Die Mauern und Türme des Nowgoroder Kremls.

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13. DER KREML
Im Panorama des Stadtzentrums von Nowgorod ist von überall das
majestätische Ensemble alter, von dicken Mauern und Türmen umgebener
Bauwerke zu sehen. Das ist der Nowgoroder Kreml oder, wie man ihn bis zum 16.
Jh. nannte, der Detinez. Der Nowgoroder Kreml beherbergt hervorragende
Denkmäler der russischen Nationalkultur.
Die Mauern und Türme des Nowgoroder Kremls. Im Altertum befanden
sich auf dem heutigen Territorium des Kremls zwei Hügel: ein etwas höherer im
Norden und ein niedriger im Süden. 1045 baute Fürst Wladimir Jaroslawitsch, der
Sohn Jaroslaw des Weisen, auf dem Nordhügel eine Holzfestung, die vom Osten her
vom Wolchow geschützt war. An den übrigen drei Seiten nutzte man einen
natürlichen Graben, den man weiter vertiefte und mit Wasser auffüllte. Um den
gesamten Hügel wurden eicherne Blockverbände mit 20 m Breite und 1 m Höhe
aufgestellt. Diese Blockverbände wurden von der äußeren Seite von hakenartigen
Balkenenden, den sogenannten Kniehölzern, gestützt, die ein Abrutschen in den
Wassergraben verhinderten. Innere der Blockverbände schüttete man mit Erde zu.
Das bildete die Grundlage für den Verteidigungswall. Darauf wurde eine 3-4 m hohe
Lehmschicht aus dem Festungsgraben aufgetragen. Oben auf dem Wall errichtete
man aus Holz gezimmerte Mauern, die im 14.-15. Jh. abgetragen und durch steinerne
ersetzt wurden. Der Wall aus dem Jahre 1045 hat sich jedoch unter den
Kremlmauern gut erhalten.
Die nächste Etappe in der Baugeschichte des Kremls war die Erweiterung
seiner Grenzen im Jahre 1116 durch Fürst Mstislaw. In das Kremlgelände wurde der
andere, der Südhügel einbezogen, und er nahm so die ovale Form an, die bis heute
erhalten ist; die Fläche des Kreml macht 12,1 ha aus. Um den Südhügel wurde
ebenfalls ein Holz-Erdwall errichtet. Der hölzerne Kreml von 1116 hatte fünf
Tortürme, an denen die zum Kreml führenden Straßen endeten.
1331 wurde mit dem Bau der ersten Steinmauer an der zum Wolchow
gewandten und für die nach Nowgorod auf dem Fluß kommenden Kaufleute von
weitem sichtbaren Nordostseite des Kremls begonnen. 1400 wurde die Steinmauer in
südlicher Richtung weiter gebaut, und sie schloss somit die Vorderseite, die
Paradeseite der Befestigungen vom Wolchow aus, ab. Um 1420 war der gesamte
Kreml von einer starken Steinmauer umgeben. Die Mauer bestand aus Fliesenstein –
graubläulichen Kalksteinquadern, die mit Mörtel verbunden wurden.
Diese Mauern standen jedoch nur reichlich fünfzig Jahre. Ihre Schießscharten
und Galerien waren zu schmal zum Aufstellen von Feuerwaffen. Deshalb wurden
1484-1490 auf Erlaß des Moskauer Großfürsten Iwan III. (als der Prozess der
Vereinigung der russischen Länder mit Moskau begann) von Nowgoroder Meistern
auf dem alten Fundament die neuen Mauern (jedoch nach alten Plänen)
hochgezogen, die bis auf den heutigen Tag erhalten sind: nach dem Umbau besaß
der Kreml 5 Tortürme, 6 Mauertürme und 2 Raskat-Türme aus Ziegeln und Steinen.
Der Sofijski-Glockenturm und die Mauertürme der Ostseite besaßen Ausfalltore.
Die Mauer ist 1385 m lang, 8,5-10,6 m hoch und 2,7-3,3 m stark. Die Türme erheben
sich über den Mauern von 12 bis 21 m Höhe. In der Architektur der Mauern und
Türme des Kremls sind charakteristische Züge des Nowgoroder Baustils
vorherrschend; lediglich die zweizackigen Zinnen (Merlone), die der Form nach an
einen Schwalbenschwanz erinnern, zeugen vom Einfluss des Moskauer
Festungsbaustils.
