Peter Ruggenthaler, Ludwig Boltzmann

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Peter Ruggenthaler, Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung, Graz
Die Sowjetunion und Österreich 1938 bis 1955
Die Nachkriegsplanungen der Alliierten, insbesondere der Sowjetunion, zielten auf eine
Zerteilung des Deutschen Reiches ab. Damit bestand – spätestens seit 1943 – auch die Chance
auf eine Wiedererrichtung Österreichs, gegen dessen »Anschluss« an Hitler-Deutschland
1938 neben Mexiko auch die Sowjetunion protestiert hatte. Danach galt Österreich für die
sowjetische Außenpolitik einmal als Teil des verbündeten Hitler-Deutschlands (1939), ein
anderes Mal bezeichnete Stalin den »Anschluss« Österreichs als einen weiteren Schritt im
»Sammeln deutscher Länder« (1941). Innerhalb der Komintern tröstete man die
österreichischen Genossen 1940 (als Molotov bei Hitler in Berlin war und die KPÖ bereits
einen hohen Blutzoll im Widerstand gegen die Nationalsozialisten erbracht hatte) mit der
allgemeinen Floskel, dass die NS-Politik imperialistisch und kolonialistisch sei.
Eine Abtrennung Österreichs vom Deutschen Reich nach einem für die Alliierten
erfolgreichen Ende des Krieges dürfte spätestens seit der militärischen »Wende« vor Moskau
Ende 1941 als Möglichkeit erwogen worden sein. Ab diesem Zeitpunkt zementierte Stalin die
sowjetische Position zur Österreichfrage. Er konfrontierte den britischen Außenminister
Anthony Eden im Mai 1942 im Zuge der Verhandlungen über den militärischen
Bündnisvertrag mit der Forderung, dass Österreich als unabhängiger Staat wiederhergestellt
werden sollte. Eden bestätigte, dass die britische Regierung »unter allen Umständen für die
Unabhängigkeit Österreichs« eintrete.
Die Wiederherstellung Österreichs als ein sowjetisches Kriegsziel
In der Moskauer Deklaration über Österreich hatten die Alliierten zum Abschluss der
Außenministerkonferenz Ende Oktober 1943 die Wiederherstellung eines freien und
unabhängigen Österreich zu einem ihrer Kriegsziele erklärt. Bei der Moskauer Deklaration
handelte es sich zwar um die erste schriftliche Festlegung der Alliierten zu einer
Wiedererrichtung Österreichs, sie entsprach jedoch nur dem »kleinsten gemeinsamen
Nenner«. In welchen Grenzen Österreich wiederhergestellt werden sollte, blieb
unausgesprochen. Im Vorfeld der Konferenz in Moskau hatte Molotov schon im Juni 1943 die
noch immer diskutierten britischen Planungen bezüglich einer möglichen
Donaukonföderation mit Wien als Hauptstadt abgelehnt, weil es für den Kreml sicher schien,
dass »die Föderation mit einem solchen Kern leicht gegen unsere Interessen benutzt werden
könnte«. Zudem wurde die wirtschaftliche Lebensfähigkeit Österreichs einer »stichhaltigen
Kritik« unterzogen und bestätigt. In der Folge bekräftigte Stalin gegenüber den Alliierten
seine Haltung zu Österreich. So hob er in Teheran zum Jahresende 1943 gegenüber USPräsident Roosevelt und dem britischen Premierminister Churchill die Österreicher als
»Ausnahmen« innerhalb der Wehrmacht hervor: Während »alle deutschen Soldaten wie
Teufel kämpften, sind die Österreicher eine Ausnahme«. Diese Privilegierung der
Österreicher diente ihm gegenüber den Westmächten als Argument für die Wiederherstellung
eines eigenen österreichischen Staates, welche eine nachhaltige Schwächung Deutschlands
garantieren würde.
