Muck Petzet Muck Petzet Architekten, München / Berlin Associate Professor of Sustainable design, USI Mendrisio Bestand mit Zukunft? Bestand ist Zukunft! die drei Bereiche der Nachhaltigkeit Ökologie Verbrauch natürlicher Ressourcen Umwelt-Management Vermeidung von Schadstoffen (Luft, Wasser, Erde, Abfall) adaptiert von ‚university of michigan sustainability assessment’ 2002 sozial-ökologisch ökologische Gerechtigkeit verantwortlicher Umgang mit natürlichen Ressourcen lokal & global ökologisch-ökonomisch Energieeffizienz Anreize für den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen Nachhaltigkeit Gesellschaft Lebensstandard Erziehung Gemeinschaft Chancengleichheit Ökonomie ökonomisch-sozial Geschäfts-Ethik fairer Handel Arbeiter Rechte Gewinn Kosteneinsparungen Wirtschafts-Wachstum Forschung und Entwicklung die drei Bereiche im Städtebau / in der Stadtentwicklung! Ökologie Verbesserungen des Bestandes Energieeffizienz Vermeidung von CO2 Emissionen aus fossilen Brennstoffen sozial-ökologisch ökologische Gerechtigkeit verantwortlicher Umgang mit natürlichen Ressourcen Nachhaltigkeit lokal & global Bestand als Ressource Gesellschaft Schrumpfungs- und Umverteilungsprozesse / Überalterung ökologisch-ökonomisch Energieeffektivität Anreize für den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen Lebenszyklus-Betrachtung Entwicklung des Vorhandenen ökonomisch-sozial Wohnungsbauförderung Modernisierungsförderung soziale Infrastruktur Ökonomie bezahlbares Wohnen Anreize zur Kompensation von Schrumpfungsprozessen Bestand als Ressource Speicher von Bedeutungen / Werten / Energien - ökologische Energie: (‚graue‘ Herstellungsenergie, Ressourcen) - ökonomische Energie: (Zeit, Ersparnis, Baurecht) - soziale Energie: (Identität, Verwurzelung) - kulturelle Energie: (Architektur, Geschichte) Integration / Affirmation und Weiterentwicklung des Vorhandenen statt Neubau aufwerten verbessern transformieren Wärmepumpenprinzip Assetmapping als Entwurfsprinzip je höher die Ausgangsenergie (Ernte) umso weniger je mehr Potentiale erkannt und entwickelt werden umso höher ist die Ausgangsenergie (Ernte) Energie muss von außen zugeführt werden umso weniger Energie / Ressourcen / Geld muss von außen zugeführt um ein hochwertiges werden Ergebnis zu erzielen um ein hochwertiges Ergebnis zu erzielen jede Bausubstanz hat eine grundsätzliche Existenzberechtigung einfach weil sie schon da ist… ob sie uns ‚gefällt‘ oder nicht in prosperierenden Großstädten spielen die Baukosten in Relation zu den Grundstückskosten - und den Verkaufspreisen eine untergeordnete Rolle Abbruch und Entsorgung sind bezogen auf die tatsächlichen Umweltkosten - viel zu niedrig Beispiel: München - Abbruch eines Gebäudes aus den 50er Jahren - das fast baugleich wieder errichtet wird Beispiel Stuttgart 21: die vorhandene Architektur wurde als ‚störend‘ für die Neuentwicklung empfunden - und beseitigt Unbewusste Entscheidungsmechanismen: das kollektive Unterbewusstsein beeinflusst Entscheidungen und Vorlieben Unsere Vorstellung von der Zukunft: die Zukunft ist… neu……! futuristisch eben! das ‚effiziente‘ Neue soll das ineffiziente Alte ersetzen..? die üblichen Zertifizierungssysteme blenden die Bilanzen ‚belastende‘ Geschichte einer Nutzung / eines Grundstücks aus… Verbrauchsparameter bestimmen die Diskussion um nachhaltiges Bauen Beispiel: München, Projekt Arabeska zertifiziert von DGNB mit 93,5% ‚Ökoeffizienz‘ Die zeitliche Schnittstelle für die Berechnung wurde nach dem Abbruch des Gebäudes gezogen Herstellungsprozesse werden in Effizienzbetrachtungen meisten vollständig vernachlässigt die ‚schmutzigen’ Herstellungsprozesse wurden in ferne Länder verlagert dort hinterlassen ‚unsere‘ Waren und Produkte ihre Umweltfolgen den Lebenszyklus umfassende Kriterien … Bsp.: SNBS „It is fundamentally the confusion between effectiveness and efficiency that stands between doing the right things and doing things right. There is surely nothing quite so useless as doing with great efficiency what should not be done at all.