110623 MurnaumitText.key - Regierung von Oberbayern

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Muck Petzet
Muck Petzet Architekten, München / Berlin
Associate Professor of Sustainable design, USI Mendrisio
Bestand mit Zukunft? Bestand ist Zukunft!
die drei Bereiche
der Nachhaltigkeit
Ökologie
Verbrauch natürlicher Ressourcen
Umwelt-Management
Vermeidung von Schadstoffen
(Luft, Wasser, Erde, Abfall)
adaptiert von
‚university of michigan
sustainability assessment’ 2002
sozial-ökologisch
ökologische Gerechtigkeit
verantwortlicher Umgang
mit natürlichen
Ressourcen
lokal & global
ökologisch-ökonomisch
Energieeffizienz
Anreize für den
nachhaltigen Umgang mit
Ressourcen
Nachhaltigkeit
Gesellschaft
Lebensstandard
Erziehung
Gemeinschaft
Chancengleichheit
Ökonomie
ökonomisch-sozial
Geschäfts-Ethik
fairer Handel
Arbeiter Rechte
Gewinn
Kosteneinsparungen
Wirtschafts-Wachstum
Forschung und Entwicklung
die drei Bereiche
im Städtebau / in der
Stadtentwicklung!
Ökologie
Verbesserungen des Bestandes
Energieeffizienz
Vermeidung von CO2 Emissionen
aus fossilen Brennstoffen
sozial-ökologisch
ökologische Gerechtigkeit
verantwortlicher Umgang
mit natürlichen
Ressourcen
Nachhaltigkeit
lokal & global
Bestand als
Ressource
Gesellschaft
Schrumpfungs- und
Umverteilungsprozesse /
Überalterung
ökologisch-ökonomisch
Energieeffektivität
Anreize für den
nachhaltigen Umgang mit
Ressourcen
Lebenszyklus-Betrachtung
Entwicklung des
Vorhandenen
ökonomisch-sozial
Wohnungsbauförderung
Modernisierungsförderung
soziale Infrastruktur
Ökonomie
bezahlbares Wohnen
Anreize zur Kompensation
von Schrumpfungsprozessen
Bestand als Ressource
Speicher von Bedeutungen / Werten / Energien
- ökologische Energie: (‚graue‘ Herstellungsenergie, Ressourcen)
- ökonomische Energie: (Zeit, Ersparnis, Baurecht)
- soziale Energie: (Identität, Verwurzelung)
- kulturelle Energie: (Architektur, Geschichte)
Integration / Affirmation und Weiterentwicklung des Vorhandenen
statt Neubau
aufwerten
verbessern
transformieren
Wärmepumpenprinzip
Assetmapping als
Entwurfsprinzip
je höher die
Ausgangsenergie
(Ernte)
umso weniger
je mehr Potentiale erkannt und
entwickelt werden umso höher ist
die Ausgangsenergie
(Ernte)
Energie muss
von außen zugeführt
werden
umso weniger
Energie / Ressourcen / Geld muss
von außen zugeführt
um ein hochwertiges
werden
Ergebnis zu erzielen
um ein hochwertiges
Ergebnis zu erzielen
jede Bausubstanz hat eine
grundsätzliche Existenzberechtigung
einfach weil sie schon da ist…
ob sie uns ‚gefällt‘ oder nicht
in prosperierenden Großstädten
spielen die Baukosten in Relation zu den
Grundstückskosten - und den Verkaufspreisen
eine untergeordnete Rolle
Abbruch und Entsorgung sind bezogen auf die tatsächlichen
Umweltkosten - viel zu niedrig
Beispiel: München - Abbruch eines Gebäudes
aus den 50er Jahren - das fast baugleich
wieder errichtet wird
Beispiel Stuttgart 21:
die vorhandene Architektur wurde als ‚störend‘ für
die Neuentwicklung empfunden - und beseitigt
Unbewusste Entscheidungsmechanismen:
das kollektive Unterbewusstsein
beeinflusst Entscheidungen und Vorlieben
Unsere Vorstellung von der Zukunft:
die Zukunft ist… neu……! futuristisch eben!
das ‚effiziente‘ Neue soll das ineffiziente Alte ersetzen..?
