Wir wollen gesehen werden Herausgeber: Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen e. V. Auflage 4 000 Exemplare Ausgabe 2015 Inhalt Seite 1 und 2: Hör-Sehbehinderung – Zwei Handicaps – Seite 3: Torball Deutsches Spitzenteam im Torball kommt aus Hessen. Seite 4: Kinderseite: Ein Rätsel / Telefonieren mit Joghurtbechern Seite 5: Kinderseite: Kennst du deine fünf Sinne? Seite 6: Lebensqualität zurückgewinnen Ein Weißer Stock bringt Reisefreiheit. Seite 7: Neubau des Blinden- und Sehbehindertenbundes in Kassel ist fertig Seite 8: Beratungsstellen des BSBH in ganz Hessen / Termine 2015 / Rätsellösung / Impressum Seite 1 und 2: Hör-Sehbehinderung Zwei Handicaps – höhere Barrieren in Orientierung und Mobilität sowie im gesellschaftlichen Miteinander! Was ist Hör-Sehbehinderung? Beinahe in allen Definitionen wird Hör-Sehbehinderung entweder als Synonym für Taubblindheit verwendet oder als Vorstufe definiert. Taubblindheit ist bis heute nicht als Behinderung eigener Art anerkannt. Taubblinde Menschen haben in ihrem Schwerbehindertenausweis die Merkzeichen „Bl“ für blind und „Gl“ für gehörlos. Ein Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis ist sehr wichtig, da hiermit Ansprüche auf Versorgung mit geeigneten Hilfsmitteln bei den Versorgungsämtern verknüpft sind. Blinde Menschen können hören und werden mit Hilfsmitteln versorgt, die auf das Hören ausgerichtet sind. Gehörlose Menschen können sehen und werden mit Hilfsmitteln versorgt, die auf das Sehen ausgerichtet sind. Blind plus gehörlos heißt, es kann nicht wechselseitig kompensiert werden. Taubblinde Menschen können den Ausfall eines Sinnes nicht durch den anderen Sinn ausgleichen. Aus diesem Grund brauchen sie ein eigenständiges Merkzeichen − „Tbl“. Dies fordert der „Gemeinsame Fachausschuss Taubblind“ GFTB nunmehr seit sieben Jahren. Hörsehbehinderte Menschen bekommen die Grünphase durch Vibration angezeigt, da sie das akustische Grün-Signal häufig nicht mehr hören können. Versuch einer Definition Es gibt die Gruppe derer, die zunächst schwerhörig oder gehörlos geboren werden und im Laufe ihres Lebens sehbehindert bzw. blind werden. Hier liegt sehr oft das „Usher Syndrom“ zugrunde. Usher-Syndrom „Usher“ ist eine erblich bedingte Kombination aus schwerer Innenohrschwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit von Geburt an und RP, Retinopathia Pigmentosa, einer Augenerkrankung, die in Schüben zur Erblindung führt. Die Krankheit ist nach dem englischen Augenarzt Charles H. Usher benannt, der 1914 die rezessive Vererbung des Syndroms beschrieb. Es wird in Usher I, Usher II und Usher III unterschieden. Usher I heißt, die Betroffenen werden gehörlos geboren, lernen die Gebärdensprache, richten ihr gesamtes Leben auf das Sehen aus und erhalten in der Regel im jungen Erwachsenenleben die Diagnose RP, also drohende Erblindung. Hinsichtlich der Kommunikation bedeutet dies, dass die Betroffenen ihre „Muttersprache“, die Gebärdensprache, verlieren. Sie können zwar selbst weiterhin gebärden, mit der Zeit aber die Gebärden der anderen immer weniger erkennen. In der Regel wird dann das taktile Gebärden und das Handalphabet „Lormen“ erlernt sowie ggf. die Brailleschrift. Beruflich droht, falls es keine qualifizierte Rehabilitationsberatung