Im 16. Jh. wurden im Nowgoroder Kreml Schießscharten aus den unteren
Festungsräumen eingerichtet, und wieder ein Jahrhundert später baute man alle
Schießscharten der Türme um: Die Schießkammern wurden verbreitert und die
Schartenöffnungen verengt. Zur gleichen Zeit verputzte man die Mauern und Türme
des Kremls mit Kalk.
Zu Beginn des 20.Jh. waren von 13 Türmen 9 erhalten: Ein Turm fiel einem
Brand zum Opfer, der zweite wurde von Hochwasser unterspült und fiel in sich
zusammen, und die letzten beiden wurden Ende des 18. Jh. abgetragen und an ihrer
Stelle breite Durchfahrtsbögen errichtet.
Alle Kremltürme haben in etwa die gleiche Gestalt. Sie bestehen aus fünf
Stockwerken, die im Innern durch Leitern bzw. Aufzüge verbunden sind. In den
untersten Stockwerken lagerte man meist Munition. Die oberen Stockwerke waren
mit hohen Zeltdächern aus Holz überdacht, einige Türme hatten
Beobachtungsplätze. Ganz obenauf waren Wetterfahnen mit eingestanzten Wappen
von Nowgorod und anderen russischen Städten angebracht. Alle Türme wiesen ein
reiches Dekor auf. Sie schmückten breite Ornamentstreifen aus auf die Kante
(Porebrik) und auf die flache Seite (Begunez) gelegten Ziegelsteinen. Das gleiche
Dekor wurde beim Bau der Nowgoroder Kirchen verwendet. Einige Türme zieren
große, runde, aus Ziegeln gelegte Rosetten. Selbst über den bogenförmigen
Mauerdurchbrüchen der Schießscharten wurden die sogenannten «Browki»
(Gesimse, wörtlich «Brauen», wegen derer meist geschweiften Form) angemauert,
die sonst nur Kirchenfenster schmückten. Besonders effektvoll sind die Fassaden
der vier erhaltenen Tortürme des Nowgoroder Kremls. Ein jeder von ihnen war
Bestandteil eines architektonischen «Ensembles, zu dem außerdem eine Torkirche
und ein Refektorium gehörten. Das alles zeugt vom Einfluss sowohl der Profan- als
auch der Sakralbaukunst auf die Architektur der Festung. Der Nowgoroder Kreml
war ja nicht nur Festung, sondern auch das politisсhe, kulturelle und religiöse
Zentrum der Stadt.
Während der Besetzung Nowgorods durch die Hitlerwehrmacht wurden die
Mauern und Türme des Kremls stark beschädigt. Die Wiederherstellungsarbeiten
begannen sofort nach der Beendigung des Krieges. Um sie zu restaurieren, befestigte
man Tausende Kubikmeter Mauerwerk, baute es teilweise wieder neu auf und führte
komplizierte ingenieurtechnische Arbeiten aus.
In den Kreml gelangt man vom Sophien-Platz über die nach dem Krieg
erbaute Brücke und den an der Westseite des Kremls gelegenen Festungsgraben
(obere Breite 40-50m, untere Breite 18-20m, im 10./11.Jh. war der Graben 12-14 m
tief).
Den Eingang in den Kreml bildet ein breiter (westlicher) Durchfahrtsbogen,
der 1820 anstelle eines abgetragenen Turms errichtet wurde. Links vom Torbogen
befindet sich das Haus des Erzbischofs, das vermutlich im 16. oder 17. Jh. erbaut
und später umgebaut wurde. Im 18. Jh. stockte der Architekt Pjotr Nikitin das Haus
auf und verlieh dem nunmehr zweistöckigen Gebäude eine Fassade im Stil des
Frühklassizismus. 1921 wurde das ehemalige Haus des Erzbischofs dem
Nowgoroder Theater übereignet. Heute befindet sich in diesem Gebäude die
Philharmonie.