die üblichen
Zertifizierungssysteme blenden
die Bilanzen ‚belastende‘ Geschichte
einer Nutzung / eines Grundstücks aus…
Verbrauchsparameter bestimmen die Diskussion
um nachhaltiges Bauen
Beispiel: München, Projekt Arabeska
zertifiziert von DGNB mit 93,5% ‚Ökoeffizienz‘
Die zeitliche Schnittstelle für die
Berechnung wurde nach dem Abbruch des Gebäudes gezogen
Herstellungsprozesse werden in Effizienzbetrachtungen
meisten vollständig vernachlässigt
die ‚schmutzigen’ Herstellungsprozesse wurden
in ferne Länder verlagert
dort hinterlassen ‚unsere‘ Waren und Produkte
ihre Umweltfolgen
den Lebenszyklus umfassende Kriterien … Bsp.: SNBS
„It is fundamentally the confusion
between effectiveness and efficiency that stands between doing the right
things and doing things right. There is
surely nothing quite so useless as
doing with great efficiency what should
not be done at all.“
Peter Ferdinand Drucker:
Managing for Business Effectiveness 1963
Änderung der Wahrnehmung als Vermeidungsstrategie:
Donnerstag, 27. Juni 13
Onlinepetition für den Erhalt des Gesundheitshauses
Gesundheitshaus
Energieverbrauch nach 25 Jahren in kwh
Bestand
Modernisierung
Abriss + Neubau
Niedrigstenergie
0 kwh
20 Mio kwh
40 Mio kwh
Energieverbrauch Heizung
Energetische Bewertung von Abbruch / Neubau > Bestand / Modernisierung
1. isolierte Betrachtung der Nutzungsenergie (Heizung)
Gesundheitshaus
Energieverbrauch nach 25 Jahren in kwh
Bestand
Modernisierung
Abriss + Neubau
Niedrigstenergie
0 kwh
20 Mio kwh
40 Mio kwh
Energieverbrauch Herstellung
2. Mitbetrachtung der Herstellungsenergie
Energieverbrauch Heizung
Gesundheitshaus
Energieverbrauch nach 25 Jahren in kwh
ca. 36,0 Mio kwh
Bestand
ca.18.5 Mio kwh
Modernisierung
Abriss + Neubau
ca.21 Mio kwh
Niedrigstenergie
0 kwh
20 Mio kwh
40 Mio kwh
Energieverbrauch Herstellung
2. Mitbetrachtung der Herstellungsenergie
Modernisierung liegt jetzt vor Abriss / Neubau
Energieverbrauch Heizung
Gesundheitshaus
CO2-Ausstoss nach 25 Jahren in t
3’960 t
Bestand
3’280 t
Modernisierung
10’160 t
Abriss + Neubau
Niedrigstenergie
0t
5’000
10’000 t
CO2 Ausstoß Herstellung
CO2 Ausstoß Heizung
3. Mitberücksichtigung der unterschiedlichen Energieträger:
Umrechnung in CO2 Äquivalente:
Der Betrieb erfolgt mit Fernheizung /
bei Abbruch und Herstellung werden fossile Energieträger eingesetzt
Abriss und Neubau schneiden deutlich schlechter ab
Unbewusste Entscheidungsmechanismen:
deformation professionelle
Architekten wollen das Neue, nie dagewesene schaffen
Ihre Kunden erwarten das von Ihnen
Le Corbusiers schwarz / weiß Propaganda:
das alte als düster / ungesund / irrational
das neue als hell / gesund / rational
Distanzierung vom Bestand als
Ausdruck von Modernität
Die Ideal- Siedlung Pruitt-Igoe in St. Louis
wurde von Minoru Yamasaki auf einer sauber radierten
Tabula Rasa errichtet
wenige Jahre später wurde die Siedlung selbst
wieder ausradiert…
identifizieren sich die Architekten mit dem Bestand
oder mit ihrer Hinzufügung?
das alte soll irgendwie anders werden…..
negative Zielvorstellungen führen zu negativen Ergebnissen
Frankfurt technisches Rathaus:
dieses Gebäude wurde nicht dem Wunsch nach ‚neuer‘ Zukunft
geopfert
sondern dem Wunsch nach ‚historischer’ Stadt
Haltung
Es geht darum, niemals etwas
abzureißen, wegzunehmen oder zu
ersetzen, sondern immer etwas hinzuzufügen, zu transformieren und weiter
zu nutzen.
Das ist eine Arbeit, die Genauigkeit, Feinfühligkeit, Freundlichkeit und Aufmerksamkeit erfordert: gegenüber Menschen, Nutzungen, Konstruktionen,
Bäumen, Böden, egal ob aus Asphalt oder Gras - allem Bestehenden gegenüber. Es geht darum, eine Situation so wenig wie möglich oder besser überhaupt nicht zu stören, großzügig zu sein, mehr zu erzeugen, Nutzungen zu ermöglichen und das Leben leichter zu machen.