gibt, die Frühverrentung und zusätzlich − aufgrund einer massiv eingeschränkten Mobilität − eine drohende soziale Isolierung. Usher I-Betroffene benötigen gut ausgebildete Taubblinden-Assistenten an ihrer Seite, um ein eigenständiges Leben führen zu können und gesellschaftlich integriert zu sein. Usher II bedeutet frühe, schwere Innenohrschwerhörigkeit. Die Betroffenen haben noch einen Hör-Rest und tragen Hörgeräte. Sie richten ihr Leben auf das Sehen aus, haben einen Spracherwerb, kompensieren das schlechte Hören innerhalb von Kommunikation durch das Ablesen von den Lippen und das Interpretieren der Mimik, Gestik und der Körpersprache. Sie erlernen einen Beruf, der auf das Sehen ausgerichtet ist und erhalten im jungen Erwachsenenleben die Diagnose RP, also drohende Erblindung. Usher II-Betroffene werden mit der Zeit ebenfalls das Lormen und ggf. die Brailleschrift erlernen müssen und sind mit zunehmender Sehbehinderung ebenso auf qualifizierte Taubblinden-Assistenz angewiesen. Usher III kommt in Deutschland bisher nicht vor. Mittel- bis hochgradige Hör-Sehbehinderung Eine Hör-Sehbehinderung tritt sehr häufig in Kombination auf, wobei oftmals zunächst lediglich die Sehbehinderung diagnostiziert wird. Die Betroffenen wissen selten, zu welchem Zeitpunkt die einzelne Sinnesbeeinträchtigung eintrat. Dies ist darin begründet, dass bis heute weder eine Diagnose noch eine medizinische Versorgung einer Hör-Sehbehinderung existiert; entsprechende Fachärzte gibt es nicht. Es ist oft eine Behinderung mit einer mittelschweren Hörbehinderung und einer mittelschweren Sehbehinderung. Eine Kompensierung ist auf einer mittleren Ebene möglich, die Betroffenen verfügen über einen guten Spracherwerb, lesen teilweise die Brailleschrift oder auch Schwarzschrift und sind großteils mithilfe des Weißen Langstockes eigenständig mobil. Beruflich droht mit zunehmender Seh- oder Hörbehinderung meist die Frühverrentung oder der Einstieg ins Berufsleben bleibt grundsätzlich verwehrt. Medizinische Ursachen dieser Form der Hör-Sehbehinderung können sein: • Schädigung innerhalb der Schwangerschaft, z. B. Röteln der Mutter, • Frühgeburt, • Drogenabhängigkeit der Eltern, • Meningitis in der Kindheit. Es gibt zusätzlich die immer größer werdende Gruppe von Betroffenen, die im Alter hörsehbehindert werden. Ursachen hierfür sind häufig: • lebenslange Diabetes, • Bluthochdruck, • hoher Augeninnendruck, Grüner Star, • altersbedingte Makula-Degeneration gekoppelt mit altersbedingter Schwerhörigkeit. Soziale Auswirkungen einer Hör-Sehbehinderung Eine Sehbehinderung führt zu einer ständigen Anspannung. Jederzeit kann man vielleicht fallen, stolpern oder sich stoßen. Das hält den Körper in einer grundsätzlichen Anspannung der Muskeln. Die Ohren sind gespitzt. Was ist nun, wenn die Ohren nicht mehr genügend Informationen aufnehmen und weitergeben können? Eigentlich ist es dann fast unmöglich, allein aus dem Haus zu gehen. Gemeinsame Treffen werden zu stressauslösenden Situationen, da Personen nicht erkannt und ­Gespräche nicht verfolgt werden können. Bereits der Weg zu Veranstaltungen stellt eine kaum zu überbrückende Hürde dar. Stressfreie Teilnahme Worauf sollte z. B. bei gemeinsamen Veranstaltungen geachtet werden, damit Menschen mit Hör-Sehbehinderung stressfreier teilnehmen können? 