Verhandlungsziele und politische Konzepte der Alliierten

Werbung
Verhandlungsziele zur Potsdamer Konferenz
Die politischen, territorialen und ökonomischen Probleme, die der Zweite Weltkrieg in
Europa hinterlassen hatte, sollten auf der Potsdamer Konferenz gelöst werden, zu
der sich die Regierungschefs der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der
Sowjetunion mit ihren Ministern und Beraterstäben am 17. Juli 1945 im Schloß
Cecilienhof einfanden. Die Gipfelkonferenz der „Großen Drei" dauerte bis zum 2.
August 1945. Frankreich, obgleich Besatzungsmacht in Deutschland, wurde nicht
hinzugezogen. Daß die Koalition der Sieger auf einem brüchigen Fundament ruhte,
zeigte sich rasch. Nach dem Verlust des gemeinsamen Gegners wuchs das
wechselseitige Mißtrauen. Stalin betrachtete die Einstellung der amerikanischen
Pacht- und Leihhilfe aus den Kriegsjahren als unfreundlichen Akt. Betroffen waren
zwar ebenso die anderen Verbündeten der USA, doch die Sowjetunion war ganz
besonders auf die amerikanischen Nahrungsmittel- und Gerätelieferungen
angewiesen. Churchill wiederum äußerte immer stärkere Zweifel an der Aufrichtigkeit
der sowjetischen Politik, warnte vor der Gefahr einer sowjetischen Beherrschung
ganz Europas und versuchte vergeblich, die USA für einen harten Kurs gegenüber
Stalin zu gewinnen. Doch weder Churchill noch sein Nachfolger am Konferenztisch,
Clement Attlee1), konnten sich durchsetzen. Harry S. Truman2), der neue
amerikanische Präsident, besaß keine klare deutschlandpolitische Konzeption. Er
ging zunächst noch von einem tragfähigen sowjetisch-amerikanischen Einvernehmen
zur Gestaltung der Nachkriegsordnung aus, zumal sich die Vereinigten Staaten seit
der erfolgreichen Zündung der ersten Atombombe in Neu-Mexiko am 16. Juli 1945
der Sowjetunion militärisch überlegen fühlten.
Den „good will" der amerikanischen Seite verstand Stalin geschickt für seine
Interessen zu nutzen. Seine Hauptziele waren:
1. Durchsetzung ausreichender Reparationslieferungen aus Deutschland für den
industriellen Wiederaufbau seines vom Krieg verwüsteten Landes und
2. die Sicherung der sowjetischen Westgrenze durch die Schaffung eines Gürtels
prokommunistischer, sowjetfreundlicher Staaten in Ostmitteleuropa. Äußerliche
Einigkeit bestand zwischen den Alliierten seit der Konferenz von Jalta über die
politischen Grundsätze der zukünftigen Behandlung Deutschlands: Entwaffnung
und Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Demokratisierung des politischen
Lebens, Dezentralisierung der staatlichen Ordnung und der Wirtschaft sowie
Wiederaufbau der lokalen Selbstverwaltung „nach demokratischen Grundsätzen".
In Wahrheit verbanden die Westmächte und die Sowjetunion mit den gefundenen
„Formelkompromissen" gänzlich unterschiedliche Inhalte.
Buchner S. 88
Politische Konzepte der Besatzungsmächte für ein Nachkriegsdeutschland
Pragmatisch, von den Gegebenheiten vor Ort geleitet, waren die alliierten
Besatzungstruppen bemüht, die Verwaltung ihrer Gebiete in Gang zu bringen, damit
die lebensnotwendigen Einrichtungen funktionieren konnten. Sie setzten
Bürgermeister, Landräte und andere Verwaltungsfachleute ein, die unter der
strengen Kontrolle der Besatzungsoffiziere tätig werden durften. So schnell wie
damals jemand in sein Amt berufen wurde, konnte er allerdings auch wieder
') Clement Richard Attlee (1883-1967), Führer der Labour Party seit 1930 und von 1942 bis 1945 stellvertretender Premierminister.
Überraschend schlug er bei Neuwahlen nach Kriegsende Churchill und wurde Premierminister (bis 1951).
2
) Harry S. Truman (1884-1972), Politiker der demokratischen Partei, der als Vizepräsident nach dem Tod Roosevelts am 12. April 1945 ins Amt
kam (bis 1953)
entlassen werden, wenn er das Mißfallen des zuständigen Besatzungsoffiziers erregt
hatte. Von Anfang an wirkte sich die besondere Interessenlage jeder der vier
Siegermächte in den einzelnen Zonen aus.
1. Die amerikanische Deutschlandpolitik hielt bis 1946 an einer primär moralisch
begründeten Politik der Bestrafung und Umerziehung der Deutschen fest. Das USBesatzungsregime schwankte zunächst zwischen pragmatischer Krisenbewältigung
und der Scheu vor Entscheidungen, die die gemeinsame Deutschlandpolitik der vier
Mächte in Frage stellen konnten. Neben dieser offiziellen US-Politik des Abwartens
gab es aber in Washington damals bereits einflußreiche Kräfte, die zur Sicherung
Westeuropas gegenüber der Sowjetunion den Zusammenschluß und den raschen
Wiederaufbau der westlichen Besatzungszonen forderten.
2. Großbritannien war aus dem Krieg militärisch als Sieger, aber wirtschaftlich nahezu
ruiniert hervorgegangen. Aus dem ehedem größten Kreditgeber der Welt war der
größte Schuldner (gegenüber den USA) geworden. Die Briten wollten deshalb die
deutsche Volkswirtschaft rasch wieder in Gang setzen, um sie von eigenen
Hilfslieferungen unabhängig zu machen. Aus diesem Grund, und wegen des
britischen Mißtrauens gegenüber der Sowjetunion, wurden in London frühzeitig
Überlegungen in Richtung einer wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung
Westdeutschlands angestellt.
3. Frankreich war primär an einem politisch und ökonomisch zerstückelten
Deutschland interessiert. Ein Wiederaufleben der deutschen Gefahr sollte dauerhaft
verhindert werden. Entsprechend blockierte die französische Regierung bis 1947/48
alle Versuche der Briten und Amerikaner, gemeinsam die wirtschaftliche und
politische Krise in Deutschland zu steuern, und schottete die eigene Besatzungszone
von den übrigen ab.
4. Die Sowjetunion wollte zur Hegemonialmacht des gesamten Kontinents werden.
Ein dauerhaftes militärisches Engagement der USA in Europa hielt Stalin für
unwahrscheinlich, eine nachhaltige Schwächung Großbritanniensund Frankreichs für
wahrscheinlich. In der Deutschlandfrage pendelte die sowjetische Politik zwischen
einer Minimal- und einer Maximallösung. Da-bei wollte sich Stalin die Option zur
Einflußnahme auf ganz Deutschlandoffen halten, weil er umfangreiche Reparationen
für sein zerstörtes Landbenötigte. Zumindest ging es der Sowjetmacht aber um die
Sicherung ihres Einflusses in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), in der
grundlegende
Strukturreformen
ein
kommunistisches
Herrschaftsund
Gesellschaftssystemmit Vorbildcharakter für Gesamtdeutschland vorbereiten sollten.
Buchner S. 100
Herunterladen