Bis Anfang Februar 1944 erörterten die Alliierten in der Europäischen Beratenden
Kommission (European Advisory Commission / EAC) in London lediglich die künftige
Besatzung Deutschlands. Am 18. Februar 1944 brachte schließlich die Sowjetunion erstmals
ihre Vorstellungen für Österreich ein. Demnach sollte das Land dreifach besetzt werden. US-
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Präsident Roosevelt musste von der Notwendigkeit der Errichtung einer US-Besatzungszone
erst überzeugt werden. Und auch der Kreml hatte nicht unbedingt eine militärische Präsenz
vorgesehen! Die Vorošilov-Planungskommission war zumindest nicht von einer Beteiligung
sowjetischer Streitkräfte an einer militärischen Besetzung ausgegangen, die
Demarkationslinie sollte entlang der tschechoslowakischen Grenze bis Bratislava und
anschließend entlang der Donau verlaufen. Die gemeinsame Besatzung Österreichs regte
schließlich wohl Stalin selbst gegenüber den angloamerikanischen Alliierten als
»Kompensation« für seine Ablehnung einer gemischten Besatzung Schleswig-Holsteins und
Hamburgs an. Möglicherweise blieb eine sowjetische Besetzung von Teilen Österreichs für
Stalin auch in der Folge lediglich eine Variante im Verhandlungspoker um die Teilung des
Kontinents in Einflusssphären. Die generelle Linie des Kreml, Österreich als unabhängigen
Staat wiederherzustellen, ist durch sowjetische Quellen seit dem Jahre 1941 belegt.
Österreich wurde wie Deutschland 1945 in vier Besatzungszonen geteilt. Im Gegensatz zu
Deutschland fanden jedoch in ganz Österreich im November 1945 freie Wahlen statt, die für
die Kommunisten mit einem Desaster endeten. Die Entwicklung in Österreich war seit 1945
völlig konträr zu jener in Deutschland verlaufen. Seit 1947 verhandelten die Vier Mächte über
einen Vertrag zur Wiederherstellung der Souveränität des Landes. Aufgrund der Moskauer
Deklaration der Alliierten (Oktober 1943), die Österreich einerseits als erstes Opfer der
Hitlerschen Aggression bezeichnet, andererseits aber auch die Mitverantwortung der
Österreicher eingemahnt hatte, war Österreich ein Sonderfall. Aus der Sicht der Alliierten war
Österreich weder Feind noch Freund (daher wurde nicht über einen Friedensvertrag
verhandelt, sondern – völkerrechtlich korrekt – über einen Staatsvertrag). Die österreichische
Regierung hatte ab 1946 nach innen einen vergleichsweise großen Handlungsspielraum.
Während des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts verzögerten sich die Verhandlungen
über den Staatsvertrag (und somit über den Truppenabzug der Alliierten aus Österreich).
Moskau unterstützte die jugoslawischen Gebietsforderungen an Österreich, eine heikle
Situation für den Kreml, die sich seit 1945, als Tito-Partisanen Süd-Österreich (mit)besetzten,
hinzog. Tito hatte damals dem Druck Churchills nachgeben und seine Truppen zurückziehen
müssen. Nach dem Bruch Titos mit Stalin 1948 unterstützte der Kreml nur mehr pro forma
aus Rücksicht auf die slawischen Brudervölker in den Österreich-Verhandlungen die
jugoslawischen Gebietsforderungen, bis sie Moskau letztendlich gänzlich aufgab. Nunmehr
schien der Weg frei zu sein für den Abschluss des Staatsvertrages. In Paris einigten sich die
Vier Mächte im Juni 1949, den Vertrag bis zum Herbst unterschriftsreif zu machen. Die
Verhandlungen verliefen aus österreichischer Sicht positiv. Beinahe alle Unstimmigkeiten
wurden ausgeräumt. Kurz vor der Ausverhandlung der allerletzten (vergleichsweise banalen)
Artikel des Vertrages ließ Stalin die Verhandlungen Ende Oktober 1949 allerdings mit
fadenscheinigen Begründungen abbrechen. Intern war man im Kreml zur „Einsicht“
gekommen, man würde sich des Rechtes, weiterhin in Ungarn und Rumänien sowjetische
Truppen zu stationieren, berauben. Stalin brachte in der Politbüro-Sitzung auch noch Tito, den
er als Nutznießer eines Staatsvertragsabschlusses mit Österreich gesehen hätte, ins Spiel.