Lacaton & Vassal
Place Léon Aucoc, Bordeaux: 1996 - bis heute fast unverändert
die Architekten L&V überzeugen ihre Auftraggeber daß der
Platz nicht ‚verschönert‘ sondern nur besser gepflegt werden
sollte
L&V: Transformation de la Tour Bois le Prêtre, Paris 2011
statt des geplanten Abbruchs: die Bewohner können bleiben
Das Haus erfährt eine massive Aufwertung
Bestandsgrundriss
Grundriss mit Umbau als ‚Additionsprinzip‘
das Vorhandene behält seinen Platz
und seine Bedeutung
das Neue schafft neue Möglichkeiten und Qualitäten
in der Nutzung des Alten und Vertrauten
der Deutsche Pavillon auf der Architekturbiennale
in Venedig 2012
Ein Versuch das Wertesystem der Abfallwirtschaft auf
den Umgang mit bestehender Architektur zu übertragen
Vermeidung sollte immer die erste Option sein
erst dann kommt die Weiternutzung
Recycling ist fast schon im roten Bereich
most
favoured
option
reduce / prevention
minimisation
reuse
recycling
least
favoured
option
energy recovery
disposal
Vermeidungsstrategien:
Wahrnehmungsänderung
Instandhaltung
Verhaltensänderung
Gerd Rohlings wunderschöne Objekte sind liebevoll
behandelter und ausgestellter ….
Müll….
Merlin Bauers Aktionen führten zu einer
Wahrnehmungsänderung der ‚geächteten‘ Nachkriegsmoderne
in Köln ….
eine lesenswerte Broschüre zu beispielhaftem Umgang
mit Bestand - kann bei der Architektenkammer bestellt
werden ….
1
Bestandsbauten Konservieren
Wenn Bestand und Formensprache der Entstehungszeit bei
Instandsetzungs- und Umbaumaßnahmen nicht erneuert, sondern allenfalls repariert werden,
spricht man von konservieren.
Zeitgemäße Anforderungen
etwa an die Energieeffizienz, den
Brandschutz oder die Barrierefreiheit werden mit gestalterisch
zurückhaltenden baulichen Eingriffen erfüllt. Kann dieses Ziel
nicht realisiert werden, ist die
Lösung in Nutzungsalternativen
zu suchen, die möglichst verträglich mit dem Bestand umgehen.
12
16
Haus H.
Krailling
18
Boschetsrieder Siedlung
München
24
Wiedemannhaus,
Teng-/Zieblandstraße
München
26
Hanns-Seidel-Haus
Studentenstadt
München
28
BMW Hochhaus Areal
München
34
Verbandsschule
Wallenfels
36
Hainschule
Bamberg
38
Hallenbad
Selb
40
Kongresshalle
Augsburg
42
Matthäuskirche
München
13
Wiedemannhaus
Teng-/Zieblandstraße
München
Zurückhaltende Teilerneuerung
Das Mehrfamilienhaus Zieblandstraße 14, das
heute „Wiedemannhaus“ heißt, wurde 1956 / 57
nach Plänen des bedeutenden Münchner
Architekten und Hochschulprofessors Josef
Wiedemann errichtet. Dieser fungierte zugleich als Bauherr. Die Bauweise und Architektursprache des Hauses ist typisch für die
Mehrfamilienhäuser des Münchner Wiederaufbaus der 1950er Jahre. Das Wiedemannhaus sticht jedoch durch seine Proportionierung und einen raffinierten Umgang mit dem
schwierigen, polygonalen Eckgrundstück
heraus. Ursprünglich war das Haus in einem
helleren Farbton, in pompejanischrot gestrichen, die Lage der Stahlbetondecken wurde
als heller, beigegrauer Streifen sichtbar gemacht. Das Hochparterre setzt sich durch
die Fenstergliederung deutlich als Sockelgeschoss ab. Die Südseite des Gebäudes
erhält durch die Loggien und großen Fenster
einen offenen Charakter, die anderen Seiten
sind als Lochfassaden mit unterschiedlichen
Fensterformaten ausgebildet, die die Raumnutzung deutlich erkennen lassen. Die Fenster
sind putzbündig eingesetzt. Das Gebäude
wurde 2008 unter Denkmalschutz gestellt.
Bei der Sanierung im Jahre 2009 galt es
daher ein besonderes Augenmerk auf die
Ausführungsdetails der Fassade zu legen. Alle
Maßnahmen zielten auf den Erhalt oder die
Wiederherstellung der Wiedemannschen
Gestaltung ab. Die zum Großteil noch aus der
Bauzeit stammenden Verbundfenster wurden
instand gesetzt und energetisch optimiert.