“ Peter Ferdinand Drucker: Managing for Business Effectiveness 1963 Änderung der Wahrnehmung als Vermeidungsstrategie: Donnerstag, 27. Juni 13 Onlinepetition für den Erhalt des Gesundheitshauses Gesundheitshaus Energieverbrauch nach 25 Jahren in kwh Bestand Modernisierung Abriss + Neubau Niedrigstenergie 0 kwh 20 Mio kwh 40 Mio kwh Energieverbrauch Heizung Energetische Bewertung von Abbruch / Neubau > Bestand / Modernisierung 1. isolierte Betrachtung der Nutzungsenergie (Heizung) Gesundheitshaus Energieverbrauch nach 25 Jahren in kwh Bestand Modernisierung Abriss + Neubau Niedrigstenergie 0 kwh 20 Mio kwh 40 Mio kwh Energieverbrauch Herstellung 2. Mitbetrachtung der Herstellungsenergie Energieverbrauch Heizung Gesundheitshaus Energieverbrauch nach 25 Jahren in kwh ca. 36,0 Mio kwh Bestand ca.18.5 Mio kwh Modernisierung Abriss + Neubau ca.21 Mio kwh Niedrigstenergie 0 kwh 20 Mio kwh 40 Mio kwh Energieverbrauch Herstellung 2. Mitbetrachtung der Herstellungsenergie Modernisierung liegt jetzt vor Abriss / Neubau Energieverbrauch Heizung Gesundheitshaus CO2-Ausstoss nach 25 Jahren in t 3’960 t Bestand 3’280 t Modernisierung 10’160 t Abriss + Neubau Niedrigstenergie 0t 5’000 10’000 t CO2 Ausstoß Herstellung CO2 Ausstoß Heizung 3. Mitberücksichtigung der unterschiedlichen Energieträger: Umrechnung in CO2 Äquivalente: Der Betrieb erfolgt mit Fernheizung / bei Abbruch und Herstellung werden fossile Energieträger eingesetzt Abriss und Neubau schneiden deutlich schlechter ab Unbewusste Entscheidungsmechanismen: deformation professionelle Architekten wollen das Neue, nie dagewesene schaffen Ihre Kunden erwarten das von Ihnen Le Corbusiers schwarz / weiß Propaganda: das alte als düster / ungesund / irrational das neue als hell / gesund / rational Distanzierung vom Bestand als Ausdruck von Modernität Die Ideal- Siedlung Pruitt-Igoe in St. Louis wurde von Minoru Yamasaki auf einer sauber radierten Tabula Rasa errichtet wenige Jahre später wurde die Siedlung selbst wieder ausradiert… identifizieren sich die Architekten mit dem Bestand oder mit ihrer Hinzufügung? das alte soll irgendwie anders werden….. negative Zielvorstellungen führen zu negativen Ergebnissen Frankfurt technisches Rathaus: dieses Gebäude wurde nicht dem Wunsch nach ‚neuer‘ Zukunft geopfert sondern dem Wunsch nach ‚historischer’ Stadt Haltung Es geht darum, niemals etwas abzureißen, wegzunehmen oder zu ersetzen, sondern immer etwas hinzuzufügen, zu transformieren und weiter zu nutzen. Das ist eine Arbeit, die Genauigkeit, Feinfühligkeit, Freundlichkeit und Aufmerksamkeit erfordert: gegenüber Menschen, Nutzungen, Konstruktionen, Bäumen, Böden, egal ob aus Asphalt oder Gras - allem Bestehenden gegenüber. Es geht darum, eine Situation so wenig wie möglich oder besser überhaupt nicht zu stören, großzügig zu sein, mehr zu erzeugen, Nutzungen zu ermöglichen und das Leben leichter zu machen. Lacaton & Vassal Place Léon Aucoc, Bordeaux: 1996 - bis heute fast unverändert die Architekten L&V überzeugen ihre Auftraggeber daß der Platz nicht ‚verschönert‘ sondern nur besser gepflegt werden sollte L&V: Transformation de la Tour Bois le Prêtre, Paris 2011 statt des geplanten Abbruchs: die Bewohner können bleiben Das Haus erfährt eine massive Aufwertung Bestandsgrundriss Grundriss mit Umbau als ‚Additionsprinzip‘ das Vorhandene behält seinen Platz und seine Bedeutung das Neue schafft neue Möglichkeiten und Qualitäten in der Nutzung des Alten und Vertrauten der Deutsche Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig 2012 Ein