Vieles spricht dafür, dass sich die UdSSR 1949 auf den Abzug der Besatzungstruppen aus
Österreich vorbereitete. Möglich, dass Stalin nur den Anschein erwecken wollte, als wäre er
gesprächsbereit. Letztendlich „nutzte“ er, anders als damals im Westen vermutet, die für die
Sowjetunion in wirtschaftlicher Hinsicht anscheinend lukrative Chance nicht, den
Staatsvertrag abzuschließen. Die sowjetischen Betriebe in Österreich (USIA) verzeichneten
zu diesem Zeitpunkt allerdings noch steigende Gewinne (bis 1951). Die im
Staatsvertragsentwurf von 1949 angebotenen 150 Millionen US-Dollar Ablösezahlungen
wären zwar für Österreich ein hoher Preis gewesen. Für Moskau wäre dies allerdings nicht
das entscheidende Argument für einen Abschluss aus wirtschaftlicher Sicht gewesen. Allein
aufgrund der wirtschaftlichen Ausbeutungspolitik war Österreich mit seinen nach Rumänien
zweitgrößten Erdölreserven Europas für Moskau lukrativ. Zudem hatte die Sowjetische
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Mineralölverwaltung (SMV), die 1948 bereits mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen
hatte, im März 1949 bei Wien in Matzen das damals größte zusammenhängende Erdölfeld
Mitteleuropas entdeckt. Bis zum Herbst 1949 ergaben weitere Bohrungen den Sowjets
Klarheit über das große Potenzial dieser Erdölvorkommen. Ende September 1949, als die
Staatsvertragsverhandlungen kurz vor dem vermeintlichen Abschluss standen, teilte dies der
Berija-Intimus, Vsevolod Merkulov, damals Chef der GUSIMZ, Stalin mit. Ein Abzug aus
Österreich hätte Moskau zwar weiterhin Konzessionen zugestanden, nunmehr hätten die
Sowjets hierfür allerdings Steuern zahlen müssen und den in der Folge unkontrollierten
„Osthandel“ (Ölraub zur Versorgung der Tschechoslowakei, der DDR, und Ungarn, die
Anfang der 1950er Jahre 90 Prozent ihres Rohöls aus Ostösterreich erhielten) wäre in dieser
Form nicht mehr möglich gewesen.
In der Folge stand die österreichische Frage vollends im Schatten der deutschen. Nach über
zwei Jahren Stillstand bereiteten die Westmächte Ende 1951 eine neue „Initiative“ in der
Österreichfrage vor. Am 13. März 1952, also drei Tage nach der „Stalin-Note“, unterbreiteten
sie dem Kreml den sogenannten „Kurzvertrag“, demzufolge Österreich von Truppen geräumt
und damit militärisch neutralisiert werden sollte. Dieser diente jedoch alles anderem als
österreichischen Zwecken. Anhand der Österreichfrage wollte der Westen Stalin testen, ob er
bereit wäre, über Deutschland zu reden. Das „Angebot“ des Westens war allerdings so
formuliert, dass der Kreml niemals zustimmen würde – Moskau hätte nie auf die
Entschädigung des Deutschen Eigentums verzichtet – und war von langer Hand vorbereitet
worden. Der „Kurzvertrag“ stand auf das Engste mit der deutschen Frage in Zusammenhang
und war von Anfang an als reines Propagandamanöver der Westmächte konstruiert worden.
Dem MGB waren zwar die entsprechenden Vorbereitungen des Westens bekannt, der
Geheimdienstchef berichtete davon allerdings der sowjetischen Führung kein Wort. Der
Propaganda-Schachzug des Westens hatte keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Übermittlung
der „Stalin-Note“, brachte den Kreml jedoch in Bedrängnis. Einerseits hätte Stalin 1952
anhand der Österreichfrage untermauern können, seinen angeblich guten Willen in der
Deutschlandfrage an den Tag zu legen. Diesen guten Willen aber gab es nicht.
Stalin konnte und wollte Österreich Anfang 1952 nicht „neutralisieren“. Österreich wäre
unweigerlich zu einem Modell für die Lösung der deutschen Frage geworden. Als der Westen
Monate nach der Übergabe des „Kurzvertrags“-Vorschlages auf eine Antwort drängte,
empfahl Vyšinskij im Mai 1952 Stalin: „Ich würde es für zielführend halten, im Grunde auf
die Note [...] über einen Kurzvertrag für Österreich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine
Antwort zu geben, um nicht die Aufmerksamkeit für die Erörterung der deutschen Frage, die,
wie bekannt ist, auch die Regierungen der USA, Englands und Frankreichs anstreben, zu
schwächen.“ So verhielt sich Moskau dann auch in Folge. Dem Kreml war aus seiner Sicht
nichts anderes übrig geblieben, als in der Folge – bis zum Ende der „Notenschlacht“ um
Deutschland im Herbst 1952 – zu Österreich zu schweigen.