1. Die Räume sollten gut beleuchtet und schallisoliert sein. 2. Eine Vorstellungsrunde hilft, sich einen Überblick über die anwesenden Personen zu verschaffen. 3. Die Atmosphäre an sich muss leise sein, da Hintergrundgeräusche wie Musik von Hörgeräten verstärkt werden können. Installierte oder portale Induktionsschleifen sind sehr hilfreich. 4. Als Begleitung zum entsprechenden Ort sollte eine Assistenz zur Verfügung stehen. Während der Versammlung braucht man eine Taubblinden-Assistenz , die geschult ist, den Kontakt untereinander herzustellen und zu übersetzen. Hilfsmittel für Menschen mit Hör-Sehbehinderung Blinde Menschen sind auf höherwertige Hörgeräte angewiesen. Es reicht nicht, dass Geräusche verstärkt werden. Die Geräte müssen ein gutes räumliches Hören ermöglichen, um z. B. ­eine sprechende Person oder ein Auto im Straßenverkehr orten zu können. Zusätzlich brauchen sie eine Geräuschunterdrückung von Nebengeräuschen. Zum Glück haben technische Hörhilfen wie Zusatzmikrofone, Mikroport-, Licht- oder Vibrations-Signalanlagen, Ringleitungen usw. heute einen hohen Standard erreicht, der eine spürbare Reduzierung des permanenten Hör- und Kommunikationsstresses erlaubt. Außerdem sind taktile Hilfsmittel wichtig. Dazu zählen taktile Uhren, Uhren mit Vibrationsalarm, vibrierende Geldscheinmesser, vibrierende Füllstandsanzeiger, Licht-Signalanlagen mit Vibrationsalarm usw. Das Wichtigste sind aber 1. das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten − die Nutzung eines Weißen Langstockes, das Erlernen der Brailleschrift und des Handalphabetes Lormen (dafür braucht es Lehrer und Trainer) und 2. verständnisvolle, freundliche und einfühlsame Mitmenschen. Hör-Sehbehinderten- / Taubblindenarbeit des BSBH Heike Herrmann-Hofstetter Referentin für Hör-Sehbehinderten- und Taubblindenarbeit des BSBH Telefon: 06421/166734 [email protected] www.captain-handicap.de Wir bieten regelmäßige Lormübungsgruppen, Gesprächskreise, Seminare und Stammtische in Frankfurt, Marburg und Wetzlar an. Seite 3 Torball Deutsches Spitzenteam im Torball kommt aus Hessen. Torball ist das in Deutschland am weitesten verbreitete Ballspiel für Blinde und Sehbehinderte. Es entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Sitzball. Das Spielfeld ist 7 m breit und 16 m lang. Die Tore sind 1,30 m hoch und befinden sich an den beiden Grundlinien und nehmen die gesamte Spielfeldbreite ein. Vor jedem Tor befinden sich drei Matten, die den Spielern als Orientierungshilfe dienen. Die mittlere Matte ist unmittelbar vor der Torlinie, die beiden äußeren Matten liegen weiter vorne. In der Mitte des Spielfeldes sind drei Leinen in 40 cm Höhe quer über das Feld gespannt. Die mittlere Leine befindet sich über der Mittellinie. Die anderen zwei sind im Abstand von je 2 m links und rechts von der Mittellinie angebracht. Der Ball – ein Klingelball – ist 480 g schwer und ist in der Größe etwa mit einem Fußball vergleichbar. Pro Team sind drei Spieler auf dem Feld aktiv. Zu Spielbeginn nehmen die Spieler ihre Plätze auf den Matten ein. Zum Schutz sind sie mit Knie- und Ellenbogenschonern ausgerüstet. Eine lichtundurchlässige Brille gewährleistet die Chancengleichheit zwischen blinden und sehbehinderten