Versuch das Wertesystem der Abfallwirtschaft auf den Umgang mit bestehender Architektur zu übertragen Vermeidung sollte immer die erste Option sein erst dann kommt die Weiternutzung Recycling ist fast schon im roten Bereich most favoured option reduce / prevention minimisation reuse recycling least favoured option energy recovery disposal Vermeidungsstrategien: Wahrnehmungsänderung Instandhaltung Verhaltensänderung Gerd Rohlings wunderschöne Objekte sind liebevoll behandelter und ausgestellter …. Müll…. Merlin Bauers Aktionen führten zu einer Wahrnehmungsänderung der ‚geächteten‘ Nachkriegsmoderne in Köln …. eine lesenswerte Broschüre zu beispielhaftem Umgang mit Bestand - kann bei der Architektenkammer bestellt werden …. 1 Bestandsbauten Konservieren Wenn Bestand und Formensprache der Entstehungszeit bei Instandsetzungs- und Umbaumaßnahmen nicht erneuert, sondern allenfalls repariert werden, spricht man von konservieren. Zeitgemäße Anforderungen etwa an die Energieeffizienz, den Brandschutz oder die Barrierefreiheit werden mit gestalterisch zurückhaltenden baulichen Eingriffen erfüllt. Kann dieses Ziel nicht realisiert werden, ist die Lösung in Nutzungsalternativen zu suchen, die möglichst verträglich mit dem Bestand umgehen. 12 16 Haus H. Krailling 18 Boschetsrieder Siedlung München 24 Wiedemannhaus, Teng-/Zieblandstraße München 26 Hanns-Seidel-Haus Studentenstadt München 28 BMW Hochhaus Areal München 34 Verbandsschule Wallenfels 36 Hainschule Bamberg 38 Hallenbad Selb 40 Kongresshalle Augsburg 42 Matthäuskirche München 13 Wiedemannhaus Teng-/Zieblandstraße München Zurückhaltende Teilerneuerung Das Mehrfamilienhaus Zieblandstraße 14, das heute „Wiedemannhaus“ heißt, wurde 1956 / 57 nach Plänen des bedeutenden Münchner Architekten und Hochschulprofessors Josef Wiedemann errichtet. Dieser fungierte zugleich als Bauherr. Die Bauweise und Architektursprache des Hauses ist typisch für die Mehrfamilienhäuser des Münchner Wiederaufbaus der 1950er Jahre. Das Wiedemannhaus sticht jedoch durch seine Proportionierung und einen raffinierten Umgang mit dem schwierigen, polygonalen Eckgrundstück heraus. Ursprünglich war das Haus in einem helleren Farbton, in pompejanischrot gestrichen, die Lage der Stahlbetondecken wurde als heller, beigegrauer Streifen sichtbar gemacht. Das Hochparterre setzt sich durch die Fenstergliederung deutlich als Sockelgeschoss ab. Die Südseite des Gebäudes erhält durch die Loggien und großen Fenster einen offenen Charakter, die anderen Seiten sind als Lochfassaden mit unterschiedlichen Fensterformaten ausgebildet, die die Raumnutzung deutlich erkennen lassen. Die Fenster sind putzbündig eingesetzt. Das Gebäude wurde 2008 unter Denkmalschutz gestellt. Bei der Sanierung im Jahre 2009 galt es daher ein besonderes Augenmerk auf die Ausführungsdetails der Fassade zu legen. Alle Maßnahmen zielten auf den Erhalt oder die Wiederherstellung der Wiedemannschen Gestaltung ab. Die zum Großteil noch aus der Bauzeit stammenden Verbundfenster wurden instand gesetzt und energetisch optimiert. Innenseitig wurden Isolierglasscheiben sowie umlaufende Dichtungen und Lüftungsschlitze eingebaut. Schwer beschädigte Fenster wurden teilweise baugleich neu erstellt. Der in den 70er Jahren hinzugefügte Dispersionsanstrich wurde abgebürstet, die ursprüngliche Fassadenfarbe durch Farbuntersuchungen ermittelt und wiederhergestellt. Ausbesserungen am Kalkzementputz waren vor allem im Bereich der außen angeschlagenen Fenster erforderlich. Das bestehende Satteldach wurde lediglich punktuell instand gesetzt, der Dachraum wurde innen wärmegedämmt. Die Sanierung ist heute kaum zu erkennen. Bestand Bauherr Architekt Umbau Bauherr Planung Ausführung 1958 / 59 Hilma Wiedemann Josef Wiedemann, München Fassadensanierung 2008 / 09 Brigitta