Spätestens seit Ende 1949 war Moskau nicht mehr an Staatsvertragsverhandlungen
interessiert. Die letzten drei Sitzungen hatten im zweiten Halbjahr 1950 stattgefunden. Nach
über einem Jahr luden die Amerikaner auf Ersuchen der österreichischen Bundesregierung
Anfang 1952 zur – mittlerweile 259. – Sitzung der Sonderbeauftragten für den
österreichischen Staatsvertrag. Aus den internen Vorbereitungsunterlagen des sowjetischen
Außenministeriums geht hervor, dass die UdSSR „zum jetzigen Zeitpunkt an einer
Beschleunigung des österreichischen Vertrages nicht interessiert“ war. Das sowjetische
Außenamt ging davon aus, dass bei einer Zusammenkunft alle Artikel ausverhandelt werden
würden und empfahl daher Stalin, an der bevorstehenden Sitzung nicht teilzunehmen. In der
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Folge schoben sich Moskau und die Westmächte gegenseitig die Schuld für die Verzögerung
des Staatsvertragsabschlusses zu.
Stalin war in der unscheinbaren Österreichfrage nicht einmal gesprächsbereit, just zu dem
Zeitpunkt, als die „Stalin-Note“ vorbereitet wurde. Die Gesprächsbereitschaft war erst wieder
da, nachdem der „Notenkrieg“ um Deutschland ein Ende gefunden hatte. Kurz vor Stalins
Tod fanden im Februar 1953 in London die 259. und 260. Sitzung statt. Die Option einer
Neutralisierung Österreichs ergab sich erst nach der Konsolidierung der DDR, aber noch zu
Stalins Lebzeiten. Wien hatte bereits zuvor Signale gegeben, dass eine Neutralisierungslösung
ein gangbarer Weg wäre. Erst die endgültige deutsche Teilung ermöglichte Österreich den
Weg in die Neutralität – und hierzu bedurfte es nicht, wie meistens angenommen, des Todes
Stalins 1953.
Eine Teilung Österreichs stand aus sowjetischer Sicht nie zur Debatte, sie wäre schlussendlich
einer Stärkung (West-)Deutschlands gleichgekommen. Und dies galt es aus der Sicht
Moskaus stets zu verhindern. Die Verhinderung des „Anschlusses“ war aus sowjetischer Sicht
das Hauptmotiv zum Abschluss des Staatsvertrages. Die geographische Unterbrechung der
NATO (mit dem Keil der neutralen Schweiz) ergab ein angenehmes „Nebenprodukt“.
Wirtschaftliche Gründe, die Unrentabilität der sowjetischen Betriebe in Ostösterreich, die
zusehends ein Klotz am Bein wurden, waren ein weiterer Beweggrund, die zehnjährige
Besatzung zu beenden. Schließlich soll der neue starke Mann im Kreml, Nikita Chruščev,
auch Molotov davon überzeugt haben, dass eine Aufgabe der Besatzung Ostösterreichs
vorteilhaft sei. Mit Tito – und dies war wohl der Hauptgrund der ablehnenden Haltung
Molotovs – begab sich Chruščev auf Versöhnungskurs. Die Besserung der sowjetischjugoslawischen Beziehungen und die „neue Flexibilität“ der sowjetischen Außenpolitik waren
eine nicht zu unterschätzende Voraussetzung für den Abschluss des Staatsvertrages. Über eine
Lösung der Deutschland-Frage allerdings wollte die sowjetische Führung nach
Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages im Belvedere am 15. Mai 1955 in Wien
nicht sprechen. Das Präsidium des ZK der KPdSU untersagte dies Molotov, der direkt aus
Warschau von der Unterzeichnung des Warschauer Paktes nach Österreich gekommen war,
ausdrücklich. Molotov sollte seinen westlichen Amtskollegen ein Viermächtetreffen ohne
zuvor festgelegter Tagesordnung vorschlagen, da die Westmächte wohl versuchen würden,
die deutsche Frage zur Hauptfrage zu machen und bereits in Wien danach streben würden,
„diesbezüglich in der einen oder anderen Form eine Übereinkunft zu erzielen.“ Darüber
hinaus sei „zur deutschen Frage offensichtlich in der nächsten Zeit eine Annäherung der
Position der Sowjetunion mit den Positionen der Westmächte nicht möglich.“ Sollten die
Westmächte dennoch auf einer Viermächtekonferenz zur deutschen Frage beharren, habe
Molotov zu sagen, „dass sich die Lage in Europa nach der Ratifizierung der Pariser Verträge
verändert hat, und dass zur Zeit die deutsche Frage keineswegs als reif für eine
erfolgversprechende Erörterung betrachtet werden kann.“ Wieder einmal sollte den
Westmächten die Schuld an der entstandenen Lage zugeschoben werden.