Das größte Gebäude des Kremls ist die Sophien-Kathedrale, hinter ihr befand
sich von alters her im Nordwestteil des Kremls die Residenz des Nowgoroder
Bischofs (1165 Erzbischof). Im 10. Jh. haben sich hier vermutlich ein Wohngehöft
von Priestern des heidnischen Donner- und Feuergottes Perun, eine heidnische
Kultstätte (Götzentempel) sowie der örtliche Friedhof befunden. Mit Annahme des
Christentums richtete das Oberhaupt des neuen Kults an gleicher Stelle seine
Residenz ein und umgab sie mit Festungsmauern, baute also innerhalb der Festung
noch eine Festung. In den Bischofshof gelangte man durch die schmalen
Durchfahrten der Torkirchen (sie sind nicht erhalten geblieben), die die gleichen
Funktionen hatten wie die Tortürme in den Festungsmauern. Ende des 15. Jh.
wurden zwei drittel Kremls mit Geldern der Moskauer Großfürsten und ein Drittel
auf Kosten des Nowgoroder Bischofs aufgebaut. Zu diesem «Bischofsdrittels»
gehörten außerdem der Metropoliten- und der Theodor-Turm des Kremls, die,
wie es auch heute zu sehen ist, den Bischofshof von Westen und Norden her
bewachten. Im Interschied zu den anderen Türmen sind sie rund. Im MetropolitenTurm wurden die Schießscharten bei der Restauration nach Vorbildern aus dem 15.
Jh. gestaltet, im Theodor-Turm aber die Schießscharten aus dem 17. Jh. belassen.
Von der Hofseite schloß sich zwischen den Türmen und der Festungsmauer
das für jene Zeiten riesige zweistöckige Gebäude des Erzbischofspalastes an. Reste
des Palastes sind von den Archäologen ausgegraben und zur Besichtigung freigelegt
werden. Der Erzbischofspalast wurde unter Erzbischof Euthymios (=Jewfimi)
1430-1440 erichtet, der in seiner stürmischen Bautätigkeit seine Staats- und
Kirchenpolitik fortsetzte. Jewfimi war ein überzeugter Verfechter der
Unabhängigkeit Nowgorods, er setzte alle Mittel in Bewegung, um der
Vereinigungspolitik Moskaus entgegenzuwirken.
Zum Palast gehörte weiterhin ein1443 erbauter Wachtturm, der nicht erhalten
ist. Der bis heute den Eingang des Erbischofs zierende Glockenturm als
«Stundenläter» bezeichnet, wurde 1670 errichtet. Der achteckige, pfeilerartige Bau
mit einer Höhe von 44 m überragt alle Gebäude des Bischofshofs. Der Name stammt
von der hier vermutlich bald nach Errichtung des Turms eingebauten
Glockenspieluhr. Während der 1969-1970 durchgeführten Restaurationsarbeiten
wurde hier eine Turmuhr montiert, die alle 30 Minuten schlägt.
Östlich von diesem Glockenturm befindet sich die Torkirche des Sergios
von Radonesh, die 1459 der Nowgoroder Erzbischof Iona errichten liess, dessen
ideologische Orientierung auf Moskau ihren Niederschlag darin, dass er sie dem
Begründer des Klosters der Heiligen Dreiafltigkeit und des heiligen Sergios (heute
Sagorsk, Moskauer Gebiet), einem kanonisierten heiligen widmete. Die Fassade der
Kirche und ihre Kuppel wurden oft umgebaut. Im 17. Jh. wurde die Kirche mit einem
zweigeschossigen Kokoschnik, die den Kokoschniks des Glockenturms
architektonisch nahestanden, geschmückt.
Hinter der Glockenturm befindet sich das Gebäude des Kirchen- und
Gerichtsamtes, in dem Fragmente eines Palastes aus dem 14. Jh. sowie eines
Hauses der Kirchenbediensteten der Sophien-Kathedrale aus dem 17. Jh.
aufgefunden wurden. Gegenwärtig werden im Obergeschoss des Gebäudes
periodische Ausstellungen organisiert.
An dieses Gebäude schliesst sich das Lichuda-Korps an, das ursprünglich
im 15. Jh. errichtet und Anfang des 18. Jh. für die 1706 eröffnete Slawischgriechische Schule umgebaut wurde. Ihr standen die berühmten russischen
Aufklärer von der Moskauer Slawisch-griechisch-lateinischen Akademie, die
Brüder Joanniki und Sofroni Lichuda vor. In der Schule wurden Lehrer für
Priesterseminare ausgebildet.