Michail (geb. Wiedemann) Arbeitsgruppe Denkmalpflege, Meike Gerchow und Eva-Maria Ilsanker, München Meike Gerchow, München Bild oben: Südfassade Bild unten links: Eingangsportal Bild unten rechts: Fenstersanierung Bestand vor Sanierung 24 Bestandsbauten Konservieren 25 Hanns-Seidel-Haus Studentenstadt München Neue Fenster, sanierter Beton Bestand Bauherr Architekt Umbau Bauherr Architekt Bild links: Ansicht West Bild rechts: Ansicht West frontal 26 Bestandsbauten Konservieren Die Studentenstadt Freimann wurde in vier Bauabschnitten in den 60er und 70er Jahren errichtet und ist die größte Studentensiedlung Deutschlands. Durch den hohen Bedarf studentischer Wohnungen wurde die niedrigere Bebauung der ersten beiden Bauabschnitte durch Hochhäuser ergänzt. Das neunzehngeschossige, insgesamt knapp 60 Meter hohe, 65 Meter lange und 20 Meter tiefe HannsSeidel-Haus, das 1971 bis 1973 als dritter Bauabschnitt realisiert wurde, ist das dominanteste Gebäude der Studentenstadt und eine Landmarke im Norden Münchens. Es enthält knapp 620 nach Osten oder Westen orientierte Appartements. Die plastisch mit vorgehängten Betonfertigteilelementen gegliederte Fassade ist das charakteristische Merkmal der Architektur. Dem gesamten Ensemble sind Fassaden aus Sichtbeton mit dem Relief einer rauen Brettschalung gemeinsam. Während der Sanierung von 2006 bis 2010 wurden die Aluminium-Fensterelemente durch wärmeschutzverglaste, thermisch getrennte Fenster gleicher Profilierung ersetzt, auch die Farbe der Fensterrahmen, die dem Gebäude den Namen „Grünes Haus“ eingebracht hat, wurde beibehalten. Die Flachdachabdichtung wurde erneuert und die Dachflächen wurden gedämmt. Auf eine Dämmung der Sichtbetonwände wurde verzichtet, stattdessen wurden die Betonflächen der Fassaden umfassend saniert und ihrem ehemaligen Erscheinungsbild entsprechend wiederhergestellt. Die vor der Fensterfassade auf Einzelkonsolen aufliegenden horizontalen Betonfertigteilriegel wurden ersetzt, da eine Sanierung an den Auflagern nicht möglich war. Der Einbau neuer Elemente ermöglichte es außerdem, die scharfkantige Detaillierung der Fertigteile zu erhalten. 1972 Studentenstadt München e.V. Ernst Maria Lang, München 2010 Studentenwerk München, Anstalt des öffentliche Rechts Christoph Maas Architekturbüro GmbH, München Ansicht West vor Sanierung 27 2 Bestandsbauten Interpretieren Sanierungs- und Umbaumaßnahmen stellen teilweise deutliche Eingriffe in den Bestand dar und bedienen sich einer eigenen Formensprache, die sich jedoch in die Gestaltungsprinzipien des Bestands einfügt. Den heutigen Anforderungen an die Gebäudenutzung wird weitgehend entsprochen. Die heutigen technischen Möglichkeiten werden umfassend umgesetzt. Die Veränderungen am Bestand werden allerdings im Sinne der ursprünglichen Gestaltung durchgeführt. 46 Bestandsbauten Interpretieren 50 Studentenstadt Oberwiesenfeld Teil 1: Alte Mensa München 56 Studentenstadt Oberwiesenfeld Teil 2: Bungalowdorf München 58 Studentenstadt Oberwiesenfeld Teil 3: Studentenhochhaus München 64 Graues Haus München 66 Sparkasse Nürnberg 72 Deutsches Patentamt München 78 Sonnencarrée München 80 Haus der Bayerischen Landkreise München 82 Kindergarten Leiden Christi München 84 Gebäude 115 der Universität Erlangen-Nürnberg 90 Pfarrzentrum Christkönig Schweinfurt 92 Moritzkirche Augsburg 47 Studentenstadt Oberwiesenfeld München Teil 3: Studentenhochhaus Redesign der neuen Fassadenhülle Das Wohnhochhaus wurde zu den Olympischen Sommerspielen 1972 als Teil des Frauendorfs nach Plänen von Günther Eckert 1969 bis 1971 errichtet. Auf fünfzehn bis neunzehn Geschossen befinden sich 801 Appartements, erschlossen über zwei Kerne. Das Haus wurde aus vorgefertigten Grundelementen zusammengesetzt: Einem tragenden, windsteifen Rahmen, der als Loggia