Innenseitig wurden Isolierglasscheiben sowie
umlaufende Dichtungen und Lüftungsschlitze
eingebaut. Schwer beschädigte Fenster wurden teilweise baugleich neu erstellt. Der in
den 70er Jahren hinzugefügte Dispersionsanstrich wurde abgebürstet, die ursprüngliche
Fassadenfarbe durch Farbuntersuchungen
ermittelt und wiederhergestellt. Ausbesserungen am Kalkzementputz waren vor allem im
Bereich der außen angeschlagenen Fenster
erforderlich. Das bestehende Satteldach wurde lediglich punktuell instand gesetzt, der
Dachraum wurde innen wärmegedämmt.
Die Sanierung ist heute kaum zu erkennen.
Bestand
Bauherr
Architekt
Umbau
Bauherr
Planung
Ausführung
1958 / 59
Hilma Wiedemann
Josef Wiedemann, München
Fassadensanierung 2008 / 09
Brigitta Michail (geb. Wiedemann)
Arbeitsgruppe Denkmalpflege,
Meike Gerchow und
Eva-Maria Ilsanker, München
Meike Gerchow, München
Bild oben:
Südfassade
Bild unten links:
Eingangsportal
Bild unten rechts:
Fenstersanierung
Bestand vor Sanierung
24
Bestandsbauten Konservieren
25
Hanns-Seidel-Haus
Studentenstadt
München
Neue Fenster, sanierter Beton
Bestand
Bauherr
Architekt
Umbau
Bauherr
Architekt
Bild links:
Ansicht West
Bild rechts:
Ansicht West frontal
26
Bestandsbauten Konservieren
Die Studentenstadt Freimann wurde in vier
Bauabschnitten in den 60er und 70er Jahren
errichtet und ist die größte Studentensiedlung
Deutschlands. Durch den hohen Bedarf studentischer Wohnungen wurde die niedrigere
Bebauung der ersten beiden Bauabschnitte
durch Hochhäuser ergänzt. Das neunzehngeschossige, insgesamt knapp 60 Meter hohe,
65 Meter lange und 20 Meter tiefe HannsSeidel-Haus, das 1971 bis 1973 als dritter
Bauabschnitt realisiert wurde, ist das dominanteste Gebäude der Studentenstadt und
eine Landmarke im Norden Münchens. Es
enthält knapp 620 nach Osten oder Westen
orientierte Appartements. Die plastisch mit
vorgehängten Betonfertigteilelementen gegliederte Fassade ist das charakteristische
Merkmal der Architektur. Dem gesamten
Ensemble sind Fassaden aus Sichtbeton mit
dem Relief einer rauen Brettschalung gemeinsam.
Während der Sanierung von 2006 bis
2010 wurden die Aluminium-Fensterelemente
durch wärmeschutzverglaste, thermisch getrennte Fenster gleicher Profilierung ersetzt,
auch die Farbe der Fensterrahmen, die dem
Gebäude den Namen „Grünes Haus“ eingebracht hat, wurde beibehalten. Die Flachdachabdichtung wurde erneuert und die Dachflächen wurden gedämmt. Auf eine Dämmung
der Sichtbetonwände wurde verzichtet, stattdessen wurden die Betonflächen der Fassaden umfassend saniert und ihrem ehemaligen
Erscheinungsbild entsprechend wiederhergestellt. Die vor der Fensterfassade auf
Einzelkonsolen aufliegenden horizontalen
Betonfertigteilriegel wurden ersetzt, da eine
Sanierung an den Auflagern nicht möglich
war. Der Einbau neuer Elemente ermöglichte
es außerdem, die scharfkantige Detaillierung
der Fertigteile zu erhalten.
1972
Studentenstadt München e.V.
Ernst Maria Lang, München
2010
Studentenwerk München,
Anstalt des öffentliche Rechts
Christoph Maas Architekturbüro GmbH, München
Ansicht West vor Sanierung
27
2
Bestandsbauten Interpretieren
Sanierungs- und Umbaumaßnahmen stellen teilweise deutliche
Eingriffe in den Bestand dar und
bedienen sich einer eigenen
Formensprache, die sich jedoch
in die Gestaltungsprinzipien des
Bestands einfügt. Den heutigen
Anforderungen an die Gebäudenutzung wird weitgehend entsprochen. Die heutigen technischen Möglichkeiten werden
umfassend umgesetzt. Die Veränderungen am Bestand werden
allerdings im Sinne der ursprünglichen Gestaltung durchgeführt.
