Urban II. auf dem Konzil von ClermontFerrand den Kreuzzug, um das Heilige Grab aus den Händen der türkischen
Seldschuken zu befreien, die die Herrschaft über das Heilige Land an sich gerissen und
dem oströmischen Kaiser eine schwere Niederlage beigebracht hatten und christliche
Pilger mißhandelten. Adlige Herren, Mönche und gewöhnliches Volk folgten dem Ruf
des Papstes, denn “Gott will es”.
Daß man die Illusionen, die Natürlich ergeben sich aus der nachträglichen Betrachtung der Kreuzzüge Zusammeneine Epoche sich über sich hänge, die dem einzelnen Kreuzzugsteilnehmer nicht bewußt waren. Wenn er adelig
selbst macht, nicht war, trieb ihn vielleicht die Aussicht, sich ein Fürstentum zu erobern, Hörige und
übernehmen soll Leibeigene zu besitzen, Beute zu machen, sich mit Ruhm zu bedecken, einen guten Platz
im Himmel zu ergattern. Wenn er Bauer war, hoffte er auf ein Leben in Freiheit, mit
eigenem Grund und Boden.
Sicher ging es dem einzelnen Kreuzfahrer nicht um die Gewinne venezianischer
Kaufleute.
Daß man die Dennoch muß die Kreuzzugsbewegung im Zusammenhang mit der seit dem 11.
Kreuzzugsbewegung im Jahrhundert einsetzenden Neubelebung des italienischen Städtewesens gesehen
Zusammenhang mit dem werden. Diese war Voraussetzung und Folge der Kreuzzüge.
Wiederaufleben des Venedig hatte auch im frühen Mittelalter die ökonomische Funktion einer Stadt
Städtewesens sehen muß nicht verloren und in begrenztem Umfang Handelsbeziehungen mit Byzanz un-
Wie sich der von feurigen
Kreuzzugspredigern
angestachelte Eifer der
Kreuzfahrer zuerst gegen
die jüdischen “Ungläubigen”
richtete
terhalten.
In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts setzten sich die Normannen in Süditalien fest
und bekämpften mit den Seestädten Venedig, Genua, Pisa, Neapel und Amalfi die Sarazenen, die (seit 827) in Süditalien in Süditalien eingedrungen waren, und erzwangen
im gegenüberliegenden Abschnitt der nordafrikanischen Küste eine Vorzugsstellung für
ihren Handel. Genua und Pisa drängten die Sarazenen aus Sardinien und Korsika,
Venedig faßte gegen den Widerstand kroatischer Seeräuber in Dalmatien Fuß.
Seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts erschienen regelmäßig lombardische und venezianische Kaufleute in Paris und Flandern, dem zweiten Schwerpunkt der Entwicklung
des europäischen Städtewesens.
“Ungläubige”, deren Vermittlerdienste nicht mehr benötigt wurden, lästige
Konkurrenz, waren nun auch die Juden. Feurige Kreuzzugsprediger erinnerten
sich des “Gottesmords” und riefen zu Judenmassakern auf.
Die deutschen Juden schlugen Warnungen aus Frankreich in den Wind und meinten,
nichts fürchten zu müssen. Französische und deutsche adlige Herren aber führten
ihre mordenden und plündernden Banden systematisch von einer jüdischen
Gemeinde zur anderen. Grafen und Kirchenfürsten (Bischof Adalbert in Worms,
Erzbischof Ruthard in Köln) stellten sich den Kreuzfahrern entgegen, vermochten die
Juden meist aber nicht zu schützen. Wenn die Juden die Aussichtslosigkeit des
Widerstands erkannt hatten, richteten sie meist ihre Waffen gegen sich selbst. Albert von
Aix berichtet von den Massakern in Mainz:
“Sie vernichteten lieber sich selbst mit ihren eigenen Händen, als daß sie den Schlägen
der Unbeschnittenen erlegen wären. Nur eine ganz geringe Zahl von Juden konnte
diesem grausamen Morden entrinnen; nur einige nahmen die Taufe an, viel mehr aus
Furcht vor dem Tod als aus Liebe zum christlichen Glauben.”
Auch anläßlich des Zweiten Kreuzzuges riefen eifrige Ordensmänner wie Peter von
Cluny und Radulf die Kreuzfahrer zum Judenmord auf:
Geschichte
41
“Rächet zuerst den Gekreuzigten an seinen Feinden, die unter uns leben ...”
Die Zahl der Opfer hielt sich dieses Mal aber in den Grenzen von Hunderten, nicht
zuletzt, weil Zisterzienserabt (und Mitgestalter des Zisterzienserordens, der sich 1108
als selbständiger Orden von den Benediktinern gelöst hatte) Bernhard von Clairvaux obwohl Hauptideologe des Zweiten Kreuzzugs - den Hetzpredigern entschieden
entgegentrat.
Von nun an aber verband sich jede Kreuzzugspredigt mit einer Predigt gegen die
Juden, gleichgültig ob es gegen die Sarazenen, gegen die Albigenser, gegen die
Hussiten, gegen den Sozialismus oder gegen den Kapitalismus ging.
Daß man im wesentlichen Hier ein kurzer Überblick Überblick über die Kreuzzüge:
sieben Kreuzzüge 1096 - 99 Erster Kreuzzug (Nord- und Südfranzosen, Normannen Süditaliens)
unterscheidet,
1099 Eroberung Jerusalems, Begründung eines Königreichs Jerusalem (unter
Gottfried von Bouillon) und einiger anderer kleiner Feudalstaaten.
dazu einige wundersame
Begebenheiten der 1147 - 49 erfolgloser Zweiter Kreuzzug (Staufer Konrad III. und Ludwig VII. von
Kreuzzugszeit
Frankreich).
1187 Rückeroberung Jerusalems durch Saladin (Salaah_ed-diin, Begründer der in
Ägypten [1171 - 1250] herrschenden Dynastie der Aijubiden).
1189 - 92 (Deutsch-französisch-englischer) Dritter Kreuzzug unter Leitung Kaiser
Friedrichs I. Barbarossa, der jedoch nach dem Sieg bei Ikonion (1190,
Kleinasien) beim Baden ertrank. Der englische König Richard Löwenherz
eroberte Akko und schloß einen Waffenstillstand mit Saladin.
Im Zusammenhang mit der Eroberung Akkos war es zu einem Zwischenfall
zwischen dem - ebenfalls am Dritten Kreuzzug teilnehmenden
Babenbergerherzog Leopold V. (1177 - 1194) und Richard Löwenherz
gekommen, der ein österreichisches Feldzeichen von einem eroberten Turm
hatte entfernen lassen, worauf der Babenberger das Kreuzfahrerheer verlassen
hatte.
Die Zurückführung des rotweißroten österreichischen Bindenschilds auf den
während der Kämpfe um Akko über und über mit Blut bespritzten Mantel
Leopolds, der nur unter dem Waffengurt weiß geblieben sei, ist in den Bereich
der Legende zu verweisen, nicht aber die Erpressung eines gewaltigen
Lösegelds für den englischen König:
“Der englische König Richard Löwenherz wurde auf der Rückkehr vom
Heiligen Land bei dem Versuch, sich durch babenbergisches Gebiet
durchzuschlagen, in dem Wiener Vorort Erdberg erkannt und festgenommen
(1192). Zuerst vom Herzog in Dürnstein (Wachau) in königlicher Haft gehalten,
bestimmte eine vertragliche Abmachung seine Übergabe an den Kaiser (1193).
Für seine Freilassung mußte England hohes Lösegeld bezahlen, von dem
Herzog Leopold einen beträchtlichen Teil erhielt. Er verwendete diese Summe
für Neuanlagen (Wiener-Neustadt), Erweiterungen (Wien) und Befestigungen
(Hainburg) von Städten sowie für die Finanzierung der Wiener Münzprägung.
Der “Wiener Pfennig” trat an die Stelle der älteren Kremser Prägungen”5
Wie die Venezianer den Dem vierten Kreuzzug, der zunächst die Eroberung Ägyptens zum Ziel gehabt
Vierten Kreuzzug gegen ein hatte, verstanden die Venezianer eine andere Richtung zu geben: In den Jahren
Land lenkten, in dem 1202 bis 1204 wurde unter der Führung des Dogen Enrico Dandalo Byzanz
ohnehin schon des Kreuz erobert, wo ohnehin das Kreuz herrschte, wenn auch ein fremdes Kreuz, denn 1054
herrschte hatten sich Papst- und Ostkirche getrennt. Die Sieger suchten Byzanz in barbarischer
Weise heim und plünderten es.
Folge des Vierten Kreuzzugs war die Errichtung des sogenannten “Lateinischen
Kaiserreichs”, in dem französische Feudalherren und venezianische Großkaufleute das
Sagen hatten, das sich aber bereits ein halbes Jahrhundert später (1261) wieder auflöste.
1212 führte ein “Kinderkreuzzug” tausende Kinder von Marseille nach Ägypten - direkt
in die Sklaverei.
1228 - 29 Fünfter Kreuzzug Friedrichs II. von Hohenstaufen, der im Rahmen des in
Akko von Sultan al-Kaamil vertraglich Jerusalem, Bethlehem und Nazareth
Geschichte
42
erwarb.
1248 - 54 Sechster, gegen Ägypten gerichteter Kreuzzug Ludwigs IX., des Heiligen
von Frankreich. Ludwig wurde besiegt, gefangengenommen und gegen
Lösegeld freigelassen
1270 Katastrophe des Siebenten Kreuzzugs Ludwigs IX. in Tunesien, die ihn und den
Großteil seiner Männer das Leben kostete.
1291 wurde Akko als letzte christliche Bastion von den Mameluken erobert.
(Mameluken [ar. “mamluuk” - eigen, leibeigen]: Die letzten Aijubiden hielten
sich eine Garde von Militärsklaven aus dem Schwarzmeergebiet. 1250 stürzte
Aibeg, der Führer der Mameluken, die Aijubiden und begründete die bis 1517
[Jahr der Eroberung Ägyptens durch die Osmanen] währende
Mamelukenherrschaft)
Geschichte
43
WIE DEUTSCHE FEUDALHERREN NACH DEM SLAWISCHEN OSTEN
EXPANDIERTEN, DAS DEUTSCHE KÖNIGTUM ABER MIT SEINER
ITALIENPOLITIK SCHEITERTE,
UND WIE SICH INZWISCHEN DER MACHTBEREICH DER BABENBERGER
ENTWICKELTE
Wie sich Gehorsam,
Keuschheit und Armut mit
dem Kampf gegen die
Ungläubigen verbanden
Wie der Deutsche
Ritterorden gleich im Osten
Deutschlands Ungläubige
fand, die er bekämpfen
konnte
Wie deutsche Feudalherren
davon beseelt waren, den
Slawen das Kreuz zu
bringen, und dabei ihre
Territorien erweiterten
Wie im Streit der Staufer mit
den mächtigen Welfen das
Herzogtum Bayern
vorübergehend
babenbergisch wurde
Während der Zeit der Kreuzzüge waren geistliche Rittervereinigungen, Ritterorden,
entstanden, deren Angehörige zusätzlich zu den Mönchsgelübden (Gehorsam,
Keuschheit, Armut) den Kampf gegen die Ungläubigen zu geloben hatten.
Die Anfänge der Johanniter, der ältesten dieser Vereinigungen, liegen wahrscheinlich
in der Gründung eines Pilgerspitales (daher auch “Hospitaliter”) durch italienische
Kaufleute in Jerusalem. Zur Zeit der Kreuzzüge drängte der Kampf gegen die
Ungläubigen das ursprüngliche Hauptanliegen des - heute noch als karitative
Organisation bestehenden - Ordens, die Krankenpflege, in den Hintergrund. Nach dem
Fall Akkos wichen die Johanniter nach Rhodos aus (“Rhodiser”), unterlagen im 16.
Jahrhundert den vordringenden Türken und erhielten 1530 von Karl V. die Insel Malta
als Lehen (“Malteser”). 1798 verloren die Johanniter Malta an Napoleon.
Der Templerorden wurde 1119 unter Beteiligung Bernhards von Clairvaux
(Mitverfasser der Ordensstatuten) gegründet. Nach massiven Verfolgungen, die der
König von Frankreich, Philipp IV. (“der Schöne”), der es wohl auf das beträchtliche
Vermögen des Ordens abgesehen hatte, durch den Vorwurf der Unzucht und der Häresie
ausgelöst hatte, wurde der Orden auf dem Konzil von Vienne (1311 - 12) von Papst
Clemens V. aufgehoben.
Der Deutsche Ritterorden, der im Lauf des Dritten Kreuzzuges - ähnlich den
Johannitern - im Heiligen Land ursprünglich als Krankenpflegerorden gegründet worden
war, konzentrierte sich - von Herzog Konrad von Masowien zu Hilfe gerufen - bald auf
einen ganz anderen Kampf gegen ganz andere Ungläubige, nämlich auf den gegen die
heidnischen Pruzzen (Preußen), die dem baltischen Sprachraum zuzurechnen sind. 1283
war die Unterwerfung der Preußen abgeschlossen.
Das war nur ein Aspekt der deutschen Ostexpansion, die etwa gleichzeitig mit dem
Beginn der Kreuzzüge erneut eingesetzt hatte (nachdem sie 983 durch den schon
erwähnten allgemeinen Slawenaufstand zum Stehen gebracht worden war). Mächtige
deutsche Feudalherren wie der Welfe Heinrich der Löwe, Herzog von Bayern und
Sachsen oder sein Gegenspieler Albrecht der Bär, Herr der Nordmark, die er zur Mark
Brandenburg erweiterte, eroberten die Gebiete zwischen Elbe und Oder, Schlesien und
Pommern. Das Königtum erfuhr durch die Ostexpansion keine Stärkung.
Es gelang den Staufern wohl, die mächtigen Welfen in die Knie zu zwingen, doch
sie verabsäumten es, diesen Sieg zur Stärkung der Zentralgewalt auszunützen:
Die Welfen waren von Heinrich IV. 1070 mit Bayern belehnt worden, und die Heirat
Heinrichs des Stolzen mit der Erbin Kaiser Lothars III. (1125 - 1137) hatte ihm das
Herzogtum Sachsen eingebracht.
Die Welfen erhoben Anspruch auf die Königswürde, vermochten sich aber nicht
gegen die Staufer durchzusetzen:
Konrad III. (1138 - 1152) übertrug das Herzogtum Bayern dem Babenberger
Leopold IV.
Die Babenberger waren 976 mit jener Grenzmark im Osten des Reiches belehnt
worden, für die seit 996 die Bezeichnung “Ostarrichi” nachgewiesen ist.
Ursprünglich handelte es sich wohl nur um ein Stück Donautal plus Alpenvorland im
westlichen Niederösterreich und östlichen Oberösterreich. Um das Jahr 1000 dürfte sich
der babenbergische Machtbereich bereits bis an March und Leitha erstreckt haben.
Die Babenberger blieben in Österreich an der Macht, bis ihr Geschlecht (mit dem Tod
Friedrichs II., des Streitbaren 1246) erlosch. Nur zur Zeit Leopolds III. schien ihre
Geschichte
Wie die Babenberger
Bayern wieder verloren,
dafür aber zu Herzögen
befördert wurden
Wie die Babenberger an die
Steiermark kamen
Wie Friedrich Barbarossa
bei dem Versuch, deutsche
Ansprüche gegen die Städte
Oberitaliens durchzusetzen,
scheiterte
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Herrschaft über Österreich in Frage gestellt: Leopold hielt es im Investiturstreit mit der
Päpstlichen Seite und bekam dafür eins von Heinrich IV. übergebraten, der den
Böhmenherzog Wratislaw mit der Mark belehnte. Leopold kam dann - trotz einer
Niederlage, die er im Kampf gegen Wratislaw (bei Mailberg 1082) erlitten hatte - mit
einigen Gebietsverlusten davon.
Leopold lehnte die ihm angebotene Wahl zum deutschen König ab. Die Kirche aber
reihte ihn (1485) unter die Heiligen ein.
Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152 - 1190) suchte zunächst den Ausgleich mit
den Welfen und gab Heinrich dem Löwen Bayern zurück, allerdings exklusive
Österreichs, das nun (unter dem Babenberger Heinrich Jasomirgott) zum
selbständigen Herzogtum wurde. Friedrich Barbarossa entschädigte Heinrich
Jasomirgott 1156 durch das “Privilegium minus” - das “kleinere”, dafür aber echte
Privileg, zum Unterschied von einem größeren (“maius”), aber unechten Privileg, auf
das sich Mitte des 14. Jahrhunderts Rudolf der Stifter berufen sollte.
Das Privilegium minus beinhaltete zum Beispiel und vor allem die Beschränkung der
Heerfolgepflicht auf Feldzüge, die sich gegen unmittelbare Nachbarn Österreichs
richteten; das Herzogtum sollte auch in weiblicher Linie erblich sein; Jasomirgott und
seine Gemahlin, die byzantinische Prinzessin Theodora, sollten im Fall der Kinderlosigkeit ihrer Ehe den Nachfolger selbst bestimmen können.
Der Staufer-Welfen-Streit fand unter Friedrich Barbarossa, der 1180 den Welfen
Bayern und Sachsen nahm, ein - vorläufiges - Ende. Barbarossa aber fügte diese
Herzogtümer nicht dem Königsterritorium hinzu, das er zwischen dem Elsaß und dem
Vorland des Erzgebirges aufgebaut hatte, sondern vergab sie an die Wittelsbacher
beziehungsweise an die Askanier. Anders formuliert: Im Gegensatz zu Frankreich waren
in Deutschland die Fürsten stark genug, den “Leihezwang” durchzusetzen.
Zurückgefallene Lehen mußten wieder ausgegeben werden. Der Sieg über die Welfen
stärkte somit die Zentralgewalt nicht.
Die Babenberger aber profitierten neuerlich von den Streitigkeiten der Staufer und
Welfen: Leopold V. konnte sein Gebiet um das westliche Mühlviertel erweitern.
Vor allem aber kam - wie in einem Erbvertrag, der “Georgenberger Handfeste”,
vereinbart, das Herzogtum Steiermark mit dem Aussterben der steirischen Otakare
(1192) an die Babenberger.
Die Steiermark hatte sich erst im 12. Jahrhundert vom Herzogtum Kärnten gelöst, und
dieses wiederum hatte sich 976, dem Jahr der Belehnung der Babenberger mit
Österreich, von Bayern getrennt.
Friedrich Barbarossa nahm auch die Italienpolitik wieder auf, erlitt aber bei dem
Versuch, die Städte Oberitaliens, die sich zum Lombardischen Bund
zusammenschlossen hatten, zu unterwerfen, 1176 bei Legnano eine empfindliche
Niederlage und mußte die Autonomie der Lombardischen Städte anerkennen.
Erstmals hatten damit bürgerliche Fußsoldaten ein Ritterheer besiegt.
Daß Heinrich VI. das Heinrich VI. (1190 - 1197), der Sohn Friedrich Barbarossas, erbte durch seine Heirat
normannische Königreich (mit Constanze, der Tochter Rogers II.) das südliche Italien, das normannische
beider Sizilien erbte “Königreich beider Sizilien” (Italien südlich des Kirchenstaates plus Sizilien).
Wie die Normannen nach
Sizilien gekommen waren
und was sie überhaupt so
alles trieben
Schon zur Zeit Karls des Großen hatten die skandinavischen Wikinger oder
Normannen England und die nördlichen Küsten des Frankenreiches mit ihren
Raubzügen beunruhigt.
In der Völkerwanderungszeit hatte in Skandinavien ein wirtschaftlicher Aufschwung
eingesetzt: Die Erfindung des Bodenwendepfluges machte die Bearbeitung schwerer
(Diluvial-) Böden möglich. Durch die Überwinterung des Viehs in großen
Wohnstallhäusern konnte die Produktivität der Viehzucht gesteigert werden. Die
Besiedlungsdichte stieg und damit die Häufigkeit kriegerischer Auseinandersetzungen
unter den Clans und Stämmen, die zur Herausbildung von Stammesverbänden und
kleinen Königreichen führten und eine Reihe von Stämmen in Bewegung setzten. In den
küstennahen Gebieten gewann der Schiffbau an Bedeutung. Viele Skandinavier erhielten
als seefahrende Kaufleute Kenntnis von den Reichtümern, die im Süden ihrer Welt auf
sie warteten.
Um 900 ließen sich dänische Normannen in dem seither nach ihnen benannten
Geschichte
Wie Friedrich II. sich mehr
mit Italien als mit
Deutschland beschäftigte
und dort den Fürsten
wichtige Rechte überließ,
damit sie Ruhe gaben, und
wie alles vergeblich war
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nordwestfranzösischen Gebiet (Normandie) nieder und nahmen es aus der Hand des
französischen Königs (Karls des Einfältigen [898 - 922]) als Lehen.
Schwedische Wikinger (Waräger) drangen als kriegerische Kaufleute in die Länder
südlich der Ostsee ein, die ihnen über Dnjepr und Wolga Handelswege nach Byzanz und
Arabien boten. Die Waräger etablierten ihre Herrschaft um die Zentren Nowgorod und
Kiew, die um 900 zum Reich von Kiew vereinigt wurden. Sie assimilierten sich jedoch
schnell der slawischen Bevölkerung.
Norwegische Wikinger gelangten um 1000 über Island und Grönland nach Amerika.
Ihre Entdeckung geriet aber wieder in Vergessenheit.
Unter Herzog Wilhelm schlugen die französischen Normannen die Angelsachsen (1066
Schlacht bei Hastings) und eroberten England. Wilhelm, “der Eroberer” wurde zum
König (1066 - 1087) gekrönt. In seiner Eigenschaft als Herzog der Normandie war der
englische König nun Vasall des Königs von Frankreich. Anders formuliert: Der
englische König hatte Besitzungen in Frankreich. Das ist der Stoff, aus dem die
Hundertjährigen Kriege sind (der Hundertjährige Krieg [mit Unterbrechungen 1337 .
1453] zwischen England und Frankreich endete mit dem Verlust der englischen
Besitzungen in Frankreich)
Französische Normannen waren es auch, die im 11. Jahrhundert Byzantiner und
Sarazenen aus Süditalien und Sizilien vertrieben.
Nach dem Tod Heinrichs VI. stärkte ein langjähriger (1198 - 1215) staufisch-welfischer
Thronstreit die Fürsten weiterhin auf Kosten des Königtums.
Um freie Hand für seine Italienpolitik zu bekommen, überließ der Staufer
Friedrich II. (1215 - 1250) den Fürsten wichtige Königsrechte (Regalien [Markt-,
Münz-, Zollrecht, Befestigungshoheit, Gerichtsbarkeit]).
Vergeblich, denn nach dem Tod Friedrichs brach die Stauferherrschaft zusammen.
Franzosen und Spanier bemühten sich nun um die Herrschaft im südlichen Italien,
wobei die Spanier die Oberhand behielten:
Der Papst (Urban IV.) übertrug das Königreich beider Sizilien dem Bruder des
französischen Königs (Karl von Anjou), der Konradin, den letzte Staufer, (in der
Schlacht bei Tagliacozzo 1268) besiegte und in Neapel hinrichten ließ.
Die französische Herrschaft über die Insel Sizilien währte allerdings nur bis zur
“Sizilianischen Vesper”, dem Volksaufstand von 1282, der in einen dynastischen Krieg
mündete: Der sizilianische Adel hob Peter III. von Aragon auf den Thron. Den Spaniern
gelang es erst 1442 die Franzosen gänzlich aus Süditalien zu vertreiben.
Geschichte
46
WIE RUDOLF VON HABSBURG DEM INTERREGNUM UND KÖNIG
OTTOKARS GLÜCK EIN ENDE SETZTE UND DIE HERRSCHAFT DER
HABSBURGER IN ÖSTERREICH INSTALLIERTE
Wie Böhmenkönig Ottokar
nach dem Aussterben der
Babenberger deren
Herzogtümer an sich riß
Daß König Ottokar in
Österreich sehr beliebt war
Daß Böhmenkönig Ottokar
nicht deutscher Kaiser
werden durfte, weil die
Fürsten keinen mächtigen
Kaiser wollten, und wie
Rudolf von Habsburg
Ottokars Glück ein Ende
bereitete
Etwa gleichzeitig mit dem Zusammenbruch der Stauferherrschaft starben die
Babenberger aus (1246). Böhmenkönig Przemysl Ottokar II. nützte das Chaos des
“Interregnums”, der “kaiserlosen” Zeit und ließ sich von Richard von Cornwall, dem
ersten von den zwei Scheinkönigen des Interregnums (der zweite war Alfons von
Kastilien), mit den babenbergischen Herzogtümern Österreich und Steiermark
(schriftlich) belehnen. Dazu kam Kärnten, das ihm der kinderlos gebliebene Herzog
Ulrich vererbte.
Die Herrschaft Przemysl Ottokars war in Österreich durchaus populär. Der Adel
schätzte ihn weniger. Noch lange nach seinem tragischen Ende “gingen Volkslieder um,
die von der ‘guten Zeit’ des ‘goldenen Königs mit der gebenden Hand’ erzählten”.6
Wien prosperierte und wuchs in jenen Jahren auf seine doppelte Größe an. Es mußte ein
neuer Handelsplatz, der “Neue Markt” angelegt werden.
Gerade weil er der mächtigste Fürst Deutschlands war, durfte Przemysl Ottokar
nicht deutscher König (eigentlich: “Erwählter Römischer König”) beziehungsweise
(nach Krönung in Rom) Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation
werden. Die Fürsten entschieden sich für den Grafen Rudolf von Habsburg, der
Ottokars schriftliche Belehnung nicht anerkannte. Ottokar verlor 1276 die
österreichischen Länder, behielt aber Böhmen und Mähren. Przemysl Ottokar ließ es
(1278) auf die Entscheidung bei Dürnkrut im Marchfeld ankommenen, wo er Schlacht
und Leben verlor.
Rudolf setzte die Belehnung seiner Söhne Albrecht und Rudolf “zur gesamten Hand”
mit Österreich (ob und unter der Enns), Steiermark und Krain durch (1282).
Dazu kamen Kärnten 1335 und Tirol 1363. Die Erwerbung Vorarlbergs durch die
Habsburger stellt einen überaus langwierigen Prozeß dar, der sich im wesentlichen
zwischen 1377 und 1523 hinzog. Salzburg blieb bis in die napoleonische Zeit ein
selbständiges geistliches Fürstentum und kam erst 1815 an Österreich. Erwerbungen
zwischen 1366 und 1374 schufen den Habsburgern einen Zugang zur Adria. Triest zog
die Herrschaft der Habsburger der Venedigs vor und unterwarf sich 1382 freiwillig.
Ihre Stammlande auf dem Gebiet der heutigen Schweiz aber verloren die
Habsburger.
Da ihm der Sankt Gotthard-Paß aus dem Blickwinkel seiner Italienpolitik sehr wichtig
gewesen war, hatte Kaiser Friedrich II. der Talschaft Uri und den Schwyzern die
Reichsunmittelbarkeit verliehen. Nidwalden (Unterwalden) erlangte diesen Status
ebenfalls (Reichsunmittelbar-keit: dem Zugriff lokaler Machthaber entzogen und
unmittelbar königlicher beziehungsweise kaiserlicher Verwaltung unterstellt). Diese drei
“Urkantone” schlossen 1291 einen “ewigen Bund”, der sich durch den Beitritt weiterer
Städte und Landgemeinden bis 1513 zur “dreizehnörtigen Eidgenossenschaft”, einer
lockeren Konföderation ohne zentrale Machtorgane, erweiterte. Die Habsburger
versuchten im 14. Jahrhundert, ihre alten Rechte wieder geltend zu machen und holten
sich dabei die Niederlagen von Morgarten (1315), Sempach (1386) und Näfels (1388).
Die Habsburger (beziehungsweise Habsburg-Lothringer [seit der Ehe Maria Theresias
mit Franz Stephan von Lothringen]) blieben österreichische Landesherren bis 1918.
Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren sie (fast)
durchgehend erst seit 1438 (Albrecht II.).
Durch die Belehnung seiner Söhne “zur gesamten Hand” konnte Rudolf I. spätere
wiederholte Teilungen des habsburgischen Gebiets nicht verhindern. Albrecht erlangte
die Alleinherrschaft und wurde deutscher König (Albrecht I. 1298 - 1308), enthielt aber
seinem Bruder Rudolf die vereinbarte Abfindung vor, wofür er von dessen Neffen
Johann (“Parricida” - Verwandtenmörder) umgebracht wurde.
Geschichte
47
WELCHE RECHTE SICH DIE KURFÜRSTEN HERAUSNAHMEN
Wittelsbacher und vor allem Luxemburger stellten jetzt (bis 1438) die deutschen
Kaiser. Die Wahl der Kaiser war seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Sache
der sieben Kurfürsten (Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, Pfalzgraf bei Rhein,
Herzog von Sachsen, Markgraf von Brandenburg, König von Böhmen), was erstmals in
einem Dokument aus dem Jahr 1338 (Kurverein zu Rhense) klar zum Ausdruck kommt.
Wie sie zu dieser Ehre gekommen sind und welche Kriterien dabei im Spiel waren, ist
nicht klar. Die Kurfürsten stellen in der genannten Urkunde fest, daß schon die
Königswahl kaiserliche Rechte und den Kaisertitel mit sich bringe. Dennoch kam es
auch noch später zu Kaiserkrönungen in Rom, zuletzt 1452 (Krönung Friedrichs III.)
Die endgültige Regelung der Königswahl erfolgte 1356 unter dem Luxemburger
Karl IV. (1347 - 1378) in einem ersten großen Staatsgrundgesetz, der “Goldenen
Bulle”. Dort ist von päpstlichen Ansprüchen überhaupt keine Rede mehr. Die Goldene
Bulle nahm dem Kaiser den Kurfürsten gegenüber das Evokationsrecht, das heißt, sein
Recht, als oberster Richter Prozesse abzufordern und an sich zu ziehen. Den Untertanen
der Kurfürsten nahm sie das Recht, an den Kaiser zu appellieren.