Unmittelbar an die Sergios-Kirche schliesst sich das Joanniki-Korps an, ein
zweigeschossiges Gebäude, dessen unterer Teil in das 15. Jh. datiert wird. Der obere
Teil wurde im 16.-17. Jh. umgebaut.
An seiner Ostseite ist das Joanniki-Korps mit einem berühmten Bau des
Bischofshofs, mit dem Facettenpalast, verbunden. In der Chronik wird berichtet,
dass diesen 1433 deutsche und Nowgoroder Meister errichtet haben. Durch diese
Tatsache wird die Vermutung über eine Beteiligung von fremdländischen Meistern
am Bau des Erzbischofspalastes bestätigt, weil er seiner architektonischen
Ausführung nach einige westeuropäische Schlösser mit der für jene
charakteristischen Verknüpfungg von Elementen des Militär- und Profanbaus
erinnerte. Ursprünglich war das Gebäude des Facettenpalastes dreigeschossig. Jetzt
ist sein Erdgeschoss durch die jahrhundertelang gewachsene Kulturschicht zu einem
Kellergeschoss geworden. Starken Veränderungen waren die Fassaden des
Gebäudes und sein Mauerputzwerk unterworfen. Die in das Obergeschoss, in den
Paradesaal, führende Treppe wurde im19. Jh. gebaut. Die Architektur des
Paradesaals selbst jedoch ist fast unverändert erhalten geblieben. Von einer starken
Mittelsäule wird das Kreuzrippengewölbe aus behauenen keilförmigen Steinen, das
eine Fläche von 164 m² überspannt, gestützt. Ungeachtet der gotischen Konstruktion
des Palastes trägt sein Interieur russischen Charakter. Ein quadratischer oder
rechteckiger Saal mite in oder zwei Stützsäulen ist die typische Form der
altrussischen Profanbauten.
Im Paradesaal des Facettenpalastes versammelte sich hinter dem Vorsitz des
Bischofs der Herrenrat, hier wurde Verhandlungen mit fremdländischen Diplomaten
geführt sowie wichtige Gerichtserteile gefällt. Jeden in den Paradesaal Eintertenden
(dazu gehörte noch ein Vorraum) empfing das gestrenge Antlitz Christus, der das
Evangelium mit der aufgeschlagenen seite über das gerechte Gericht in der Hand
halt. Das Wandgemälde aus dem 15. Jh. ist erhalten geblieben.
Die Wände und Gewölbe des Paradesaals wurden erstmalig acht Jahre nach
dem Bauabschluss bemalt. Seitdem hat man die Fresken jedoch viele Male erneuert.
Die vorhandene Bemalung des Gewölbes stammt aus den 20er Jahren des 19. Jh.
und steht damit in Verbindung, dass im Paradesaal Gottesdienste abgehalten
wurden.
Während des Großen Vaterländischen Krieges konnte des verminte Gebäude
des Facettenpalastes gerettet werden, somit ist der alte Paradesaal der einzige
erhaltene Raum größeren Ausmasses in der vollkommen zerstörten Stadt. Am 20.
Januar 1944 fand hier die der Befreiung der Stadt von den faschistischen deutschen
eroberern gewidmete Festsitzung der Nowgoroder Bürger statt. Am 26. September
1944 wurde im Facettenpalast die erste Versammlung der Kommunisten der
Nowgoroder Gebiets abgehalten, auf der die ersten Massnahmen zum Wiederaufbau
der Stadt erörtet wurden.
Im Facettenpalast befindet sich zur Zeit eine Ausstellung von Erzeugnissen
der russischen dekorativen und angewandten Kunst aus dem 11. Jh. bis Anfang des
20. Jh. Die Facettenkamer wird im Moment restauriert.
Gegenüber dem Facettenpalast ist nördlich von der Sophien-Kathedrale ein
langgezogenes zweistöckiges Haus aus dem 17. Jh., das Nikita-Korps, das in der
Folgezeit mehrmals umgebaut wurde. Es steht an der stelle eines Gebäudes aus dem
12. Jh., in dem bis Mitte des 14. Jh. die Erzbischöfe wohnten. Früher war das NikitaKorps mit dem Facettenpalast durch eine Galerie und mit der Kremlmauer durch
einen hölzernen Laufgang verbunden. Heute sind in diesem Gebäude die Fonds des
Nowgoroder Museums und die Museumsbibliothek unterbracht.