46
Bestandsbauten Interpretieren
50
Studentenstadt Oberwiesenfeld
Teil 1: Alte Mensa
München
56
Studentenstadt Oberwiesenfeld
Teil 2: Bungalowdorf
München
58
Studentenstadt Oberwiesenfeld
Teil 3: Studentenhochhaus
München
64
Graues Haus
München
66
Sparkasse
Nürnberg
72
Deutsches Patentamt
München
78
Sonnencarrée
München
80
Haus der Bayerischen Landkreise
München
82
Kindergarten Leiden Christi
München
84
Gebäude 115 der Universität
Erlangen-Nürnberg
90
Pfarrzentrum Christkönig
Schweinfurt
92
Moritzkirche
Augsburg
47
Studentenstadt
Oberwiesenfeld München
Teil 3: Studentenhochhaus
Redesign der neuen Fassadenhülle
Das Wohnhochhaus wurde zu den Olympischen Sommerspielen 1972 als Teil des
Frauendorfs nach Plänen von Günther Eckert
1969 bis 1971 errichtet. Auf fünfzehn bis
neunzehn Geschossen befinden sich 801
Appartements, erschlossen über zwei Kerne.
Das Haus wurde aus vorgefertigten Grundelementen zusammengesetzt: Einem tragenden,
windsteifen Rahmen, der als Loggia dient,
einem Tragbalken zwischen zwei Loggien
und einer aufliegenden Deckenplatte. Diese
Struktur ermöglichte stützenfreie Geschossflächen, die flexible Grundrisse und den Einsatz vorgefertigter Nasszellen aus Kunststoff
erlaubten.
Nach jahrzehntelanger Nutzung als Studentenheim stellten sich folgende Probleme:
Die Zimmergröße entsprach nicht mehr den
heutigen Richtlinien, während die Loggien
oft ungenutzt blieben, weil Tauben, Wind und
Zugluft die Aufenthaltsqualität minderten.
Die stark gegliederte Gebäudehülle mit einem
ungünstigen Wand-Volumenverhältnis und
das außenliegende Tragwerk mit zahlreichen
Wärmebrücken verbrauchten viel Energie.
Eine Fuge zwischen den Balkonrahmen und
den Außenwandelementen ließ zudem einen
Brandüberschlag zwischen den Geschossen
befürchten.
Die Bedeutung des Hauses im Ensemble
der Olympiabauten forderte eine Lösung,
die die Struktur und Erscheinung weitgehend
erhält. In den Jahren 2009 bis 2012 wurde das
Haus nach Planung der Architekten Knerer
und Lang aus Dresden saniert. Sie entwickelten ein Konzept, das die vollständige Räumung
der Geschosse, den Neuaufbau der Appartements einschließlich neuer Nasszelle und
die Herstellung einer neuen Fassade vorsah.
Die starke Plastizität der Fassade, die Sichtbetonflächen und der modulare Aufbau wurden neu interpretiert. Die Gebäudehülle rückte
nach außen. Die Oberfläche des Hauses
wurde dadurch vereinheitlicht und die Energiebilanz verbessert. Ein zurückgesetztes Fensterelement, ein vorgehängter Rahmen aus
Leichtbeton und eine großformatige Tafel aus
Aluminium als feuerbeständiges Brüstungsfeld erinnern an den Bestand.
Der Verzicht auf die Loggien vergrößerte
die Wohnfläche um 3,6 qm. Der Einbau der
vorgefertigten Nasszellen sorgte für eine
rasche Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen. Flexibel nutzbare Gemeinschaftsräume ergänzen die einzelnen Appartements.
Das seit dem Bezug mit wilden Einbauten
verunstaltete und zugebaute Erdgeschoss
wurde zurückgebaut. Das Material für die
Fassade, das Modulsystem, die Stapelung
der Elemente und die Plastizität verleihen
dem Haus ein Aussehen, das dem ursprünglichen Charakter sehr nah kommt. Das Farbkonzept der Fassade zitiert die Farben des
Olympiadorfes und ist beispielhaft für Bauten
der 70er Jahre.
Bestand
Bauherr
Architekt
Umbau
Bauherr
Architekt
1972
Studentenwerk München
Günther Eckert, München
2012
Studentenwerk München
Knerer und Lang
Architekten GmbH, Dresden
Bild oben:
Ost-Fassade des Studentenhochhauses
mit dem Olympiaturm im Hintergrund
Bild unten:
Foyer des Studentenhochhauses mit
Briefkastenanlage in den Farben der
Olympischen Spiele München 1972
Bestand vor der Sanierung
58
Bestandsbauten Interpretieren
59
Sonnencarrée
München
Interpretation des Alten in neuem Material
Bestand
Bauherr
Architekt
Umbau
Bauherr
Architekt
1958
Münchener Rückversicherungs - Gesellschaft AG
v. Werz & Ottow, München
2010
Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG
DMP Architekten, München
Axel Altenberend
Horst Mauder
Das prominente Gebäudeensemble an der
Sonnenstraße, der sogenannte „Sonnenblock“
der Architekten Helmut von Werz und JohannChristoph Ottow, gelegen am Münchner Altstadtring zwischen Stachus und SendlingerTor-Platz mit Baujahr 1958, besteht aus einem
zwölfgeschossigen Hochhaus und einem
siebengeschossigen Flachbau. Es zählt als
eines der wenigen Hochhäuser im Münchner
Stadtzentrum zu den Meilensteinen der
Wiederaufbauarchitektur.