Geschichte
48
WIE MAN DIE JUDEN FÜR DIE PEST VERANTWORTLICH MACHTE, UND
DASS ES DARÜBER ZUR ZEIT KARLS IV. ZU DEN SCHWERSTEN
JUDENVERFOLGUNGEN VOR HITLER KAM
Wie die aufkommende
Geldwirtschaft den
Gegensatz zwischen Adel
und Bauern verschärfte
Daß die Juden seit dem
Ersten Kreuzzug in die
Pfandleihe abgedrängt
worden waren
Daß der Bauer seine
berechtigte Wut eher am
jüdischen Pfandleiher als am
Grundherrn auslassen
konnte
Daß die “Kammerknechtschaft” den Juden wenig
Schutz bot
Ein Beispiel dafür, wie sich
im späten Mittelalter oft
sozialer Protest, religiöser
Wahn und Judenhaß
verbanden
Wie die Juden beschuldigt
wurden, durch
Brunnenvergiftung die Pest
verursacht zu haben
Mit fortschreitender Entwicklung der Städte, der Waren- und Geldwirtschaft drang das
Geld in das Gefüge der feudalen Beziehungen und Abhängigkeiten ein und verschärfte
die dort herrschenden Gegensätze, so den zwischen Adeligen und Bauern:
Geldzahlungen begannen an die Stelle von Naturalabgaben der Bauern zu treten
und weckten die Gier der adligen Herren.
Den kleinen Leuten liehen die Juden, die seit der Katastrophe, die der Erste
Kreuzzug für sie dargestellt hatte, aus dem Fernhandel in die Pfandleihe
abgedrängt worden waren. Das große Geschäft mit Kaiser und Papst machten im
Späten Mittelalter die Fugger, doch das ist eine andere Geschichte.
Der Bauer, den die Forderungen seines Grundherren zwangen, beim jüdischen
Pfandleiher die Ernte zu verpfänden, um die Saat beschaffen zu können, durfte
seine Wut, wenn schon nicht am Herrn, so wenigstens am Juden auslassen, denn
der zweifelhafte gebührenpflichtige “Schutz”, unter den Friedrich II. die Juden
1236 als kaiserliche “Kammerknechte” (Knechte, Leibeigene der Hofkammer mittelalterliche Vorläuferin des Finanzministeriums) gestellt hatte, erwies
sich als bloßes “Nutzungsrecht” an ihnen, das die Kaiser seit Karl IV. mit örtlichen
Machthabern und Städten teilten. Mitunter annullierte der Kaiser die Ansprüche
jüdischer Gläubiger oder übertrug sie den Städten und ließ sich dafür bezahlen. Als zur
Zeit des Schwarzen Todes, wie wir gleich sehen werden, das Leben der Juden nichts
mehr wert war, überließ Karl IV. bestimmten Städten das Vermögen “seiner” Juden von
vorneherein. Diese Katastrophe kündigte sich in den 50 Jahren davor mehrfach an.
Der im Jahre 1298 in Röttingen vorgebrachte Vorwurf einer Hostienschändung war der
Anlaß für die unter der Führung eines gewissen Rintfleisch veranstalteten Massaker,
denen allein - nach dem Zeugnis eines christlichen Chronisten - 200.000 Juden zum
Opfer gefallen sein sollen.
Der Ritter Armleder zog in den Jahren 1335-1337 mit seinen “Judenschlägern” durch
Süddeutschland, um den Tod Jesu an den Juden zu rächen. Zimberli wütete mit seinen
Banden im Elsaß und im Rheinland. Angeblicher Hostienfrevel motivierte 1338
Judenverfolgungen im niederösterreichischen Pulkau und eine gleichzeitige
Verfolgungswelle in Niederbayern. Dort geht aus den Chroniken ganz klar der
Zusammenhang mit der Heuschreckenplage desselben Jahres hervor.
Es waren die katastrophalen Mißernten von 1314/15, die in Frankreich am Beginn
der Bewegung der “Pastoureaux” standen: verzweifelte Bauern, von
Predigermönchen, die die Visionen eines Hirtenknaben aufgegriffen hatten, zum
Kreuzzug gegen die Ungläubigen aufgehetzt. Sie rotteten einer jüdischen Quelle
zufolge 140 jüdische Gemeinden aus.
Die Furcht vor der Vergeltung für das Morden ließ bald darauf das Gerücht
entstehen, diese hätten sich mit den Aussätzigen und allerlei orientalischen
Herrschern oder dem Teufel verschworen, um die Christenheit durch Vergiftung
der Brunnen zu verderben. Das Rezept des Gifts: Menschenblut, Urin, drei geheime
Kräuter und das Pulver einer geweihten Hostie. Viele Juden endeten auf dem
Scheiterhaufen, die anderen wurden aus Frankreich vertrieben.
Als die Pest 1348/49 Europa heimsuchte, war dies in den Augen
vieler Menschen Beweis genug, daß so etwas wie eine “jüdische
Weltverschwörung” zur Vergiftung der Brunnen nun doch
erfolgreich gewesen war. Über die Judenheit brach nun eine
Katastrophe herein, die erst durch die Scho’a übertroffen wurde.
Geschichte
Daß oft schon Juden
verbrannt wurden, bevor
noch die Pest ausgebrochen
war
49
(“Schoa” oder “Shoah” [endbetont, Stimmabsatz zwischen “o” und “a”] bedeutet im
Hebräischen Abgrund, Dunkelheit, Untergang, Katastrophe, Vernichtung, insbesondere
die Vernichtung des europäischen Judentums. Wir geben dem Ausdruck “Schoa” den
Vorzug gegenüber “Holocaust”, was soviel wie “Brandopfer” bedeutet.)
Papst Clemens VI. wies vergeblich in einer Bulle darauf hin, daß die Pest auch dort
wütete, wo es keine Juden gab und daß Juden genauso von der Pest hingerafft würden.
Auf der Folter erpreßte Geständnisse wurden als Beweismittel von Stadt zu Stadt
weitergegeben. Vielfach wurden die Juden verbrannt, ohne daß man sich mit
Formalitäten der Rechtsprechung aufhielt. Die meisten jüdischen Gemeinden in
Deutschland wurden von der Raserei der Massen heimgesucht, meist schon vor dem
ersten Auftreten der Pest. Österreich blieb - mit Ausnahme von Krems - von dieser
Verfolgungswelle verschont.
Manche erkannten, daß viele Christenmenschen wohl auch durch die Aussicht,
sich nun ihrer Gläubiger entledigen zu können, zum Morden motiviert waren. Ein
Straßburger Chronist berichtet: “Was man den Juden schuldig war, das war alles getilgt.
Und alle Pfänder und Briefe, die sie über Schulden hatten, wurden zurückgegeben. Das
bare Gut, das sie hatten, nahm die Rotte...”
Daß viele überlebende Nach dieser Katastrophe wanderten viele der überlebenden Juden nach Polen ab,
Juden nach Polen das das Ziel anhaltender jüdischer Migration blieb. Verglichen mit Deutschland
abwanderten erschienen den Juden die dortigen Verhältnisse als geradezu paradiesisch: “po-lon-ia” “hier wohnt Gott” lautete ein Wortspiel.
Die Juden bildeten (bis ins 18. Jahrhundert) selbständige Gemeinden. Die polnischen
Machthaber begünstigten die jüdische Selbstverwaltung, da sie die Steuereinhebung
erleichterte.
Am Ende des 15. Jahrhunderts lebten hier etwa 30.000 Juden, in der Mitte des 18.
Jahrhunderts betrug der jüdische Bevölkerungsanteil zehn Prozent. Drei von den sechs
Millionen polnischer Bürger, die im 20. Jahrhundert dem Naziterror zum
Opfergefallen sind, waren Juden.
Wie polnische Machthaber In Polen wiederholte sich in gewisser Weise, was zuvor in Deutschland geschehen
die Juden zur Stimulierung war: Die Machthaber versprachen sich von den Juden die Stimulierung der
der Wirtschaft ins Land zurückgebliebenen Wirtschaft. Die entsprechenden Schutzbriefe - und vor allem der
holten ... Kasimirs des Großen ([1333 - 1317] der die Vereinigung der polnischen
Teilfürstentümer vollendete) von 1364 - räumten den Juden Rechte ein, wie sie ihnen
seinerzeit im Karolingerreich zugestanden worden waren.
... und diese dort gleichsam In Westeuropa hatten die Juden den Mittelstand in mancher Hinsicht eine Zeit lang
den Mittelstand bildeten ersetzt. Aber in Polen waren sie eine Zeit lang der Mittelstand. Zahlreiche alte polnische
Münzen tragen bezeichnenderweise hebräische Schriftzüge. Bis etwa zur Mitte des 18.
Jahrhunderts war das Bankwesen eine jüdische Domäne..
Man fand Juden in nahezu allen Berufen, in ihrer Mehrheit waren sie jedoch kleine
Handwerker und Handeltreibende.
Auf dem Land traten sie als Verwalter der Adelsgüter in Erscheinung sowie als Inhaber
verschiedener Konzessionen und Pachten, die im Polnischen unter dem Begriff
“Arenda”zusammengefaßt wurden: Gegenstand der “Arenda” waren Grundbesitz,
Mühlen, Nutzholzgewinnung, Salzminen, Gastwirtschaften, Steuern und Münzprägung.
Auch in Polen polemisierte zuerst die Geistlichkeit gegen die Juden und die ihnen
eingeräumten Rechte. Dann kamen auch hier die Bestrebungen christlicher
Mittelständler hinzu, die Juden aus Handel und Handwerk zu verdrängen.
Den eigentlichen Wendepunkt aber bildete 1648 eine Erhebung ukrainischer
Leibeigener, die als “Kosaken”, als “freie Krieger” unter der Führung Bogdan
Chmielnitzkis Polen und Juden abschlachteten:
“Denkt an das Unrecht, das euch die Polen und die Juden, die vorzugsweise ihre
Verwalter und Geschäftsführer waren, angetan haben!” schärfte Chmielnitzki den
ukrainischen Bauern ein. Allein auf jüdischer Seite ging die Zahl der Opfer in die
Zehntausende.Das polnische Judentum sollte sich von diesem Schlag nie wieder erholen.
Geschichte
50
WIE ES ZU DEN HUSSITENKRIEGEN KAM
Wie es böses Blut machte,
daß die von den
böhmischen Fürsten ins
Land geholten Deutschen
die städtische Oberschicht
bildeten und den hohen
Klerus stellten
Wie die Verbrennung des
der Ketzerei verdächtigen
Jan Hus einen Volksaufstnd
auslöste
Daß die Hussitenbewegung
keinen einheitlichen Block
bildete
Die Wirtschaft Böhmens hatte sich im 14. Jahrhundert außerordentlich rasch entwickelt.
Eine wichtige Rolle spielten dabei die reichen Silbervorkommen bei Kuttenberg (die
1237 entdeckt worden waren).
Zur Förderung der Wirtschaft hatten Böhmens Fürsten im 13. Jahrhundert
deutsche Einwanderer ins Land geholt. Kuttenberg und andere Bergstädte wie
Deutschbrod und Iglau waren vorwiegend von Deutschen bewohnt. In anderen
Städten befanden sich der Rat und die vornehmeren Zünfte in den Händen der
Deutschen. Die Masse der Handwerker und die Städtische Unterschicht stellten die
Tschechen. Die 1348 von Karl IV. (die böhmische [Wenzels-]Krone war 1310 an das
Geschlecht der Luxemburger übergegangen) gegründete Prager Universität - die erste
Universität auf dem Gebiet des “Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation”
überhaupt - wurde von Deutschen kontrolliert, den hohen Klerus stellten die
Deutschen.
Das ist die Situation, “in der jene dem Papst und den Deutschen feindliche Bewegung
erwuchs, die nach dem Namen ihres vornehmsten literarischen Vertreters, Johannes
Hus, die hussitische genannt worden ist.”7
Hus war Professor der Theologie an der Universität Prag. Seine Auffassungen
kamen denen des englischen Theologen Wicliff nahe, der in den Achtzigerjahren
des 13. Jahrhunderts zum Ketzer gestempelt worden war, nachdem aufständische
Bauern seine Lehre aufgegriffen hatten. Die deutschen Theologen in Prag bezeichneten
45 Sätze aus der Lehre Wicliffs als ketzerisch. Als sich Hus auch gegen den 1411 von
Papst Johann XXIII. (vom Konzil in Konstanz 1415 abgesetzt) feilgebotenen Ablaß
wandte und den Papst öffentlich als Antichrist bezeichnete, brach in Prag der offene
Konflikt in Form gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen hussitischen Tschechen
und katholischen Deutschen aus.
Das 1414 in Konstanz zusammengetretene Konzil sollte nicht nur mit dem Umstand
fertig werden, daß es damals gerade drei Päpst gleichzeitig gab, sondern auch den Fall
Johannes Hus verhandeln. Bekanntlich endete Hus trotz des ihm von Kaiser Sigismund (1410 - 1437) zugesicherten freien Geleits auf dem Scheiterhaufen. Die
Verbrennung des Johann Hus aber kam einer Kriegserklärung von Kirche und
Reich an Böhmen gleich. Sie löste einen Volksaufstand aus. Und auch die
tschechischen Adeligen eigneten sich - um Hussens Tod zu rächen, versteht sich Kirchengüter an, wo sie nur konnten.8
Der gemeinsame Gegensatz zu Kirche und Reich, dessen Symbol der Kelch wurde,
verdeckte kurzzeitig die Gegensätze innerhalb der Anhängerschaft des Jan Hus,
um sie dann umso deutlicher hervortreten zu lassen.
Jede Revolution wird erst von einem Taumel patriotischer Einigkeit, scheinbarer
Versöhnung aller gegenüber dem Hauptfeind erfaßt. Sobald dieser aber vorerst
geschlagen ist, brechen die Gegensätze unter den Siegern in einem blutigen Kampf um
die neue Ordnung auf.
Die Hochadeligen unter den Hussiten waren mit der reichlichen Konfiskation von
Kirchengut zufrieden und wünschten darüber hinaus keine Veränderung der bestehenden
Gesellschaft, schon gar keine Bauernbefreiung. Gemeinsam mit den reichen Bürgern
vor allem Prags bildeten sie die Partei der Calixtiner (von lat. calix Kelch; auf das
Symbol des Kelches wird weiter unten noch näher eingegangen).
Der niedere Adel hatte bei einer erfolgreichen Bauernrevolution ebenfalls den Verlust
von Zins und Fronden zu gewärtigen, hatte andererseits aber mit der Masse der aufständischen Bauern im Rücken die Chance, den Hochadel auszuschalten. Dementsprechend
schloß sich ein Teil der Ritterschaft der hochadelig-“gemäßigten” Partei, ein anderer der
demokratischen Volksbewegung (Bauern, Handwerker, Taglöhner) an. Von den Rittern,
die es mit der Volksbewegung hielten, ist vor allen anderen Zizka von Trocnow zu
nennen.
Geschichte
Daß die “Taboriten” die
radikale Vorhut der Hussiten
darstellten, die die
Veränderung der
Gesellschaft nach dem
urchristlichkommunistischen Ideal
anstrebte
Ob die Hussiten wirklich
wegen einer liturgischen
Frage viele Jahre lang Krieg
geführt haben
51
Die radikale Vorhut der hussitischen Volksbewegung strebte die Verwirklichung
des urchristlich-kommunistischen Ideals an, wie es von allen seit dem Hohen
Mittelalter entstandenen Sekten vertreten worden war, von den Waldensern in
Südfrankreich und Norditalien, von den Apostelbrüdern oder Patarenern in Norditalien,
von den Begharden in Flandern, von den Lollharden in England.
Gewissermaßen das “Motto” der Letzteren lautete - ins Deutsche übertragen: “Als
Adam pflügte, Eva spann, wo war da wohl der Edelmann?”
In Böhmen wurden die den urchristlichen Kommunismus anstrebenden Radikalen nach
der von ihnen gegründeten befestigten Siedlung an der Luznic, der sie den
alttestamentarischen Namen Tabor gegeben hatten, “Taboriten” genannt.
Ihre Hoffnung auf eine baldige grundlegende Veränderung der Gesellschaft
äußerte sich (wie bei den anderen mittelalterlichen Sekten) in chiliastischen
Erwartungen:
Wir wissen schon: In der Johannesapokalypse wird das Bild eines nahe bevorstehenden
Reiches entworfen, das aus einem furchtbaren Kampf mit dem Antichrist, den Christus
aber siegreich beenden wird, hervorgehen wird. Alle, die am Wort Gottes festgehalten
haben, werden in diesem “Zukunftsstaat des Urchristentums”9 mit Christus für tausend
Jahre zur Herrschaft gelangen.
Der Kelch sollte beim heiligen Abendmahl unter den Laien kreisen, um auch dem
Kirchenvolk die Kommunion unter beiderlei Gestalt zu ermöglichen. Der
Laienkelch wurde für die Hussiten zum “Feldzeichen, um das sie sich scharten, das
sie bis zum äußersten verteidigten, aber nicht ihr Kampfobjekt”.10
Die Menschen haben einander niemals bloß wegen liturgischer Fragen die Köpfe
eingeschlagen, nicht einmal im Mittelalter. Da aber die Kirche ihre Lehre in den
Dienst der Aufrechterhaltung der Feudalordnung stellte und die Mitglieder der
hohen Geistlichkeit gleichzeitig Feudalherren waren, mußte jede politische Opposition
notwendigerweise eine religiöse Erscheinungsform haben, so wie die Bekämpfung
solcher Opposition notwendigerweise mit ihrer Verketzerung verbunden war.
Die katholischen Theologen in Prag hielten in einer 76 Punkte umfassenden Liste die
Abweichungen der Auffassungen der Taboriten vom wahren Glauben fest. Den
Taboriten wurde vorgeworfen, daß sie unter anderem folgendes lehrten:
“In dieser Zeit wird auf Erden kein König oder Herrscher, noch Untertan sein, und alle
Abgaben und Steuern werden aufhören, keiner wird den anderen zu etwas zwingen, denn
alle werden gleiche Brüder und Schwestern sein.
Wie in der Stadt Tabor kein Mein und Dein, sondern alles gemeinschaftlich ist, so soll
immer alles allen gemeinschaftlich sein und keiner ein Sondereigentum haben, umd wer
solches hat, begeht eine Todsünde.”11
Wie der taboritische Der taboritische Kommunismus war - so wie der urchristliche - ein Kommunismus
Kommunismus die des Konsums, während ja der “rote” Kommunismus das Gemeineigentum an den
Mächtigen schreckte Produktionsmitteln in den Vordergrund stellt. “Praktisch gestaltete sich der
Kommunismus schließlich so wie bei den ersten Christen: Jede Familie arbeitete für sich
und lieferte bloß den Überschuß, den sie erzielte, an die gemeinsame Kasse ab.”12
Die radikaleren Taboriten (“Adamiten”) forderten den vollständigen Kommunismus,
demzufolge auch die Aufhebung der Familie und der Einzelehe. Es kam zum offenen,
gewalttätigen Konflikt zwischen gemäßigten und radikalen Taboriten, der mit der
Ausrottung der letzteren unter der Führung Zizkas endete.
Die Ausrottung der Hussitischen Ketzerei überhaupt mußte im Interesse aller feudalen
Gewalten sein. Ein Abgesandter des Kardinallegaten Branda beschrieb dem Polenkönig
die von den Taboriten ausgehende Gefahr mit folgenden Worten:
“Der Grund meiner Sendung ist die Ehre Gottes, das Wohl des Glaubens und der
Kirche, die Rettung der menschlichen Gesellschaft. Ein großer Teil der Ketzer
behauptet, es müsse alles gemeinsam sein, und man solle den Obrigkeiten keinerlei
Zinstribut oder Gehorsam leisten. Grundsätze, durch welche die menschliche Kultur
vernichtet und jede sachgemäße, kundige Führung der Menschheit unmöglich gemacht
wird. Sie erstreben die Beseitigung aller göttlichen und menschlichen Rechte durch die
rohe Gewalt; und es wird so weit kommen, daß weder die Könige und die Fürsten in
Geschichte
52
ihren Reichen und Herrschaften noch die Bürger in den Städten noch überhaupt jemand
in seinem eigenen Hause vor ihrer Frechheit sicher ist; diese abscheuliche Ketzerei
verfolgt ja nicht allein den Glauben oder die Kirche, sondern führt, vom Teufel
getrieben, Krieg gegen die ganze Menschheit, deren Rechte sie antastet und niederreißt.”13
Bis 1431 wurden fünf Kreuzfahrerheere aufgeboten, die allesamt der von Zizka geführten Taboriten nicht Herr werden konnten. Diese gingen, im Gegenteil, sogar
zum Angriff über. Erst 1434 (in der Schlacht bei Lipan) konnten sie durch Verrat
besiegt werden. Von 18.000 taboritischen Kämpfern fanden dabei 13.000 den Tod.
Geschichte
53
WIE ES ZUR ZEIT DER HUSSITENKRIEGE ZUR ERSTEN VERTREIBUNG
DER JUDEN AUS WIEN KAM
Daß es eine gewisse In der Zeit der Hussitenkriege verdächtigte man die Juden, mit den Hussiten zu
Affinität zwischen Juden und kollaborieren. Es gab in der Tat eine gewisse Affinität zwischen Juden und
Hussiten gab Hussiten, die aber wohl eher auf gleichermaßen erlittene Verfolgung
zurückzuführen ist, als auf oberflächliche Übereinstimmungen in der religiösen
Lehre.
Beide - Juden wie Hussiten - lehnten die Verehrung der Heiligen als Götzendienst ab,
beide hatten aus katholischer Sicht ein abnormes Verhältnis zum heiligen Abendmahl:
Die Hussiten mit ihrem Laienkelch und die Juden mit ihren angeblichen
Hostienschändungen.
In einer vor 1452 verfaßten jüdischen Chronik ist zu lesen, daß Hus “leKiddúsch
haSchém” - “zur Heiligung des Namens” verbrannt worden sei, eine Formel, die
ansonsten nur auf jüdische Märtyrer angewandt wurde. Aus der gleichen Handschrift
geht hervor, daß mehrtägiges Fasten der Juden Gott dazu bewegen sollte, den Hussiten
den Sieg zu verleihen. Und zwar nachdem die Schikanen durch die sich 1420 zum
Kampf gegen die Hussiten sammelnden Heerhaufen bereits überstanden waren.
Daß die Hussiten die Die Hussiten teilten die theologisch begründeten Vorurteile der Katholiken nicht.
theologisch begründeten Ihnen leuchtete es nicht ein, daß aus Genesis 49, 17, wo es heißt: “Zur Schlange am
Vorurteile der Katholiken Weg wird Dan, zur zischelnden Natter am Pfad”, geschlossen werden müsse, daß
gegenüber den Juden nicht sich dereinst der Antichrist aus den Reihen des jüdischen Volkes erheben werde.
teilten Schon Wicliff hatte gelehrt, daß nur ein Teil der Juden in der nahen Endzeit dem
Antichrist folgen, ein anderer aber sich bekehren werde. Da man nicht wissen könne,
wer von ihnen zu welcher der beiden Gruppen gehöre, solle man sie mit Güte und
Nachsicht zu bekehren versuchen. Für Matthias von Janow, den wichtigsten
Theologen der hussitischen Bewegung, ist der Antichrist die Gesamtheit der bösen
Christen.
Den Hussiten wurde von katholischer Seite prompt Judenfreundlichkeit
vorgeworfen. Auch wenn zum Beispiel bei einem taboritischen Aufstand in Prag 1422
auch das Judenviertel geplündert worden war. Auch wenn sich die hussitische
“Judenfreundlichkeit” wie im Falle der Einnahme der Stadt Komotau (1421) darin
erschöpfte, daß man die Juden vor die Wahl Tod oder Taufe stellte, während die
Katholiken getötet wurden, ohne die Wahl zu haben.
In Wien erhitzten sich die Gemüter eifriger Studenten der Theologie an dem Gedanken,
die Juden machten gemeinsame Sache mit den Hussiten. Sie drangen mehrfach
gewalttätig ins Judenviertel ein.
Wie Albrecht durch Der österreichische Erzherzog und spätere Kaiser Albrecht II. half sich aus der
Judenmord seine durch die hauptsächlich durch die Hussitenkriege hervorgerufenen Geldverlegenheit, indem
Hussitenkriege zerrütteten er 1420 alle Juden ob und unter der Enns gefangennehmen ließ. Die Mittellosen
Finanzen aufbesserte unter ihnen ließ er in Flußkähne pferchen, auf denen sie auf die Donau hinab nach
Ungarn trieben, in den Herrschaftsbereich Sigismunds, des damaligen Königs von
Böhmen und Ungarn und Kaisers des “Heiligen Römischen Reichs”, der sie in Böhmen
und Ungarn aufnahm. Die 200 zurückgehaltenen begüterten Juden hingegen ließ
Albrecht foltern und schließlich (1421) auf der Erdberger Lände bei Wien
verbrennen, was mit einer angeblichen Hostienschändung in Enns motiviert wurde. Der
Besitz der ermordeten Juden wurde eingezogen. Die herzogliche Kammer
betrachtete sich außerdem als deren Rechtsnachfolgerin und trieb ihre
Außenstände ein.
Zu den genannten 200 ist eine größere Anzahl von Juden zu zählen, die, wie ein
zeitgenössisches jüdisches Dokument berichtet, sich in der Synagoge selbst den Tod
gegeben und damit den Folterknechten Albrechts entzogen haben.
Auf dem Judenplatz vorgenomme Grabungen sind 1995 auf die Reste der
mittelalterlichen Synagoge gestoßen und haben diesen Bericht bestätigt.
Geschichte
54
Die Vertreibung der Juden aus Wien hatte negative Auswirkungen auf die
Volkswirtschaft, sodaß Friedrich III. (1440 - 1493) “zum gemeinsamen Nutzen für Juden
und Christen” einzelnen Juden den Aufenthalt in Wien wieder gestattete. Maximilian I.
(1493 - 1519) und Ferdinand I. (1531 - 1564) schrieben den Juden aber vor, ein Zeichen
in Form eines gelben Rings an ihrer Kleidung zu tragen. Unter Maximilian II. (1564 1576) wurden sie abermals aus Österreich ob und unter der Enns ausgewiesen.
Geschichte
55
WIE AUS DEM KREUZESTOD DER VOM KREUZ GEGEBENE TOD WURDE,
UND WIE AUS DARSTELLENDEM SPIEL TÖDLICHER ERNST WERDEN
KONNTE
Wie die bildende Kunst des
späten Mittelalters von
zunehmender
Gewaltbereitschaft den
Juden gegenüber kündet
Welche Gefahren die
Osterzeit im Spätmittelalter
für die Juden mit sich
brachte
Wie das Mittelalter noch
lange nachwirkte
Seit dem 9. Jahrhundert weist die Bildkunst in mancherlei Variationen
antijüdische Motive auf: Kirche und Synagoge sind durch weibliche Personen von zunächst durchaus gleichem Aussehen und gleicher Anmut - dargestellt, die
unter dem Kreuz stehen. Während die Kirche sich dem vom Kreuz ausgehenden Heil
zuwendet, wendet sich die Synagoge (manchmal mit einem Schleier über den Augen)
vom Kreuz ab. Oder: Ecclesia steht auf der Seite des Lebens, Synagoga auf der Seite
des Todes. Oder: Die Kirche wird gekrönt, die Synagoge verliert ihre Krone.
Eine besonders bemerkenswerte Variante des Motivs “Der Gekreuzigte flankiert
von Synagoge und Kirche” (aber nicht die einzige dieser Art) findet sich in der
Andreaskirche von Thörl (Kärnten).
Das Gemälde wurde um 1490 von Thomas von Villach geschaffen. Das Kreuz teilt das
Bild in eine Seite des Heils, der sich der Gekreuzigte zuwendet, und eine Seite des
Unheils. Auf der Seite des Heils befinden sich Ecclesia und Maria. Hier wächst auch der
Baum des Lebens, der Hostien als Früchte trägt. Mit ihrem Mantel schirmt Maria die
Begnadeten, vor allem Papst und Kaiser. Auf der anderen Seite des Kreuzes befinden
sich Synagoga und Eva. Synagoga wird mit verbundenen Augen dargestellt - sie ist der
Erkenntnis, daß Jesus der Messias sei, unfähig. Ihre linke Hand trägt den blutenden
Kopf eines Bockes. In der griechischen Mythologie Reittier der Aphrodite, galt der
Bock als Verkörperung ungezügelter, tierischer Sexualität. Neben der Synagoge steht
die nackte Eva als Verkörperung der Erbsünde. In der einen Hand hält sie einen Apfel,
den sie vom Baum der Erkenntnis gepflückt hat, um den sich die Schlange windet, in der
anderen Hand einen Totenkopf. Unter den beiden Frauengestalten: die Hölle.
Aus den vier Enden des Kreuzes wachsen Hände. Die obere öffnet das Himmelstor,
die untere zerschlägt mit einem Hammer das Tor zur Hölle. Eine Hand des
Querbalkens krönt Ecclesia, die andere führt ein Schwert, das von oben den Kopf
der Synagoga und ihre Brüste durchstößt.
Solche Darstellungen sowie Passionsspiele, die in unerträglicher Ausführlichkeit die
Leiden und den Tod Christi darstellten, verfehlten nicht ihre Wirkung auf das breite
Publikum. Mitunter wurde die Marter Christi derart wirklichkeitsnah gespielt, daß die
Darsteller des Heilands die damit verbundenen Strapazen nicht aushielten und
tatsächlich ihren Geist aufgaben.
Psychologische Spekulationen über die in diesem speziellen Zusammenhang erlaubte
Lust am Verhöhnen, Quälen und schließlich Töten Gottes sparen wir uns.
Wenn die in solchen Spielen (wie etwa dem Alsfelder Passionsspiel) dargestellten
Juden schließlich mehrere Tage lang Jesus verhöhnt oder gar mit Hand angelegt
hatten, während er immer neue, phantasievoll ausgedachte Qualen litt, war das
Publikum in derartige Raserei versetzt, daß ein Gerücht, die Juden hätten den
Mord an Jesus an einer geweihten Hostie oder einem Christen wiederholt, nicht
selten zu einem realen Massaker an den realen Juden führte. Und nicht selten
entsprang ein neuer Kult um einen neuen Lokalheiligen einem solchen österlichen
Aufruhr.
Wenn so ein Heiliger - etwa der selige Simon von Trient - einmal geschaffen war,
mußte an der Geschichte auch etwas dran sein: 1893 argumentierte Pfarrer Joseph
Deckert (der einem Platz in Wien Währing seinen umstrittenen Namen gegeben hat) in
einem seiner insgesamt 13 antisemitischen Ergüsse, daß die seinerzeitige Hinrichtung
von 14 Juden zu Recht erfolgt sein müsse, denn:
”Ein Kirchenfürst, der Bischof von Trient hätte einen entsetzlichen Justizmord
begangen gegen die unschuldigen Juden; auch der päpstliche Stuhl hätte sich durch
die Approbation der Prozeßacten, durch die Gestattung der Verehrung des hl. Simon
in Trient an anderen Orten, und durch dessen Eintragung in das Martyrologium
Geschichte
56
Romanum dieses Frevels mitschuldig gemacht und in einer auf den Kult bezüglichen
Angelegenheit geirrt.”