dient, einem Tragbalken zwischen zwei Loggien und einer aufliegenden Deckenplatte. Diese Struktur ermöglichte stützenfreie Geschossflächen, die flexible Grundrisse und den Einsatz vorgefertigter Nasszellen aus Kunststoff erlaubten. Nach jahrzehntelanger Nutzung als Studentenheim stellten sich folgende Probleme: Die Zimmergröße entsprach nicht mehr den heutigen Richtlinien, während die Loggien oft ungenutzt blieben, weil Tauben, Wind und Zugluft die Aufenthaltsqualität minderten. Die stark gegliederte Gebäudehülle mit einem ungünstigen Wand-Volumenverhältnis und das außenliegende Tragwerk mit zahlreichen Wärmebrücken verbrauchten viel Energie. Eine Fuge zwischen den Balkonrahmen und den Außenwandelementen ließ zudem einen Brandüberschlag zwischen den Geschossen befürchten. Die Bedeutung des Hauses im Ensemble der Olympiabauten forderte eine Lösung, die die Struktur und Erscheinung weitgehend erhält. In den Jahren 2009 bis 2012 wurde das Haus nach Planung der Architekten Knerer und Lang aus Dresden saniert. Sie entwickelten ein Konzept, das die vollständige Räumung der Geschosse, den Neuaufbau der Appartements einschließlich neuer Nasszelle und die Herstellung einer neuen Fassade vorsah. Die starke Plastizität der Fassade, die Sichtbetonflächen und der modulare Aufbau wurden neu interpretiert. Die Gebäudehülle rückte nach außen. Die Oberfläche des Hauses wurde dadurch vereinheitlicht und die Energiebilanz verbessert. Ein zurückgesetztes Fensterelement, ein vorgehängter Rahmen aus Leichtbeton und eine großformatige Tafel aus Aluminium als feuerbeständiges Brüstungsfeld erinnern an den Bestand. Der Verzicht auf die Loggien vergrößerte die Wohnfläche um 3,6 qm. Der Einbau der vorgefertigten Nasszellen sorgte für eine rasche Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen. Flexibel nutzbare Gemeinschaftsräume ergänzen die einzelnen Appartements. Das seit dem Bezug mit wilden Einbauten verunstaltete und zugebaute Erdgeschoss wurde zurückgebaut. Das Material für die Fassade, das Modulsystem, die Stapelung der Elemente und die Plastizität verleihen dem Haus ein Aussehen, das dem ursprünglichen Charakter sehr nah kommt. Das Farbkonzept der Fassade zitiert die Farben des Olympiadorfes und ist beispielhaft für Bauten der 70er Jahre. Bestand Bauherr Architekt Umbau Bauherr Architekt 1972 Studentenwerk München Günther Eckert, München 2012 Studentenwerk München Knerer und Lang Architekten GmbH, Dresden Bild oben: Ost-Fassade des Studentenhochhauses mit dem Olympiaturm im Hintergrund Bild unten: Foyer des Studentenhochhauses mit Briefkastenanlage in den Farben der Olympischen Spiele München 1972 Bestand vor der Sanierung 58 Bestandsbauten Interpretieren 59 Sonnencarrée München Interpretation des Alten in neuem Material Bestand Bauherr Architekt Umbau Bauherr Architekt 1958 Münchener Rückversicherungs - Gesellschaft AG v. Werz & Ottow, München 2010 Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG DMP Architekten, München Axel Altenberend Horst Mauder Das prominente Gebäudeensemble an der Sonnenstraße, der sogenannte „Sonnenblock“ der Architekten Helmut von Werz und JohannChristoph Ottow, gelegen am Münchner Altstadtring zwischen Stachus und SendlingerTor-Platz mit Baujahr 1958, besteht aus einem zwölfgeschossigen Hochhaus und einem siebengeschossigen Flachbau. Es zählt als eines der wenigen Hochhäuser im Münchner Stadtzentrum zu den Meilensteinen der Wiederaufbauarchitektur. Nach Rückführung auf die Rohbausubstanz wurden die Gebäude neuinterpretiert und unter Berücksichtigung der ursprünglichen Gestaltungsmerkmale vollständig saniert. Die innovativen Planungslösungen in Bezug auf die Fassadengestaltung, die Energieeffizienz und eine wesentliche Erhöhung der Nutzungsflexibilität mittels sinnvoller Restrukturierung der