Spielern. Der Deutsche Meister im Torball wird in einem Turnier ausgespielt. Für dieses Endturnier können sich Vereinsmannschaften in zwei Vorrundenturnieren – einer Nord- und einer Südrunde – qualifizieren. Das Qualifikationsturnier der Nordrunde fand am 24. Januar 2015 in Unterliederbach bei Frankfurt statt. Hier haben die Torballer der TG Unterliederbach in den eigenen Hallen großartige Erfolge gefeiert. Die erste Mannschaft hat das Turnier vor dem zweitplatzierten Team aus Berlin gewonnen. Und auch die zweite Mannschaft der Unterliederbacher qualifizierte sich als Drittplatzierte für die Deutsche Meisterschaft im März in Dortmund. „Nach dieser Leistung traue ich uns sogar den Deutschen Meistertitel zu“, sagte Teammanagerin Katja Frisch. „Inoffiziell dürfen wir uns durch diesen Sieg ja bereits norddeutscher Meister nennen.“ Der deutsche Meister qualifiziert sich für den World- bzw. den ­Euro-Cup, die im jährlichen Wechsel ausgetragen werden. Für Nationalmannschaften gibt es die Europa- und Weltmeisterschaften. Darüber hinaus finden regelmäßig Einladungs- und Freundschaftsturniere statt. Torball ist ein äußerst attraktives Spiel voller Dynamik und reichlich Toren. Und so funktioniert das Spiel: Drei kurze Pfiffe des Schiedsrichters ertönen; er spielt einem Außenspieler den Ball zu. Das Match kann beginnen. Die Spielzeit beträgt zwei Mal fünf Minuten. Durch einen möglichst platzierten Wurf soll die Abwehr des Gegners überwunden und ein Tor erzielt werden. Die gegnerische Mannschaft versucht dies durch schnelle Reaktionen und ein gutes Stellungsspiel zu verhindern. Je besser ein Ball abgewehrt und gesichert werden kann, desto rascher kann der Gegenangriff gestartet werden. Das Tempo in einem Spiel und die Taktik, die die Mannschaften wählen, richten sich zum einen nach den Spielertypen einer Mannschaft, aber immer auch nach dem jeweiligen Zwischenstand. Wird eine Leine vom Ball oder von einem Spieler berührt, gibt es Strafwurf. Der „Verursacher“ muss das Spielfeld für einen Wurf verlassen. Die beiden übrigen Spieler müssen versuchen, den Wurf alleine abzuwehren. Beim dritten Strafwurf einer Mannschaft innerhalb eines Spiels gibt es einen Penalty. Nun kommt es zum Duell eins gegen eins, d. h. der abwehrende Spieler muss das gesamte Tor abdecken. Um ein allzu offensichtliches Spielen auf Zeit zu verhindern, muss jeder Wurf innerhalb von 8 Sekunden ausgeführt werden. Geschieht dies nicht, so wird das mit einem Strafwurf geahndet. Jeder Spieler darf nur dreimal hintereinander werfen. Der Trainer kann pro Spiel eine Auszeit von 30 Sekunden nehmen und drei Spieler auswechseln. Weitere Informationen erhalten Sie bei: Jürgen Becker Vorsitzender der Abteilung Torball im DBS e.V. Anspacher Str. 5 · D-61273 Wehrheim [email protected] · Mobil: 0172/6748820 Seite 4: Eine Schrift zum Anfassen Stelle dir die 6 Punkte auf einem Würfel vor. Sie sind der Ausgangspunkt für die Blindenschrift. Die Punkte sind ein bisschen erhöht und lassen sich auf Blindenschriftpapier gut erfühlen. Jeder Buchstabe kann durch eine andere Punktkombination dargestellt werden. Löse das Rätsel mithilfe des Blindenschrift-Alphabets. Ein Rätsel Hammer, Amboss, ... Wie heißt das dritte Gehörknöchelchen? Die Lösung findest du auf Seite 8. Telefonieren mit Joghurtbechern Ihr braucht: 1 Schere eine 10 m lange Schnur 2 saubere Joghurtbecher 2 Streichhölzer 1) Nehmt eure Joghurtbecher und stellt sie auf eine feste Unterlage. Nun sollte euch unbedingt ein Erwachsener helfen, damit ihr euch nicht verletzt: Vorsichtig macht ihr ein kleines Loch in den Boden der Joghurtbecher. Dafür könnt ihr eine Schere oder einen Nagel benutzen. 