Derlei Irrtümer sind nach Deckert undenkbar.
1965 hob die Ritenkongregation in Rom nach neuerlicher Überprüfung der
Prozeßakten von 1475 die Verehrung des “Beatus Simoninus” auf.
Geschichte
57
ALLERLEI GESCHICHTEN VOM HEIRATEN UND ERBEN
Wie Albrecht II. deutscher, Mit Albrecht II. erlangte 1438 wieder ein Habsburger die Königskrone, und als
böhmischer und ungarischer Schwiegersohn und Erbe des Luxemburgers Sigismund (mit vertraglich abgesicherten
König wurde Ansprüchen) erwarb Albrecht auch die böhmische Wenzelskrone und die (erst 1387
durch Sigismund erworbene) ungarische Stephanskrone.
Dazu vielleicht ein bißchen “Kronologie”:
Wenzelskrone: Die für die Krönung Wenzels I. (1230 - 1253), des nachmaligen
heiligen Wenzel, hergestellte Krone. Karl IV. ließ sie in die gegenwärtige Form bringen.
1346 wurde durch päpstliche Bulle verfügt, daß die Krone künftig auf der im Prager
Veits-Dom aufbewahrten Kopfreliquie des heiligen Wenzel ruhen solle.
Stephanskrone: Nach den Hunnen und ihren Verwandten, den Awaren (von Karl dem
Großen geschlagen und aus der Geschichte verschwunden) hatten um 900 die Magyaren
- ebenfalls ein asiatisches Hirtennomadenvolk - von Ungarn Besitz ergriffen. Die
Magyaren (Ungarn) sind dem finno-ugrischen Sprachraum zuzurechnen (der wiederum
mit dem der mongolischen und Turksprachen in “verwandtschaftlicher” Beziehung
steht). Nach einer (955) im Kampf gegen Otto I. erlittenen Niederlage hatten sie ihre
Streifzüge eingestellt und waren seßhaft geworden. Stephan I. (später ebenfalls zum
Heiligen befördert) hatte ihm Jahre 1000/01 das Christentum sowie (aus der Hand Papst
Sylvesters II.) die Königskrone angenommen, die aber 1258 verlorenging. Stephan V.
(1270 - 1272) ersetzte sie darauf durch die noch heute erhaltene Krone, die aus
mehreren Teilen verschiedener (auch byzantinischer) Herkunft zusammengesetzt ist.
Daß Albrechts II. Nachfolger
Friedrich III. dieses
Kunststück nicht
fertigbrachte und dem
Ungarnkönig Matthias
Corvinus zeitweise sogar
Wien überlassen mußte
Albrecht II. starb früh (1439), ebenso sein nachgeborener Sohn Ladislaus
(“Postumus”). Böhmen und Ungarn wählten ihre eigenen Könige (Georg von
Podiebrad und Matthias Corvinus) und Kaiser Friedrich III. (1440 - 1493) vermochte
seine Ansprüche nicht durchzusetzen. Im Gegenteil: Matthias Corvinus hielt Wien
zwischen 1485 und 1490 besetzt.
Matthias Corvinus starb 1490 und hinterließ keinen legitimen Erben. Allerdings war für
diesen Fall vertraglich die Erbberechtigung der Nachkommen Friedrichs vorgesehen
worden. Die Herrschaft über Böhmen und Ungarn aber rissen die polnischen Jagellonen
an sich.
Wie Maximilian das Erbe
Karls des Kühnen, des
Herzogs von Burgund
erheiratete
Karl der Kühne, der Herzog von Burgund, hatte zwischen Deutschland und
Frankreich, von der Nordsee bis an die Rhone, ein Mittelreich geschaffen. Beim
Versuch gewaltsamer Erweiterung seines Fürstentums fiel er 1477 - ohne
männlichen Erben - bei Nancy. Seine Tochter Maria brachte im gleichen Jahr ihr
burgundisches Erbe in die Ehe mit dem habsburgischen Kronprinzen Maximilian
mit.
Maximilian (Kaiser seit 1493) verheiratete seinen Sohn Philipp mit der Erbin des
spanischen Throns Johanna (der Wahnsinnigen). Sie war die Tochter der “katholischen
Könige” Ferdinand (von Aragon) und Isabella (von Kastilien), die durch ihre Ehe
Spanien vereinigt hatten. Philipp starb noch vor seinem Vater Maximilian, sein Sohn
Karl (V. 1519 - 1556/58) aber wurde zum Monarchen eines Reiches, in dem die
Sonne nicht unterging. Allerdings überließ Karl bereits 1521 seinem jüngeren Bruder
Ferdinand die österreichischen Länder.
Wie Maximilian seinen Sohn
so gut verheiratete, daß im
Habsburgerreich die Sonne
nicht mehr unterging
Wie Ferdinand wegen der
Osmanen zum Erben der
Jagellonen in Böhmen und
Ungarn wurde und dann
wegen der Osmanen dieses
Erbe zum Teil nicht antreten
konnte
Inzwischen expandierten die Osmanen nach Europa. Die Eroberung Konstantinopels
gelang ihnen erst 1453, aber schon davor waren sie auf den Balkan vorgedrungen und
hatten Serbien unterworfen (Schlacht auf dem Amselfeld 1389). 1526 griffen die
Osmanen Ungarn an und besiegten bei Mohács das Heer des erst zwanzigjährigen
jegellonischen Königs Ludwig, der in dieser Schlacht umkam.
Der mit Ludwigs Schwester Anna verheiratete Ferdinand trat das Erbe der
Jagellonen an (Böhmen und Ungarn), mußte dazu jedoch erst Gegenkönig Johann
Zápolya aus Ungarn vertreiben, der von den Osmanen unterstützt wurde.
Wie es zur “Ersten Sultan Soliman (Süleiman II., der Prächtige) brach im Frühjahr 1529 mit etwa 250.000
Geschichte
58
Türkenbelagerung” kam Mann von Konstantinopel auf und stand Mitte September vor Wien, gab aber knapp
einen Monat später die Belagerung auf. Ferdinand mußte den Osmanen jedoch einen
Großteil Ungarns lassen. Er erkaufte sich den Frieden sogar eine Zeit lang durch
Tributzahlungen (“Ehrengeschenke”).
Im Prinzip aber gingen die Habsburger bis 1918 nicht mehr aus Böhmen und
Ungarn.
Geschichte
59
WIE DIE GRIECHISCH-RÖMISCHE ANTIKE AN DER WENDE VOM
MITTELALTER ZUR NEUZEIT “WIEDERGEBOREN” WURDE
Was die Antike für die
Menschen des
ausgehenden Mittelalters so
interessant machte
Die Römer hatten die Warenproduktion bereits zu einer beachtlichen Höhe entwickelt.
Das frühe Mittelalter hatte spezialisierte Warenproduktion, Markt und
Geldwirtschaft nicht gekannt, es hatte “von vorne” begonnen. In Norditalien waren
seit jeher die aus der Levante kommenden Waren umgeschlagen worden. Hier
entwickelte sich zuallererst der Handelskapitalismus. Seine “Muttersprache” ist das
Italienische. Und bis auf den heutigen Tag verwenden wir italienische Vokabeln in der
Banksprache. Ein ebenfalls durch den Verlauf der Verkehrswege begünstigter Raum war
Flandern. Auch hier zeigten sich früh die Ansätze kapitalistischen Wirtschaftens.
Im Spätmittelalter erreichte die Warenproduktion wieder ein Niveau, das die
Römer schon einmal erreicht hatten. Vieles aus der Hinterlassenschaft der Römer
wurde jetzt interessant, so zum Beispiel das Römische Recht. Mit anderen Worten:
Die warenproduzierende Gesellschaft der Antike hatte der warenproduzierenden
Gesellschaft des späten Mittelalters wieder etwas zu sagen. Man setzte sich deshalb
mit der Antike auseinander und machte sich ihre Errungenschaften nutzbar.
Dieser Rückgriff auf die Errungenschaften der Griechen und Römer war so
umfassend, daß geradezu von einer Wiedergeburt - Renaissance - der Antike
gesprochen wird, obgleich natürlich die Voraussetzungen, unter denen sich die
Warenproduktion jeweils entwickelt hat, völlig verschieden sind.
Bei der Bewahrung des Erbes der Antike hatten übrigens Araber und Juden eine
entscheidende Rolle gespielt.
Im Mittelalter war das theologisch-philosophische System der Schlolastik geschaffen
worden, das im wesentlichen das von der Patristik übernommene Dogmensystem
vernunftmäßig zu begründen und mit der Philosophie des Aristoteles, den man
irrtümlich für einen Christen hielt, in Einklang zu bringen versuchte. Die Scholastik
stellt allerdings keine einheitliche, geschlossene Lehre dar. Aus der Vielzahl der Namen
sei der wichtigste herausgegriffen: Thomas von Aquin (1225/26 - 1274).
Bei fortschreitender Entwicklung von Produktion und Gesellschaft konnte die Theologie
ihre Herrschaft über das Denken der Gebildeten nicht mehr aufrecht erhalten. Die
Wissenschaft begann sich von der Bevormundung durch die Theologie zu befreien.
Vieles, was früher Sache des Glaubens gewesen war, wurde Gegenstand der
Wissenschaft.
Wie eine von der
Vorstellungswelt des
Handelsbürgertums
geprägte Ideologie entstand,
in deren Mittelpunkt der
Mensch und nicht mehr Gott
stand
Waren- und Geldwirtschaft rationalisierten das bürgerliche Denken, brachten in
Italien eine neue, von der Vorstellungswelt des Handelsbürgertums geprägte
Ideologie hervor, den Humanismus, eine Ideologie, in deren Mittelpunkt der
Mensch und nicht mehr Gott stand. Der Humanismus stand der Religion (wenigstens
in Italien) skeptisch und ironisch, aber nicht feindlich gegenüber.
Ein paar Namen:
Italien: Francesco Petrarca (1304 - 74), Giovanni Boccaccio (1313 - 1375),
Gian Francesco Poggio (1380 - 1459), Lorenzo Valla (1406/07 - 57), Giovanni
Pico della Mirandola (1463 - 94)
Frankreich: Guillaume Budé (1467 - 1540), Jacobus Faber Stapulensis (um
1450 - 1536/37)
England: Thomas Morus (1478 - 1535)
Niederlande: Erasmus von Rotterdam (1469 - 1536)
Deutschland: Johannes Reuchlin (1455 - 1522), Philipp Melanchton (1497 1560), Ulrich von Hutten (1488 - 1523)
Sowohl der Körper des Menschen, als auch seine geistige Tätigkeit weckten
wissenschaftliche Neugier. Die Aufarbeitung der geistigen Hinterlassenschaft der Antike
bedingte die philologischen Studien der Humanisten. Renaissancekünstler betonten
jetzt gern die Menschennatur Jesu Christi und stellten oft Menschen aus bäuerlichem
Geschichte
Wie die Menschen einander
trotz aller Arbeitsteilung
noch als unverwechselbare
Individuen begegneten und
noch nicht zu Bestandteilen
einer Maschinerie degradiert
waren
60
oder bürgerlichem Milieu in den Mittelpunkt ihrer Darstellungen. Der berühmte von
Grünewald geschaffene Isenheimer Altar beispielsweise zeigt Jesus nicht als
Gottessohn, sondern als entstellten, verkrampften Leichnam eines geschundenen
Menschen.
Noch ein paar Namen:
Italien: Alberti (1404 - 1472), Bramante (1444 - 1514), Brunelleschi (1377 1446), Donatello (1386 - 1466), Ghiberti (1378 - 1455), Leonardo da Vinci
(1452 - 1519), Mantegna (1431 - 1506), Masaccio (1401 - 1429),
Michelangelo (1475 - 1564), Piero della Francesca (1410/20 - 1492), Raffael
(1483 - 1520)
Niederlande: Campin (1375 - 1444), Hugo von der Goes (um 1440 - 1482) Jan
van Eyck (um 1390 - 1441), Rogier van der Weyden (1399/1400 - 1464),
Deutschland: Cranach (1513 - 1537), Dürer (1471 - 1528), Grünewald
(1470/80 - nach 1529)
Bei aller Rationalisierung der Wirtschaft aber waren die ökonomischen Beziehungen
noch überschaubar, sie blieben Beziehungen von Mensch zu Mensch. Die Menschen
traten einander noch als ganze Persönlichkeiten, als unverwechselbare Individuen
gegenüber. “Gleichzeitig drückt auch der Erzeuger den Gegenständen ungeachtet der
gesteigerten Rationalisierung des Arbeitsprozesses noch immer seinen persönlichen
Stempel auf, denn noch vernichtet die Arbeitsteilung nicht die Verwertung seiner
persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten. Der starke, bis heute bewunderte
künstlerische Einschlag im Handwerk der damaligen Zeit ist ein Beweis dafür”.14
Die allseitig entwickelte Persönlichkeit war das Bildungsideal des Humanismus,
das von niemandem besser verkörpert wurde als von Leonardo da Vinci.
Heute, am vorläufigen Endpunkt des Prozesses der Durchrationalisierung der
Wirtschaft, versucht das dem Produktionsprozeß eingegliederte Individuum seine
Individualität abzustreifen, die doch nur hinderlich wäre, Reibungsverluste mit sich
brächte, es fühlt sich eingeschränkt, unfrei. “Ausbildung” ist dementsprechend und zum
Unterschied von der -humanistischen - “Bildung” die Erzeugung von Normwesen, die
über ausreichende Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen und ausreichend trainiert sind,
um sich ohne solche Reibungsverluste der Produktion einzugliedern, ihre Individualität
aber im “Frei”zeitbereich zurücklassen.
Geschichte
61
WIE SICH EIN DEUTSCHER HUMANIST MIT DEN “HUNDEN DES HERRN”
ANLEGTE
Daß die Ketzerbekämpfung
das Hauptanliegen des
Dominikanerordens
darstellte
Was man unter “Inquisition”
versteht
Wie sich die Dominikaner
auch mit der Frage
beschäftigten, ob man den
Talmud verbrennen müsse
Wie der Sachverständige
Reuchlin nicht zu dem
gewünschten Schluß kam
und darüber in einen Streit
mit den Dominikanern geriet
Entsprechend dem gesellschaftlichen Entwicklungsgefälle von Italien nach
Deutschland, vermochte sich der deutsche Humanismus nicht im gleichen Maß von
der Religion zu lösen wie der italienische. Dennoch: die gefährliche Borniert der
Dominikaner etwa beleidigte den Intellekt der Humanisten.
Der Dominikanerorden war zu Beginn des 13. Jahrhunderts, in den Tagen des
Kampfes gegen die ketzerischen Albigenser in Südfrankreich, vom heiligen
Dominikus gegründet worden. Ihrer Tradition der Ketzerbekämpfung blieben die
Dominikaner treu. Sie liebten es, sich als “domini canes”, als die “Hunde des Herrn”
zu bezeichnen. Sie nahmen die Witterung der Ketzer auf, stellten sie und
überantworteten sie der heiligen Inquisition, die hauptsächlich von Angehörigen
ihres Ordens (und Franziskanern) ausgeübt wurde.
Der Begriff Inquisition bezeichnet ganz allgemein ein strafrechtliches Verfahren,
in dem die selbe Instanz Anklage erhebt, untersucht und das Urteil fällt.
Diese Vorgangsweise war im Rechtswesen des Mittelalters allgemein üblich. Die
“heilige” Inquisition als Schöpfung des Heiligen Stuhles war seit dem 13.
Jahrhundert mit dem weltlichen Strafvollzug verknüpft, als die Bekämpfung der
ketzerischen Sekten zu einem Anliegen aller feudalen Gewalten wurde.
Bezeichnenderweise wurde im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation die
Hinrichtung von Ketzern auf dem Scheiterhaufen ausgerechnet durch den gebildeten und
weltmännischen Staufer Friedrich II. verfügt, der in ewigem Streit mit dem Papst lag,
der sich mit Beratern aus dem islamischen Kulturkreis umgab, der in so kritischer
Distanz zum Christentum stand, sodaß ihm manche nachsagten, er sei Atheist.
Einmal mehr wird deutlich: Wo die Herrschaft religiöse Weihe erhält, ist Widerstand
“Ketzerei”, an deren Ausmerzung dem Herrscher auch dann gelegen sein muß, wenn er
nicht religiös ist.
Dominikaner (Heinrich Institoris und Jakob Sprenger) waren es übrigens auch, die
(1487) den berüchtigten “Hexenhammer” verfaßt hatten, ein Strafgesetzbuch bzw.
eine Strafprozeßordnung für Inquisitionsprozesse. Darin spielte der von Papst
Innocenz VIII. in einer Bulle (Summis desiderantis affectibus, 1484) geäußerte
Gedanke eine große Rolle, daß die Ketzerei nicht natürlichen Ursprungs, sondern
nur das Werk von Dämonen sein könne.
Die Dominikaner, widmeten ihre Aufmerksamkeit auch der Frage, ob und welche
Schriften der Juden Schmähungen des Neuen Testaments, Jesu oder Mariens
enthielten, um sie gegebenenfalls den Flammen zu übergeben.
Sie bedienten sich dabei eines getauften Juden, der in ihrem Auftrag eine Reihe wenig
fundierter Schriften verfaßte, in denen er beispielsweise behauptete, die Juden
beichteten den Hühnern und Fischen.
Der Erzbischof von Mainz trat dem Übereifer der Dominikaner entgegen und
regte die Bildung einer Kommission an, der auch der große deutsche Humanist
Johannes Reuchlin (1455-1522) als Sachverständiger angehörte. Reuchlin legte in
einer Schrift mit dem Titel ”Augenspiegel” seine Auffassungen dar, aus denen
keineswegs die Notwendigkeit einer Talmudverbrennung gefolgert werden konnte.
Eine besondere Sympathie für die Juden war dabei nicht im Spiel. Johannes Reuchlin
kleidete seine Abneigung ihnen gegenüber beispielsweise in folgende Worte:
”Jeden Tag beleidigen, beschmutzen und lästern sie Gott in der Person seines Sohnes,
des wahren Messias Jesus Christus. Sie nennen ihn einen Sünder, einen Zauberer, einen
Gehenkten. Sie behandeln die heilige Jungfrau Maria als Haria, als böses Weib. Sie
gehen mit den Aposteln und Jüngern um als mit Häretikern. Und uns Christen halten sie
für dumme Heiden.”
Auf einem anderen Blatt stand Reuchlins Interesse an der hebräischen Sprache, in der er
sich von Jacob Loans, dem jüdischen Leibarzt Kaiser Friedrichs III. (!), hatte
Geschichte
Wie andere Humananisten
die “Dunkelmännerbriefe”
schrieben, um Reuchlin zu
Hilfe zu kommen
62
unterweisen lassen. Er galt als der einzige Christ in Deutschland, der Hebräisch konnte.
Durch sein Gutachten geriet Reuchlin in einen viele Jahre währenden Streit mit
den Dominikanern, in dessen Verlauf die berühmten ”Dunkelmännerbriefe”
entstanden, Satiren, in denen Ulrich von Hutten, Crotus Rubeanus und andere
Humanisten die Borniertheit der Dominikanermönche verspotteten, die partout
den Talmud und Reuchlins ”Augenspiegel” verbrannt sehen wollten.
Die Dunkelmännerbriefe waren in schlechtem Latein verfaßt, wie man es von den
Mönchen kannte. Bei denjenigen, die Latein verstanden, fanden die Briefe reißenden
Absatz, besonders, als sie verboten wurden.
Wie der Reuchlinsche Streit Den Ausschlag im Reuchlinschen Streit gab die Tatsache, daß sich Franz von
mit einer Niederlage der Sickingen - er wird uns noch als Anführer im Ritteraufstand von 1522 begegnen - für
Dominikaner endete Reuchlin einsetzte und den Dominikanern mit einer Fehde drohte, falls das Urteil
nicht respektiert würde, zu dem der Bischof von Speyer gekommen war, der die
Angelegenheit im Auftrag Papst Leos X. untersucht und im wesentlichen die Argumente
Reuchlins bestätigt hatte. Dominikanerprior und Inquisitor Hoogstraeten wurde
suspendiert, und es kam - diesmal - zu keiner Bücherverbrennung.
Geschichte
63
WIE BÜRGERLICHES WIRTSCHAFTEN SCHON SO SEHR IN DEN
VORDERGRUND GETRETEN WAR, DASS JAKOB FUGGER DEM KAISER
FRECHHEITEN SAGEN KONNTE
Wie die Zünfte als
Begleiterscheinung der
mittelalterlichen Stadt
entstanden waren
Die Zünfte hatten im Mittelalter den Konkurrenzkampf der städtischen
Handwerker durch Preisabsprachen eingeschränkt, sie hatten Normen für Quantität
und Qualität der Waren festgelegt, sie hatten Anzahl und Größe der Betriebe
begrenzt und damit und durch den Zunftzwang dem einzelnen Meister seinen
Marktanteil gesichert. Die Zünfte waren im Hohen Mittelalter als Begleiterscheinung
der Trennung des Handwerks von der Landwirtschaft entstanden und hatten diese
Trennung gleichzeitig beschleunigt und begünstigt (etwa durch die Bannmeilen,
innerhalb derer sie das dörfliche Handwerk zum Erliegen brachten).
Wie sich am Ausgang des Mit dem Fortschreiten der Arbeitsteilung überlebte sich jedoch die
Mittelalters das Zunftwesen Zunftorganisation: Das zur Betriebsgründung notwendige Kapital wurde größer, denn
bereits überlebt hatte die Werkzeuge und Produktionsinstrumente wurden zahlreicher. Die Chancen der
Gesellen, einst selbständige Meister zu werden, sanken. Fortschreitende Arbeitsteilung
ermöglichte in steigendem Maß den Einsatz ungelernter Arbeitskräfte, gleichzeitig
stiegen die Anforderungen bei den Meisterprüfungen, mitunter bis zur Unerfüllbarkeit.
Im 16. Jahrhundert profitierte vom Gewerbe- und Marktmonopol der Zünfte nurmehr
eine begrenzte Zahl etablierter Meister.
Wie sich die Fugger von Die großen - wohlgemerkt christlichen - Handelshäuser vor allem der Fugger und
einfachen Webern zu Welser beherrschten die frühkapitalistische Wirtschaft, in die auch die feudalen
Gläubigern der Kaiser Gewalten verstrickt wurden. Die schlagartige Entstehung eines Weltmarktes durch die
emporgearbeitet hatten geographischen Entdeckungen förderte die rasche Entwicklung des Kaufmannskapitals.
Daß Jakob Fugger, der
Reiche es sich leisten
konnte, dem Kaiser einen
frechen Mahnbrief zu
schreiben
Die Fugger hatten in Augsburg als Angehörige der Weberzunft begonnen, sich dann
aber als “Verleger”, die sich zwischen Handwerk und Markt schalteten, und Fernhändler
betätigt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts stiegen die Fugger mit einem Kredit von
150.000 Gulden, für den ihnen Erzherzog Sigmund seine Rechte am Tiroler Bergbau
verpfändete, auch ins Montangeschäft ein. Weitere derartige Geschäfte folgten unter
dem späteren Kaiser Maximilian. Das chaotische Finanzwesen der
Renaissancefürsten ließ eine Rückzahlung von Krediten kaum zu - die Pfänder
verfielen. In den Jahren 1487 bis 1494 konnten die Fugger einen Gewinn von 400.000
Gulden allein aus dem Tiroler Silberhandel verbuchen.
Kaiser Maximilian I. stützte sich in Geldangelegenheiten bald nur noch auf die Fugger,
und die Fugger waren es, die bei der Kaiserwahl den Habsburger Karl I. von
Spanien (als Kaiser des “Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation”: Karl V.,
1519-1556) gegen die anderen Kandidaten (Heinrich VIII. von England und Franz I.
von Frankreich) unterstützten, indem sie den Großteil der Summe vorstreckten, die
nötig war, um die Stimmen der Kurfürsten zu kaufen: 852.000 Gulden. Mit geringen
Anteilen waren auch die Welser und drei oberitalienische Bankhäuser an diesem
Kreditgeschäft beteiligt. Jakob Fugger konnte in seinem berühmten Mahnbrief von
1523 Karl darauf hinweisen, daß er ohne seine Hilfe nicht Römischer Kaiser hätte
werden können:
“Es ist auch wissentlich und ligt am tag, dass Ew(re). Kay(serliche). M(ajestät). die
Römisch Cron ausser mein nicht hette erlangen mögen ... So hab ich auch hierin
mein aigen nutz nit angesehen; dann wo ich von dem haus Oesterreich absteen und
Frankreich fürdern hette wollen, wollte ich gross guott und gelt, wie mir dann
angeboten worden, erlangt haben. Wass aber Ew. Kay. Majestät und dem haus
Oesterreich nachtail daraus entstanden were, das haben Ew. Kay Majestät aus hohem
Verstandt wol zu erwegen.”
Geschichte
64
WIE MANCHE DIE KIRCHE UND ANDERE GLEICH DIE GANZE
GESELLSCHAFT REFORMIEREN WOLLTEN
Die Kirche war in den Augen vieler Menschen jener Zeit reformbedürftig.
Mit Roderico Borgia war im Jahre 1492 - dem gleichen Jahr, da Kolumbus Amerika
entdeckt hatte, da die Reconquista, die Rückeroberung Spaniens, mit dem Fall des
letzten maurischen Fürstentums (Granada) zu einem Ende gekommen war, da die Juden,
die sich nicht zum Christentum hatten bekehren wollen, aus Spanien verjagt worden
waren - ein Unwürdiger zum Nachfolger des Heiligen Petrus gewählt worden, der sich
Alexander VI. (1492-1503) nannte. Die verschwenderische Hofhaltung des Papstes und
der Bau des Petersdoms in Rom verschlangen Unsummen.
Wie die Kirche kanonisches Zinsverbot hin,
Ablaßhandel her - in die
Geldwirtschaft verstrickt
wurde
Einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen bezog die Römische Kirche aus
Deutschland.
Die westeuropäischen Monarchien hatten sich weitgehend dem Zugriff der Kirche
entzogen. Heinrich VIII. von England (1491-1547) proklamierte gar sich selbst als
Oberhaupt einer von Rom gelösten “anglikanischen” Staatskirche (1534), was übrigens
mit einer “Reformation” nichts zu tun hat. Aus deutschen Gebieten aber preßte die
Kirche enorme Summen.
Die Kirchenämter und die mit ihnen verbundenen Einnahmen, die Pfründe,
wurden immer mehr zum Gegenstand eines schwunghaften Handels.
Ulrich von Hutten sagt:
“Nicht leicht hat einer hier eine fette Pfründe, der nicht zu Rom darum gedient oder
viel Geld zur Bestechung dahin geschickt oder sie geradezu durch die Vermittlung der
Fugger gekauft hat.”
Die aus dem Ablaßhandel zu erwartenden Einnahmen streckten die Fugger vor und
berechneten selbstverständlich Zinsen dafür - eine konsquente Einhaltung des
kanonischen Zinsverbotes war selbst der Kirche nicht möglich. Die großen christlichen - Handelshäuser vor allem der Fugger und Welser beherrschten die
frühkapitalistische Wirtschaft, in die auch die feudalen Gewalten verstrickt wurden.
Wie im Lauf des
Spätmittelalters die
Geldwirtschaft in das
Beuiehungsgefüge der
Feudalgeselschaft eindrang
und die Gegensätze
verschärfte, die’s dort
ohnehin schon gab
Im Lauf des Spätmittelalters drang die Geldwirtschaft in die feudalen Beziehungen
und Abhängigkeiten ein und verschärfte die in der Feudalgesellschaft
herrschenden Gegensätze - der von den adeligen Grundherren auf die Bauern
ausgeübte Druck steigerte sich, der niedere Adel verarmte.
In den seit dem 11. Jahrhundert wieder aufblühenden Städten erhielten die Bauern für
ihre Überschüsse bares Geld, das - wie wir schon früher festgestellt haben - die
Begehrlichkeit der adeligen Grundherren auf sich zog. In weiterer Folge wurden die
Naturalabgaben und Frondienste der Bauern - scheinbar im beiderseitigen Interesse
- immer mehr durch Geldzahlungen (Geldrente) abgelöst, was die Steigerung des
auf den Bauern lastenden Drucks nach sich zog und damit letztlich den Deutschen
Bauernkrieg (1524-1526) auslöste. Die “natürlichen” Grenzen, die die Ausbeutung
zuvor durch den begrenzten Bedarf an Naturalien und deren begrenzte Haltbarkeit
gefunden hatte, fielen nun weg, denn der Bedarf an Geld ist unbegrenzt. Der von den
Grundherren auf die Bauern ausgeübte Druck konnte umso leichter gesteigert werden,
als sich seit dem 15. Jahrhundert die Städte abschlossen und aufhörten Zufluchtsstätten
der bäuerlichen Bevölkerung zu sein.
Wie nicht nur die Bauern, Der niedere Adel, das Rittertum, verlor seine militärische Bedeutung durch die
sondern auch die Adeligen Erfindung der Feuerwaffe und durch die Tatsache, daß auch der Kriegsdienst allmählich
unter Druck gerieten zu einer von käuflichen Söldnern gelieferten Ware wurde. Der hohe Adel, die
Landesherren, die Fürsten, profitierten in Form von Steuern von der Entwicklung des
Städtewesens und der Geldwirtschaft. Aber die Einkünfte des Ritters ermöglichten
diesem kaum ein standesgemäßes Leben, auch wenn er seine Bauern noch so sehr
auspreßte. Hier wurzelt das spätmittelalterliche Raubritterunwesen. Fast gleichzeitig mit
den Bauern und ebenso vergeblich erhoben sich unter der Führung Franz von
Geschichte
65
Sickingens (der in diesem Kampf fiel) die Ritter (1522).
Der Große Deutsche Bauernkrieg 1524-1526 war ein Versuch, den Angriff der
Reformation auf die römisch-katholische Kirche und die geistliche Feudalität zum
Kampf gegen die Feudalität überhaupt zu erweitern.
Wie Martin Luther zur Der Mann, der im Mittelpunkt der Reformation stand, war Dr. Martin Luther. Seine 95
Zentralfigur der Reformation gegen den Ablaßhandel gerichteten Thesen waren jedoch weder besonders originell,
wurde noch besonders radikal. Luther stellte den Ablaß als solchen überhaupt nicht in Frage,
im Gegenteil, These 71 sagt: “Wer wider die Wahrheit des päpstlichen Ablasses redet,
der sei im Fluch und vermaledeiet.”
Luthers Kritik aber traf die Kirche zu einer für sie ungünstigen Zeit an einem
wunden Punkt.