Grundrisse waren Basis der Revitalisierung. Die Architekten haben damit das Ziel erreicht, langfristig und auf hohem Niveau den Wert des Bauwerks sicherzustellen. Die Treppenhäuser erscheinen jetzt offen und sind großflächig natürlich belichtet. An den Fassaden sorgen sie für konstruktive Struktur, während die satinierten Glasflächen mit wechselnden Fensteröffnungen den Eindruck einer lichtdurchfluteten Skulptur zeichnen. Mit insgesamt mehr als 11.000 qm Bürofläche sowie 2.700 qm Einzelhandelsfläche und Gastronomiebereich wurde ein Büro- und Geschäftsgebäude in Münchens Stadtmitte wiederbelebt, das langfristig und nachhaltig den hohen Ansprüchen seiner künftigen Nutzer und Eigentümer sowohl funktional als auch hinsichtlich zeitgemäßer Energiebewirtschaftung gerecht werden kann. Bild oben: Ansicht Nordwest Bild unten links: Detail Fassade Treppenhaus Bild unten Mitte: Perspektive Treppenhaus Bild unten rechts: Detail Fassade neu Bestand vor dem Umbau 78 Bestandsbauten Interpretieren 79 3 Bestandsbauten Transformieren Sanierungs- und Umbaumaßnahmen greifen wesentlich in die Bausubstanz ein und überformen das Gebäude gestalterisch deutlich. Die bauliche Grundstruktur wird systematisch genutzt, jedoch funktional verändert. Bestand und Umbaumaßnahmen verschmelzen zu einem neuen architektonischen Ausdruck. 96 100 Haus Kehrbaum Kaufbeuren 102 Wohnhaus Dörflerstraße Ingolstadt 104 Wohnsiedlung, Fernpassstraße München 106 Mehrfamilienhaus Grüntenstraße Augsburg 108 Treehouses Bebelallée Hamburg 110 Wohnhochhäuser Piusviertel Ingolstadt 112 Pacelli-Palais München 114 Haus der Ärzte Saarbrücken 118 Bayerische BauAkademie Feuchtwangen 120 Hochhaus C10 der Hochschule Darmstadt 122 Gebäude 0505 der TU München 128 Heizkraftwerk Würzburg 134 Haus der Generationen Mallersdorf-Pfaffenberg 138 Dornbuschkirche Frankfurt am Main 97 Wohnsiedlung Fernpassstraße München Aufstockung, Anbau und energetische Sanierung in vorgefertigter Holzbauweise Die Wohnsiedlung Fernpassstraße der GWG München aus den 50er Jahren bestand aus einfachen, dreigeschossigen Zeilenbauten mit Satteldächern und dokumentierte die schlichte Bauweise einer Zeit großer Wohnungsnot. Für das Mauerwerk wurden teilweise Abbruchziegel aus Kriegsschutt verwendet. Die Wohnungsgrößen waren entsprechend gering. Um die Modernisierung der Bestandsgebäude zu finanzieren und um dem anhaltenden Wohnungsbedarf in München zu begegnen, wurde die Anlage nicht nur umfassend saniert und umgebaut, sondern auch um ein Geschoss aufgestockt und um einen Kopfbau an einer der Gebäudezeilen erweitert. Die Gebäudeerschließung wurde radikal verändert: Statt der innen liegenden Treppenhäuser, durch die zwei Wohneinheiten pro Geschoss erschlossen waren, sind die Wohnungen nun durch einen vor die Ostfassade gestellten Laubengang zugänglich. Der ehemalige Treppenraum konnte den Wohnungen zugeschlagen werden, wodurch zeitgemäße Wohnungszuschnitte geschaffen wurden. Außerdem kann jede Zeile kostengünstig durch nur einen Aufzug barrierefrei erschlossen werden. Die Fassadendämmung des Bestands und die tragenden Außenwände von Aufstockung und Neubau bestehen aus vorgefertigten, hochwärmegedämmten Holz-Rahmenbauelementen. Die Decken der Auf- und Anbauten sind als sichtbare Brettsperrholzelemente ausgeführt. Das Projekt zeigt somit beispielhaft, wie sich mit dem ökologischen Baustoff Holz alle Anforderungen des Bauens im Bestand erfüllen lassen. Die Qualität der Gebäudehülle von Sanierung und Erweiterungen entspricht den Anforderungen an Passivhäuser. In Kombination mit der Optimierung der Anlagentechnik wurde der Primärenergiebedarf der Anlage um 94% reduziert. Außenwandaufbau und Fassadenbekleidung aus grau lasierten Fichtenbrettern unterscheiden nicht zwischen Bestand, Aufstockung und Anbau. Die Fenstergrößen