2) Nun legt ihr die beiden Böden der Becher aneinander und zieht die Schnur hindurch. Damit ihr die Schnur nicht aus Versehen wieder herauszieht, befestigt ihr an beide Enden der Schnur jeweils ein Streichholz. Dann zieht ihr die Becher ans jeweilige Ende der Schnur – fertig. 3) Haltet die Schnur straff gespannt und simsalabim ... Einer flüstert etwas in den Becher. Die Schallwellen werden durch den Becher verstärkt und durch den straff gespannten Faden zum anderen übertragen. Seite 5: Kennst du deine fünf Sinne? Wie können wir unsere Umwelt wahrnehmen? Wir können sie sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen. Dabei helfen uns unsere fünf Sinnesorgane: Augen, Ohren, die Nase, die Zunge und unsere Haut. Diesmal möchten wir euch die Zunge vorstellen. Diesmal möchten wir euch das Ohr vorstellen. Deine Ohren sind das Sinnesorgan für das Hören und das Gleichgewicht. Weil wir zwei Ohren haben, können wir räumlich hören und so wissen wir, aus welcher Richtung Geräusche kommen. Anders als deine Augen, kannst du deine Ohren nicht schließen. Pass also gut auf deine Ohren auf und setze sie keinem großen Lärm aus. Wie geht eigentlich „Hören“? Die Mediziner unterteilen das Ohr in drei große Bereiche: das Außenohr, das Mittelohr und das Innenohr. Das Außenohr besteht aus der Ohrmuschel und dem Gehörgang. Wenn du zum Beispiel schöne Musik hörst, entstehen Schallwellen. Diese werden von der Ohrmuschel aufgefangen und in den äußeren Gehörgang geleitet. Durch ihn gelangen die Schallwellen zum Trommelfell. Stell dir das Trommelfell als feines Häutchen vor, das sich hin- und herbewegen kann. Es ist das Verbindungsstück zwischen dem Gehörgang und dem Mittelohr. Durch die Bewegung des Trommelfells gelangt der Schall ins Mittelohr. Dort fangen drei winzig kleine Gehörknöchelchen den Schall auf. Das Erste sieht aus wie ein Hammer. Das Zweite ähnelt Und das dritte Gehörknöchelchen gleicht einem Steigbügel. Daher kommen ihre Namen. Die kleinen Gehörknöchelchen machen den Schall lauter und führen ihn vom Mittelohr ins Innenohr. Im Innenohr ist die Schnecke, darin eine Flüssigkeit und viele tausend Sinneshärchen. Mit dem Schall geraten die Flüssigkeit und die Sinneshärchen in Bewegung. Diese wandelt sich in elektrische Impulse um, die schließlich der Hörnerv zum Gehirn weiterleitet. Eine ganz schön tolle Sache das Hören, aber gar nicht so einfach, was? Im Innenohr befindet sich auch das Gleichgewichtsorgan. Es sorgt dafür, dass du dein Gleichgewicht halten und oben, unten, links und rechts einordnen kannst. Es gibt Kinder oder Erwachsene, die nur schwer oder gar nicht hören können. Manchmal passiert dies von Geburt an und manchmal wird das Hören im Laufe des Lebens schlechter. Aber wie Brillen für die Augen gibt es Hörgeräte für die Ohren. Sie können helfen, besser zu hören. Seite 6: Lebensqualität Zurückgewinnen Ein Weißer Stock bringt Reisefreiheit Erfahrungsbericht von Carmen Strack Berlin, Sommer 2012: „Könntest du einige Lebensmittel besorgen, während wir unterwegs sind?