Die “Dunkelmännerbriefe”, die zu dieser Zeit die mönchische Gelehrsamkeit der
Lächerlichkeit preisgaben, waren nur einer von etlichen “Pfeilen gegen den Schurken”,
wie Hutten formuliert. Wenn in den Chor der Kritiker dann ein Insider einstimmte,
mußte das doppelt unerwünscht sein. Und die besonders sensible Stelle, an der
Luthers Thesen die römische Kirche getroffen hatten, das war der Geldbeutel. Deshalb
konnte die Auseinandersetzung zwischen Luther und Tetzel, dem Verkaufsleiter in
Sachen Ablaß, nicht das bleiben, was sie eigentlich war, nämlich bloßes Mönchsgezänk.
Der weitere Verlauf der Dinge entwickelte eine Eigendynamik, der sich Luther
nicht entziehen konnte.
“Ohne rechte eigene Initiative wurde Luther vorwärtsgeschoben von Freund und Feind,
zum Bruch mit dem Papsttum. Wenn er 1519 verfluchte, was er noch 1518 gesegnet, für
alleinseligmachend erklärte, was er eben noch verdammt, so war dies nicht die Folge
einer Erweiterung seiner Erkenntnis, sondern die Folge der Wirkung rein äußerer
Einflüsse, von denen er sich tragen und leiten ließ.”
Wie Luther vor dem Die Bannbulle des Papstes (Giovanni de Medici alias Leo X. 1513-1521) steigerte nur
Reichstag zu Worms stand die Popularität Luthers. Der Kaiser (Karl V. 1519-1556) zitierte Luther vor den
und nicht anders konnte Reichstag in Worms (1521). Der Vergleich mit Jan Hus liegt nahe. Hus hatte sich auf
dem Konzil von Konstanz einer feindlichen Front gegenübergesehen. Luther blieb aber
gar nichts anderes übrig, als mit der Papstkirche zu brechen, die deutsche Öffentlichkeit
erwartete das von ihm: “Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen”15.
Luthers späterer Gegenspieler, der große Ideologe der Volksreformation Thomas
Müntzer relativierte (in seiner “Hoch verursachten Schutzrede” von 1524) Luthers
Heldentum: “So du zu Worms hättest gewankt, wärest du eher erstochen vom Adel
worden als losgegeben; weiß es doch ein jeder.” In die Reichsacht getan (“getan”
heißt´s in den Geschichtsbüchern an dieser Stelle immer, einen Luther “tut” man immer
in die Reichsacht) wurde Luther wohlweislich erst, als die mit seiner Lehre
sympathisierenden Fürsten den Reichstag bereits verlassen hatten.
Wie Luthers Lehre allen Luthers Reformation sprach zunächst alle Stände an.
Ständen etwas zu bieten Ein Aufruf “An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes
hatte ... Besserung” (1520) empfahl eindringlich die Anwendung von Waffengewalt gegen die
“Raserei der Romanisten”, und
stellte dem Adel damit Bereicherung an säkularisierten Kirchengütern in Aussicht:
“Wenn wir Diebe mit dem Strang, Mörder mit dem Schwert, Ketzer mit dem Feuer
bestrafen, warum greifen wir nicht vielmehr mit allen Waffen diese Lehrer des
Verderbens an, diese Kardinäle, diese Päpste und das ganze Geschwür des römischen
Sodom, welche die Kirche Gottes ohne Unterlaß verderben, und waschen unsere Hände
in ihrem Blute.”
Luthers Worte “Von der Freiheit deines Christenmenschen” (1520) verstanden die
Bauern als Verheißung des Endes der Unterdrückung durch die Feudalherren und
nicht bloß die geistlichen.
Dem Bürgertum kam Luther insofern entgegen, als er die Ächtung bürgerlicher
Erwerbstätigkeit aufhob und berufliche Arbeit zur menschlichen Pflicht und zum
gottgefälligen Werk erklärte Am kanonischen Zinsverbot hielt er jedoch fest.
... daß es Luther dann aber Ein sicherer Instinkt führte Luther an die Seite derer, die allein langfristig von der
lieber mit den Fürsten als Bewegung profitierten, die er wohl nicht verursacht, für die er aber das Startsignal
Geschichte
66
mit den Bauern hielt gegeben hat. Als die Reformation sich zu einem Bürgerkrieg ausgeweitet hatte, der von
Luther klare Parteinahme forderte, schlug er sich auf die Seite der Fürsten, wetterte
“Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern” (1525) und stellte
damit klar, daß er die “Freiheit eines Christenmenschen” als bloß innerliche verstanden
wissen wollte, obwohl er seinerzeit formuliert hatte:
“Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Ding und niemandem untertan.”
Daß die Lehre des Insgesamt stellt sich die lutherische Reformation als Kompromißideologie zwischen
Schweizer Reformators Handelsbürgertum und Feudalismus dar.
Zwingli dagegen Radikalere, das heißt republikanische und antifürstliche Vorstellungen des
antifürstliche Vorstellungen Kleinbürgertums fanden ihren Ausdruck in der humanistisch-rationalistisch gefärbten
wiedergibt
Lehre des Züricher Reformators Huldrych Zwingli (1484-1531).
Geschichte
67
WIE DIE BAUERN DIE HERREN DAS FÜRCHTEN LEHRTEN
Wie sich die Erhebung der Die Bauernerhebung, die im Sommer 1524 losbrach, hatte sich schon in den Jahrzehnten
Bauern ankündigte davor in den “Bundschuh”-Verschwörungen (Symbol des bäuerlichen Bundschuhs im
Gegensatz zu dem von Adeligen getragenen Stiefel) und im Aufstand des “Armen
Konrad” angekündigt.
Die Reformation hatte an den Lebensverhältnissen des gemeinen Mannes nichts
geändert. Die Bauern ergriffen nun selbst die Initiative. Aufständische Bauern
formierten sich im Südwesten Deutschlands, in Thüringen und in den Alpenländern zu
Heerhaufen und stürmten die Adelssitze. Ihre Vorstellungen von einer reformierten
Gesellschaft kamen in Manifesten und Programmen zum Ausdruck.. Hier sind zunächst
und vor allem die “Zwölf Artikel” zu nennen: Ihre Pfarrer wollen die
Bauerngemeinden selbst wählen und gegebenenfalls abwählen:
Was die Bauern wollten ”Ain gantze gemain sol ain Pfarer selbs Erwölen und kyesen. Auch gewalt haben den
selbigen wider zuentsetzen, wann er sich vngepürlich hieldt. Der selbig erwölt Pfarer
sol vns das hailig Euangeli lauter vnd klar predigen, one allen menschlichen zusatz,
laer vnd gebot.”
Der Zehnt soll seiner ursprünglichen
(Lebensunterhalt des Pfarrers, Armenfürsorge).
Die Leibeigenschaft soll abgeschafft werden:
Bestimmung
zugeführt
werden
“Ist der Brauch bisher gewesen, daß man uns für ihr eigen leut gehalten haben,
wölchs zu erbarmen ist, angesehen daß uns Christus all mit seinem kostparlichen
plutvergüssen, erlöst und erkauft hat [...] Darumb erfindet sich mit der Geschrift das
wir frei seien und wöllen sein.”
Weitere Forderungen richten sich auf freie Jagd, freien Fischfang, freie Holznutzung.
Die Grundherrschaft als solche wird aber nicht in Frage gestellt. Die Abgaben sollen
nicht abgeschafft, sondern in einem vernünftigen Rahmen neu festgesetzt werden.
Daß Thomas Müntzer der
bedeutendste Theoretiker
und Praktiker der
revolutionären
Volksreformation war
Einzelne Programmschriften erhoben weitergehende Forderungen: So zielt der
Artikelbrief der Schwarzwälder Bauern bereits auf die Abschaffung der
Feudalordnung ab:
“Nachdem uns aber aller Verrat, Zwangnus und Verderbnus aus Schlössern, Klöstern
und Pfaffenstiften erfolgt und erwachsen, sollen die von stundan in den Bann
verkündt sein.
Wo aber der Adel, Münch oder Pfaffen, sölicher Schlösser, Klöster oder Stiftungen
williglich abston wöllten und sich in gemeine Heuser wie ander fremd Leut begeben
und in diese Christenliche Vereinigung ingon wöllten, so söllen sie mit ihrer Hab und
Gut freundlich und tugendlich angenommen werden.”
Bedeutendster Theoretiker und Praktiker der revolutionären Volksreformation
war Thomas Müntzer. Im Juli 1524 versuchte Müntzer in seiner “Fürstenpredigt”
noch die Obrigkeit von der Notwendigkeit von Reformen zu überzeugen. Er
charakterisiert die bestehende Ordnung als einen Bund der Gottlosen, der sich gegen den
gemeinen Mann richte. Und er warnt: Das Volk werde sich selbst das Schwert nehmen,
wenn die Obrigkeit es nicht gegen den Antichrist richte, und die Herrschaft ausüben. In
seiner “Hochverursachten Schutzrede”, in der er auf Angriffe Luthers antwortete
schrieb er:
“Die Grundsuppe des Wuchers, der Dieberei und Räuberei sind unsere Herren. Sie
nehmen alle Kreaturen zum Eigentum [...] Darüber lassen sie dann Gottes Gebote
ausgehen unter die Armen und sprechen: Gott hat geboten, du sollst nicht stehlen [...]
Die Herren machen das selber, daß ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursache des
Aufruhrs wollen sie nicht wegtun. Wie kann es auf die Länge gut werden? So ich das
sage, muß ich aufrührerisch sein!”
Wie es auch Müntzer nicht Müntzer versuchte, die Lokalborniertheit der Aufständischen, deren Horizont meist
gelang, die Bauern zu einen nicht weit über ihr Dorf und ihr Tal hinausreichte, zu überwinden. Vergeblich, wie wir
Geschichte
68
... wissen, den letztlich gelang es den Feudalherren, die einzelnen Bauernhaufen durch
Versprechungen und Scheinverhandlungen voneinander zu isolieren und nacheinander
zu besiegen. Besonders der Truchseß von Waldburg, genannt der “Bauernjörg”, tat sich
dabei hervor. Den Aufständischen des Bodenseegebiets und des Allgäus etwa versprach
er, ihre Forderungen zu erfüllen, wenn sie die Waffen niederlegten und nach Hause
gingen, was sie auch taten. Bauernjörg überfiel anschließend ihre Dörfer und ließ die
Bewohner niedermachen.
Der Bauernjörg wurde nach dem Bauernkrieg in den Grafenstand erhoben und erwarb
riesigen Grundbesitz aus eingezogenem Bauernland.
(Bernd Engelmann verweist in “Wir Untertanen - ein deutsches Geschichtsbuch” auf die
Tatsache, daß die Erben des Bauernjörg bis auf den heutigen Tag die größten
Grundbesitzer jener Gegend sind.)
... und auch flammende In flammenden Appellen rief Müntzer die Aufständischen zur Tat. In seinem
Appelle nicht halfen Manifest an die Mansfelder Bergknappen vom 26. April 1525 schreibt er:
“Die reinen Forcht Gottes zuvor, lieben Brüder! Wie lange schlaft ihr? Wie lang seid
ihr Gott seins Willens nit gestendig, darum daß er euch (nach eurem Ansehen) vorlassen
hat? Ach, wie viel hab ich euch das gesagt, wie es muß sein? Gott kann sich anderst nit
offenbaren, ihr mußt gelassen stehen! Tuet ihrs nicht, so ist das Opfer, euer
herzbetrübtes Herzeleid, umsunst. Ihr mußt darnach von neuem auf wieder in Leiden
kommen. Das sag ich euch: Wollt ihr nit um Gottes willen leiden, so mußt ihr des Teufels
Merterer sein. Darum hüt euch, seid nit also vorzagt, nachlessig, schmeichelt nit lenger
den vorkahrten Fantasten, den gottlosen Boswichtern, fanget an und streitet den Streit
des Herren! Es ist hoch Zeit! [...] Zu Fulda seind in der Osterwochen vier Stiftkirchen
vorwüstet, die Bauern im Klegau und Hegau Schwarzwald seind auf, dreimal tausend
stark, und wird der Hauf je lenger je großer. Allein ist das mein Sorg, daß die
nerrischen Menschen sich vorwilligen in einen falschen Vertrag, darum daß sie den
Schaden noch nit erkennen.
Wann euer nur drei ist, die Gott gelassen, allein seinen Willen, Namen und Ehre suchen,
werdet ihr Hunderttausend nit furchten. Nun dran, dran, dran, es ist Zeit, die
Boswichter seind frei vorzagt wie die Hund! Regt die Bruder an, daß sie zur Fried
kommen und ihr Bewegung Gezeugnus holen. Es ist uber die Maß hoch, hoch
vonnöten. Dran, dran, dran! Laßt euch nicht erbarmen, ob euch der Esau gute Wort
furschlegt (Genesis 33). Sehet nit an den Jammer der Gottlosen! Sie werden euch also
freundlich bitten, greinen, flehen wie die Kinder. Lasset euch nit erbarmen, wie Gott
durch Mosen befohlen hat [...].
Sieh, da ich die Wort schreib, kame mir Botschaft von Salza, wie das Volk den Amtmann
Herzog Georgen vom Schloß langen wöllen, um des willen, daß er drei hab heimlich
wollen umbringen. Die Bauern vom Eisfelde seind ihr Junkern feind worden, kurz, sie
wollen ihr kein Gnade haben. Es ist des Wesens viel euch zum Ebenbilde. Ihr mußt dran,
dran, es ist Zeit! Balthasar und Barthel Krump, Valtein und Bischoff, gehet vorne an den
Tanz! Lasset diesen Brief den Berggesellen werden! Mein Drucker wird kommen in
kurzen Tagen, ich hab die Botschaft kriegen. Ich kann es itzund nit anders machen, sonst
wollt ich den Brüdern Unterricht gnug geben, daß ihnen das Herz viel großer sollt
werden dann alle Schlosser und Rustung der gottlosen Böswichter auf Erden.
Dran, dran, dran, dieweil das Feuer heiß ist. Lasset euer Schwert nit kalt werden,
lasset nit vorlehmen! Schmiedet pinkepanke auf den Ambossen Nimrods, werfet ihne
den Torm zu Bodem! Es ist nit mugelich, weil sie leben, daß ihr der menschlichen
Forcht solltet leer werden. Man kann euch von Gotte nit sagen, dieweil sie uber euch
regieren. Dran, dran, weil ihr Tag habt! Gott gehet euch vor, folget, folget! Die
Geschichte stehen beschrieben Matt. 24, Ezech. 34, Danielis 7, Esdre 10, Apoca. 6,
welche Schrift alle Ro.13 erkleret.
Darum laßt euch nit abschrecken! Gott ist mit euch, wie geschrieben 2. Paralip. 20. K.
Dies sagt Gott: ‘Ihr sollt euch nit forchten! Ihr sollt diese große Menge nit scheuen, es
ist nit euer, sondern des Herrn Streit. Ihr seid nit, die da streiten, stellet euch furwahr
mennlich! Ihr werdet sehen die Hulfe des Herren uber euch.’ Da Josaphat diese
Worte hörete, da fiel er nieder: Also tuet auch und durch Gott, der euch sterke, ohne
Forcht der Menschen im rechten Glauben. Amen.
Geschichte
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Datum zu Muhlhausen im Jahre 1525.
Thomas Muntzer, ein Knecht Gottes wider die Gottlosen.”
Müntzer wurde im Verlauf des Kampfes um die Stadt Frankenhausen
gefangengenommen, zwölf Tage lang gefoltert und schließlich bei Mühlhausen
hingerichtet.
Wie sich Erzherzog
Ferdinand des Tiroler
Bauernführers Michael
Gaismair durch einen
gedungenen Mörder
entledigte
In Tirol trat Michael Gaismair (1491/92 - 1532) als Führer der aufständischen Bauern
hervor. Aus seiner Feder stammt das am urchristlichen Gleichheitsprinzip orientierte
Programm der Tiroler Bauern, die “Tiroler Landesordnung”. Nach dem Scheitern des
Aufstands zog sich Gaismair auf venezianisches Gebiet zurück, fiel dort aber 1532 dem
Anschlag eines Mörders zum Opfer, der in den Diensten Erzherzog Ferdinands stand.
Das Gemetzel begann erst eigentlich nach der Niederlage der Bauern. Ein
zeitgenössischer Chronist (Valerius Anshelm) schätzt, daß in Südwestdeutschland
130.000 Aufständische den Tod gefunden haben.
Nach Luther zu schließen hatten sie diesen Tod verdient. In “Wider die räuberischen
und mörderischen Rotten der Bauern” heißt es:
Mit welch starken Worten
Dr. Martin Luther zum
heiligen Krieg gegen die
Bauern aufrief
”Dreierlei greuliche Sünden wider Gott und Menschen laden diese Bauern auf sich,
daran sie den Tod verdienet haben an Leibe und Seele mannigfältiglich: Zum ersten,
daß sie ihrer Oberkeit Treu und Hulde [Gehorsam] geschworen haben, untertänig und
gehorsam zu sein, wie solchs Gott gebeut, da er spricht: Gebt dem Kaiser, was des
Kaisers ist. Und Röm. 13: Jedermann sei der Oberkeit untertan etc. Weil sie aber diesen
Gehorsam brechen mutwilliglich und mit Frevel und dazu sich wider ihre Herren
setzen, haben sie damit verwirkt Leib und Seel, als die treulose, meineidige,
lügenhaftigen, ungehorsamen Buben und Bösewicht pflegen zu tun, darum auch St.
Paulus Röm. 13 ein solch Urteil über sie fället: Welche der Gewalt widerstreben, die
werden ein Gericht über sich überkommen. Welcher Spruch auch die Bauern endlich
treffen wird, es geschehe kurz oder lange, denn Gott will Treu und Pflicht gehalten
haben.
Zum andern, daß sie Aufruhr anrichten, rauben und plündern mit Frevel Klöster und
Schlösser, die nicht ihr sind, damit sie als die öffentlichen Straßenräuber und Mörder
alleine wohl zwiefältig den Tod an Leib und Seele verschulden. Auch ein aufrührischer
Mensch, den man des bezeugen kann, schon in Gotts und kaiserlicher Acht ist, daß,
wer am ersten kann und mag, denselben erwürgen recht und wohl tut. Denn über
einen öffentlichen Aufrührigen ist ein iglicher Mensch beide, Oberrichter und
Scharfrichter, gleich, als wenn ein Feur angehet: Wer am ersten kann leschen, der ist
der Best. Den Aufruhr ist nicht nur ein schlechter [einfacher] Mord, sondern wie ein
groß Feur, das ein Land anzündet und verwüstet. Also bringt Aufruhr mit sich ein Land
voll Mords, Blutvergießen und macht Witwen und Waisen und verstöret alles wie das
allergroßest Unglück. Drum soll hie zuschmeißen [erschlagen], würgen und stechen,
heimlich oder öffentlich, wer da kann, und gedenken, daß nicht Giftigers,
Schädlichers, Teuflischers sein kann denn ein aufrührerischer Mensch, gleich als
wenn man einen tollen Hund totschlagen muß: Schlagst du nicht, so schlägt er dich
und ein ganz Land mit dir.
Zum dritten, daß sie solche schreckliche, greuliche Sünde mit dem Evangelio decken,
nennen sich christliche Brüder, nehmen Eid und Hulde und zwingen die Leute zu solchen
Greueln mit ihnen zu halten, damit sie die allergrößten Gotteslästerer und Schänder
seines heiligen Namens werden und ehren und dienen also dem Teufel unter dem Schein
des Evangelii. Daran sie wohl zehenmal den Tod verdienen an Leib und Seele, daß ich
häßlicher Sünde nie gehöret habe. [...]
Es hilft auch die Baurn nicht, daß sie furegeben, 1. Mos. 1 und 2, seien alle Ding frei
und gemeine geschaffen, und daß wir alle gleich getauft sind, denn im Neuen
Testament hält und gilt Moses nicht, sondern da steht unser Meister Christus und
wirft uns mit Leib und Gut unter den Kaiser und weltlich Recht, da er spricht: Gebt
dem Kaiser, was des Kaisers ist. So spricht auch Paulus Röm. 12 zu allen getauften
Christen: Idermann sei der Gewalt untertan. Und Petrus: Seid untertan aller
menschlicher Ordnung. Dieser Lehre Christi sind wir schuldig zu geleben, wie der Vater
vom Himmel gebeut und sagt: Dies ist mein lieber Sohn, den höret. Denn die Taufe
Geschichte
70
macht nicht Leib und Gut frei, sondern die Seelen. Auch macht das Evangelion nicht die
Güter gemein, ohn alleine, welche solchs williglich von ihn’ selbs tun wöllen, wie die
Aposteln und Jünder Apostelgesch. 4 täten, welche nicht die fremden Güter Pilatis und
Herodis gemin zu sein forderten, wie unser unsinnige Bauren toben, sonder ihr eigen
Güter. Aber unser Bauren wöllen der andern fremden Güter gemein haben und ihr eigen
für sich behalten. Das sind mir feine Christen! [...]
Darum ist hie nicht zu schlafen. Es gilt auch nicht hie Geduld oder Barmherzigkeit. Es
ist des Schwerts und Zorns Zeit hie und nicht der Gnaden Zeit.
So soll nu die Oberkeit hie getrost fortdringen und mit gutem Gewissen dreinschlagen,
weil [solange] sie eine Ader regen kann. Denn hie ist das Vorteil, daß die Bauren böse
Gewissen und unrechte Sachen haben, und welcher Baur darüber erschlagen wird, mit
Leib und seele verloren und ewig des teufels ist. [...]
Also kann’s denn geschehen, daß wer auf der Oberkeit Seiten erschlagen wird, ein
rechter Märtyrer für Gott sei, [...] denn er geht in göttlichem Wort und Gehorsam. [...]
Wie die Erhebung der
Bauern in der
Täuferbewegung noch ein
Nachspiel hatte
Wie sich gerade in den
Gebieten, in denen keine
Erhebung stattgefunden
hatte, die Lage der Bauern
verschlechterte
Steche, schlage, würge hie, wer da kann! Bleibst du drüber tot, wohl dir! Selichern
Tod kannst du nimmermehr überkommen, denn du stirbst in Gehorsam göttlich
Worts und Befehls [...]”
Mit der Niederlage der Bauern hatte “die radikalste Tatsache der Deutschen
Geschichte”, wie Karl Marx sich ausgedrückt hat, ihr Ende gefunden. Ein Nachspiel
gab es da allerdings noch in Form der Bewegung der Täufer. Es handelt sich dabei
um eine vielschichtige sozial-religiöse Oppositionsbewegung, deren Anfänge in
Kreise um den Schweizer Reformator Huldrych Zwingli zurückreichen. Gemeinsam
waren den verschiedenen Gruppierungen der Täufer die Ablehnung der Kindstaufe
und die Propagierung der Erwachsenentaufe sowie urchristlich-kommunistische
Ideale und chiliastische Erwartungen. Die Obrigkeiten, aber auch die Reformatoren
sahen in der Täuferbewegung die Fortsetzung der Müntzerschen Volksreformation. Seit
1528 wurden die Täufer durch ein kaiserliches Mandat mit der Todesstrafe bedroht.
Ihren Höhepunkt erreichte die Täuferbewegung 1534 in der Errichtung einer
Täuferherrschaft in Münster, die nach 16 Monaten in einer blutigen Niederlage
endete.
Wenn die siegreiche Feudalreaktion auch furchtbare Rache an den unterlegenen Bauern
nahm, so war deren Aufstand vielleicht doch nicht ganz vergeblich gewesen. Denn zu
einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Bauern kam es
gerade in den Aufstandsgebieten nicht, sehr wohl aber in den Gebieten östlich der
Elbe. Hier war es zu keinen wesentlichen Erhebungen gekommen, und hier erlebte unter
den Wirtschaftsbedingungen der frühen Neuzeit die Leibeigenschaft eine Renaissance
als sogenannte “zweite Leibeigenschaft”. Durch die Fortschritte der
westeuropäischen Wirtschaft öffneten sich für die ostelbischen Agrargebiete neue
Märkte. Die Junker, die kleinen Landadeligen, trachteten, auf Kosten der Bauern
ihre Eigenwirtschaften zu vergrößern und sich die zur Bearbeitung des Bodens
notwendigen Arbeitskräfte zu sichern. Dazu diente etwa die Einrichtung des
“Gesindezwanges”, demzufolge die Bauern ihre arbeitsfähig gewordenen Kinder zuerst
für einige Jahre dem Gutsherrn als Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Dazu kam die
Tendenz, Geldrenten in Naturalleistungen zurückzuverwandeln und die Frondienste zu
erhöhen. Die Junker monopolisierten den Getreidehandel und behinderten damit
die Entwicklung eines Handelsbürgertums und der Städte, die - nach einem Wort
Franz Mehrings (1846 - 1919; deutscher Historiker und sozialdemokratischer Politiker)
- noch bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts halb Domänen (landesherrlicher Besitz),
halb Garnisonen (Truppen-standorte) waren.
Geschichte
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WIE DIE POLITIK KARLS V. DEM AUGSBURGER RELIGIONSFRIEDEN
ENTGEGENSCHWANKTE
Wie der
Handlungsspielraum Karls
gegenüber der Reformation
durch - vor allem außenpolitische Vorgaben
(Frankreich, Papst, Türken)
eingeschränkt war
Die Haltung Kaiser Karls V. gegenüber der Reformation wurde im wesentlichen von
habsburgischen Hausmachtinteressen und wechselnden Vorgaben der Außenpolitik
bestimmt. “Die drei Bestimmungsstücke, aus denen er seine jeweilige Haltung
konstruierte, waren: Papst, Orient, Frankreich.” (Egon Fridell)
" 1521, als Karl V. seinen ersten Krieg gegen Franz von Frankreich führte,
brauchte den Papst als Verbündeten. Mit dem Wormser Edikt wurde denn auch
über Luther die Reichsacht verhängt, alle Neuerungen wurden untersagt.
" Ein Bündnis, das der Papst 1526 mit Frankreich gegen Karl einging, zwang
diesen, auf dem ersten Reichstag in Speyer, der Reformation Zugeständnisse zu
machen.
" Als 1529 in Cambrai ein allgemeiner Friede geschlossen wurde, und die Türken die
die Belagerung Wiens abbrechen mußten, trat Karl der neuen Konfession gegenüber
wieder forsch auf: Er erneuerte auf dem zweiten Reichstag von Speyer entgegen
dem Protest ihrer Anhänger, die seither “Protestanten” genannt werden, das
Wormser Edikt.
" 1530 vereinigten sich die protestantischen Fürsten zum “Schmalkaldischen
Bund”. Karl gestand ihnen 1532 im Nürnberger Religionsfrieden freie
Religionsausübung zu, denn im gleichen Jahr geriet er durch das Vorrücken der
Türken unter Druck.
" Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Türken fanden 1544 in einem
Waffenstillstand ein vorläufiges Ende, und der Kaiser ging den Protestanten
gegenüber wieder in die Offensive: Ein Krieg gegen den Schmalkaldischen Bund
endete mit dessen Niederlage und ein auf dem sogenannten “geharnischten”
Reichstag von Augsburg 1548 erlassenes provisorisches Religionsgesetz
(“Augsburger Interim”) machte den Protestanten nur wenige Zugeständnisse.
Wie der Kaiser schließlich " Einige Jahre später fiel Kurfürst Moritz von Sachsen vom Kaiser ab, und dieser
den Fürsten Religionsfreiheit
gewährte den Protestanten den Augsburger Religionsfrieden von 1555, der den
gewähren mußte
Landesherren und freien Städten das Recht zuerkannte, die Konfession ihrer
Untertanen zu bestimmen: “cuius regio, eius religion” - “wessen Territorium,
dessen Religion”).
Der Augsburger Religionsfrieden stellte freilich nur Lutheraner und Katholiken
einander gleich. Zwinglianer, Calvinisten und Täufer tolerierte er nicht. Außerdem
sah der sogenannte “geistliche Vorbehalt” vor, daß geistliche Fürsten im Falle eines
Übertritts zum Protestantismus ihrer Würde verlustiggehen sollten.
Karl V. war damit bei dem Versuch, die Alleinherrschaft der Papstkirche im “Heiligen
Römischen Reich” wiederherzustellen, endgültig gescheitert und dankte kurze Zeit
später ab.
Daß dieser Sieg der Fürsten
eine wesentliche
Voraussetzung für den
Ausbruch des
Dreißigjährigen Kriegs
darstellt
Die Territorialfürsten hatten gesiegt, und die territoriale Zersplitterung
Deutschlands war zementiert worden. In der Verfolgung ihrer Sonderinteressen
gingen die Fürsten im Kampf gegeneinander Bündnisse mit ausländischen
Mächten ein, die sich inzwischen zu zentralisierten Monarchien entwickelt hatten.
Die Konflikte, die zwischen ihnen bestanden, wurden so nach Deutschland
getragen und schließlich im Rahmen eines drei Jahrzehnte währenden Krieges
hauptsächlich in Deutschland ausgetragen.
Geschichte
72
OB DAS SEIN DAS BEWUSSTSEIN ERZEUGT ODER UMGEKEHRT, UND
WAS DER CALVINISMUS DAMIT ZU TUN HAT
Daß sich bürgerliches
Denken in Deutschland nicht
in so hohem Maße von der
Religion gelöst hatte wie in
der italienischen
Renaissance, ...
... weshalb in Deutschland
die Religion nicht ignoriert,
sondern nur reformiert
werden konnte
Der Handelskapitalismus gab im “Heiligen Römischen Reich” des 16. Jahrhunderts
wohl bereits kräftige Lebenszeichen von sich, erreichte punktuell italienisches Niveau,
blieb insgesamt jedoch in seiner Entwicklung weit hinter italienischen Verhältnissen
zurück. Als Folge der “Entdeckungen” verlagerte sich überdies das ökonomische
Schwergewicht Europas an die Antlantikküste, sodaß Deutschland in seiner Entwicklung
künftig hinter Frankreich und England zurückbleiben mußte.
Bürgerliches Denken hatte sich dementsprechend in Deutschland noch nicht in so
hohem Maß von der Theologie gelöst wie in Italien. Selbst die Kritik an der Kirche
bediente sich theologischer Argumente.
“Selbst Erasmus [von Rotterdam], der 1491 das Kloster verläßt und dessen Denken
deutlich in die Richtung der humanistischen Transzendierung des Religiösen weist,
theologisiert, da er mit den deutschen Verhältnissen in ständigem Kontakt steht, sein
Leben lang, diskutiert mit der Theologie, wenngleich er es selten unterläßt, sie auch zu
ironisieren. Auf deutschem Boden kann keine Geistesrichtung abseits von den
religiösen Fragen Stellung beziehen oder gar ähnlich wie in Italien sich an der
Religion uninteressiert zeigen.”