und die neuen, vorstellten Balkone und Laubengänge sind einheitlich gestaltet. Die neue Wohnanlage macht nun einen in sich stimmigen Eindruck. Bild oben: Ansicht Innenhof mit Anbau, Aufstockung und vorgestellten Laubengängen Bild Mitte: Foyer im Neubau Bild unten: Behindertengerechte Erschließung durch Aufzüge und Laubengänge Östlicher Innenhof vor dem Umbau Bestand Bauherr Architekt Umbau Bauherr Architekt 104 Bestandsbauten Transformieren Geschosswohnbauten, 1958 GWG Städt. Wohnungsgesellschaft München mbH Karl Weinzierl, Lochham 2012 Robert Vogel GmbH & Co. KG Kaufmann.Lichtblau.Architekten München, Schwarzach 105 Gebäude 0505 der TU München Dynamische Überformung Bestand Bauherr Architekt Umbau Bauherr Architekt Bild oben: Ansicht West Bild unten links: Detailansicht West Bild unten rechts: Ansicht Innenhof 1963 Freistaat Bayern Franz Hart mit Werner Eichberg 1. BA 2011 2. BA 2013 Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatliche Bauamt München 2 Hild und K Architekten, München Ansicht West vor dem Umbau Der Wiederaufbau der Technischen Universität nach dem Zweiten Weltkrieg wurde nach zwei Prinzipien durchgeführt: Die städtebaulich geschlossene Form des Baublocks an prominenter Stelle westlich der Achse der alten Pinakothek wurde eingehalten. Und: Die einzelnen Abschnitte folgen in Gestalt und Prägung der jeweiligen Zeit und dem Bedarf. So bildet der Block heute alle Zeiten ab, in denen an ihm gebaut wurde, Der Teil an der Ecke Luisen- und Theresienstraße wurde 1963 von Franz Hart geplant. Konstruktiv als Betonrahmenbau konzipiert, richtet er sich nach den Geschosshöhen der älteren TUGebäude. Auf einem hohen Erdgeschoss sitzen drei Normalgeschosse auf, die mit Fertigteilelementen im Wechsel mit Fenstern verkleidet sind. Im Erdgeschoss treten Pfeiler 122 Bestandsbauten Transformieren leicht vor die Fassade und geben mit den zurückliegenden Füllungen dem Haus eine schwach plastische Erscheinung. Die Fassade war nach Jahrzehnten unansehnlich und schmutzig, eine wirksame Wärmedämmung fehlte. Die neue Fassade organisiert sich mit Brüstungen und Pfeilern um die Stützen der alten Skelettkonstruktion. Die Stützen treten vor die Ebene der Fassade und zeigen in unterschiedlicher Höhe eine „Schwellung“. In Bodennähe entsteht ein starkes Relief, das sich nach oben glättet. Während die Pfeiler zu schwingen scheinen, wirkt die Ebene dahinter durch den flächenbündigen Einbau der Fenster ruhig. Diese Dynamik sorgt für lebhafte Licht- und Schattenspiele. Ein titangrauer Vormauerklinker schafft einen Bezug zu den gelben Sichtziegeln der Gebäu- de aus den 50er und 60er Jahren jenseits der Theresienstraße. Die vorgehängte Ziegelhülle mit Luftschicht und Dämmung garantiert einen hohen Wärmedämmwert. Im Innern wurde der sanierungsbedürftige Bestand auf das Skelett zurückgebaut und die Baustruktur sichtbar gemacht. Die Büros werden über die Fenster natürlich belüftet, während Hörsäle, Labore und Besprechungsräume eine Klimatisierung mit Wärmerückgewinnung erhalten haben. Ein Fernwärmeanschluss vervollständigt das Energiesparkonzept. 123 M]cM0EJchM? \2GMG?2M. T;J2?2M. h](2]]2\M. ;JG+I2M. IGcc2M. (2E2(2M. E2\\G+Ec2M. \2T\G2\2M `N eine weitere - leider oft unterschätzte Vermeidungsstrategie 2\EJc2M cM0\0] EGMc2\;\?2M. 2\EJc2M $M02\M. OL;O\c MT]]2M. hcohM? ;J2mG(GJG]G2\2M. $hL2 oOMG2\2M __ Verhaltensänderung kann den Energieverbrauch ganz erheblich beeinflussen …. neue technische Hilfen zur Verhaltensänderung …. RRR Manifest doing the right thing - with built architecture Built architecture posseses the right to exist - just because it is already there. Years or decennials ago someone has spent a lot of energy to build these things. This energy is stored in the building - and will be released if you destroy and rebuild. Like