“ fragt meine Schwester. Wir haben hier zu viert eine Ferienwohnung gemietet. Die drei anderen planen einen Ausflug, der mir zu anstrengend ist. Ich habe eine gravierende Sehbehinderung, kann nur mit stark vergrößernder Lupe überhaupt noch etwas lesen, habe kein perspektivisches Sehen mehr und kann Entfernungen nicht einschätzen. Das Einkaufen im nahen Supermarkt traue ich mir jedoch alleine zu. Ich gehe also los. Da ich Zeit habe, kann ich alle paar Meter stehen bleiben und mich umsehen. In der Straße stehen hohe, alte Häuser mit wunderschönen Fassaden, bunt bepflanzten Balkonen und kunstvoll geschnitzten Eingangstüren. Diesen Weg sind wir schon oft gegangen und ich stelle erstaunt fest, dass ich das alles bisher nicht bemerkt habe, weil ich mich auf den Boden vor mir konzentrieren musste, um nicht zu stolpern. In der Gruppe konnte ich nicht stehen bleiben, um hochzusehen. In Berlin wechseln die Bodenbeläge auf den Gehwegen sehr häufig ihre Beschaffenheit und Farbe, aber ich kann nicht erkennen, ob es ohne Stufe weitergeht. Also bin ich vorsichtig und rechne jederzeit mit Absätzen. Meine Mitreisenden nehmen zwar Rücksicht, aber ich empfinde mich doch als Hemmschuh. So war ich damals zu dem Entschluss gekommen, diese Städtereisen nicht mehr mitzumachen, um die anderen nicht zu behindern und weil ich bei den gemeinsamen Unternehmungen zu Fuß nicht mehr wirklich viel mitbekomme. In der Folgezeit sprechen wir öfter über die schöne Woche in Berlin und es heißt dann: „Das machen wir bald wieder.“ Ich überlege, ob ich es noch mal riskieren kann. Vielleicht sollte ich es mit einem Mobilitätstraining versuchen? Das hieße, mit dem Blindenlangstock zu laufen. Alles in mir sträubt sich dagegen. Ich hatte schon große Probleme damit, den gelben Anstecker mit den drei schwarzen Punkten zu tragen. Natürlich ist es sicherer, wenn ich mich als sehbehindert bzw. blind kennzeichne, aber ich empfinde mich nicht als bedauernswertes Geschöpf, das ständig auf Hilfe angewiesen ist. Ich will nicht über meine Seheinschränkung definiert werden! Das Tragen des Blinden-Ansteckers habe ich 2011 erstmals im Urlaub auf Mallorca ausprobiert. Da ich nicht, wie befürchtet, das Gefühl hatte, von allen komisch angesehen zu werden, sondern eher auf mich Rücksicht genommen wurde, trug ich den Anstecker dann auch zu Hause und machte keine negativen Erfahrungen. Im Gegenteil: Wenn ich an der Haltestelle fragte, welche U-Bahn gerade einfährt, ­ersparte ich mir Antworten wie „das steht doch dran“ und meine Erklärung „ich kann es aber nicht mehr lesen“. Heute fühle ich mich unsicher, ja sogar etwas „unbeschützt“, wenn ich mal vergesse, meinen Button anzustecken. Könnte es sein, dass es mir mit dem Langstock ähnlich ginge? Beim AMD-Stammtisch des BSBH, der einmal monatlich für Makula-Degeneration Betroffene in Frankfurt angeboten wird und den ich regelmäßig ­besuche, wurde immer mal wieder über Mobilitätstraining und Orientierung gesprochen. Ich ließ mir bei meinem nächsten Augenarzt-Besuch einen Weißen Stock und die dazugehörige Schulung verordnen. Mit Susanne Reith, Rehabilitationslehrerin und