In Deutschland konnte im 16. Jahrhundert die Religion nicht im Stil des italienischen
Humanismus ignoriert, sie konnte nur reformiert werden.
Wie der Aufstieg des
Manufakturbürgertums sich
in neuer - bürgerlich
geprägter - Religiosität
äußerte
Oder ob - umgekehrt - diese
neue bürgerliche Religiosität
den Manufakturkapitalismus
erst hervorbrachte
Während bürgerliches Denken im Rahmen der italienischen Renaissance großen
Abstand zur Religion gewonnen hatte, äußerte sich gerade der Aufstieg einer neuen
Fraktion der städtischen Gesellschaft - des Manufakturbürgertums - in neuer, bürgerlich
geprägter, christlicher Religiosität, im Calvinismus.
Es ist das Verdienst Max Webers (1864-1920), der als einer der Begründer der
modernen Soziologie gilt, in seiner Arbeit “Die protestantische Ethik und der Geist des
Kapitalismus” (1904), den engen Zusammenhang zwischen dem Calvinismus und dem
Manufakturkapitalismus aufgezeigt zu haben. Bis zum heutigen Tag aber löst die Frage,
ob hier nun eine religiöse Richtung eine Wirtschaftsordnung hervorgebracht habe, oder
umgekehrt, heftige Kontroversen aus, weil sich hier gleichzeitig eine weltanschauliche
Grundfrage stellt: Bewegen Ideen die Welt, bestimmt das Bewußtsein das Sein
(idealistische Geschichtsauffassung), oder bestimmt das Sein das Bewußtsein
(materialistische Geschichtsauffassung)? Folgt man Max Weber oder Karl Marx?
Weber erklärt das Entstehen des Kapitalismus aus der protestantischen, das heißt aus
der calvinistischen Ethik und bleibt damit im Rahmen der idealistischen
Geschichtsauffassung.
Das Wesen der materialistischen Geschichtsauffassung umreißt Karl Marx mit
folgenden Worten:
Ob also das Sein das “In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte,
Bewußtsein schaffe oder notwendige,
von
ihrem
Willen
unabhängige
Verhältnisse
ein,
umgekehrt Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen
Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die
ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer
und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche
Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens
bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. E s i s t
nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein,
sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein,
das ihr Bewußtsein bestimmt.”
So gesehen ist die Art und Weise, wie der Mensch produziert, die Vorgabe, auf
Geschichte
73
Grund derer sich bestimmte Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse, Weltbilder
und Ideologien entwickeln. Neue Produktionsweisen (und das ihnen entsprechende
Weltbild) geraten mit alten Herrschaftsverhältnissen (und dem ihnen
entsprechenden Weltbild) in einen Widerspruch, der zu einer Krise der
Gesellschaft und letztlich in eine Epoche des Umsturzes, der Revolution, führt. Aus
dieser Revolution geht - vielleicht - eine Gesellschaft hervor, in der sich
Produktionsverhältnisse und Herrschaftsverhältnisse wieder im Einklang
befinden. Ist eine neue Produktionsweise noch nicht weit genug entwickelt, dann wird
halt aus so einer Revolution nichts, etwa in Deutschland in der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts. Unter günstigeren Voraussetzungen konnte eine frühe bürgerliche
Revolution durchaus erfolgreich sein, so der Freiheitskampf der Niederlande.
Daß der RenaissanceKaufherr den Lebensstil des
Adels kopiert und mit der
Reinvestition des Gewinns
nicht viel im Sinn gehabt
hatte
Die Betreiber von Manufakturen kamen zum größeren Teil aus den Reihen der
Zunfthandwerker, zum kleineren Teil aus dem Handelsbürgertum. Die von ihnen
getragene neue Produktionsweise war verbunden mit der Entwicklung eines neuen
Bewußtseins, das sich deutlich von dem des Renaissance-Kaufherren unterschied.
Dieser trennte seinen persönlichen Verbrauch noch nicht scharf von der
Geschäftsgebarung. Den Gewinn reinvestierte er nur zum geringeren Teil, den
größeren verbrauchte er ganz im Stil des Adels, der von ihm mit Luxusgütern
versorgt wurde. Diesseitsgewandtheit und Sinnenfreudigkeit charakterisierten das
Bewußtsein des Kaufherren.
Die Geisteshaltung der Manufakturbürger hingegen knüpfte an asketischsektiererische Traditionen an und fand schließlich ihren prägnantesten Ausdruck in
der Lehre Johannes Calvins (eigtl. Jean Cauvin, 1509-1564), deren Kernstück die
Prädestinationslehre ist:
Wie das -völlig anders
geartete - Bewußtsein des
Manufakturbürgers seinen
prägnantesten Ausdruck in
der Lehre Calvins fand, und
Calvin lehrte, daß Gott schon vor dem Sündenfall einem Teil der Menschheit seine
wie diese bürgerliches
Profitstreben vom Odium der Gnade geschenkt und die anderen verworfen habe. Wirtschaftlicher Erfolg galt
Sündhaftigkeit befreite nun als sichtbarer Ausdruck der Gnade. Bürgerliches Profitstreben befreite sich
damit nicht nur von dem Odium der Sündhaftigkeit, das ihm nach katholischer
und selbst noch lutherischer Lehre anhaftete, sondern gab sich darüber hinaus
eine religiöse Weihe. Gleichzeitig rechtfertigte damit eine wirtschaftlich
erfolgreiche Minderheit ihre Herrschaft innerhalb der Stadtmauern.
Daß man hinter der ernsten Ein hervorstechendes Merkmal des Calvinismus ist ferner ein ausgeprägt asketischer
Lebensführung des Zug, der jedoch mit der willig oder sogar freiwillig ertragenen Armut frommer Sektierer
Calvinisten die bürgerliche nichts mehr gemein hatte. Hinter der calvinistischen Askese steckt das Prinzip der
Sparsamkeit vermuten darf Kapitalakkumulation: Man bringt den Gewinn nicht durch, sondern man reinvestiert ihn.
Hinter dem gottgefälligen, ernsten, dem Luxus und oberflächlichen Vergnügungen
abholden Leben des rechten Calvinisten steckt die bürgerliche Sparsamkeit. Eine
scharfe Abgrenzung der calvinistischen Askese von der Armut frommer Sektierer,
unterblieb jedoch. Mittelstand und Unterschicht, die die Prädestinationslehre im Grunde
ja nicht akzeptieren konnten, ließen sich so eine Zeit lang innerhalb der calvinistischen
Bewegung halten, in der sie deren demokratischen Flügel bildeten, der uns etwa in der
englischen Revolution in der Gestalt der Bewegung der Leveller begegnen wird.
Geschichte
74
WIE KURZ IN SPANIEN ZUR ZEIT KARLS V. DER WEG VON DER
THEOLOGIE ZUM RASSISMUS WAR, UND WAS DAS MIT DER
ENTWICKLUNG DER SPANISCHEN WIRTSCHAFT ZU TUN HAT
Daß in Spanien ein Gutteil In Spanien hatten die Juden bedeutenden Anteil an der Entwicklung bürgerlichder Handwerker jüdisch war städtischer Kultur. Anders als in Deutschland, wo die handwerkliche Produktion
in den Händen christlicher Zünfte lag, die Andersgläubigen die Aufnahme
verweigerten, war in Spanien ein Gutteil der Handwerker jüdisch. Aber die
Repressionen, denen sich die spanischen Juden seit dem 14. Jahrhundert
ausgesetzt sahen waren auch hier eng mit dem Wunsch des Mittelständlers
verknüpft, sich jüdische Konkurrenz vom Hals zu schaffen:
Daß es seit dem 14. Jh. zu Das Konzil von Palencia ghettoisierte die Juden. Erzdiakon Ferrando Martínez von
Zwangstaufen kam Écija hetzte seit 1378 in seinen Predigten unermüdlich gegen die Juden und rief die
Bevölkerung zu ihrer Vertreibung und zur Zerstörung der Synagogen auf.
1391 stellte die fanatisierte Masse der Bevölkerung Sevillas die Juden vor die Wahl
Tod oder Taufe. Die meisten nahmen das Kreuz, die anderen bezahlten ihre
Unbeugsamkeit mit dem Leben. In kurzer Zeit griff der Aufruhr um sich.
Ein weiterer wortgewaltiger Prediger, der heilige Vinzenz von Ferrer, setzte das Statut
von Valladolid durch (1412): Juden durften den Christen keine Nahrungsmittel
verkaufen, den Titel don nicht führen, sich die Haare nicht kurz schneiden, sich den Bart
nicht rasieren und nur grobe Kleidung tragen, die ein deutliches Unterscheidungszeichen
aufweisen mußte.
Daß die nicht bekehrten Die Bekehrten wurden conversos, nuevos cristianos oder (später) marranos Juden 1492 aus Spanien “Schweine” - genannt. Diejenigen Juden, die dem Glauben ihrer Väter treu
vertrieben wurden geblieben waren, etwa die Hälfte der spanischen Judenheit, wurden 1492 von den
reyes católicos Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien, die das Land durch
ihre Heirat 1474 vereinigt hatten, aus Spanien vertrieben.
Die spanische Gesellschaft änderte sich durch die Zwangstaufen. Die Juden, denen das
Kreuz aufgenötigt worden war, begnügten sich nicht mit dem stillen Glück, des rechten
Glaubens dank der tätigen Hilfe der Altchristen doch noch teilhaftig geworden zu sein.
Sie drängten aus den juderias in die christliche Gesellschaft. Die Taufe stand am
Beginn so mancher erstaunlichen Karriere. Viele wurden Männer der Kirche. Das
konnte aus altchristlicher Sicht unmöglich der Sinn der Zwangstaufen gewesen
sein. Dazu kam der - nicht unbegründete - Verdacht, daß die Wirkung des Weihwassers
zur wahrhaftigen Bekehrung der Juden nicht ausgereicht hätte. Da es am Weihwasser
nicht liegen konnte, mußte es an den Juden liegen. Da das theologische Argument auf
die conversos nicht mehr anwendbar war, nahm der Judenhaß offen rassistische
Form an.
Wie die Inquisition die Im Spanien der reyes católicos erhielt die Heilige Inquisition mit der Bespitzelung
Neuchristen bespitzelte und der des insgeheimen Festhaltens am Judentum verdächtigen conversos durch eine
so manchen von ihnen ums entsprechende päpstliche Bulle ein neues Aufgabengebiet. 1483 wurde der
Leben brachte Dominikaner und leidenschaftliche Judenhasser Thomas de Torquemada zum
Großinquisitor für Aragon und Kastilien ernannt.
Die Enteignung der Verurteilten war wohl ein wesentlicheres Anliegen der
Inquisitionsgerichtsbarkeit als ihre Tötung. Deshalb zerrte man noch die Toten aus
den Gräbern vor die Richter, fällte den Schuldspruch, verbrannte die Gebeine und
enteignete die Nachkommen. Der Papst (Sixtus IV.) stellte schon 1482 fest, daß die
Praxis der Inquisition mehr von materiellen Interessen als von seelsorgerischem Eifer
bestimmt würde und intervenierte bei den Katholischen Königen. Längst aber war die
spanische Inquisition seiner Kontrolle entglitten.
Die Gesamtzahl der Hinrichtungen bis zur Abschaffung der Inquisition im Jahre
1834 wird von Juan Antonio Llorente mit 341.021 beziffert.
Llorente war während der Napoleonischen Kriege Sekretär der Inquisition. 1808
wechselte er auf die Seite der Franzosen über, die ihm die Verwaltung der Archive der
Geschichte
Wie sich Zünfte und Orden
den “Neuchristen”
verschlossen
Wie der Erzbischof von
Toledo einen theologisch
begründeten
“Arierparagraphen”
durchsetzte
Wie die Ausplünderung der
spanischen Kolonien eine
künstliche Konjunktur
erzeugte, die den Verlust
bürgerlicher Freiheiten
vergessen ließ
Wie bürgerliche
Erwerbstätigkeit dem
adeligen Lebensideal
widersprach und einen dem
Verdacht aussetzte,
“Neuchrist” zu sein
75
Inquisition übertrugen. Ihm verdanken wir eine kritische Darstellung der Geschichte der
spanischen Inquisition.
Nach der Auffassung des Historikers Ernst Schäfer wurden insgesamt “nur” etwa
100.000 Menschen verbrannt. “Der größte Teil - was auch immer ihr Verbrechen
gewesen sein mag - waren die Nachkommen von schlecht oder gut getauften Juden”
(wie Leon Poliakov formulierte, auf dessen Geschichte des Antisemitismus ich mich hier
stütze).
Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts beschlossen viele spanische Zünfte, keine
“Neuchristen” - konvertierte Juden - in ihrer Mitte dulden zu wollen. Ritter- und
Mönchsorden folgten. Nur die Jesuiten (Gründung durch Ignatius von Loyola 1540)
nahmen eine Sonderstellung ein. 1536 erhielten Reglements, die die conversos
diskriminierten, durch das Eingreifen Karls V. in eine lokale Auseinandersetzung
zwischen Altchristen und conversos gleichsam Gesetzesrang.
Der Weltklerus hatte sich zunächst keineswegs durchgehend gegen die conversos
gesperrt. In manchen Diözesen konnten sie auch höchste Kirchenämter bekleiden.
Die unermüdliche Agitation des Erzbischofs von Toledo, Juan Martínez Siliceo, der
die von ihm erarbeiteten Prinzipien der “limpieza de sangre” - der “Reinheit des
Blutes” durchzusetzen trachtete, hatte schließlich Erfolg. Die “Abscheulichkeit”
jüdischen Blutes war zu einem Gesetzesartikel geworden. Martínez ging von der
prinzipiellen Verderbtheit der Juden aus, die er aus der Bibel nachzuweisen trachtete. So
zum Beispiel sei Jesus deshalb ausgerechnet zu den Juden gekommen, weil er diese ihre
Verderbtheit erkannt habe und Heilung gerade dorthin habe bringen wollen, wo sie am
dringendsten nötig gewesen sei.
Man begreift den Kult um die “limpieza de Sangre” leichter, wenn man ihn vor dem
Hintergrund der vollständigen Niederlage der bürgerlichen Opposition Spaniens
betrachtet, die sich, nachdem ihr die Söldner Karls V. das Rückgrat gebrochen
hatten, die Ideologie und den Lebensstil des Adels zu eigen machte, was wohl durch
kein Detail besser veranschaulicht wird, als durch das im Jahre 1523 an Karl gerichtete
Ansuchen der cortes (Stände), allen Spaniern das Tragen des Degens zu erlauben.
Die Ausplünderung der amerikanischen Kolonien erzeugte eine künstliche
Konjunktur, auch ohne bürgerliche Initiative und städtische Selbstverwaltung. Die
Phrase von der Mission der spanischen Nation ersetzte die verlorengegangene Freiheit.
Das adelige Lebensideal ging mit der Verachtung der Arbeit einher und lähmte die
persönliche Initiative. Die Tatsache, daß Handwerk und Handel Domänen der
“Neuchristen” darstellten, verstärkte diese Tendenz einer Abkehr von bürgerlicher
Erwerbstätigkeit.
Inzwischen kam die Produktivität der 1492 vertriebenen spanischen
(“sefardischen”) Juden dem Osmanischen Reich zugute, wo der größere Teil von
ihnen Aufnahme gefunden hatte. Sultan Bajazet soll deshalb ausgerufen haben:
“Ihr nennt Ferdinand einen weisen König, der doch sein Land arm und unseres dagegen
reich gemacht hat!”
Und der russische Gesandte beim Heiligen Stuhl sagte 1526 über die Juden:
“... es sind gemeine und bösartige Menschen. Haben sie nicht erst in jüngster Zeit den
Türken beigebracht, Kanonen aus Bronze zu gießen?”
Der Standes- und Rassendünkel, den die adelige Lebensart mit sich brachte, war
womöglich bei ihren Nachahmern niederer Herkunft deutlicher ausgeprägt als bei den
Abkömmlingen der alten Adelsgeschlechter selbst. So stammte Juan Martínez Siliceo,
der Theoretiker der “limpieza”, selbst aus bäuerlichem Milieu. Die Prinzipien der
“limpieza” zu ignorieren konnte sich nur ein Mann vom Format des Ignatius von
Loyola (des Begründers des Jesuitenordens) leisten, der einen converso, Diego de
Lainez, zu seinem Nachfolger machte, der öffentlich bekannte, daß er es als eine große
Gunst betrachtet hätte, wenn er vom Blute Jesu Christi gewesen wäre. Der
Jesuitenorden übernahm das Statut der “limpieza de sangre” erst drei Jahrzehnte
nach dem Tod seines Stifters im Jahre 1592, wandte es dann aber umso
konsequenter an.
Geschichte
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WAS SICH DIE BÜRGER VON DER HERRSCHAFT DES FÜRSTEN
ERHOFFTEN
Wie ohne den “Solidus” am
Ende des Mittelalters nichts
mehr ging - schon gar nicht
das Regieren
Ohne den Solidus, den Gulden, ging nichts mehr, vor allem das Regieren nicht,
denn die Söldner und Beamten der Fürsten wollten besoldet werden. Allerdings
war - wie wir gesehen haben - die Finanzgebarung der Fürsten unsolide. Solidität Ehrbarkeit - ist ja auch kein typisch aristokratisches Standesmerkmal, sondern kommt
vielmehr dem Erfinder des Solidus zu, dem Bürger. Ehrbarkeit, könnte man sagen, ist
die bürgerliche Ehre, die an das Bare gebunden ist.
Es gab zu wenig von dieser allgemeinen Ware, die man gegen alle anderen
eintauschen kann - Geld. Edelmetalle waren während des ganzen Mittelalters auf
Grund der Einseitigkeit der Handelsbeziehungen mit dem Orient dorthin
abgeflossen.
Der Fürst hoffte, daß seine Alchimisten doch noch den Stein der Weisen finden würden.
Die Bergleute an den bekannten Erzförderstätten wagten sich in größere Tiefen und
versuchten, sich durch wasserkraftgetriebene Pumpen das Wasser in den Gruben vom
Leib zu halten. Neue Erzlagerstätten wurden entdeckt. Kühne und skrupellose
Abenteurer suchten nach sagenhaften Goldländern.
Wie Fürst und Bürgertum Der Fürst war bei der Ausübung seiner Herrschaft vom Gedeihen der bürgerlichen
voneinander abhängig Wirtschaft abhängig, und gleichzeitig richteten sich die Hoffnungen des
waren Bürgertums auf ihn: “Die alten staatlichen Verhältnisse mit ihrer Selbständigkeit der
Landesteile und der diese beherrschenden Willkür des Adels werden als mit den neuen
gesellschaftlichen Verhältnissen unverträglich empfunden. Mächtig erhebt sich das
Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit des Verkehrs, nach zusammenfassender
Gestaltung und Ordnung, nach Durchsetzung einheitlicher, der Kalkulation
zugänglicher organisatorischer Prinzipien, kurz, das Bedürfnis nach einer
staatsleitenden Gewalt, die die neuen Ansprüche begreift und die nicht feudal beschränkt
ist.”
Daß sich unter der Unter der Bezeichnung “Absolutismus” verbirgt sich der historische Kompromiß
Bezeichnung “Absolutismus” zwischen dem Bürgertum und dem Fürsten, der eine formal unumschränkte ein historischer Kompromiß absolute - Herrschaft ausübte.
zwischen dem Fürsten und
Der Adel ließ sich seine politische Entrechtung gefallen, solange der Fürst bei seinem
dem Bürgertum verbirgt
Bemühen, dem Bürgertum entgegenzukommen, nicht das Wesentliche am Feudalismus
in Frage stellte: die Ausbeutung der Bauern durch den Adel. Die Städtebürger
erwarteten vom Fürsten die Schaffung akzeptabler Rahmenbedingungen für ihr
Wirtschaften, vor allem die Beendigung der ewigen Feudalfehden, die den
Handelsverkehr behinderten, und die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes.
Daß man die Merkantilismus nennt man die Wirtschaftspolitik des Absolutismus, die seit dem
Wirtschaftspolitik des 16. Jahrhundert auf eine positive Handelsbilanz und die Mehrung des
Absolutismus Staatsschatzes abzielte, was durch Schutzzölle, Ausfuhrverbot für Rohstoffe und
“Merkantilismus” nennt, und Edelmetalle, Ausreiseverbot für Fachkräfte, Abwerben von Fachkräften, Ermutigung des
was dessen Ziele sind Erfindergeistes durch Patente für die exklusive Nutzung guter Ideen, durch die
Förderung der Manufakturproduktion und Zurückdrängung der erstarrten Zünfte,
erreicht werden sollte. Niedrige Lohnkosten sollten durch künstlich niedrig gehaltene
Lebensmittelpreise erzielt werden - Konkurrenzfähigkeit auf Kosten der Bauern, die
damit nicht gerade zur Steigerung der Produktion ermuntert wurden.
Daß in jener Zeit die Es ist kein Widerspruch, wenn von Gesellschaftskritikern und -theoretikern der
Verherrlichung des Fürsten Renaissancezeit republikanische oder gar demokratische Gedanken vertreten und
und republikanische oder gleichzeitig die Herrschaft des Fürsten verherrlicht werden konnten. Das gilt für
demokratische Ideen den Vaganten François Villon (1431-1463), der als die erste große Dichterpersönlichkeit
einander nicht unbedingt Frankreichs angesehen wird, diesen “dichtenden Interpreten des Volkswillens und
ausschlossen Freund der Armen, diesen revolutionären Haudegen und Feind des Adels, der
nichtsdestoweniger vertrauens- und erwartungsvoll zum Königtum emporsah”16, und das
gilt auch für die Schriften des florentinischen Staatsdieners Nicolò Machiavelli (1469 -
Geschichte
77
1527). “Il Principe” (“Der Fürst”) ist vielfach als bloßer Leitfaden skrupelloser
Machtausübung durch den Fürsten mißverstanden worden - nicht zuletzt von einem
solchen Fürsten selbst, der dann im zarten Alter von 17 Jahren eine leidenschaftliche
Entgegnung schreiben sollte: den “Antimachiavell”. Dieser “aufgeklärte” Fürst war
Friedrich II. von Preußen (1740-1786).
Geschichte
78
WIE 20 MILLIONEN INDIANER IHRE ENTDECKUNG MIT DEM LEBEN
BEZAHLTEN, SCHWARZE SKLAVEN SIE ERSETZTEN UND DAS GANZE
DIE EUROPÄISCHE WIRTSCHAFT ANKURBELTE
Daß die Suche nach Gold,
wovon im Mittelalter eine
Menge in den Orient
abgeflossen war, einen
wesentlichen Antrieb für die
“Entdeckungen” darstellt
Der Mangel an Zirkulationsmittel, an dem Schmierstoff, der die Wirtschaft in
Bewegung hält, an Gold, an Geld, der zu Beginn der Neuzeit in Europa herrschte, stellte
einen wesentlichen Antrieb für die “Entdeckungen” dar. Nicht nur die Blockierung
der traditionellen Handelswege durch Turkvölker, die in den Nahen Osten vorgedrungen
waren. Aufgrund der Einseitigkeit der Handelsbeziehungen des mittelalterlichen Europa
mit dem Orient war sehr viel Edelmetall dorthin abgeflossen.
Um 1500 hatten also die Europäer ihren Horizont wesentlich erweitert:
Was die wichtigsten der Den Weg nach Indien hatten portugiesische Reisende erschlossen:
Fahrten sind, die wir unter
dem Schlagwort " 1487 war Pêro da Covilhã zu einer Reise aufgebrochen, die ihn über Ägypten nach
Indien geführt hatte.
“Entdeckungen”
zusammenfassen " Bartolomeu Diaz hatte 1487/88 das Kap der Guten Hoffnung umsegelt und
"
Vasco da Gama 1497/98 auf einer Reise begleitet, die nun tatsächlich bis Indien
geführt hatte.
"
Gleichfalls auf der Suche nach einem Weg nach Indien und im festen Vertrauen auf
die Kugelgestalt der Erde hatte bekanntlich der in den Diensten der spanischen reyes
catòlicos (Ferdinand und Isabella) segelnde Genuese Cristoforo Colombo
(Kolumbus) Amerika entdeckt. Insgesamt hatten ihn zwischen 1492 und 1504 vier
Entdeckungsfahrten in die Neue Welt geführt:
(Erste Fahrt [1492/93]: Bahamas, Kuba, Haiti
Zweite Fahrt [1493 - 96]: Kleine Antillen, Puerto Rico Jamaica
Dritte Fahrt [1498 - 1500]: Küste Südamerikas, Trinidad
Vierte Fahrt [1502 - 1504]: Küste Mittelamerikas)
" Der in Florenz geborene Seefahrer Amerigo Vespucci, den zwischen 1497 und 1504
vier Reisen nach Mittel- und Südamerika geführt hatten, hatte erkannt, daß
Kolumbus einen neuen Kontinent entdeckt hatte. Der deutsche Kartograph
Martin Waldseemüller (1470[?] - 1518[?]) hatte diesen Kontinent deshalb erstmals
als “Amerika” bezeichnet.
" Der portugiesische Seefahrer Pedro Álvares Cabral hatte 1500 die Ostküste
Brasiliens entdeckt und - in Übereinstimmung mit dem Vertrag von Tordesillas
von 1494 - für die portugiesische Krone in Besitz genommen. In dem genannten
Vertrag hatten sich Spanien und Portugal auf der Basis eines Schiedsspruches
Papst Alexanders VI. die zu entdeckende und zu erobernde Welt aufgeteilt. Die
Trennungslinie ihrer Imperien sollte der 46. Längengrad bilden.
" Giovanni Caboto (John Cabot), ein in englischen Diensten stehender italienischer
Seefahrer, hatte 1497 die Ostküste Nordamerikas entdeckt.
Daß der “Entdeckung” die
Eroberung - “Conquista”
folgte, die zwanzig Millionen
Menschen das Leben
kostete
" Der Portugiese Fernão de Magalhães (span.: Fernando de Magellanes) war 1519 mit
fünf Schiffen zu einer Weltumseglung aufgebrochen, die den ersten praktischen
Nachweis der Kugelgestalt der Erde darstellt. Magalhães selbst allerdings war auf
den Philippinen im Kampf mit Einheimischen umgekommen.
An die “Reconquista” (die Rückeroberung Spaniens aus der Hand der Araber) reihte
sich nahtlos die “Conquista”, die Eroberung der neuen Welt, deren Bewohner man
“Moros” - “Mauren” nannte. Die herausragenden Gestalten unter den Conquistadores,
die zu Beginn des 16. Jhs., die indianischen Hochkulturen Mesoamerikas zerstörten,
waren Hernan Cortés (Mexico 1519 - 21) und Francisco Pizarro (Peru 1531 - 33).
Unter den Quellentexten, die die unglaubliche Brutalität, mit der die Eroberer
vorgingen, wiedergeben, haben die Schriften des Dominikaners Bartolomé de las Casas
und insbesondere der “Kurzgefaßte Bericht von der Verwüstung der Westindischen
Geschichte
79
Länder” besondere Bedeutung:
“Noch in unseren Tagen ist eine Generation von Spezialisten in Spanien, Mexiko, in
Südamerika und in den Vereinigten Staaten mit den vergilbten Drucken, Briefen und
Manuskripten beschäftigt. [...] Was zur Verhandlung steht, das ist ein
Völkermord,
begangen
an
zwanzig
Millionen
Menschen.”
So schreibt Hans Magnus Enzensberger in einem Nachwort zu Las Casas´ Kurzgefaßtem
Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder (erschienen als InselTaschenbuch 553), auf das ich mich im Folgenden stütze.
Daß der Dominikaner Las
Casas, der von den
Verbrechen der
Konquistadoren berichtet,
bezeichnenderweise auch
heute noch manchem
Historiker ein dorn im Auge
ist
Die Ungeheuerlichkeit der Verbrechen, derer Las Casas die Konquistadoren
anklagt, hat noch im 20. Jahrhundert bei - vor allem spanischen - Historikern das
Bedürfnis erzeugt, ihn zu widerlegen. Einer nennt den Mann aus dem 16.
Jahrhundert gar einen “Prediger des Marxismus”. Selbst das dtv-Wörterbuch zur
Geschichte (eine Ausgabe von 1972 ist es, die vor mir liegt) zeigt sich eher besorgt, daß
das Urteil über den Völkermord in der Neuen Welt zu hart ausfällt, als daß die Taten der
Konquistadoren verschwiegen oder beschönigt werden: “Die Grausamkeiten der
Conquista sollen nicht beschönigt werden, sie müssen jedoch, um gerecht beurteilt
werden zu können, im Zusammenhang mit der gesamten Zeit, frei von falscher Romantik
und von Vorurteilen gesehen werden.”
Der Bericht des Las Casas “handelt vom Kolonialismus in seiner frühesten Form,
das heißt, vom blanken Raub, der unverhüllten Plünderung. Das verwickelte
Ausbeutungssystem der internationalen Rohstoffmärkte war zu seiner Zeit noch nicht
bekannt. Handelsbeziehungen spielten bei der spanischen Conquista keine Rolle, und
nicht die Ausbreitung einer überlegenen materiellen Zivilisation, keine wie auch immer
geartete ‘Entwicklungspolitik’ diente ihr als Rechtfertigung, sondern ein
hauchdünnes formales Christentum, das die Heiden bekehren wollte, soweit sie die
Ankunft der Christenheit überlebten. In diesem Urzustand verzichtete der
Kolonialismus auf die Fiktion der Partnerschaft, des Tauschhandels. Er bot nichts feil,
er nahm, was er fand: Sklaven, Gold und Genußmittel.”
Wie die Konquistadoren die
ihnen als Seelsorgern
“anempfohlenen” Indianer
ausbeuteten und ums Leben
brachten
Der wahre Glaube wurde den Indianern durch die “Encomienda” - “Anempfehlung”
vermittelt. Das heißt, den einzelnen Spaniern als Seelsorgern wurde jeweils eine
Anzahl von Indianern “anempfohlen”, die dann als völlig rechtlose Sklaven für
ihre neuen Herren, ihre “Encomenderos” zu schuften hatten.
Plantagenwirtschaft und Bergbau standen in der Ökonomie der Neuen Welt im
Vordergrund. Daran hat sich in vielen lateinamerikanischen Ländern bis heute nichts
geändert, nur daß die Konquistadoren an Bodenschätzen lediglich edle Metalle
interessierten, denn der Transport war riskant und teuer. Es mußten konzentrierte Werte
sein, die nach Europa verschifft wurden. Auch in Perlen konzentriert sich hoher Wert
auf engem Raum, deshalb bildete die Perlenfischerei einen ergänzenden Zweig der
kolonialen Raubwirtschaft. Las Casas beschreibt seine diesbezüglichen Eindrücke:
“Man senkt die Perlfischer nämlich drei, vier, auch wohl fünf Klafter tief ins Meer, und
zwar von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Da müssen sie die ganze Zeit über unter
dem Wasser herumschwimmen und die Muscheln losreißen, worin Perlen wachsen ...