In der Doppelstrategie des Kremls (und der DDR) spielte das „Vorbild“ Österreich
propagandistisch in der Folge freilich eine wichtige Rolle, um auf die öffentliche Meinung in
Westdeutschland Einfluss auszuüben und Adenauer und die Westmächte unter Druck zu
setzen. Österreich hatte in der Konzeption der sowjetischen Außenpolitik seine Rolle zur
Konsolidierung des Ostblocks erfüllt.
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Zusammenfassung
1938 erhob die UdSSR als eines der wenigen Länder seine Stimme gegen den „Anschluss“
Österreichs an NS-Deutschland, die nach dem Hitler-Stalin-Pakt freilich verstummte. Nach
dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion forderte Stalin die
Wiederrichtung des unabhängigen Österreich (in erster Linie als Ausdruck der
Schwächungspolitik gegenüber Deutschland). Nach dem Einmarsch der Roten Armee in
Österreich im Frühjahr 1945 ging Stalin in der Frage der Regierungsbildung einseitig vor. Mit
der Etablierung der Regierung Renner hatte der Kreml gewisse Hoffnungen verbunden,
Österreich auf den Weg einer Volksdemokratie zu bringen. Nach den Wahlen im November
1945 zerplatzten die illusorischen Hoffnungen: 95 Prozent der Österreicher votierten
antikommunistisch. In der Folge diente die Besatzung Österreichs für den Kreml als
Argumentation für seine Truppenpräsenz in Ungarn und Rumänien, eine Teilung Österreichs
lag jedoch nie im Interesse Stalins. Die Besatzung Ostösterreichs spielte eine wichtige Rolle
in der Konzeption der sowjetischen Außenpolitik zur Konsolidierung des Ostblocks. Die
KPÖ, die Teilungswünsche äußerte, wurde hierfür gemaßregelt. Bisher als Putschversuche
gewertete Manöver der KPÖ sind nunmehr endgültig als nicht vom Kreml gesteuerte
Umsturzversuche durch die KPÖ zu sehen. 1949 war Stalin kurzzeitig zu einem Abzug der
sowjetischen Truppen aus Österreich bereit, infolge des sich verschärfenden Kalten Krieges
untersagte er jedoch im Herbst 1949 den Abschluss des österreichischen Staatsvertrages. In
der Folge stand Österreich im Schatten der deutschen Frage. Erst 1955 wurde sie von ihr
getrennt. In der Option eines neutralen Österreich sah die neue sowjetische Führung die Angst
eines Anschlusses Österreichs an Westdeutschland und damit an die NATO gebannt. Die
Legitimation der Truppenpräsenz in Ungarn und Rumänien hatte sich die UdSSR im
Abschluss des Warschauer Paktes einen Tag vor der Unterzeichnung des österreichischen
Staatsvertrages am 15. Mai 1955 gesichert.
Literatur:
Peter Ruggenthaler, Stalins großer Bluff. Die Geschichte der Stalin-Note in Dokumenten der sowjetischen
Führung, München 2007 (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Bd. 95)
Peter Ruggenthaler, Warum Österreich nicht sowjetisiert wurde: Sowjetische Österreich-Politik 1945 bis
1953/55, in: Stefan Karner – Barbara Stelzl-Marx (Hg.), Die Rote Armee in Österreich. Sowjetische Besatzung
1945–1955. Beiträge. Graz-Wien-München 2005, S. 649-726.
Kurzbiographie:
Mag. Dr. Peter Ruggenthaler, geb. 1976, seit 1998 Mitarbeiter am L. Boltzmann-Institut für
Kriegsfolgen-Forschung, Graz. 2006-08: Koordinator des int. Forschungsprojektes „Prager
Frühling“; seit 2008 Mitglied der Österreich-Russischen Historikerkommission; seit 2004
Mitarbeiter der „International Commission for the evaluation of the Crimes of the Nazi and
Soviet Occupation Regimes in Lithuania; 2000-2002: Mitarbeiter der Österreichischen
Historikerkommission.
Publikationen: u.a. Prager Frühling. Das internationale Krisenjahr 1968. Köln u.a. 2008. 2
Bde. Herausgeberkollektiv; Stalins großer Bluff. Die Geschichte der Stalin-Note in
5
Dokumenten der sowjetischen Führung, München
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Bd. 95) u.v.m.
2007
(=
Schriftenreihe
6
der
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