Leiterin unseres AMD-Treffs übte ich den richtigen Gebrauch des Langstocks und erhielt außerdem viele nützliche Hinweise bzgl. Ampelanlagen, Bodenindikatoren etc. Kurze Wege, die ich gut kenne, laufe ich auch heute noch manchmal ohne Stock, aber ich fühle mich mit ihm auf jeden Fall sicherer. Außerdem bewege ich mich damit gerade im Menschengewühl viel unbehelligter, weil alle dem Stock aus dem Weg gehen und Fahrradfahrer, die sonst ganz knapp an mir vorbeifuhren, jetzt einen Bogen um mich machen. Bei unserem diesjährigen Berlin-Trip sagte meine Schwester: „Seit Carmen mit ihrem Stöckchen geht, läuft sie blitzeflink vor uns her!“ Ich wünsche, ich könnte allen Menschen, denen es so geht wie mir, nur für eine halbe Stunde einmal das großartige Gefühl der Entlastung und Freiheit vermitteln, die das unbeschwerte Laufen mit dem Stock zurückgibt. Wenn ich heute aus einer fremden Stadt berichte, erzähle ich nicht, wie oft der Straßenbelag wechselt, sondern von schönen Häuserfassaden und interessanten Schaufensterauslagen, von den Sehenswürdigkeiten, die es zu bestaunen gibt und von Menschen, die an mir vorbeieilen, lässig schlendern oder an ­einem Springbrunnen in der Sonne sitzen. Seite 7: Neubaudes Blinden- und Sehbehindertenbundes in Kassel ist fertig Neben unserer vollstationären Pflegeeinrichtung in Kassel in der Eschebergstraße, sind nun auch das betreute Wohnen und die Tagespflege fertiggestellt. Seit Mai 2014 konnten die Wohnungen bezogen werden. Zwischenzeitlich sind alle Wohnungen vermietet. Am 3. November 2014 wurde die Tagespflege eröffnet. Was ist Tagespflege? Pflegebedürftige Menschen haben die Möglichkeit, gut versorgt, in Gesellschaft den Tag zu verbringen. Ein sehr großes Problem immobiler, pflegebedürftiger Menschen ist die soziale Verarmung. Sie haben kaum Möglichkeiten der Kommunikation, der Abwechslung oder der Unterhaltung. Oftmals ist der Besuch des ambulanten Pflegedienstes die einzige Kommunikationsmöglichkeit am Tag, und diese Zeit ist bekanntlich sehr kurz bemessen. Tagespflege kann bedeuten, vielleicht einen Heimaufenthalt zu verhindern, zumindest aber aufzuschieben. Mit dem hauseigenen Bus werden die Tagesgäste von zu Hause abgeholt und am späten Nachmittag wieder in ihre eigenen vier Wände zurückgebracht. Neben der bekannt guten Küche, mit stets frisch zubereiteten Mahlzeiten, steht die sinnvolle Beschäftigung im Vordergrund der Tagesgestaltung, alles im Rahmen der individuellen Möglichkeiten. Geschultes, therapeutisches Personal steht den Gästen den ganzen Tag zur Verfügung. Die Kosten für die Tagespflege werden von der Krankenkasse mitfinanziert. Wir hoffen sehr, dass dieses Angebot gut angenommen wird. Nach den Erfahrungen, die wir in unserer Pflegeeinrichtung gemacht haben, können wir davon ausgehen, dass genau die Tagespflege das ist, was im Stadtteil Harleshausen noch fehlte. Wir, der BSBH, bieten somit auf unserem Gelände ein „rundes“ Angebot mit Wohnungen, betreutem Wohnen, Tagespflege und einer vollstationären Pflegeeinrichtung. Suchen – finden – helfen! Mit jeder einzelnen Suchanfrage über die neue Suchmaschine www.benefind.de können Sie den Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen e.V. unterstützen. Dank der Technik von bing.de – der Suchmaschine von