Fast alle können diese abscheuliche Lebensart nur kurze Zeit ertragen; denn es ist
schlechterdings unmöglich, daß Menschen, die ohne Atem zu schöpfen unter Wasser
arbeiten müssen, lange leben können. Ihr Körper wird unaufhörlich von Kälte
durchdrungen; ihre Brust wird vom häufigen Zurückhalten des Atems zusammengepreßt;
mithin bekommen sie Blutspeien und Durchfall, und sterben daran. Ihr Haar, das von
Natur schwarz ist, bekommt eine ganz andere Farbe und wird brandrot wie das Fell der
Meerwölfe. Auf ihrem Rücken schlägt Salpeter aus. Kurz, sie sehen wie Ungeheuer in
Menschengestalt aus.”
Daß die Konquistadoren ihre Wenn man Menschen wie Tiere behandelt, so erbringt diese Behandlung zugleich
Verbrechen nicht unter den Beweis, daß man es nicht mit Menschen zu tun hat und rechtfertigt so ihre
“Befehlsnotstand” verübten unmenschliche Behandlung:
“Sie achteten und schonten sie weit weniger - und ich sage die Wahrheit, denn ich habe
es die ganze Zeit über mitangesehen - nicht etwa bloß als ihr Vieh - wollte Gott, sie
hätten sie nicht grausamer als ihr Vieh behandelt! - sondern sie achteten sie nicht höher,
Geschichte
80
ja noch weit geringer, als den Kot auf den Straßen.”
Es bedurfte und bedarf keines besonderen Zwanges, um aus Ehren- oder
Biedermännern, aus Konquistadoren oder “anständigen” SS-Männern
Massenmörder zu machen. Es bedarf keines “du mußt!”. Es genügt ein “Du
darfst!”:
“Einst, als wir uns wohl noch zehn Meilwegs von einem großen Flecken befanden,
kamen uns die Indianer zum Empfang entgegen, und brachten uns Lebensmittel und
andere Geschenke. Ihre Abgeordneten hatten eine große Menge Fische, Brot und andere
Speisen bei sich, und gaben uns von allem, so viel sie nur konnten. Aber plötzlich fuhr
der Teufel in die Christen, so, daß sie in meinem Beisein, ohne die mindeste
Veranlassung oder Ursache, mehr als dreitausend Menschen, Weiber und Kinder
darnieder hieben, die rings um uns her auf der Erde saßen. Hier nahm ich so
unbeschreibliche Grausamkeiten wahr, daß andere Sterbliche dergleichen wohl
schwerlich gesehen haben, oder sie für möglich halten möchten.”
Wie die Konquistadoren bei “Du darfst!”, weil du einem “höheren” Ziel dienst (Verbreitung des Christentum, der
ihren Verbrechen auch noch “Zivilisation” et cetera). “Du darfst!”, weil du “im Recht” bist. Der SS-Mann füllt
“im Recht” sein wollten mitunter umständlich einen Vordruck aus, in dem er einen KZ-Häftling wegen eines
“Vergehens” zur Meldung bringt, der Konquistador verliest den Indianern ihre
“Rechte”, bevor er sie umbringt:
“Sie schickten nämlich den Indianern Befehle zu, sie sollten sich zum christlichen
Glauben bekehren und den Königen von Castilien unterwerfen, sonst werde man sie mit
Feuer und Schwert heimsuchen, erwürgen, zu Sklaven machen, usw. ... Sobald jener
unselige verruchte Gouverneur [Pedro Arias d´Avila, Gouverneur von “Darien”, dem
Grenzgebiet der heutigen Republiken Panamá und Colombia; er dürfte für den Tod von
zwei Millionen Indianern verantwortlich sein] die Verfügung getroffen hatte daß
dergleichen Befehle ausgefertigt wurden, so suchte er denselben, da sie an und für sich
abgeschmackt, unvernünftig und ungerecht waren, wenigstens einigen Schein Rechtens
zu verschaffen. Er befahl demnach, oder die Mörder, welche er aussandte, trafen von
selbst die Verfügung, daß die Ortschaften, worin man Gold gewahr geworden war, und
welche sie berauben und plündern wollten, nicht eher überfallen werden dürfen, bis sich
die Indianer in ihren Wohnungen ganz sicher glaubten. Dann näherten sich die
spanischen Räuber einem solchen Orte bei Nachtzeit bis auf etwa eine halbe Meile,
verkündigten oder verlasen jene Befehle unter sich selbst, und riefen sodann: Ihr
Indianer dieses Ortes, wir tun euch hiermit zu wissen, daß es nur Einen Gott, Einen
Papst und Einen König von Castilien gibt, welcher der Herr von diesem Lande ist!
Kommt augenblicklich herbei, unterwerft euch ihm usw. Wo nicht, so wisset, daß wir
euch bekriegen, totschlagen, gefangen nehmen werden usw. Gegen vier Uhr des
Morgens stürmten sie in den Ort, warfen Feuer in die Häuser, verbrannten Weiber und
Kinder lebendig, schlugen tot was sie wollten, und taten denjenigen, welche sie leben
ließen, alle nur erdenklichen Martern an, damit sie entweder noch mehr Gold, als sie
daselbst fanden, herbeischaffen, oder andere Ortschaften angeben sollten, wo
derlgeichen zu finden sei; brandmarkten die, welche sie übrig ließen, als Sklaven, und
suchten sodann das Gold zusammen, welches sich in den Häusern befunden hatte.
Wie hinter allen Auf diese Art, und mit solchen Taten beschäftigte sich dieser verruchte Mensch, nebst
vorgeschobenen Motiven allen den Unchristen, die er mit dorthin brachte, vom Jahr eintausend fünfhundert und
immer eines zum Vorschein vierzehn, bis zum Jahr eintausend fünfhundert ein und zwanzig. Auf dergleichen Zügen
kam: die Gier nach Gold schickte er immer fünf oder sechs seiner Bedienten mit aus, damit er - außer demjenigen,
was er ohnehin als oberster Befehlshaber bekam - noch ebensovielfachen Anteil an dem
Golde, den Perlen und Edelsteinen, welche sie raubten, wie auch an denjenigen hätte,
welche sie zu Leibeigenen machten. Das nämliche taten alle Beamten des Königs; jeder
von ihnen schickte so viele Knechte oder Bedienten mit aus, als er nur konnte; selbst der
vornehmste Bischof des Reichs sendete seine Diener in der Absicht mit, seinen Teil von
der gemachten Beute in Empfang nehmen zu lassen. In diesem einzigen Reiche wurde
während jenes Zeitraumes - insofern ich solches überschlagen kann - für mehr als eine
Million Castilianer Goldes geraubt; ja ich glaube, daß ich noch zu wenig angebe.
Gleichwohl findet sich, daß der König von allem diesem zusammengeraubten Gute mehr
nicht als nur dreitausend Castilianer bekam; und dennoch wurden deswegen mehr als
achtmal hundert tausend Menschen erwürgt.”
Geschichte
81
Daß die Taten der
Konquistadoren
Arbeitskräftemangel
erzeugten, und wie darüber
die Arbeitskraft zur Ware
wurde
Nachdem die Konquistadoren weite Landstriche entvölkert hatten, hörte die
Arbeitskraft auf, ein Gut zu sein, das man sich im Bedarfsfall an Ort und Stelle
aneignen konnte. Die Arbeitskraft wurde zur Ware und der Sklavenhandel wurde
zu einem Wirtschaftszweig.
Las Casas wird oft als derjenige genannt, der Karl V. anläßlich einer Audienz (1520) die
Verwendung afrikanischer Sklaven vorgeschlagen haben soll, die aufgrund ihrer
angeblich robusteren Konstitution der Arbeit auf den Plantagen und in den Bergwerken
besser gewachsen seien. Dazu schreibt Las Casas (in seiner Historia general de las
Indias) von sich selbst:
“Der Priester Las Casas hat als erster dazu geraten, daß man Afrikaner nach
Westindien einführe. Er wußte nicht, was er tat. Als er vernahm, daß die Portugiesen
wider alle Rechtlichkeit in Afrika Menschen fingen und sie zu Sklaven machten, bereute
er bitter seine Worte ... Das Recht der Schwarzen ist dem Recht der Indianer gleich.”
Wie der Sklavenhandel zu
einem Hauptzweig des
europäischen
Kolonialhandels wurde, und
daß dabei zwischen zehn
und zwanzig Millionen
Afrikaner nach Amerika
verschleppt wurden
In den folgenden Jahrhunderten wurden z w i s c h e n f ü n f z e h n u n d
zwanzig
Millionen
Afrikaner
nach
Amerika
v e r s c h l e p p t . Die Verbringung der schwarzen Sklaven nach Amerika
bildete die “Mittelpassage”, ein Teilstück im Dreieckshandel zwischen Europa,
Afrika und Amerika.
In Afrika erwarben die Europäer vor allem Sklaven, aber auch Elefantenzähne,
Goldstaub und Guineapfeffer (“falscher Pfeffer”: afrikanisches Gewächs mit pfefferartig
schmeckenden Früchten). Afrikanische Landschaften hießen daher “Sklavenküste”
(Bucht von Benin), “Goldküste” (Küstengebiet Ghanas am Golf von Guinea [daher auch
die Bezeichnung für eine englische Goldmünze: “Guinee”]) und “Pfefferküste” (die
westafrikanische Küste zwischen Monrovia und Harper, Liberia).
Über die Bedingungen, die während der Überfahrt herrschten, berichtet ein italienischer
Sklavenhändler 1594:
“Die Männer gingen an Bord des von uns gecharterten Schiffes. Dort brachten sie die
männlichen sklaven unter Deck, wo sie in einem Schiffsraum so dicht
zusammengepfercht waren, daß sie sich nur mit Mühe von einer Seite auf die andere
drehen konnten. Die Frauen verteilten sich über das ganze Deck, wo sie sich, so gut es
gehen wollte, einrichteten. Alle bekamen einmal am Tag soviel zu essen, wie sie haben
wollten. Die Nahrung bestand aus einem in Wasser gekochten Hirsebrei, wie er in jenen
Ländern üblich ist, und der mit Öl und Salz zubereitet wird. [...] Nach dem Mittagessen
gab es dann zu trinken, wobei die Sklaven den Mund in einen großen Kübel steckten.
Jeder trank so viel, wie er, ohne Atem zu holen fassen konnte. [...]
Es war aber recht betrüblich ansehen zu müssen, wie fast jeden Tag ein Sklave über
Bord geworfen wurde. Viele Sklaven starben an roter Ruhr. [...] In Cartagena brachten
wir nur noch die überlebenden achtundsechzig Sklaven an Land. Von diesen befanden
sich allerdings einige in ziemlicher schlechter Verfassung - entweder Krank oder
halbtot. Wir versuchten, diese Leute wieder gesundzupflegen. Und ich muß gestehen, daß
wir das nicht in erster Linie aus Mitleid taten. Wir bangten vielmehr um das in die
Sklaven gesteckte Geld.”17
Die in Amerika durch Einsatz von Sklavenarbeit erzeugten Produkte - Rohrzucker,
Kaffee, Kakao, Tabak, Reis, Baumwolle, Indigo und andere Farben - wurden in
Europa verarbeitet (Feinzucker, Rum, Zigarren, Textilien) und zum größeren Teil
verbraucht. Ein kleinerer Teil dieser Waren wurde zusammen mit europäischen
Produkten (Waffen, Metallwaren, Glasperlen) nach Afrika verschifft und dort gegen
Gold, Elfenbein, Pfeffer und vor allem Sklaven eingetauscht.
Daß die Europäer asiatische Aus Amerika kamen gewaltige Mengen Edelmetalls nach Europa, wovon aber ein
Luxusgüter mit in Amerika Teil (möglicherweise bis zur Hälfte) nach Asien abfloß, denn nach wie vor war die
geraubtem Silber bezahlten asiatische Warenproduktion der europäischen überlegen. Asiatischen Luxuswaren
hatten die Europäer nichts anderes entgegenzusetzen. Der europäische
Ostindienhandel war nur durch die Ausplünderung Amerikas finanzierbar.
Geschichte
82
WIE ES SCHON IM 16. JAHRHUNDERT ZU EINER ERFOLGREICHEN
BÜRGERLICHEN REVOLUTION KAM
Wie die Niederlande den
Habsburgern Steuern
einbrachten und Vorteile aus
dem Handel mit den
spanischen Kolonien zogen
Wie für die Niederlande die
Nachteile der Zugehörigkeit
zum Habsburgerreich in den
Vordergrund traten
Wie der Herzog von Alba mit
Terror auf die
niederländische Opposition
reagierte
Wie es den Nordprovinzen
gelang, die spanische
Fremdherrschaft
abzuschütteln
Die Niederlande waren - wie bereits beschrieben - als Teil des Herzogtums Burgund
durch die Heirat Maximilians I. mit Maria von Burgund an die Habsburger gekommen,
für die sie als Quelle von Steuereinnahmen große Bedeutung hatten. Anderseits
verschaffte den Niederlanden die Zugehörigkeit zum Habsburgerreich
entscheidende Vorteile im Handel mit den spanischen Kolonien.
Während der Regierungszeit Karls V. erreichte aber der Steuerdruck, der auf den
Niederlanden lastete, die Grenzen des Erträglichen, denn die Kriege, die Karl führte,
verschlangen mehr Geld, als aufgetrieben werden konnte.
Nach dem Thronverzicht Karls und der Teilung des habsburgischen Gebietes kamen
die Niederlande an Karls Sohn Philipp (II. 1556 - 1598) und damit an die spanische
Linie des Hauses Habsburg. Die Kaiserwürde ging an Karls Bruder Ferdinand (I. 1556
- 1564) über.
Unter Philipp II. verstärkte sich die niederländische Opposition. Die Spanier vermehrten
die Zahl der Bistümer und führten die Heilige Inquisition ein. Gegen die spanische
Fremdherrschaft zu sein, bedeutete, gegen den Katholizismus zu sein.
Die 17 Provinzen der Niederlande waren in ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Entwicklung unterschiedlich weit fortgeschritten. Der offene Konflikt brach deshalb
nicht in den südlichen Provinzen aus, in denen die Landwirtschaft vorherrschte, sondern
in
den
nördlichen
Industriegebieten.
Das
dortige
Handelsund
Manufakturbürgertum bekannte sich mehrheitlich zum Calvinismus. Die
städtische und ländliche Armut sympathisierte mit dem Täufertum. Im Jahre 1566
erfaßte die Bilderstürmerbewegung zwölf der 17 Provinzen. Tausende Kirchen und
Klöster wurden zerstört.
Seit 1567 repräsentierte der Herzog von Alba als neuer Statthalter Philipps die
habsburgische Macht in den Niederlanden, deren Bevölkerung er durch systematischen
Terror in die Knie zu zwingen suchte. Tausende fielen seinem Schreckensregiment zum
Opfer, darunter etwa Egmont und Hoorn, die Führer der gemäßigten aristokratischen
Opposition.
“Die
Nichtverbrannten”
nannte
die
spanische
Soldateska
bezeichnenderweise die Niederländer. Den wirtschaftlichen Druck verstärkte der Herzog
von Alba bis zur Unerträglichkeit durch die Einführung des spanischen Steuersystems
(der Alcabala), das unter anderem die zehnprozentige Besteuerung jedes
Handelsgeschäftes vorsah. Dies mußte den Ruin einer arbeitsteiligen Wirtschaft
bedeuten, in der die Güter bereits durch viele Hände gingen, bevor sie an den
Verbraucher kamen.
Prinz Wilhelm von Oranien führte gegen den Herzog von Alba von Deutschland
aus einen erfolglosen Krieg, in dem er sich bezahlter Söldner bediente. Die Mittel dazu
stammten von den reichen Kaufleuten und Konsistorien niederländischer Städte
(Konsistorium: oberste Verwaltungsbehörde in den evengelischen Kirchen). Er war
deutscher Herkunft und hatte immer seinen Status als deutscher Reichsfürst betont. Mit
dem Aufstand verband er die Hoffnung, die Stellung eines unabhängigen Reichsfürsten
zu erlangen, Kurfürst von Brabant oder Holland zu werden.
Erfolgreicher war der Partisanenkampf, den die “Geusen” den Spaniern zu
Wasser und zu Lande lieferten (“Wasser-” und “Waldgeusen”). Angeblich soll im
Jahre 1566 ein Höfling die Überbringer einer Petition wegen ihrer ärmliche Kleidung
verächtlich “Geusen”- Bettler genannt haben.
Beginnend mit der Eroberung der Stadt Brieille (1572) schüttelten die nördlichen
Provinzen die spanische Fremdherrschaft ab konstituierten sich faktisch als neuer
Staat, als eine oligarchische Republik, in der das Handelsbürgertum das Sagen hatte,
die Wilhelm von Oranien als “Generalstatthalter” berief. Wilhelm wurde aber 1584
von einem spanischen Agenten ermordet. Sein Sohn Moritz von Oranien trat an seine
Stelle, dem es gelang, weitere Gebiete (Teile Brabants und Flanderns) den
Geschichte
Wie die Spanier den Kampf
aufgeben mußten und
letztlich dieSelbständigkeit
der Niederlande
anerkannten
Daß die Südprovinzen
spanisch blieben und im 18.
Jh. noch einmal an
Österreich kamen
83
“Generalstaaten” anzugliedern.
Nach einer Reihe schwerer Niederlagen der Spanier, vor allem auch nach der
Vernichtung der “Armada”, der gegen England segelnden spanischen Invasionsflotte
(1588), war an eine Rückeroberung der Nordprovinzen nicht mehr zu denken, und
Spanien schloß mit den Generalstaaten 1609 einen Waffenstillstand. Die formelle
Anerkennung der staatlichen Selbständigkeit der nördlichen Niederlande durch
Spanien erfolgte allerdings erst 1648, am Ende des Dreißigjährigen Krieges im
Westfälischen Frieden.
Die südlichen Provinzen (Belgien) vermochten die spanischen Feldherren
Requesens und Don Juan d’Austria zu behaupten (Don Juan d’Austria: unehelicher
Sohn Karls V., bekannt vor allem durch seinen Seesieg über die Türken bei Lepanto
[1571]). Nach dem Aussterben der spanischen Linie des Hauses Habsburg wurden die
südlichen Niederlande 1713 österreichisch und bleiben es bis 1797.
Geschichte
84
WIE DEUTSCHLAND ZUM SCHAUPLATZ EINES EUROPÄISCHEN
KRIEGES WURDE
Daß die Querelen der
deutschen Fürsten die
Einmischung ausländischer
Mächte anzogen und
Deutschland zum
Schlachtfeld eines
europäischen Krieges
machten
Wie sich protestantische
Fürsten in der “Union” und
katholische in der “Liga”
organisierten
Wie die Böhmen statt
Erzherzog Ferdinand lieber
Friedrich von der Pfalz als
König wollten, worüber es
zum böhmisch-pfälzischen
Krieg kam
Wie Dänenkönig Christian
eingriff, aber von den
habsburgischen Feldherren
Tilly und Wallenstein
zurückgedrängt wurde
Wie der Kaiser keinen Sinn
für das Machbare zeigte und
das “Restitutionsedikt” erließ
Wie der Kaiser den
realistischer denkenden
Wallenstein entließ und
wieder zurückrief, weil er ihn
gegen Gustav Adolf von
Schweden brauchte
Die historische Situation, in der der Dreißigjährige Krieg ausbrach, ist durch das
verwirrende Durcheinander und Gegeneinander der Sonderinteressen einiger
größerer, dutzender kleinerer und kleinster Landesherren des “Heiligen
Römischen Reichs” charakterisiert. Die von ihnen in den Vordergrund gestellten
religiösen Überzeugungen waren dabei von zweitrangiger Bedeutung. Ihre
Konflikte zogen die Einmischung ausländischer Mächte an: Frankreich suchte sich
aus der habsburgischen Umklammerung zu lösen, die aufstrebenden Monarchien
Dänemark und Schweden wollten auf Kosten Deutschlands expandieren.
Damit ist das Wesentliche über den Dreißigjährigen Krieg auch schon gesagt. Die
weiteren Details dienen primär der Vertiefung unserer Allgemeinbildung.
Um der Gegenreformation entgegenzutreten, die sich auf dem Konzil von Trient
(1545 - 63) formiert hatte, schloß sich eine Reihe protestantischer Fürsten im Jahre
1608 unter der Führung des Kurfürsten von der Pfalz zur “Union” zusammen. Im Jahre
1609 wurde unter bayrischer Führung die katholische “Liga” gegründet.
Am Beginn des Dreißigjährigen Kriegs steht der sogenannte “Prager Fenstersturz”: Drei
kaiserliche Räte wurden von böhmischen Adligen, die damit ihrer Empörung über
habsburgisch-gegenreformatorische Bestrebungen Luft machten, kurzerhand aus
einem Fenster der Prager Burg geworfen. Erzherzog Ferdinand, der ohne
Zustimmung der Stände zum böhmischen König eingesetzt worden war, wurde
abgesetzt, und Friedrich von der Pfalz, das Oberhaupt der Union, an seiner Stelle
zum König erhoben. Die von Tilly kommandierten vereinigten Truppen des Kaisers
und der Liga errangen vor den Toren Prags, in der Schlacht auf dem Weißen Berge
(8. November 1620) einen Sieg über Friedrich von der Pfalz, der nach Holland floh
und das Land der Rache der Sieger überließ: Zahlreiche böhmische Adelige wurden als
“Rebellen” hingerichtet, ihre Güter wurden konfisziert.
Durch die Aussicht auf Gebietsgewinne in Norddeutschland motiviert und auf
englische, niederländische und französische Hilfsgelder gestützt, griff der dänische
König (Christian IV.) in den Krieg ein, der damit aufhörte, ein innerdeutscher zu sein.
In dieser, für das katholisch-habsburgische Lager neuerlich bedrohlichen Situation
schlug die Stunde Wallensteins (1583-1634). Der böhmische Aristokrat Albrecht von
Wallenstein war durch eine reiche Heirat zu einem der bedeutendsten
Großgrundbesitzer in Mähren geworden. Er war einer der wenigen böhmischen
Adligen, die sich während der Erhebung der böhmischen Stände auf die Seite der
Habsburger gestellt hatten. Er hatte sich durch die Erwerbung enteigneter böhmischer
Güter weiter bereichert. Seine Mittel setzte er für die Aufstellung eines in den
Größenordnungen der damligen Zeit riesigen Heeres ein, das er dem Kaiser zur
Verfügung stellte. Tilly und Wallenstein drängten nun die dänischen Streitkräfte
zurück und unterwarfen fast ganz Norddeutschland. Der Dänenkönig verzichtete im
Frieden von Lübeck 1629 auf jede weitere Einmischung in Deutschland. Wallenstein
wurde mit Mecklenburg belehnt.
dem Kaiser hätte sich nun eine günstige Gelegenheit geboten, durch maßvolle
Behandlung der geschlagenen protestantischen Fürsten einen innerdeutschen Ausgleich
zustandezubringen und damit einen großen Schritt zur Reichseinheit hin zu machen.
Kaiser Ferdinand aber strebte die totale Rekatholisierung Deutschlands an und erließ im
Jahre 1629 das “Restitutionsedikt”, demzufolge alle geistlichen Gebiete, die nach
1552 in protestantischen Besitz gekommen waren, zurückzugeben waren.
Wallenstein hatte von der Erlassung des Restitutionsedikts abgeraten und sich damit
Feinde in der Kirche und unter den katholischen Fürsten gemacht. Ihrem Druck gab der
Kaiser 1630 nach und entließ Wallenstein, der sich auf seine böhmischen Güter
zurückzog. Als jedoch die Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf, der von
französischer Seite finanziell unterstützt wurde, zu Hilfe riefen, trat neuerlich eine
Wende im Dreißigjährigen Krieg ein. Gustav Adolf drang nach Süddeutschland vor.
Geschichte
85
Schweden brauchte Tilly verlor zwei Schlachten und sein Leben. Der Kaiser rief Wallenstein zurück, der
in der Schlacht bei Lützen (1632) wohl die Schweden nicht besiegen konnte, aber
Gustav Adolf fiel im Kampf.
Wie der Kaiser Wallenstein Wallenstein verhandelte nun mit den Schweden über einen Friedensschluß, wobei er
neuerlich fallen ließ und durch Vollmachten des Kaisers nur zum Teil gedeckt war, womit er den Intrigen, die
dieser ermordet wurde gegen ihn im Gange waren neues Material lieferte. Der Kaiser ließ Wallenstein
abermals fallen. Er wurde von einem geheimen kaiserlichen Gericht zum Tode
verurteilt und - auf der Flucht vor seinen eigenen Leuten - 1634 in Eger ermordet.
Wie die Erfolge der Die militärischen Erfolge, die die Kaiserlichen danach im Kampf gegen die
Kaiserlichen Frankreich zum Schweden erzielten, veranlaßten Sachsen und Brandenburg 1635, den Frieden von
Eingreifen veranlaßten Prag zu schließen, wobei auf das Restitutionsedikt verzichtet wurde. Die meisten
norddeutschen Reichsstände traten dem Frieden bei. Frankreich - unter der
politischen Leitung Kardinal Richelieus (1585 - 1642) - griff nun offen in den Krieg
ein.
Wie der Krieg zu Ende ging, In dieser letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges drangen schwedische Truppen
weil das Land ihn nicht mehr wiederholt bis auf Österreichisches Gebiet vor. Bayern schwächte das kaiserliche Lager,
ernähren konnte indem es sich neutral erklärte.
Der Krieg löste sich in Einzelaktionen auf und starb gewissermaßen an der
allgemeinen Erschöpfung, denn das Land konnte den Krieg nicht mehr ernähren.
Der Kaiser (seit 1637 Ferdinand III.) mußte die Bedingungen des mit Frankreich und
Schweden (in Münster beziehungsweise Osnabrück) getrennt ausgehandelten
Westfälischen Friedens akzeptieren. (Der “Pyrenäenfriede” zwischen Spanien und
Frankreich wurde erst 1659 geschlossen).
Daß der Westfälische Friede Der Westfälische Friede brachte Gebietsabtretungen an Dänemark und Schweden
Gebietsabtretungen mit sich im Norden Deutschlands mit sich. An Frankreich kamen nun Ober- und
brachte und die völlige Niederelsaß (Straßburg holte sich Frankreich erst vier Jahrzehnte später unter Ludwig
Zersplitterung Deutschlands XIV.), der Sundgau und ein Brückenkopf auf dem rechten Rheinufer: die Festung
festschrieb Breisach. Die Unabhängigkeit der Schweiz und der Niederlande wurden formell
anerkannt, die territoriale Zersplitterung Deutschlands festgeschrieben. Bernd
Engelmann schreibt dazu (in: Wir Untertanen, ein deutsches Geschichtsbuch):
“Das verwüstete, völlig ausgeplünderte und stark verstümmelte ‘Heilige Römische Reich
Deutscher Nation’, das der Dreißigjährige Krieg übriggelassen hatte, zählte nach der
großen Bestandsaufnahme des Jahres 1648 zu Münster und Osnabrück, dem
sogenannten Westfälischen Frieden, weit über siebzehnhundert souveräne Länder und
Ländchen, von denen manche nicht größer und bedeutender waren als ein mittleres
Dorf.
Nur etwa jeder achte dieser knapp achtzehnhundert Zwergstaaten war groß genug, um
auf einem zeitgenössischen Landkartenblatt von Mitteleuropa eingezeichnet und mit
einer Abkürzung markiert werden zu können. Von diesen ‘wichtigsten’, insgesamt 221
deutschen Staaten waren rund fünf Dutzend sogenannte Reichsstädte und -dörfer, [...]
Ferner gab es neunhundertfünfzig Mark-, Land- und sonstige Grafschaften, dreizehn
Fürsten- und Vierundzwanzig Herzogtümer, fünf weltliche Kurfürstentümer, nämlich das
Herzogtum Bayern, das habsburgische Königreich Böhmen, die Markgrafschaft
Brandenburg, die Pfalzgrafschaft, das Herzogtum Sachsen der Albertinischen Linie,
ferner die drei geistlichen Kurerzbistümer Köln, Mainz und Trier sowie weitere
dreihundertvierzig selbständige Bistümer, Abteien und Propsteien.
Jeder dieser Staaten hatte eigene Gesetze, Zölle, Steuern und Abgaberegelungen. Es
gab die unterschiedlichsten Maße, Gewichte und Währungen, häufig mit denselben
Bezeichnungen, wodurch die Verwirrung noch größer wurde. Drei verschiedene
christliche Glaubensrichtungen - eine römisch-katholische und zwei reformierte, die
der Lutheraner und die der Calvinisten - bestanden gleichberechtigt nebeneinander,
und man hatte sogar zwei voneinander abweichende Kalenderrechnungen, hie die
Julianische, da die Gregorianische.
Kompliziert wurde dieser Wirrwarr noch dadurch, daß einige der Zwergstaaten zwar
eigene Verwaltung und Gesetze hatten, aber mit anderen Ländchen einen
gemeinsamen Herrn; wobei diese Landesherren durch Geburt, Tod, Heiraten und
Erbschaften, aber auch durch Tausch, Kauf, Verkauf und Eroberung ständig
wechselten, hier ein kleines Staatsgebilde sich zusammenschloß, dort ein anderes
Geschichte
86
auseinanderfiel.”
Welches Elend der Was aber bedeutete der Dreißigjährige Krieg für die einfache Bevölkerung?
Dreißigjährige Krieg über die Hunger, Seuchen, Terrorisierung durch die Soldateska gleich welcher Seite.
Vevölkerung brachte (Der folgende Überblick über die Grauslichkeiten, die der Dreißigjährige Krieg mit sich
brachte, stützt sich auf: Jürgen Kuczynski, Geschichte des Alltags des Deutschen Volkes,
Bd.I, Köln 1991)
Der Heimsuchung des Bauern durch die Landsknechte, deren Pferde das unreife Korn
fraßen oder zertrampelten, folgte der Hunger, und dem Hunger folgten die Seuchen, die
die ausgemergelten Menschen in Massen dahinrafften. Den Seuchen folgte wieder der
Hunger, weil die Menschen, die die Äcker hätten bestellen sollen, der Pest zum Opfer
gefallen waren. Und dann kamen wieder hungrige Söldner, die den Bauern
unsäglichen Qualen unterwarfen, um ihn zur Preisgabe etwa versteckter Vorräte
zu zwingen, denn geregelten Nachschub gab es nicht: Dem einen zogen sie mit einer
Ahle ein Roßhaar durch die Zunge und bewegten es hin und her, dem anderen banden
sie ein Seil um den Kopf, das etliche Knoten aufwies, und drehten es mit einem Knebel
so fest zusammen, daß die Kopfhaut unter den Knoten platzte, wieder einem anderen
flößten sie Jauche - den berüchtigten “Schwedentrunk” - ein. Ein protestantischer
Geistlicher reimte nach einer solchen Mißhandlung:
Mistlaken etlich Maß
Goß man, als in ein Faß
Mir in den Leib zur Stunden,
Vier Kerels mich festbunden.