Links vom Südportal der Sophien-Kathedrale befindet sich ein
eingeschossiges langgestrecktes Gebäude. Früher war das die Kirche des Einzugs
Christi in Jerusalem, die 1759 anstelle einer aus dem 14. Jh. stammenden
Kathedrale gleichen namens errichtet wurde. Heute ist hier das Städtische Lektorium
untergebracht.
Hinter dem Lektorium erhebt sich neben der Kremlmauer die SophienGlockenwand. Das bis in unsere Tage erhaltene Bauwerk stammt aus dem 15.-16.
Jh. Im 16. Jh. krönten die Glockenwand fünf hohe Zeltdächer. Das heutige Dach
«Botschka»-Dach (halbzylinderförmiges Dach mit kielbogenförmigen Erhöhung des
Oberteils), das Gesims und die Kuppeln stammen aus dem 18. und 19. Jh. Das
architektonische Antlitz der Glockenwand ist denkbar einfach: Eine fünfbögige
Arkade wird von einer massiven Mauer getragen. Ein Bau, der sich noch natürlicher
an die Formen der Sophien-Kathedrale anpasst, ist kaum vorstellbar.
Während des Krieges wurde die Glockenwand stark beschädigt. Die Glocken
konnten jedoch von Mitarbeitern des Museums rechtzeitig abgenommen weren.
Beim Versuch, sie auf dem Flussweg zu evakuieren, wurde der Schleppkahn von
einer Bombe getroffen und versank mitsamt der Glocken. Zwei an Land verbliebene
Glocken vergrub man. Nach der Befreiung der Stadt hob man die versunkenen
Glocken aus dem Wolchow und stellte sie auf Sockeln vor der Glockenwand auf.
Die größte, die «Festtagsglocke», wurde 1659 gegossen, ihr Gewicht beträgt
26,5 t. Links von der «Festtagsglocke» steht die «Sonntagsglocke» und rechts
daneben die «Alltagsglocke». Die äußerste rechte Glocke stammt aus dem 16. Jh.,
sie wurde von Zar Boris Godunow einem Nowgoroder Kloster gestiftet.
Der östliche Durchfahrtbogen in der Mauer des Detinez führt auf das
Wolchowufer hinaus. Der Bogen ist im 19. Jh. an die Stelle des PretschistenskiTurms getreten, eines hohen, mächtigen und schmucken Turms, über dessen
Torbogen eine kleine Kirche untergebracht war. Zu diesem Turm führte die Große
Wolchow-Brücke, die die Sophien- und die Handelsseite miteinander verband.
Rechtss vom Osteingang in den Kreml, hinter dem Denkmal «Tausend Jahre
Russlands» befindet sich das ehemalige Amtsgebäude. In diesem Gebäude ist die
Abteilung «Geschichte» des Nowgoroder Museums untergebracht. Eine
Gedenktafel an der Fassade teilt mit, dass hier, in der Kanzlei des Gouvernements,
der russische revolutionäre Demokrat Alexander Herzen gearbeitet hat. Das
Gebäude wurde Ende des 18./Anfang des 19.Jh. anstelle des Gebäudes des
staatlichen Kanzleibehörde erbaut. Die Kellerräume beherbergen noch Gewölbe aus
dem 16. und 17 Jh.
Das Nowgoroder Museum wurde 1865 von Enthusiasten und Kennern der
alten Geschichet aus privaten Mitteln gegründet. Nach der Revolution gingen alle
Museen in Volksbesitztum über, ihre Sammlungen wurden auf Kosten staatlicher
Fonds ergänzt. Im Nowgoroder Museum nahm man die Sammlung und das Studium
von wertvollen Werken der altrussischen Kunst in Angriff. Die Ikonensammlung
zählte 3000 Einzelwerke.
Zu Kriegsbeginn, im Juli und August 1941, evakuierte man aus dem
Nowgoroder Museum 12000 Exonate, in erster Linie Werke der alten Malerei,
dekorativen und angewandten Kunst sowie 220 Werke aus der Gemäldegalerie.
Jedoch konnte ein bedeutender Teil der Kostbarkeiten nicht evakuiert, werden.
Während der Besetzung wurden die verbliebenen Sammlungen von Handschriften
und alten gedruckten Kirchenbüchern sowie die archäologischen Kollektion
ausgeraubt und vernichtet. Nach dem Krieg musste ein Grossteil der Gegenstände
von neuem gesucht, erworben oder restauriert werden.