Microsoft – erhalten Sie gleichzeitig Suchergebnisse auf gewohnt hohem Niveau. Jetzt auf www.benefind.de umsteigen, mithelfen und weitersagen! Seite 8: Beratungsstellen des BSBH in ganz Hessen Der BSBH hat zurzeit über 150 ehrenamtliche Kräfte, welche selbst blind oder sehbehindert sind. Die ehrenamtliche Arbeit wird auch in Zukunft das Standbein unserer Arbeit bleiben. Mit ehrenamtlichen Kräften ­allein ist es aber nicht mehr möglich, flächendeckend den Anforderungen an eine kompetente Beratung blinder und sehbehinderter Menschen und ihrer­Angehörigen gerecht zu werden. Die Arbeit der Ehrenamtler muss von hauptamtlichen Beratungskräften unterstützt und begleitet werden. Außerdem müssen die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kräfte regelmäßig fort- und weitergebildet werden. Hierfür müssen Fortbildungskonzepte geschaffen und umgesetzt werden. All dies kostet Geld, welches mit Mitgliedsbeiträgen nicht zu erwirtschaften ist. Hier sind wir auf Ihre Spenden angewiesen: Bankverbindung: PAX-Bank Köln IBAN: DE80 5502 0500 0007 0293 00 BIC: BFSWDE33MNZ Hier erhalten Sie Rat und Hilfe: Bezirksgruppen des Blinden- und Sehbehindertenbundes in Hessen: Darmstadt-Südhessen: 06151 / 29 49 63 Frankfurt: 069 / 59 12 59 Beratungsstellen Blickpunkt Auge: 069 / 15 05 96 81 Gießen-Oberhessen: 0641 / 250 99 19 Hanau: 06181 / 95 66 63 Kassel-Nordhessen: 0561 / 286 16 70 Lahn-Dill: 06431 / 93 20 08 Beratungsstelle Blickpunkt Auge: 06431 / 29 65 02 Marburg: 06421 / 462 99 Beratungsstelle Blickpunkt Auge: 06421 / 2 94 98 01 (mit Anrufbeantworter) Offenbach: 069 / 85 87 37 oder 069 / 83 19 61 Osthessen: 06678 / 45 6 Wiesbaden: 0611 / 545 92 Beratungsstelle Blickpunkt Auge: 0611 / 34 18 76 12 Termine 2015 23. April Heeresmusikkorps der Bundeswehr Benefizkonzert zugunsten des Blinden- und Sehbehindertenbundes in Hessen, Stadthalle Baunatal 20. bis 22. Mai 13. SightCity Frankfurt Europaweit größte Messe von Hilfsmitteln für Blinde und ­Sehbehinderte, Sheraton Airport Hotel Frankfurt 29. Mai bis 07. Juni Hessentag Hofgeismar Der BSBH ist auf dem ­Hessentag mit einem Informationsstand auf der Landesausstellung vertreten. 06. Juni „Tag der Sehbehinderten“ 02. bis 04. Juli 11. Deutscher Seniorentag Frankfurt 18. Juli 90jähriges Jubiläum des Blinden- und Sehbehindertenbundes in Hessen, Villmar 08. bis 15. Oktober „Woche des Sehens“ 15. Oktober „Tag des Weißen Stocks“ Der „Tag des Weißen Stocks“ bildet traditionell den Abschluss der „Woche des Sehens“. 08. November hr Kulturlunch-Konzert Hessischer Rundfunk, Frankfurt Rätsellösung vom Seite 4 der Steigbügel Impressum Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen e. V. (BSBH) Eschersheimer Landstraße 80, 60322 Frankfurt am Main Telefon: 069 / 15 05 96-6, Fax: 069 / 15 05 96-77 E-Mail: [email protected], Internet: www.bsbh.org Bankverbindung: PAX-Bank Köln IBAN: DE80 5502 0500 0007 0293 00 BIC: BFSWDE33MNZ Ihr Ansprechpartner: Klaus Meyer, E-Mail: [email protected] V.i.S.d.P.: Klaus Meyer Grafische Gestaltung und Layout: sanart grafik design, Bad Vilbel, www.sanartgrafik.de Illustrationen: Atelier Yaprakkiran Druck: Henrich Druck + Medien GmbH Vielen Dank an alle, die uns mit Ideen, Fotografien oder Beiträgen bei der Verwirklichung dieser Zeitung unterstützt haben.