Nach Rückführung auf die Rohbausubstanz
wurden die Gebäude neuinterpretiert und
unter Berücksichtigung der ursprünglichen
Gestaltungsmerkmale vollständig saniert. Die
innovativen Planungslösungen in Bezug auf
die Fassadengestaltung, die Energieeffizienz
und eine wesentliche Erhöhung der Nutzungsflexibilität mittels sinnvoller Restrukturierung
der Grundrisse waren Basis der Revitalisierung. Die Architekten haben damit das Ziel
erreicht, langfristig und auf hohem Niveau
den Wert des Bauwerks sicherzustellen.
Die Treppenhäuser erscheinen jetzt offen
und sind großflächig natürlich belichtet. An
den Fassaden sorgen sie für konstruktive
Struktur, während die satinierten Glasflächen
mit wechselnden Fensteröffnungen den
Eindruck einer lichtdurchfluteten Skulptur
zeichnen. Mit insgesamt mehr als 11.000 qm
Bürofläche sowie 2.700 qm Einzelhandelsfläche und Gastronomiebereich wurde ein
Büro- und Geschäftsgebäude in Münchens
Stadtmitte wiederbelebt, das langfristig und
nachhaltig den hohen Ansprüchen seiner
künftigen Nutzer und Eigentümer sowohl
funktional als auch hinsichtlich zeitgemäßer
Energiebewirtschaftung gerecht werden
kann.
Bild oben:
Ansicht Nordwest
Bild unten links:
Detail Fassade Treppenhaus
Bild unten Mitte:
Perspektive Treppenhaus
Bild unten rechts:
Detail Fassade neu
Bestand vor dem Umbau
78
Bestandsbauten Interpretieren
79
3
Bestandsbauten Transformieren
Sanierungs- und Umbaumaßnahmen greifen wesentlich in
die Bausubstanz ein und überformen das Gebäude gestalterisch deutlich. Die bauliche
Grundstruktur wird systematisch
genutzt, jedoch funktional verändert. Bestand und Umbaumaßnahmen verschmelzen zu einem
neuen architektonischen Ausdruck.
96
100
Haus Kehrbaum
Kaufbeuren
102
Wohnhaus Dörflerstraße
Ingolstadt
104
Wohnsiedlung, Fernpassstraße
München
106
Mehrfamilienhaus
Grüntenstraße
Augsburg
108
Treehouses Bebelallée
Hamburg
110
Wohnhochhäuser Piusviertel
Ingolstadt
112
Pacelli-Palais
München
114
Haus der Ärzte
Saarbrücken
118
Bayerische BauAkademie
Feuchtwangen
120
Hochhaus C10 der Hochschule
Darmstadt
122
Gebäude 0505 der TU
München
128
Heizkraftwerk
Würzburg
134
Haus der Generationen
Mallersdorf-Pfaffenberg
138
Dornbuschkirche
Frankfurt am Main
97
Wohnsiedlung Fernpassstraße
München
Aufstockung, Anbau und energetische Sanierung
in vorgefertigter Holzbauweise
Die Wohnsiedlung Fernpassstraße der GWG
München aus den 50er Jahren bestand aus
einfachen, dreigeschossigen Zeilenbauten mit
Satteldächern und dokumentierte die schlichte Bauweise einer Zeit großer Wohnungsnot.
Für das Mauerwerk wurden teilweise Abbruchziegel aus Kriegsschutt verwendet. Die Wohnungsgrößen waren entsprechend gering.
Um die Modernisierung der Bestandsgebäude zu finanzieren und um dem anhaltenden Wohnungsbedarf in München zu begegnen, wurde die Anlage nicht nur umfassend
saniert und umgebaut, sondern auch um ein
Geschoss aufgestockt und um einen Kopfbau
an einer der Gebäudezeilen erweitert. Die Gebäudeerschließung wurde radikal verändert:
Statt der innen liegenden Treppenhäuser,
durch die zwei Wohneinheiten pro Geschoss
erschlossen waren, sind die Wohnungen nun
durch einen vor die Ostfassade gestellten
Laubengang zugänglich. Der ehemalige Treppenraum konnte den Wohnungen zugeschlagen werden, wodurch zeitgemäße Wohnungszuschnitte geschaffen wurden. Außerdem
kann jede Zeile kostengünstig durch nur
einen Aufzug barrierefrei erschlossen werden.