1958 wurde das Nowgoroder als eines der ersten in unserem Land zu einem
historischen und architektonischen Museumsreservat erklärt. Zu ihm gehören nun
50 Altertumsdenkmäler, darunter der gesamte Kreml der Jaroslawhof und der Markt.
Heute verfügt der Museumsfonds, die Filiale des Museums im Nowgoroder Gebiet
nicht mitgerechnet, über rund 158000 archäologische, historiische und
Kunstgegenstände.
Einen Teil des Museumsgebäudes belegt heute die Gebietsbibliothek, das
organisatorische und methodische Zentrum des Bibliothekwesens in Nowgorod und
dem Nowgoroder Gebiet. In den Fonds der Bibliothek werden rund 600 000 Bücher
aufbewahrt. Die Bibliothek zählt 24000 ständige Leser. Insgesamt gibt es in
Nowgorod 105 Bibliotheken mit einem Buchbestand von 3 Millionen Exemplaren.
Hinter dem Museumsgebäude befindet sich an seiner Ostseite in der Nähe der
Kremlmauer die kleine Andreas-Stratilates-Kirche, die Ende des 17.Jh. oder
Anfang des I8. Jh. erbaut wurde. An ihrer Stelle befand sich im 11. Jh. die hölzerne
13-kuppelige Sophien-Kathedrale.
Bei Ausgrabungsarbeiten in den Jahren 1938-1939 wurden im südlichen Teil
des Kremls 15 hölzerne Beläge einer alten Nowgoroder Strasse gefunden, die den
gesamten Kreml, angefangen beim Wladimir-Turm bis zur Spaski-Turm an der
Südseite des Kremls, durchquerte. Dieser Abschnitt des Kremls war von jeher dicht
bebaut. Im 17. Jh. entstand hier der Wojewodenhof. Von diesem ehemaligen
Gebäudenkomplex ist heute lediglich der 32 m Hohe Kokui-Turm (ein Wachturm)
erhalten. Dieser Turm ist ein bedeutendes Bauwerk der Baukunst, in dem sich
Einfachkeit und Eleganz der Formen mit einer interessanten ingenieur-technischen
Lösung paaren. Der Turm erhielt die Bezeichnung «Kokui» (vom holländischen
Wort «Koke» = schauen) wegen der Bestimmung der oberen Etage als
«Beobachtungsraum über die gesamte Stadt». Mit der Fertigstellung des Kokui in
den Jahren um 1690 sind die Arbeiten zur Errichtung der Festungsanlagen des
Nowgoroder Kremls abgeschlossen.
Zum Wojewodenhof gehörte weiterhin der Pokrow-Turm, der niedriger und
breiter ist als alle andere. Dadurch ragt er weit über die Flucht der Festungsmauern
hinaus. Bemerkenswert sind die überragenden Schiessscharten im Obergeschoss und
die grosse Anzahl von Schiesslöchern. Ende des 17. Jh. baute man neben dem aus
dem 16. Jh. stammenden Turm die Mariä-Schutz-und-Fürbitte-Kirche, eine für
den Moskauer Architekturstil jener Zeit typische Geschosskomposition mit einem
quadratischen Mittelteil und einem achteckigen Oberteil. Im Pokrow-Turm befindet
sich heute das Restaurant «Detinez», in dem auf altrussische Alt zubereitete Speisen
und Getränke gereicht werden.
Nördlich vom Pokrow-Turm hegt der Slatoust-Turm, der seit dem 16. Jh.
vielmals umgebaut wurde.
Zwischen dem Slatoust-Turm und dem westlichen Torbogen befindet sich an
der Kremlmauer die Gedenkstätte «Ewiges Feuer des Ruhmes». In der Mitte der
Gedenkstätte brennt vor einer Wand aus schwarzen Marmorplatten das ewige Feuer
in einer runden Granitschale. Auf graniten Grabplatten sind die Namen von Helden
des Bürgerkrieges, Partei- und Staatsfunktionären aus dem Nowgorod der ersten
Jahre der Sowjetmacht und von Soldaten der Wolchow-Front, die bei der Befreiung
der Stadt von Hitlerarmee im Januar/Februar 1944 gefallen sind, geschrieben.
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