all manmade things which contain energy and ressources- architecture should be kept in use as long as possible to reduce the overall impact of their creation. - reduce your additions and modifications (the new things) as much as possible without compromising the goal to create a sustainable entity. Can you reduce the new to nothing by applying the following strategies? > change of perception: can you convince yourself and the client to keep the existing just - or close to - as it is? > care and repair: can you reduce your intverventions by repairing the existing - and constant care? > behaviour: can you - instead of changing the building - change the behaviour of your clients / the inhabitants / your own? - reuse as much and as directly as possible - always think first: whats already there? what is avoidable? Can the new program be modified to fit to something existing? - challenge your own motivations: Try to engage and to identify yourself with the existing. If you can‘t do that - maybe another architect can? Check your motivations for each proposal: is it technical and functional improvement or is it your desire to leave your mark by changing appearances? - try to define and grasp the essence of the existing structure / situation / energy. Write down a list of at least 10 core qualitys of the existing. Try to grasp it in pictures / drawings: how does the existing communicate and contribute to its use and surroundings? - try to think of the existing as something you are designing simulta- neously with your new additions / subtractions / modifications. - challenge standards: don‘t follow blindly every norm and prescription. - Is your design really efective or are you just efficiently doing ‚whats right‘ instead of doing the right thing? - make it your project to convince the client to keep as much as possible of the existing. Thoroughly check the following fields to build a dense and convincing argumentation: -- ecology: how much energy is stored in the existing - and can be saved by keeping it? -- economy: how much money can be saved by developing the existing? -- social ressources: is there an existing social network netted or connected with the existing that can be seen as a value? -- historical ressources: is there a story or other historic value that can be used to provide identity to the ‚new‘ developement? -- spatial ressources: is there something ‚to much‘ if you adapt the existing? Can this ‚to much‘ or ‚ill fitting‘ be made into an advantage or core quality? -- image / doing the right thing: can the rrr aproach be used to gain a positive image for the client? - if you have to really demolish something - still think of saving as much as possible: are there any elements or materials that could be reused in your new design? What can be recycled? Can you do that on the spot and keep the materials there - to avoid transport energy? Think also of reusing ‚invisible‘ things like the infrastructure and the existing nature / trees - bushes - grass. Try to use existing borders / positions to destroy as few as possible. - If you build in an untouched setting try to behave like a sensitive guest: try to contribute to the conversation but not to dominate it. Unsere Entwurfs- und Planungsinstrumente sind auf Neubau und Wachstum ausgerichtet : Städtebau… Entwurfsprozesse rückwärts denken: vom Objekt, seinen Potentialen, seiner Geschichte - zur Programmierung - zur städtebaulichen Einflussfaktoren - zu großmaßstäblichen Parametern: nachhaltige Stadtentwicklung statt wie bisher…. entwerfen gestalten konstruieren werden wir in Zukunft erstmal …. verstehen wertschätzen reparieren unterstützen programmieren befähigen entwickeln der Respekt vor dem Vorhandenen ist die beste Ausgangsposition für jede Weiterentwicklung