Die Fassadendämmung des Bestands und
die tragenden Außenwände von Aufstockung
und Neubau bestehen aus vorgefertigten,
hochwärmegedämmten Holz-Rahmenbauelementen. Die Decken der Auf- und Anbauten
sind als sichtbare Brettsperrholzelemente
ausgeführt. Das Projekt zeigt somit beispielhaft, wie sich mit dem ökologischen Baustoff
Holz alle Anforderungen des Bauens im Bestand erfüllen lassen. Die Qualität der Gebäudehülle von Sanierung und Erweiterungen entspricht den Anforderungen an Passivhäuser.
In Kombination mit der Optimierung der Anlagentechnik wurde der Primärenergiebedarf
der Anlage um 94% reduziert.
Außenwandaufbau und Fassadenbekleidung aus grau lasierten Fichtenbrettern unterscheiden nicht zwischen Bestand, Aufstockung und Anbau. Die Fenstergrößen und
die neuen, vorstellten Balkone und Laubengänge sind einheitlich gestaltet. Die neue
Wohnanlage macht nun einen in sich stimmigen Eindruck.
Bild oben:
Ansicht Innenhof mit Anbau,
Aufstockung und vorgestellten
Laubengängen
Bild Mitte:
Foyer im Neubau
Bild unten:
Behindertengerechte Erschließung
durch Aufzüge und Laubengänge
Östlicher Innenhof vor dem Umbau
Bestand
Bauherr
Architekt
Umbau
Bauherr
Architekt
104
Bestandsbauten Transformieren
Geschosswohnbauten, 1958
GWG Städt. Wohnungsgesellschaft München mbH
Karl Weinzierl, Lochham
2012
Robert Vogel GmbH & Co. KG
Kaufmann.Lichtblau.Architekten München, Schwarzach
105
Gebäude 0505 der TU
München
Dynamische Überformung
Bestand
Bauherr
Architekt
Umbau
Bauherr
Architekt
Bild oben:
Ansicht West
Bild unten links:
Detailansicht West
Bild unten rechts:
Ansicht Innenhof
1963
Freistaat Bayern
Franz Hart mit Werner Eichberg
1. BA 2011
2. BA 2013
Freistaat Bayern,
vertreten durch das Staatliche Bauamt München 2
Hild und K Architekten, München
Ansicht West vor dem Umbau
Der Wiederaufbau der Technischen Universität nach dem Zweiten Weltkrieg wurde nach
zwei Prinzipien durchgeführt: Die städtebaulich geschlossene Form des Baublocks an
prominenter Stelle westlich der Achse der
alten Pinakothek wurde eingehalten. Und:
Die einzelnen Abschnitte folgen in Gestalt
und Prägung der jeweiligen Zeit und dem
Bedarf.
So bildet der Block heute alle Zeiten ab,
in denen an ihm gebaut wurde, Der Teil an
der Ecke Luisen- und Theresienstraße wurde
1963 von Franz Hart geplant. Konstruktiv als
Betonrahmenbau konzipiert, richtet er sich
nach den Geschosshöhen der älteren TUGebäude. Auf einem hohen Erdgeschoss
sitzen drei Normalgeschosse auf, die mit
Fertigteilelementen im Wechsel mit Fenstern
verkleidet sind. Im Erdgeschoss treten Pfeiler
122
Bestandsbauten Transformieren
leicht vor die Fassade und geben mit den
zurückliegenden Füllungen dem Haus eine
schwach plastische Erscheinung. Die Fassade
war nach Jahrzehnten unansehnlich und
schmutzig, eine wirksame Wärmedämmung
fehlte.
Die neue Fassade organisiert sich mit
Brüstungen und Pfeilern um die Stützen der
alten Skelettkonstruktion. Die Stützen treten
vor die Ebene der Fassade und zeigen in
unterschiedlicher Höhe eine „Schwellung“.
In Bodennähe entsteht ein starkes Relief,
das sich nach oben glättet. Während die
Pfeiler zu schwingen scheinen, wirkt die
Ebene dahinter durch den flächenbündigen
Einbau der Fenster ruhig. Diese Dynamik
sorgt für lebhafte Licht- und Schattenspiele.
Ein titangrauer Vormauerklinker schafft einen
Bezug zu den gelben Sichtziegeln der Gebäu-
de aus den 50er und 60er Jahren jenseits
der Theresienstraße. Die vorgehängte Ziegelhülle mit Luftschicht und Dämmung garantiert
einen hohen Wärmedämmwert.