Andere beliebte Foltermethoden bestanden darin, die Daumen des Opfers an Stelle der
Feuersteine in den Schraubenklemmen der Steinschloßpistolen einzuzwängen, oder
einen Ladestock zwischen zwei fest zusammengebundenen Fingern rasch hin- und
herzubewegen, so daß das Fleisch bis auf die Knochen verbrannte.
Der eine Historiker (Fr. Mehring) hält die Schweden für die Schlimmsten, und
tatsächlich lautete ein Kinderreim der damaligen Zeit: “Bet’, Kindchen, bet’, morgen
kommt der Schwed’”. Ein anderer Historiker (G. Winter) meint, daß spanische und
italienische Söldnerhaufen die grausamsten gewesen seien. Er belegt seine Auffassung
mit folgender Schilderung:
“Man schoß die Leute ins Knie und drehte ihnen dann die Beine ab, sägte ihnen die
Schienbeine an, machte Schnitte in die Fußsohlen, in die dann Salz gestreut wurde,
schnitt ihnen Riemen aus dem Rücken, ja es kam vor, daß Kinder im Beisein der Eltern
lebendig in den Backofen geschoben wurde. Daneben wurden hier wie fast überall, wo
diese Horden hausten, die Weiber massenhaft zu Opfern der viehischen Lüste der
entmenschten Soldateska. Frauen und Jungfrauen wurden in gegenwart ihrer Männer
und Väter, zuweilen auf offener Straße geschändet, selbst die Schwangeren, denen man
in bestialischer Wut die Brüste abschnitt, wurden nicht geschont. Es war , als hätten sich
diese Horden vorgenommen, die ganze Bevölkerung buchstäblich zugrunde zu richten”.
Die verschiedenen Landsknechtshaufen werden einander wohl wert gewesen sein. Sie
waren so bunt zusammengewürfelt, daß sich eine Unterscheidung nach Nationalitäten
erübrigt.
Ein Zeitzeuge berichtet von den Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs, Hunger
Elend und sogar Kannibalismus:
“Wie jämmerlich stehen neue große Städte. Da zuvor tausend Gassen gewesen sind, sind
nun nicht mehr hundert. Wie elend stehen die kleinen Städte, die offenen Flecken: da
liegen sie verbrannt, zerfallen, zerstört, daß weder Dach, Gesparr, Thüren oder Fenster
zu sehen ist. Wie sind sie mit den Kirchen umgegangen: sie haben sie verbrannt, die
Glocken weggeführt, zu Cloaken, zu Pferdeställen, Marquetenderhäusern und
Hurenwinkeln gemacht und auf die Altäre ihren Mist gelegt. - Ach Gott, wie jämmerlich
steht’s auf den Dörfern. Man wandert bei zehn Mailen und siehet nicht einen Menschen,
nicht ein Vieh, nicht einen Sperling, wo nicht an etlichen Orten ein alter Mann und Kind
oder zwei alte Frauen zu finden. In allen Dörfern sind die Häuser voller todten
Leichname und Aeser gelegen, Mann, Weib, Kinder und Gesind, Pferde, Schweine, Kühe
und Ochsen, neben und unter einander von der Pest und Hunger erwürgt, voller Maden
und Würmer, und von Wölfen, Hunden, Krähen, Raben und Vögeln gefressen worden,
Geschichte
87
weil Niemand gewesen, der sie begraben, beklaget und beweinet hat. - Erinnert euch, ihr
städte, wie Viele in ihrer großen Mattigkeit starben, welchen ihr nicht ein Bette von
euren vielen übrigen zugeworfen, welche euch aber hernach von eurem Angesichte sind
weggenommen worden. Ihr wisset, wie die Lebendigen sich unter einander in Winkeln
und Kellern gerissen, geschlachtet und gegessen: daß Eltern ihre Kinder und die Kinder
ihre todten Eltern gegessen: daß Viele vor den Thüren nur um einen Hund und eine
Katze gebettelt: daß die Armen in den Schindergruben Stücke von Aas geschnitten, die
Knochen zerschlagen, und mit dem Marke das Fleisch gekochet, das ist voll Würmer
gewesen.”
Geschichte
88
WIE ES ZU EINER BÜRGERLICHEN REVOLUTION IN ENGLAND KAM, UND
WAS DIESE BEWIRKTE
Wie die Plünderung
Amerikas die Kaufkraft der
Spanier und ihre Nachfrage
nach englischen Tuchen
steigerte, weshalb englische
Grundbesitzer lieber
Schafzucht als Ackerbau
betrieben und die Bauern
von den Feldern verjagten
Wie es in England zu einer
Verflechtung des Landadels
und des Bürgertums
gekommen war
Wie der englische
Absolutismus unter
Elisabeth I. seinen
Höhepunkt erreichte ...
... aber auch schon die
Grenzen des Bündnisses
Krone-Bürgertum sichtbar
wurden
Wie das Parlament dem
König den Krieg erklärte und
diesen gewann
Nicht zuletzt infolge der in Spanien durch die Ausplünderung seiner
amerikanischen Kolonien gestiegenen Kaufkraft stieg im 16. Jh. die Nachfrage
nach Produkten der englischen und der flandrischen Tuchindustrie. Die
Produktion von Schafwolle war in England bald lukrativer als die Produktion von
Getreide. Das durch die Vergrößerung der Schafherden nötig gewordene
Weideland beschafften sich die adeligen Grundbesitzer vielfach durch die
Vertreibung der Kleinbauern (“Bauernlegen”) von ihren Parzellen und durch die
Aneignung und Einhegung des Gemeindelandes (Allmende). Die große Zahl an
“freigesetzten” Bauern bildete nun das Reservoir an Arbeitskräften für die neuen
Manufakturen, die zur Umgehung der Zunftgesetze oft in Landgemeinden
errichtet wurden, die sich mitunter zu neuen ökonomischen Zentren entwickelten,
während manche Kleinstädte zur Bedeutungslosigkeit herabsanken.
Dadurch, daß einerseits viele Angehörige des mittleren und niederen Adels
(Gentry) zur bürgerlich-kapitalistischen Produktion übergegangen waren und
andererseits viele Bürgerliche durch Landkauf zu Grundbesitzern geworden
waren, traten die Gegensätze zwischen diesen Gesellschaftsschichten in den
Hintergrund. In ihrem gemeinsamen Interesse lag die Entwicklung einer
absolutistischen Zentralgewalt. Aus den “Rosenkriegen”, in deren Verlauf (14551485) sich der Hochadel zerfleischt hatte, war mit Heinrich VII. das Haus Tudor
siegreich hervorgegangen. Heinrich VIII. (1509-1547) leitete eine begrenzte
Reformation ein, die lediglich die Kirchenorganisation vom Papsttum abkoppelte,
katholische Traditionen aber weitgehend beibehielt. Damit war vor allem der
Kapitalabfluß nach Rom unterbunden. Staatsbeamte und Kleriker hatten den König
durch den sogenannten Suprematseid als obersten Kirchenherren anzuerkennen. Zu den
prominenten Verweigerern des Suprematseids, die mit dem Tode büßten, zählt vor allem
Thomas Morus, der Verfasser der “Utopia”.
Der englische Absolutismus erreichte seinen Höhepunkt unter Elisabeth I. (15581603). Das Volumen des Überseehandels wuchs, zur Verminderung des Risikos wurden
Handelskompanien gegründet, die auf den Handel mit Rußland (1553), mit der Levante
(1581) und mit Ostindien (1600) spezialisiert waren. Handel (vor allem der mit
schwarzen Sklaven) und Freibeuterei erbrachten hohe Gewinne. Die spanische
Kolonialflotte erlitt durch Kaperfahrten (Drake, Raleigh) empfindliche Verluste.
Spanien versuchte, die katholische Feudalreaktion Englands zu stärken, die sich
der schottischen Königin Maria Stuart bediente und wiederholt Umsturzversuche
unternahm, bis Maria Stuart 1587 hingerichtet wurde. Schließlich erlitt die gegen
England entsandte Armada 1588 eine vernichtende Niederlage. Die Konkurrenz der
deutschen Hanse wurde gebrochen und deren Niederlassung in London (“Stalhof”) 1598
geschlossen.
Andererseits wurden unter Elisabeth I. auch schon die Grenzen des für den
“fortschrittlichen” Absolutismus so typischen Bündnisses zwischen Krone und
Bürgertum sichtbar: Der Verkauf von Handels- und Produktionsmonopolen zum
Beispiel führte zur Entwicklung einer bürgerlichen Opposition, die in calvinistischreligiösem Gewand als “Puritaner”-Bewegung auftrat.
Mit Elisabeth erlosch das Königshaus der Tudor, die Stuarts folgten ihnen. 1628 trug
die bürgerliche Opposition ihre Forderungen in Form der Petition of Rights an
Karl I. (1625-1649) heran, der daraufhin das Parlament entließ und erst 1640 wieder
einberief, als er Geld für einen Krieg gegen die aufständischen Schotten brauchte. Auch
dieses Parlament entließ der König, als es politische Forderungen erhob. Ein
neugewähltes widersetzte sich dem neuerlichen Befehl zur Auflösung, erzwang die
Auflösung der Sternkammer (eine von Heinrich VII. 1487 eingerichtete Behörde) und
die Hinrichtung verhaßter königlicher Berater (Strafford, Laud) und leitete damit die
Revolution ein. 1642 kam es zum erklärten Krieg zwischen König und Parlament
Geschichte
Wie nach dem Sieg der
Puritaner die Gegensätze
zutage traten, die in ihrer
Bewegung herrschten
Wie diese Gegensätze zu
einem zweiten Bürgerkrieg
führten, worauf der König
hingerichtet und die
Republik errichtet wurde
Wie Cromwell zur
Bekämpfung der radikalen
Opposition weitgehende
Vollmachten als “LordProtektor” eingeräumt
wurden
89
(1. Bürgerkrieg 1642-1646). Die bürgerliche Armee errang nach Aufstellung eines
puritanischen Freiwilligenheeres (“Eisenseiten”, 1643) als Kerntruppe und der
Reorganisation unter Oliver Cromwell (“New Model Army” - “Neue Musterarmee”)
entscheidende Siege (Marston Moor 1644, Naseby 1645), der König floh zu den
Schotten, wurde 1647 aber ausgeliefert.
Nach diesen Erfolgen traten die Gegensätze innerhalb der puritanischen Bewegung
selbst zutage. Den rechten, großbürgerlichen Flügel bildeten die “Presbyterianer”, die
im wesentlichen von den Interessen des Handelsbürgertums geleitet waren und ihre
Hauptstütze im Parlament hatten. Den linken Flügel bildeten die “Independenten”. Sie
waren großbürgerliche Manufakturbetreiber, aber auch kleine Adelige, die - zu
landwirtschaftlichen Unternehmern geworden - vielerlei Berührungspunkte mit dem
Manufakturbürgertum hatten. Bürgerliche hatten, umgekehrt, Adelsgüter erworben und
waren somit nicht leicht für die Anliegen der Zinsbauern zu gewinnen. Dazu kam die
Masse der kleinen Handwerker und der Habenichtse in Stadt und Land. Die
Independenten hatten ihre Hauptstütze im Heer. Durch die heterogene
Zusammensetzung dieses Lagers war dessen weitere Spaltung bereits vorprogrammiert.
Den linken Rand der Independentenbewegung verkörperten die kleinbürgerlichdemokratischen “Levellers”, die die von den Presbyterianern angestrebte Auflösung der
Armee nach dem Sieg über die Königstreuen verhinderten.
Was ist nun die Substanz des Gegensatzes zwischen Presbyterianern und
Independenten? Das Handelsbürgertum konnte mit dem Feudalismus leben; das
Handelskapital bedarf nicht der Beseitigung der Feudalgesellschaft, es bedarf nur
einer gewissen Bewegungsfreiheit innerhalb des Feudalsystems. Von presbyterianischer
Seite wurde oft auf Venedig oder die Generalstaaten als Vorbilder hingewiesen. In
beiden Republiken war der (durch den Dogen respektive den Generalstatthalter
verkörperte) monarchische Zug deutlich ausgeprägt. Nachdem Karl I. die dringendsten
Forderungen der Presbyterianer - die Aufhebung bestimmter Steuern und Monopole erfüllt hatte, strebten diese eine gütliche Einigung mit der Monarchie an. Ihr letzter
größerer Erfolg war die Einführung der presbyterianischen Kirchenverfassung (1643). In
ihr spielten die Ältesten - die “Presbyter”, die mehrheitlich aus der reichen
Kaufmannschaft kamen, eine entscheidende Rolle. Obwohl als einzige offiziell
anerkannt, konnte sich die neue Kirche nicht vollständig gegen den Widerstand der
Independenten durchsetzen.
Das produktive Kapital bedurfte etwas weiter reichender Veränderungen als sie
die Presbyterianer mittragen konnten. Ziel der Independenten war ein neuer bürgerlicher - Staat.
Die Auseinandersetzungen zwischen Presbyterianern und Independenten führten
in den zweiten Bürgerkrieg (1648/49), der mit dem vollständigen Sieg der
Independenten endete. Das (vorübergehend) von Presbyterianern gesäuberte
Parlament (“Rumpfparlament”) beschloß 1649 die Hinrichtung des Königs und
errichtete die Republik (“Commonwealth”).
Nun brachen die Gegensätze innerhalb der siegreichen Bewegung der
Independenten auf. Ein hoher Zensus reservierte das Wahlrecht den Besitzenden.
Die Levellerbewegung sah sich um die Früchte des Sieges betrogen, wurde aber
ebenso niedergeworden wie die von den Levellers abgespaltene kleinbäuerliche
Bewegung der sogenannten “wahren Levellers” oder “Diggers”, die utopischkommunistische Ziele verfolgte. Danach trat die Volksopposition nurmehr in Form von
religiösen Sekten und Geheimbünden (Quintomonarchisten, Quäker) in Erscheinung.
Zur Bekämpfung der Opposition waren Cromwell 1653 weitgehende Vollmachten
als “Lord-Protector” eingeräumt worden. Damals hatte er unter dem Einfluß eines
Kreises von Offizieren, die mit den radikalen Sektierern sympathisierten, das “Parlament
der Heiligen” ernannt, das aber Forderungen erhoben hatte, die mit den Interessen des
independentischen Bürgertums kollidierten: Kodifizierung des Rechts, Aufhebung des
Zehnten, Befreiung der Zinsbauern (copyholders) von den auf ihnen lastenden
Verpflichtungen. Wir haben bereits weiter oben auf die Verflechtung des
independistischen Bürgertums mit dem niederen Adel hingewiesen: Wenn Land der
Kirche oder ein Rittergut sich im Eigentum eines Bürgerlichen befand, so wollte auch
dieser nicht auf die sich daraus ergebenden Einkünfte verzichten.
Die Außenpolitik des bürgerlichen England war gegen Konkurrenten des
Geschichte
Wie das Bürgertum, als es
seine Ziele Erreicht hatte,
der Militärdiktatur
überdrüssig wurde, und die
Stuart-Monarchie
wiederherstellte
Wie die Stuarts versuchten,
die Revolution rückgängig zu
machen und damit die
“glorreiche” Revolution
auslösten
90
englischen Kolonialismus und Kolonialhandels gerichtet: Die Navigationsakte
(1651) behielt den Warentransport im englischen Überseehandel weitgehend
englischen Schiffen vor, wovon in erster Linie die Niederlande betroffen waren.
Die Navigationsakte sollte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Geltung bleiben. In
Kolonialkriegen gegen Spanien wurde 1655 Jamaica erobert. Ein Aufstand der Iren
(1649 - 52) wurde blutig niedergeschlagen.
1658 starb Cromwell. Nachdem das Bürgertum seine Ziele erreicht hatte, war es
auch der Militärdiktatur überdrüssig. Das Bedürfnis nach einer stabilen Ordnung
führte zur Restauration des Königshauses Stuart mit Karl II. (1660-1685). Die
Bourgeoisie behauptete aber die durch die Revolution entstandenen neuen Besitzund Rechtsverhältnisse (1646 waren die Lehen in bürgerliches Eigentum umgewandelt
worden), die Habeaskorpusakte (1679) sicherte den Bürgern Schutz vor willkürlicher
Verhaftung zu. Im Parlament formierten sich die politischen Kräfte zu neuen Parteien:
“Tories” (alter Adel, Royalisten) und “Whigs” (neuer kapitalistischer Adel und
Großbürger). die zwischen 1661 und 1679 an der Macht befindlichen Tories stellten die
anglikanische Staatskirche wieder her und setzten die Puritaner unter Druck, die
zahlreich in die neuerworbenen nordamerikanischen Kolonien auswanderten.
Schon Karl II. hatte sich in einem Geheimabkommen mit Ludwig XIV. zur
Wiederherstellung
feudalabsolutistischer
Zustände
verpflichtet.
Die
auf
Refeudalisierung und Rekatholisierung abzielenden Maßnahmen Jakobs II. jedoch
lösten einen Staatsstreich der Whigs aus, die den König absetzten (“Glorreiche
Revolution” 1688), jedoch die Thronfolge seiner protestantischen Tochter Maria II.
Stuart (1689-1694) bestätigten, die gemeinsam mit ihrem Gatten Wilhelm III. von
Oranien, Erbstatthalter der Niederlande, die Regierung ausüben sollte. Bei ihrem
Regierungsantritt beschworen sie eine ganze Reihe vom Bürgertum geforderter Rechte
(Declaration of Rights), die als Bill of Rights zu einem Staatsgrundgesetz wurden. Von
demokratischen Verhältnissen war England nach wie vor weit entfernt. Nur etwa
zwei Prozent der Bevölkerung waren wahlberechtigt.
Mit Jakobs II. Tochter Anna kam die letzte Stuart auf den englischen Königsthron (1702
- 1714). Sie verwandelte die Personalunion England-Schottland zwangsweise in die
Realunion “Großbritannien” (1707). Ihr folgten (bis 1901) Könige aus dem Fürstenhaus
Hannover.
Geschichte
91
“ ... SYNAGOGA PERVERSA IN ECCLESIAM CONVERSA ...” ODER WIE
ES ZUR ZWEITEN VERTREIBUNG DER JUDEN AUS WIEN KAM, DASS
EINZELNE ABER BALD WIEDER ALS “HOFFAKTOREN” ZUGELASSEN
WURDEN, UND WIE ES ÜBERHAUPT AN VIELEN DEUTSCHEN
FÜRSTENHÖFEN “HOFJUDEN” GAB
Wie es nach der ersten
Vertreibung von 1420/21 zur
Zulassung von
einzelprivilegierten Juden in
Wien kam
Daß der Kaiser sich die
Aufenthaltserlaubnis gut
bezahlen ließ
Wie Rufe nach neuerlicher
Ausweisung laut wurden,
denen der Kaiser schließlich
entsprach
Wie die “synagoga perversa”
in eine Kirche konvertiert
wurde
Wie die Hofkammer sich
bald für eine
Wiederansiedlung von
Juden aussprach
Nachdem Erzherzog Albrecht 1420/21 die Juden ein erstes Mal vertrieben hatte,
wurde einigen wenigen “hofbefreiten” Juden wieder die Ansiedlung in Wien
gestattet.
Unter Ferdinand II. wurde ihnen (1624) erlaubt, am Unteren Werd (zwischen Augarten
und Donaukanal) eine Gemeinde zu bilden. Sie wurden allerdings - wie auch anderswo verpflichtet, jeden Schabbat eine Predigt zu hören. Diese wurde ihnen im Kloster der
Barmherzigen Brüder gehalten.
Der Status der als “Hofbefreite” zugelassenen Juden brachte beachtliche
Privilegien mit sich: Befreiung von Abgaben an Stadt und Land, Befreiung von Maut
und Zollabgaben, Befreiung vom Tragen des Judenzeichens, Unterstellung unter die
Gerichtsbarkeit des Obersthofmarschalls, Aufenthaltsrecht. Daß diese Privilegien
keineswegs geeignet waren, Sympathie auf der Seite der Christen für ihre “jüdischen
Mitbürger” zu erzeugen, liegt auf der Hand.
Aber der Sinn der Befreiung von diversen Abgaben war es, die Zahlungsfähigkeit
der Juden der Hofkammer zu reservieren, denn als Gegenleistung für die genannten
Privilegien mußten dem Kaiser bedeutende finanzielle Sonderleistungen erbracht
werden. Im Falle der Nichtaufbringung geforderter Summen drohte auch den
“Hofbefreiten” die Ausweisung.
Im Jahre 1668 starb der Kronprinz im Säuglingsalter und der Großteil der Wiener
Hofburg fiel einem Brand zum Opfer. Noch Kaiserin Maria Theresia sollte hinter diesen
Schlägen die strafende Hand Gottes vermuten, der solcherart seine Mißbilligung der
Zulassung der Juden in Wien kundgetan habe.
Leopold Kolonitsch, der Wiener Neustädter Bischof predigte den Kreuzzug gegen die
Juden, und die Inquisitionshofkommission legte Kaiser Leopold I. in einem
ausführlichen Gutachten, das eine lange Reihe traditioneller gegen die Juden
gerichteter Vorwürfe - von Hostienfrevel bis Spionage für die Türken - enthielt,
deren Ausweisung nahe. Schließlich erklärte sich die Stadt bereit, die Hofkammer für
den ihr durch eine Ausweisung entstehenden Verlust der jüdischen Abgaben zu
entschädigen und Kaiser Leopold verfügte tatsächlich in einem Dekret vom 28.
Februar 1670 die Ausweisung der Juden aus dem ganzen Land Österreich. Der
Große Kurfürst Friedrich Wilhelm nahm 50 Wiener Familien in Brandenburg auf.
Andere gelangten über Böhmen und Mähren nach Westungarn, wo im Lauf der Zeit die
“Siebengemeinden” entstanden waren.
Unmittelbar nach der zweiten Vertreibung der Juden nahmen die Bürger Wiens
die Judenstadt in Besitz. Zu Ehren des Kaisers wurde sie fortan “Leopoldstadt”
genannt. Die Synagoge (auf dem heutigen Alexander Poch-Platz) wurde in eine
Kirche umgewandelt. “synagoga perversa ... in ecclesiam conversa” ist heute noch
über dem Portal der Pfarrkirche St. Leopold zu lesen.
Bereits 1673 sprach sich die Hofkammer in einem Gutachten für eine Wiederansiedlung
von Juden aus.
Ihre Ausweisung aus Wien und Niederösterreich bedeute für den Staat einen jährlichen
Verlust von 40.000 Gulden. Durch die Reduktion der Bevölkerung habe sich eine
Reduktion des Konsums ergeben, die negative Auswirkungen auf die Steuerfähigkeit der
Produzenten habe. Die jährlich 20.000 Gulden ausmachenden jüdischen Toleranzgelder
bezahle zwar nun die Stadt Wien, müsse dies jedoch auf die Bürger abwälzen, die
bereits durch den Entgang an Mietzins und durch zurückgegangenen Konsum erheblich
geschädigt seien.
Geschichte
Wie Samuel Oppenheimer
zur Lösung von
organisatorischen und
finanziellen Problemen
herangezogen wurde
Wie die Oppenheimers und
andere ausgewiesen
wurden, als ihr Kredit
ausgeschöpft war
Daß jüdische Hoffaktoren zu
jener Zeit an vielen
deutschen Fürstenhöfen in
Verwendung standen
92
Die sich aus der Ausweisung der Juden insgesamt ergebenden Verluste wurden mit
500.000 Gulden beziffert.
Besonders schwer traf die Hofkammer, daß die Juden als Mittler zwischen Geldgebern
und -nehmern wegfielen. Früher hätten durch jüdische Vermittlung innerhalb von 24
Stunden 50-100.000 Gulden für die Kammer aufgetrieben werden können, wobei die
Juden daran nur ein Trinkgeld verdient hätten. Nun könne man innerhalb mehrerer
Wochen kaum 10-15.000 Gulden auftreiben und die Vermittler solcher Darlehen beanspruchten zehnmal mehr an Verdienst als die Juden.
Zur Lösung von organisatorischen und finanziellen Problemen des
Heeresnachschubs wurde - bereits zwei Jahre nach der Vertreibung der Juden aus
Wien (1670) - Samuel Oppenheimer herangezogen. Als Jude, dessen
Aufenthaltsprivileg allein von seiner Nützlichkeit im Sinne der Staatsinteressen
abhing, war er leicht erpreßbar. Eine halbjährige Haft zwang ihn, die Türkenkriege zu
finanzieren, ohne daß man ihm die bis dahin aufgelaufenen Schulden bezahlt hätte und
ohne ihm für neue Lieferungen Bürgschaften zu geben.
Der sagenhafte Reichtum, der Oppenheimer nachgesagt wurde, ist eine Legende.
Sagenhaft war nur sein Kredit. Persönlich stand er mehrmals am Rande des Ruins.
Oppenheimers Außenstände wurden vielfach Jahre hindurch nicht beglichen und
wuchsen auf enorme Beträge an.
Als die Verrechnungen zwischen ihm und der Hofkammer zu einem
undurchdringlichen Dickicht geworden waren, ließ der Kaiser seine Forderungen
überprüfen und sicherte ihm sodann zu, daß man ihm bis 1694 jede Schuld dem
Ärar gegenüber streichen werde. Samuel Oppenheimer starb 1703. Als sein Sohn
Emanuel, der die Geschäfte weiterführte, einige Posten aus Geschäften, die 20
Jahre zurücklagen, nicht belegen konnte, wurde der Firma bis zum Jahr 1694 eine
Schuld von 1,5 Millionen Gulden an die Hofkammer berechnet.
Als der Kredit Emanuel Oppenheimers ausgeschöpft war, legte man ihm eine
ziemlich willkürlich erstellte Rechnung vor, nach der er dem Ärar 4,1 Millionen
Gulden schuldete. Damit war sein Ruin besiegelt. Emanuel Oppenheimer starb
1721. Der Staat brauchte an einer Verlängerung des Aufenthaltsprivilegs für seine
Familie kein Interesse mehr zu haben. Oppenheimers Witwe starb 1738 und hinterließ ein Barvermögen von 10 Gulden und 38 Kreuzern.
“Wir, Karl der Sechste von Gottes Gnaden Erwählter Römischer Kayser ... geben euch
hiemit gnädigst zu vernehmen ... daß weilen des abgeleibten HofJuden Emanuels
Oppenheimers verliehen Landsfürstliche Privilegium in hiesiger Unserer Residentzstadt
Wien mit seiner Familia stehen zu dörffen den zweyten künftigen Monats Junii dieses
Jahres sich endiget und Wir um sothanes Privilegium weiters zu prolongieren nicht
gemeinet seynd, sondern alle unter diesem Schutz gestandene Juden nemlichen Judith
Oppenheimerin Wittib, Wolf Moyses Oppenheimer, Löw Oppenheimer, Lehmann Hertz,
Emanuel Drach und Löw Manasses mit all deren Familien, wie auch alle andere ohne
Privilegio oder Schutz dahier eingeschlichene und sich aufhaltende Juden von hier
abgeschafft wissen wollen.”
Nach Samuel Oppenheimers Tod wurde Samson Wertheimer, der mit ihm durch Heirat
verwandt war, zum Hoffaktor ernannt (1703). Das Privileg, das seinen und seiner
Familie freien Aufenthalt in Wien bis 1735 garantierte, bestätigt die “viell Millionen ...
verschafften paren Geld”, die er für den spanischen Erbfolgekrieg aufzutreiben gewußt
hatte, sowie die “Bestreittung unzählig anderer extraordinari Hoff und Kriegserfordernissen”. Samson Wertheimers Sohn Wolf geriet durch seine Geschäfte mit dem
bayrischen Hof in größte Schwierigkeiten, da das Kurfürstentum seine
Zahlungsverpflichtungen ihm gegenüber nicht einhalten konnte und schließlich - ähnlich
wie im Fall Oppenheimers - die ganze Schuld in Frage stellte. Wertheimer mußte sich
mit der Begleichung eines Bruchteils seiner Außenstände zufrieden geben. “... weil ich
sonst lebenslang zu keinem Ende hätte gelangen können”, schreibt er in seinem
Testament.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und im 18. Jahrhundert waren jüdische
Hoffaktoren eine an vielen deutschen Fürstenhöfen anzutreffende Erscheinung. Es
gab kaum eine Aufgabe, die jüdische Hoffaktoren als Financiers, Finanzberater,
Organisatoren des Heeresnachschubs usw. nicht zu übernehmen bereit gewesen
ären Hätten sie diese Bereitschaft nicht ge eigt so hätten sie nicht das A f
Geschichte
Daß “Jud Süß” - Joseph Süß
Oppenheimer den
“Hofjuden” schlechthin
verkörpert, und daß seine
Geschichte von den Nazis
zu einem Hetzfilm
verarbeitet worden ist
93
wären. Hätten sie diese Bereitschaft nicht gezeigt, so hätten sie nicht das Aufenthaltsrecht für sich und eine beschränkte Anzahl von Angehörigen und
Brotgenossen erhalten. Von jüdischen Hoffaktoren konnte sich also der Fürst
höhere Effizienz und Risikobereitschaft versprechen, als von christlichen, denn die
Juden hatten keine Wahl. Die Stellung des Hoffaktors barg die Möglichkeit
raschen gesellschaftlichen Aufstiegs und noch rascheren Falls in sich.
Vom Schicksal des “Hofjuden” hing meist das Schicksal der ganzen jüdischen
Gemeinschaft ab, das Schicksal all der Juden, von denen die Quellen nicht viel zu
berichten wissen, die allerlei nicht zünftige Berufe ausübten oder solche, die das
jüdischreligiöse Leben erforderte, wie Schächter, Lehrer, Arzt, Prediger/Rabbiner, Toraund Gemeindeschreiber.