Im Innern wurde der sanierungsbedürftige
Bestand auf das Skelett zurückgebaut und
die Baustruktur sichtbar gemacht. Die
Büros werden über die Fenster natürlich
belüftet, während Hörsäle, Labore und
Besprechungsräume eine Klimatisierung mit
Wärmerückgewinnung erhalten haben. Ein
Fernwärmeanschluss vervollständigt das
Energiesparkonzept.
123
M]cM0EJchM?
\2GMG?2M. T;J2?2M. h](2]]2\M. ;JG+I2M. IGcc2M. (2E2(2M. E2\\G+Ec2M. \2T\G2\2M
`N
eine weitere - leider oft unterschätzte Vermeidungsstrategie
2\EJc2M
cM0\0] EGMc2\;\?2M. 2\EJc2M $M02\M. OL;O\c MT]]2M. hcohM? ;J2mG(GJG]G2\2M. $hL2 oOMG2\2M
__
Verhaltensänderung kann den Energieverbrauch ganz
erheblich beeinflussen ….
neue technische Hilfen zur Verhaltensänderung ….
RRR Manifest
doing the right thing - with built architecture
Built architecture posseses the right to exist - just because it is
already there. Years or decennials ago someone has spent a lot of
energy to build these things. This energy is stored in the building
- and will be released if you destroy and rebuild. Like all manmade
things which contain energy and ressources- architecture should
be kept in use as long as possible to reduce the overall impact of
their creation.
- reduce your additions and modifications (the new things) as much
as possible without compromising the goal to create a sustainable
entity. Can you reduce the new to nothing by applying the following
strategies?
> change of perception: can you convince yourself and the client to
keep the existing just - or close to - as it is?
> care and repair: can you reduce your intverventions by repairing
the existing - and constant care?
> behaviour: can you - instead of changing the building - change the
behaviour of your clients / the inhabitants / your own?
- reuse as much and as directly as possible
- always think first: whats already there? what is avoidable? Can the
new program be modified to fit to something existing?
- challenge your own motivations: Try to engage and to identify
yourself with the existing. If you can‘t do that - maybe another architect can? Check your motivations for each proposal: is it technical and functional improvement or is it your desire to leave your
mark by changing appearances?
- try to define and grasp the essence of the existing structure /
situation / energy. Write down a list of at least 10 core qualitys of the
existing. Try to grasp it in pictures / drawings: how does the existing
communicate and contribute to its use and surroundings?
- try to think of the existing as something you are designing simulta-
neously with your new additions / subtractions / modifications.
- challenge standards: don‘t follow blindly every norm and
prescription.
- Is your design really efective or are you just efficiently doing
‚whats right‘ instead of doing the right thing?
- make it your project to convince the client to keep as much as
possible of the existing. Thoroughly check the following fields to
build a dense and convincing argumentation:
-- ecology: how much energy is stored in the existing - and can be
saved by keeping it?
-- economy: how much money can be saved by developing the
existing?
-- social ressources: is there an existing social network netted or
connected with the existing that can be seen as a value?
-- historical ressources: is there a story or other historic value
that can be used to provide identity to the ‚new‘ developement?
-- spatial ressources: is there something ‚to much‘ if you adapt
the existing? Can this ‚to much‘ or ‚ill fitting‘ be made into an advantage or core quality?
-- image / doing the right thing: can the rrr aproach be used to
gain a positive image for the client?
- if you have to really demolish something - still think of saving as
much as possible: are there any elements or materials that could
be reused in your new design? What can be recycled? Can you
do that on the spot and keep the materials there - to avoid transport energy? Think also of reusing ‚invisible‘ things like the infrastructure and the existing nature / trees - bushes - grass. Try to
use existing borders / positions to destroy as few as possible.
- If you build in an untouched setting try to behave like a sensitive
guest: try to contribute to the conversation but not to dominate it.
Unsere Entwurfs- und
Planungsinstrumente
sind auf Neubau und Wachstum
ausgerichtet : Städtebau…
Entwurfsprozesse rückwärts denken:
vom Objekt, seinen Potentialen, seiner
Geschichte - zur Programmierung - zur
städtebaulichen Einflussfaktoren - zu
großmaßstäblichen Parametern:
nachhaltige Stadtentwicklung
statt wie bisher….
entwerfen
gestalten
konstruieren
werden wir in Zukunft
erstmal ….
verstehen
wertschätzen
reparieren
unterstützen
programmieren
befähigen
entwickeln
der Respekt vor dem Vorhandenen
ist die beste
Ausgangsposition für
jede Weiterentwicklung
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