Der “Hofjude” schlechthin war Joseph Süß Oppenheimer, der in den Diensten des
Prinzen Karl Alexander von Württemberg stand. Er entledigte sich seiner
vielfältigen Aufgaben zur vollen Zufriedenheit seines Herrn. Denn dieser empfahl
ihn dem Erbprinzen von Hessen mit den Worten: “Dieser Mann ist ein solch
Subjektum, dessen sich Leuthe Unseresgleichen mit gutem Vorteil bedienen können.”
Der Herzog war wohl ein glänzendes militärisches Talent, die Herzogswürde und die
damit verbundenen Aufgaben aber waren ihm nach dem Tod Eberhard Ludwigs
einigermaßen unerwartet zugefallen, da er nur einer Seitenlinie des Herzogshauses
angehörte. Von Wirtschaftspolitik verstand Karl Alexander nichts und verließ sich
diesbezüglich auf den Rat seines Hoffaktors.
Zur Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen riet Joseph Oppenheimer dem Herzog zu
innovativen und Sparmaßnahmen und machte sich damit gleichermaßen bei den
Zunfthandwerkern, die die Errichtung neuer Manufakturen nicht schätzten, und bei den
Adligen unbeliebt, die etwa durch die Auflösung einer repräsentativen aber militärisch
bedeutungslosen Gardeformation ihre Pfründe verloren.
Oppenheimer war ein Mann von Welt und ließ die Demut vermissen, die ihm und
seinesgleichen nach der Auffassung seiner Widersacher zukam. Er kleidete sich
nach der Mode seiner Zeit, besaß eine Gemäldesammlung und eine umfangreiche
Bibliothek. Als im Jahre 1737 Karl Alexander starb, war auch seine Zeit
gekommen: Joseph Süß wurde des Hochverrats bezichtigt und zum Tod am Galgen
verurteilt. Der wichtigste Anklagepunkt warf Oppenheimer vor, daß er einige
Monopole an jüdische Kaufleute übertragen lassen hatte.
Die Nazis griffen diesen historischen Stoff auf und verarbeiteten ihn zu dem Hetzfilm
“Jud Süß”. Einer der Angeklagten im ersten Auschwitz-Prozeß in Frankfurt schilderte
die Wirkung des Films mit folgenden Worten: “Uns wurden damals Filme gezeigt wie
‘Jud Süß’ und ‘Ohm Krüger’. An diese Filme kann ich mich noch erinnern. Was für
Folgen das hatte für die Häftlinge. Die Filme wurden der Mannschaft gezeigt. Und wie
haben die Häftlinge am nächsten Tag ausgesehen!”
Geschichte
94
WIE IM “HEILIGEN RÖMISCHEN REICH” SICH NUR EIN VERKÜMMERTER
- TERRITORIALSTAATLICHER - ABSOLUTISMUS ENTWICKELN KONNTE
UND DIE BRITEN EIN KOLONIALREICH SCHUFEN, WÄHREND MARIA
THERESIA MIT FRIEDRICH II. UM SCHLESIEN STRITT
Wie der territorialstaatliche
Absolutismus - im
Gegensatz zum
westeuropäischen
Absolutismus - die
Entwicklung des Bürgertums
und seiner Wirtschaft
behinderte
Der Absolutismus als höchste und letzte Entwicklungsstufe des Feudalismus, “in der
der Adel zum Teil nach heftigen Kämpfen einem einzelnen Fürsten die politische
Initiative und Exekutive überlassen mußte”18, entwickelte sich auch in Deutschland,
aber nur in verkümmerter, verkrüppelter Form, nicht auf der Ebene eines
zentralisierten Staatswesens, sondern bloß auf der des Territoriums, des
Fürstentums. In anderen absolutistisch regierten Ländern wurde das - wenn auch
politisch machtlose - Bürgertum durch die Zurückdrängung der Adelsfronden und die
merkantilistische Wirtschaftspolitik, die die Festigung des nationalen Marktes
begünstigte, gefördert.
In Deutschland aber, wo es möglich war, im Laufe einer Tagesreise 20 verschiedene
Territorien zu berühren, konnten die Territorialherren ihre Herrschaft und damit
die politische Zersplitterung des Landes nur aufrechterhalten, wenn sie das
Bürgertum unterdrückten, in dessen Interesse die Überwindung dieser
Zersplitterung und die Herstellung eines nationalen Wirtschaftsraumes war, womit
sie die Wirtschaft lähmten. Diese Feststellung gilt letztlich auch für die Großen unter
den Territorien des “Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation”: Österreich und
Preußen.
Wie die Türkenkriege die 1683 drangen die Türken bis Wien vor, das nicht durch habsburgische Kräfte, sondern
Notwendigkeit von erst durch ein ausländisches Entsatzheer, das der Polenkönig Johann Sobieski
Reformen erwiesen befehligte, von den Belagerern befreit werden konnte. Prinz Eugen, der Großneffe des
Kardinals Mazarin, der von Ludwig XIV. wegen seiner geringen Körpergröße
abgewiesen worden war, trat 1683 in österreichische Dienste. Unter seiner Führung
drängten habsburgische Heere die Türken aus Ungarn bis über Belgrad zurück.
Wie sich im Spanischen
Erbfolgekrieg
Großbritannien als
Kolonialmacht Nummer eins
etablierte
Wie Karl VI. versuchte,
seiner Tochter Maria
Unter dem Eindruck der Zweiten Türkenbelagerung wurde der Ruf bürgerlicher
Stimmen nach Reformen laut: Philipp Wilhelm von Hörnigk trat 1684 mit der Schrift
“Österreich über alles, wann es nur will” an die Öffentlichkeit, in der er die Errichtung
von Manufakturen anregte und die staatlichen Handelsmonopole kritisierte, die die
Entwicklung kapitalistischer Verhältnisse behinderten.
Als die spanische Linie Habsburg erlosch, bestieg mit Philipp V. (1700-1746) ein
Bourbone den spanischen Thron und Ludwig XIV. rief aus: “Es gibt keine Pyrenäen
mehr”19. Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) trat der drohenden bourbonischen
Hegemonie eine Koalition Englands, Österreichs, Hollands, Portugals und
Preußens gegenüber. An der Seite Frankreichs kämpfte lediglich Bayern, aber England
wechselte im Jahre 1711 die Seiten. Die Friedensverträge von Utrecht und Rastatt
ließen daher den spanischen Thron in der Hand der Bourbonen, die südlichen
Niederlande jedoch und die spanischen Besitzungen in Italien kamen an die Habsburger.
Eigentlicher Gewinner des Krieges war England, das seit dem ausgehenden 17.
Jahrhundert Konflikte auf dem europäischen Festland nutzte, um Konkurrenten bei der
Erwerbung von Kolonien und Handelsvorteilen auszuschalten. Die Briten sicherten sich
nun das Monopol auf den Sklavenhandel mit den spanischen Kolonien (Asiento 1713.
“Der offizielle Weg der Sklaveneinfuhr war der Asiento, d.h. ein Vertrag, den die
[spanische] Krone mit einer Gesellschaft schloß und auf Grund dessen eine bestimmte
Anzahl von Negern eingeführt werden durfte.”20).
Inzwischen tat sich auch im Osten Europas einiges: Peter der Große, der in Rußland den
Absolutismus und einschneidende Reformen durchsetzte, brach im Nordischen Krieg
(1700-1721, Sieg bei Poltava) die Vormachtstellung Schwedens an der Ostsee.
Karl VI.versuchte mit der sog. “Pragmatischen Sanktion” von 1713 sicherzustellen,
daß die Krone des “Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation” an seine Tochter
Geschichte
Theresia die Krone des
“Heiligen Römischen
Reiches Deutscher Nation”
zu sichern
und
wie sich der Absolutismus in
Preußen entwickelte
Wie die ungebrochene
Macht des Adels und der
Militarismus für den
preußischen Staat
kennzeichnend wurden
Wie die Kompaniewirtschaft
die Offiziere des
preußischen Heeres zu
“wuchernden Krämern”
machte
Wie man mit Gewalt und List
an Rekruten kam
95
Maria Theresia übergehen werde, womit neuer Konfliktstoff für das 18. Jahrhundert
geschaffen war.
Kaiser Sigismund hatte die Hohenzollern, Burggrafen von Nürnberg, mit der Mark
Brandenburg belehnt (1415/17). Im 17. Jahrhundert erwarben sie eine Reihe weiterer,
zusammenhangloser Landstücke: “Sie waren zugleich Herzöge von Pommern und
Kleve, Grafen von der Mark und Ravensberg, sie hatten Halberstadt, Minden und
Magdeburg erworben, und sie waren darüber hinaus außerhalb des Reiches, wenn auch
noch zunächst in einer gewissen Abhängigkeit erst von polnischer und dann von
schwedischer Lehnsherrschaft, Herzöge von Preußen.”21 Kurfürst Friedrich Wilhelm
I. (1640-1688) leitete die Zentralisierung ein, die jedoch einen hohen Preis forderte:
“[...] 1653 stimmten die Stände zwar der Errichtung eines stehenden Heeres zu, aber der
Adel
erhielt
dafür
große
wirtschaftliche
Vergünstigungen.
[...]
Das
Getreidehandelsmonopol der Junker, Hemmnis für die Ausbildung eines städtischen
Handelsbürgertums, und vor allem die Festigung der zweiten Leibeigenschaft waren
der Preis für die Ausbildung des Absolutismus in Brandenburg [...]”22
Dieser Absolutismus der Hohenzollern war also im Grunde genommen gar keiner, denn
es war ihnen eben nicht gelungen, die Macht des Adels zu brechen und ihre
Herrschaft auf die Städte zu stützen. Die Einigung des Hohenzollernstaates war mit
der Konservierung mittelalterlicher Verhältnisse erkauft. Noch im 18. Jahrhundert lebte
ein Drittel der preußischen Stadtbevölkerung in sogenannten Mediatstädten, deren
Bewohner den adeligen Herren Frondienste zu leisten hatten.23 “In der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts befand sich die bedeutendste Manufaktur Preußens nicht zufällig in
staatlichem Besitz, und nicht zufällig stand sie im wesentlichen im Dienste des Militärs,
nämlich das Lagerhaus in Berlin, eine Wollmanufaktur, die im Jahre 1738 4730 Arbeiter
beschäftigte.”24
Seit dem Jahre 1700 nahm Friedrich I. den Titel eines “Königs in Preußen” für sich
in Anspruch und wurde als solcher von Karl VI. anerkannt, der seinerseits die
preußische Zustimmung zu seiner “Pragmatischen Sanktion” brauchte.
Unter dem “Soldatenkönig” Friedrich Wilhelm I. (1713-1740), der den Hauptzweck
seiner Regierungstätigkeit in Aufbau und Ausbau des Heeres sah, wurde der
junkerlich-militaristische Charakter des preußischen Staates besonders deutlich,
“der für die Söldnerwerbung im Ausland, die sich vom Menschenraub besonders dann
nicht unterschied, wenn die Vorliebe des Königs für die ‘langen Kerls’ ins Spiel kam, in
ganz Europa berüchtigt war. Die sog. Kompaniewirtschaft brachte den Junkern
unmittelbare materielle Vorteile: Der adlige Kompaniechef durfte z.B. Mannschaften für
längere Zeit, während derer sie sich selbst ihren Unterhalt erwerben mußten,
beurlauben und die dadurch eingesparten Mittel in die eigene Tasche stecken.”25
Dazu kamen nicht unerhebliche Summen, die den Kompaniechefs als Werbegelder für
Rekruten zur Verfügung gestellt wurden. Wenn der Junker als Kompaniechef die Söhne
seiner Bauern zum Dienst preßte, konnte er mit den Werbegeldern seinen Sold
aufbessern.
Der Reorganisator der preußischen Armee, Generalfeldmarschall Hermann von Boyen
(Kriegsminister 1814 - 19), meinte wohl nicht zu Unrecht, daß die Kompaniewirtschaft
aus den Offizieren “wuchernde Krämer” gemacht habe.
Den einzelnen Kompanie- und Regimentschefs wurden Werbebezirke - “Kantone” zugewiesen, in denen eine theoretische Dienstpflicht aller männlichen Untertanen
herrschte, die nach Maßgabe des Bedarfs der Armee herangezogen wurden. In der Regel
traf’s arme Hunde, die es sich nicht richten konnten. Dazu schreibt Gustav Freytag in
seinen “Bildern aus der deutschen Vergangenheit”:
“Zu roh und gewaltthätig war das Verhalten der Offiziere, welche die junge Mannschaft
auszuheben hatten, zu heftig Widerstand und Abneigung des Volkes. Die jungen Leute
wanderten massenhaft aus, keine Drohung mit Galgen, Ohrabschneiden und
Beschlagnahme ihrer Habe konnte die Flucht aufhalten [...]”26
Zur Zeit Friedrichs II. bestand etwa die Hälfte der Mannschaft aus im
(deutschsprachigen) Ausland Geworbenen. Nicht wenige von ihenn hatten sich nach
einer durchzechten Nacht als preußische Heeresangehörige wiedergefunden oder waren
einfach entführt worden. Preußische Werbekommandos bildeten in den an Preußen
Geschichte
Daß den Rekruten
Rechtlosigkeit, Drill und
barbarische Strafen
erwarteten
Wie der junge Friedrich (II.)
sich die Ideen der
Aufklärung zu Eigen machte,
als “alter Fritz” aber wieder
vergaß
96
grenzenden Territorien eine regelrechte Landplage.
Auf den Rekruten warteten Rechtlosigkeit, Drill und barbarische Strafen wie etwa das
Spießrutenlaufen. Mehring zitiert eine farbige Beschreibung dieser Strafe:
“Diese wurde von 200 Mann vollstreckt. In die von ihnen gebildete Gasse ging erst der
Profoß des Regiments und verteilte die langen, in Salz getauchten Hasel- und
Birkenruten. Dann wurde der Sträfling vorgeführt. Der Regimentsauditeur verlas das
über ihn verhängte kriegsgerichtliche Urteil, die Tamboure des linken Flügels begannen
die Trommeln zu rühren, dem Verurteilten wurde der Mantel abgenommen, der seine
Blöße verhüllt hatte; mit nackter Brust und nacktem Rücken trat er
seinenSchmerzensgang an. Er war an den Händen gefesselt, damit er niemandem, weder
sich noch anderen, ein Leid antäte, an den Füßen gesfesselt, damit er nur langsam
vorwärts käme und ja kein Schlag fehlginge; in den Mund war ihm eine bleierne Kugel
gesteckt, um an ihr, nicht an der Zunge, den Schmerz zu verbeißen. Vor und hinter ihm
schritten mit erhobenem Kurzgewehr Unteroffiziere, welche verhindern sollten, daß er
zu schnell gehe oder etwa umwende; auf den Außenseiten der Gasse gingen hier der
Major, dort der Adjutant auf und nieder, indem sie die eifrig Zuschlagenden belobten,
die Säumigen durch heftigen, das Jammergeschrei des Gepeitschten und den Wirbel der
Trommel übertönenden Zuruf bedrohten. Welch ein Anblick, wenn dann das Blut die
Kleider überströmte und die Ruten beim Zurückziehen Fleischstücke losrissen; wenn der
Gemißhandelte zusammenbrach, sich aufraffte, wieder zu Boden stürzte; wenn er, zum
Gehen unfähig, wohl gar an einen Pfahl gebunden wurde und die Kameraden zum
Schlagen an ihn herantreten mußten; nicht selten geschah, daß, wenn das höchste Maß,
die dreißigste Exekution erreicht war, der Delinquent in den Sarg gelegt wurde.”27
Kaum an der Macht (1740), hatte Friedrich II. vergessen, was er im Alter von 27
Jahren in seinem “Antimachiavell” geschrieben hatte:
“Ich frage, was einen Menschen zum Größenwahn veranlassen und wieso er den Plan
hegen kann, seine Macht auf dem Elend und der Vernichtung anderer Menschen
aufzubauen. Wie kann er glauben, daß er berühmt wird, wenn er die Menschen nur
unglücklich macht? Die neuen Eroberungen eines Herrschers machen die Staaten, die er
schon besaß, nicht wohlhabender und nicht reicher, seine Völker haben nichts davon,
uznd er täuscht sich, wenn er sich einbildet, daß er dadurch glücklicher wird. Wie viele
Fürsten haben nicht durch ihre Generäle Provinzen erobern lassen, die sie nie zu
Gesicht bekamen?”28
Voltaire, mit dem Friedrich eine zeitweilige Freundschaft verband, hatte den
“Antimachiavell” überarbeitet und herausgegeben und noch im Jahre 1740 in einem
Vorwort zur zweiten Auflage den (namentlich nicht genannten aber allgemein
bekannten) Autor gefeiert:
“Der berühmte Verfasser dieser Widerlegung ist eine jener großen Seelen, die der
Himmel selten erschafft, um die Menschheit durch deren Lehren und durch deren
Vorbild zur Tugend zurückzuführen.”29
Vergessen war indessen auch das politische Testament des “Soldatenkönigs” aus dem
Jahr 1722, in dem dieser seinem Sohn geraten hatte, “niemals mit Frankreich eine
Alliance gegen das Römische Reich zu machen” und “fanget niemahlen einen
ungerechten Krieg an”.30
Wie die österreichische
Landesmutter Maria
Theresia ihre liebe Not mit
Friedrich hatte
Mit Maria Theresia, die den Habsburgerthron ebenfalls 1740 bestieg, führte Friedrich
drei Kriege um den Besitz Schlesiens (1740/41 und 1744/45 Schlesische Kriege,
1756-1763 Siebenjähriger Krieg). Der von preußischen Truppen (bei Mollwitz 1741)
errungene Sieg ermutigte die anderen Gegner Maria Theresias, ebenfalls anzugreifen. In
den Österreichischen Erbfolgekrieg (1741 - 1748), der so entbrannte, griffen
ausländische Verbündete deutscher Fürsten ein. Die österreichische Landesmutter sah
sich mit einem französisch-spanisch-bayrischen Bündnis konfrontiert, dem später
Sachsen, Schweden und andere beitraten. Großbritannien, die Niederlande und Rußland
traten auf Maria Theresias, und die ungarischen Großen hielten in dieser kritischen
Situation zu ihr. Der Friede von Aachen bestätigte sie als Alleinerbin Karls VI.
Maria Theresia ging auf Friedrichs Angebot, ihren Gatten Franz Stephan von
Lothringen als Kaiser Franz I. anzuerkennen, wenn ihm dafür Schlesien
überlassen würde, nicht ein. Daher wurde 1742 Kurfürst Karl Albrecht von Bayern
Geschichte
Daß der wesentlichere
Aspekt am siebenjährigen
Krieg (1756-1763) der eines
Kolonialkrieges zwischen
England und Frankreich ist
97
als Karl VII. zum Kaiser gewählt, starb aber bereits 1745. Im gleichen Jahr endete der
Zweite Schlesische Krieg mit dem Frieden von Dresden, der die Abtretung Schlesiens an
Preußen und das preußische Einverständnis mit der Wahl Franz I. zum Kaiser vorsah.
Den Verlust Schlesiens aber verwand Maria Theresia nicht. Der Siebenjährige Krieg
brach 1756 im Zeichen einer ungewohnten Bündniskonstellation aus: England trat auf
die Seite Preußens. Bourbon (Ludwig XV.) und Habsburg schlossen ein Bündnis, dem
auch die Zarin Elisabeth beitrat. Ausgelöst wurde er durch einen Präventivschlag
Friedrichs. Der Siebenjährige Krieg “hat die innerdeutsche Situation nicht grundlegend
gewandelt und ist in dieser Hinsicht tatsächlich nicht mehr als der Dritte Schlesische
Krieg, dessen Ausgang das Ergebnis der beiden ersten Kriege bestätigte.”31 Der Friede
von Hubertusburg (1763) ließ den Preußen Schlesien, wobei Friedrich aber nach
anfänglichen Erfolgen (Sieg bei Roßbach 1757) lediglich durch das - von ihm selbst so
genannte - “Mirakel des Hauses Brandenburg” vor der völligen Niederlage gerettet
worden war. Gemeint ist der Tod der Zarin Elisabeth, deren Nachfolger (Peter III.)
Frieden mit Friedrich schloß.
Der Siebenjährige Krieg war seinem Wesen nach eher nur Nebenschauplatz eines
weltweiten Kolonialkriegs zwischen England und Frankreich (1755-1763), den die
Briten für sich entschieden. Insgesamt hatten sie nun in Kolonialkriegen, die sie
parallel zu einer Reihe europäischer Kriege geführt hatten, zahlreiche französische und
spanische Kolonien erworben, darunter v.a. Gibraltar, Menorca, Neufundland, Kanada,
Louisiana, Britisch-Honduras. In Indien wichen die Franzosen der britischen
Ostindienkompanie und behielten nur einige Küstenstädte.
WIE SICH MARIA THERESIA UND JOSEPH II. ALS AUFGEKLÄRTE
HERRSCHER UM DAS WOHL IHRER UNTERTANEN SORGTEN, UND
WELCHE REFORMEN SIE DESHALB DURCHFÜHRTEN
Wie Maria Theresia einen
Verwaltungsapparat schuf,
der im wesentlichen bis
1848 bestehen blieb
Tiefgreifende Reformen konnten von Maria Theresia erst nach dem Ende des
Österreichischen Erbfolgekrieges (1748) in Angriff genommen werden.
Aber auch davor versuchte sie sich an einer Umstrukturierung der Behörden und einer
Trennung von Verwaltung und Justiz. Das neugegründete Haus-, Hof- und Staatsarchiv
sollte den Überblick über die staats- und verwaltungsrechtlich relevanten Urkunden
gewährleisten.
Die gegen den Widerstand des Adels, der schärfere Kontrolle fürchtete, erfolgte
Schaffung einer Zentralbehörde, der die politische und Finanzverwaltung unterstellt war,
geht auf den aus Schlesien stammenden Grafen Friedrich von Haugwitz zurück, der von
preußischen Reformmaßnahmen in Schlesien inspiriert worden war. An dem so
geschaffenen Apparat, der im wesentlichen bis 1848 bestehen blieb, nahm
Staatskanzler Kaunitz nur oberflächliche Veränderungen vor.
Daß die Kirche staatlicher Kaunitz war die treibende Kraft hinter einer Reihe von Maßnahmen, die darauf
Kontrolle unterworfen abzielten, die Kirche der staatlichen Kontrolle zu unterwerfen.
werden sollte “Charakteristisch sind namentlich Maßnahmen gegen die monastischen Institutionen,
wie etwa das Verbot eines Ordenseintrittes vor dem 24. Lebensjahr. [...] Andere
Verordnungen galten einer Überprüfung der Verbindungen des österreichischen Klerus
mit der Kurie; die Steuerfreiheit der Geistlichkeit wurde beseitigt. Diese Maßnahmen
sind um so auffallender, als Maria Theresia persönlich noch ganz einer
Kirchenfrömmigkeit älteren Stiles, ohne jede aufklärerische Note, huldigte und [...]
Geschichte
98
gegen Protestanten und Juden recht intolerant sein konnte.”32
Wie Maria Theresia dem Die besondere Fürsorge Maria Theresias galt dem Landmann:
Landmann zu Hilfe kam “Die Beseitigung der grundherrlichen Steuereinhebung und die Einschränkung der
Patrimonialgerichtsbarkeit, [niedere Privat-Gerichtsbarkeit, die dem Grundherren
zukam, selbstverständlich auch in Streitfällen zwischen ihm und dem Bauern] dann die
konsequente Scheidung von bäuerlichem und herrschaftlichem Besitz durch den
theresianischen Kataster [staatliches Grundstücksverzeichnis] von 1751 machten sich
für den Bauern doch fühlbar.”33
Von einer wirklichen Bauernbefreiung oder der Beseitigung der Leibeigenschaft war
allerdings keine Rede.
Wie Maria Theresia das Auch die 1774 vorgenommene Neuorganisation des Schulwesens zu deren
Schulwesen reorganisierte Durchführung Maria Theresia Abt Felbiger von Sagan in Preußisch-Schlesien berufen
... hatte, sollte nicht überschätzt werden, namentlich nicht die mit dieser Reform
verkündete Schulpflicht. Als ob nun die schulpflichtige Jugend samt und sonders dem
Übel der Kinderarbeit entzogen gewesen wäre und sich nurmehr dem Erlernen des
Lesens, Schreibens und Rechnens gewidmet hätte.
... und die Folter Abschaffte Endlich war die Abschaffung der Folter - nach der Einführung der Schulpflicht das
zweite Stichwort, das einem in aller Regel zu den mariatheresianischen Reformen
einfällt - der Landesmutter kein allzu dringendes Herzensanliegen, denn sie erfolgte erst
1776. Und zwar erst nach langen Bemühungen des Staatsrates Joseph von Sonnenfels.
Daß der Mann getaufter Jude war, wird in Darstellungen österreichischer Geschichte
meist diskret verschwiegen. Die Taufe konnte einen Juden unter günstigen Bedingungen
von allen Schikanen befreien und ihm eine glänzende Karriere eröffnen. Von Religion
war noch die Rede und nicht von “Rasse”. Wenn Maria Theresia übrigens bei
Audienzen mit Juden sprach, pflegte sie sich hinter einem Paravent zu verbergen.
Daß Joseph II. endlich die Joseph II. (1780 - 1790) führte die von Maria Theresia eingeleitete Trennung von Justiz
Leibeigenschaft abschaffte und Verwaltung fort und schränkte die Patrimonialgerichtsbarkeit noch weiter ein. 1781
schaffte er die Leibeigenschaft ab. Selbstverständlich wurde der Bauer damit noch
nicht zum freien Eigentümer seines Bodens. Joseph II. traf
Verfügungen
(Urbarialregulierung von 1789), die auf eine gleichmäßige Besteuerung von Herren- und
Bauernland abzielten, aber von seinem Bruder und Nachfolger Leopold II. (1790 - 92)
zurückgenommen wurden. Auch zu der von Joseph II. angestrebten Ablösung der
bäuerlichen Robotdienste kam es nicht. “[...] es waren mehr bürokratische Bedenken
und geringe Einsicht der Regierungsstellen als grundherrliche Widerstände, die diesen
Plan vor Ausbruch der Revolution von 1848 nicht mehr Wirklichkeit werden ließen.”34
Es leuchtet ein, daß die Herren im Prinzip nicht viel gegen eine Ablösung der
Frondienste einzuwenden hatten, denn diese wurden widerwillig und schlecht versehen.
Wie das Toleranzpatent die Mit dem Toleranzpatent gewährte Joseph II. im gleichen Jahr Lutheranern,
Religionsfreiheit herstellte, Calvinisten und Griechisch-Orthodoxen bürgerliche Gleichstellung mit den
die Juden von allen Katholiken. Die Juden befreite das Toleranzpatent von einer Reihe
möglichen Schikanen diskriminierender Verordnungen: Von nun an war es ihnen erlaubt, Hochschulen und
befreite, ihnen aber noch Akademien zu besuchen, jeglichen Handel und jedes Handwerk auszuüben, ihren
keine staatsbürgerlichen Wohnort innerhalb der Stadt frei zu wählen, öffentliche Lokale zu frequentieren, sowie
Rechte zugestand an Sonn- und Feiertagen auch vor zwölf Uhr das Haus zu verlassen,
Bekleidungsvorschriften und Leibmaut (eine Abgabe, die von auswärtigen Juden beim
Passieren der Stadttore eingehoben wurde und der Maut für Kleinvieh entsprach)
wurden abgeschafft.
Verboten war den Juden die Benützung der hebräischen Schrift und der hebräischen
bzw. jiddischen Sprache in Urkunden. (Christliche Drucker stellten jüdische Setzer und
Korrektoren ein und taten nun, was ihre jüdischen Kollegen nicht durften. Anton Schmid
war in diesem Gewerbe so erfolgreich, daß er dafür sogar in den Adelsstand erhoben
wurde.)
Vorgeschrieben war den Juden seit 1787, (deutsche) Familien- und Vornamen zu
tragen. Manch einer war seither infolge der Willkür kaiserlicher Beamter durch einen
lächerlichen Namen gezeichnet. Oft wurden einfach die Bezeichnungen von Farben oder
Gebrauchsgegenständen zur Namensgebung herangezogen.
Das Toleranzpatent betonte, daß die Anzahl der Juden keineswegs vergrößert werden
sollte. Verboten blieb die Bildung einer offiziellen Gemeinde in Wien, verboten
Geschichte
Wie Joseph II. Zahlreiche
Klöster aufhob
Daß Joseph II. das
Allgemeine Krankenhaus
errichten ließ
99
auch eine Wohnungsnahme in Niederösterreich, “es sey denn, daß sie ... eine Fabrik
errichten oder sonst ein nützliches Gewerb einführen” wollten. Mit diesem Angebot Aufenthaltsgenehmigung für unternehmerische Initiative - stand Joseph ganz in
der Tradition der Judenpolitik seiner Vorgänger. Die volle bürgerliche
Gleichstellung der Juden ließ in Österreich bis 1867 auf sich warten.
Klöster, die mit keinen Leistungen auf dem Bildungs- oder Krankenpflegesektor
aufwarten konnten - mehr als 400 an der Zahl - ließ Joseph II. aufheben.
Die Fürsorge für Kranke und Arme sollte nicht allein der Kirche überlassen werden:
Unter Joseph II. Wurde vor allem das Allgemeine Krankenhaus errichtet. Dazu
kam eine Reihe weiterer Einrichtungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens
und der Fürsorge.
Geschichte
1
Manfred Lurker, Götter und Symbole der alten Ägypter, 1974 Bern-München-Wien, S. 90
Bibwelt II 914
3
Wolfgang Kunkel, Römische Rechtsgeschichte, Köln-Graz 1968, S. 31
4
Kautsky, S. 43
5
Erich Zöllner, Therese Schüssel; Das Werden Österreichs, Wien 1990
6
Eva Priester 39
7
) Kautsky, 211f.
8
) Kautsky, 215.
9
) Kautsky, 42.
10
) Kautsky, 215.
11
) Kautsky, 222.
12
) Kautsky, 224.
13
) Pastor, Geschichte der Päpste, zit. nach Hirsch 198.
14
) Kofler, S. 129
15
Kautsky, S. 260
16
) Kofler, S. 126
17
zit. n.: Bdodo von Borries, Kolonialgeschichte und Weltwirtschaftssystem, Düsseldorf 1986
2
18
Streisand 89
Kleine Enzyklopädie, Weltgeschichte Bd.II 257
20
Haussherr 208
21
Streisand 93
22
Streisand 93f
23
Streisand 99
24
Streisand 99
25
Streisand 94f
26
zit.n. Kuczynsy 2/337
27
zit. n. Kuczynsky 2/341f
28
Antimachiavell 11
29
Antimachiavell 109
30
Streisand 95
31
Streisand 97
32
Zöllner 315f
33
Zöllner 361
34
Zöllner 362
19
100
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