Holzkonstruktion verpackt

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Brandschutz
1 Hohe Brandschutzauflagen
können auch bei mehrgeschossigen Holzrahmenbauten erfüllt
werden, wie im Ärztezentrum in
Gießen. Die Außenwände wurden raumseitig mit Gipsfaserplatten geschlossen. Die Platten
wurden geklammert. Pneumatisch betriebene Klammergeräte
sorgen für rationelles Arbeiten.
Holzkonstruktion verpackt
Ein objektbezogenes ganzheitliches Brandschutzkonzept auf der Grundlage der Hessischen Bauordnung (HBO) ermöglicht beim Bau eines
Ärztezentrums in Gießen die Aufstockung eines Altbaus sowie einen
Neubau in Holzrahmenbauweise. Beide Gebäude entsprechen der Gebäudeklasse 5 der HBO.
Die mehrgeschossige Holzbauweise stößt in Deutschland immer noch auf Vorbehalte. Dahinter steht vor
allem die Angst vor einer
unkontrollierten Brandausbreitung über konstruktive
Hohlräume sowie die Befürchtung eines verzögerten
Tragwerksversagen infolge
eines versteckten Weiterbrandes. Im Rahmen eines
umfangreichen Forschungsund Entwicklungsprojektes
wurden diese Bedenken gezielt untersucht. Dabei konnte
gezeigt werden, dass die Entzündung der Holztragkonstruktion durch geeignete Bekleidungen verhindert werden
kann. Damit war der Nachweis erbracht, dass das hohe
brandschutztechnische Sicherheitsniveau in Deutsch-
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land auch bei mehrgeschossigen Holzrahmenbauten gewährleistet werden kann.
Die Ergebnisse dieses Forschungsvorhabens trugen
dazu bei, dass mit der Musterbauordnung (MBO) 2002
die Möglichkeit geschaffen
wurde, bis zu fünfgeschossige
Holzbauten zu errichten.
Ein Holzrahmenneubau und
zwei aufgestockte Geschosse
Beim Bau eines Ärztezentrums
in Gießen wurde diese Möglichkeit ausgeschöpft. In Kombination mit einer Tagesklinik
stehen auf dem zentral gelegenen Innenstadtgrundstück
Praxen verschiedener Fachrichtungen, ein physiotherapeutisches Zentrum sowie
eine Apotheke für die medizinische Versorgung zur Ver-
fügung. Bei der Realisierung
des Konzeptes, wurde ein bestehendes Gebäude in Holzrahmenbauweise um zwei
Geschosse aufgestockt und
um einen viergeschossigen
Neubau ergänzt, der – auf
massivem Erdgeschoss –
ebenfalls in Holzrahmenbauweise erstellt wurde. Auf
Grundlage der hessischen
Bauordnung (HBO) vom
23. Juni 2002 sowie der dazu
erlassenen Sonderbauvorschriften und der in Hessen
eingeführten technischen
Bestimmungen (ETBs) wurde
dafür ein objektbezogenes
ganzheitliches Brandschutzkonzept erarbeitet und mit
Fermacell Gipsfaserplatten
realisiert.
Insgesamt sind auf dem ehemaligen Gewerbegelände
14 Praxis-Einheiten mit einer
durchschnittlichen Größe
zwischen 200 und 300 Quadratmeter entstanden. Der
Tagesklinik als größtem Nutzer stehen knapp tausend
Quadratmeter zur Verfügung.
Das Projekt gliedert sich in
zwei voneinander unabhängige, jedoch benachbarte,
Bereiche. Dabei konnte ein
vorhandenes Gebäude aus
dem Jahr 1919 weiter genutzt werden. Der ehemals
als Wohn- und Geschäftshaus
dienende Massivbau wurde
im Rahmen der Baumaßnahmen komplett entkernt und
saniert und um zwei Geschosse in Holzrahmenbauweise aufgestockt. Damit
verfügt das 13 m breite und
24,5 m lange Gebäude über
ein Erdgeschoss und insge-
Brandschutz
EXTRA
2 – 3 Das Ärztezentrum entstand durch Neubau
(rechts) und Aufstockung mit einer Holzkonstruktion.
Der Außenwandbereich beider Gebäude wurde mit der
Fermacell Powerpanel HD ausgeführt. Direkt verputzt
bieten die Wände aus den zementgebundenen, glasfaserbewehrten Sandwichplatten einen dauerhaft wirksamen Wetterschutz.
4 Die Holzbauweise ermöglichte einen hohen Grad der Vorfertigung.
Das sorgte für kurze Bauzeiten. Statt drei werden nur zwei Wochen
pro Etage für ein Neubau-Stockwerk gebraucht.
samt vier Obergeschosse. Lediglich der Bereich der Treppenräume ist unterkellert.
Eine auf dem Gelände vorhandene ehemalige Lagerund Produktionshalle konnte
nicht in die Planung einbezogen werden und musste
einem Neubau weichen. Dieser besteht aus einem massiven, als Garage genutztem
Erdgeschoss und drei weiteren Etagen, die ebenfalls in
Holzrahmenbauweise erstellt
werden. Durch die Form eines
aufgeweiteten L wird das
Grundstück maximal ausgenutzt. Wegen der geringen
Gebäudebreite jedoch weist
das größte Geschoss trotz
einer Längenausdehnung von
50 m nur eine Bruttogrund-
fläche von etwas mehr als
800 Quadratmeter auf.
Wegen der großen Höhe – im
Altbau liegt der Fußboden des
am höchsten gelegenen Aufenthaltsraumes 14,6 m über
der Geländeoberfläche –
entspricht das Gebäude der
Gebäudeklasse 5 der HBO.
Diese Klasse umfasst Gebäude,
die eine Fußbodenhöhe des
obersten Geschosses mit Aufenthaltsräumen von mehr als
13 m und Nutzungseinheiten
von mehr als 400 Quadratmeter Brutto-Grundflächen
aufweisen.
Auch der Neubau wird in die
Gebäudeklasse 5 eingestuft.
Dieser liegt zwar mit 10,67 m
Fußbodenhöhe deutlich unter dem Limit, weist jedoch
5 Die mehrgeschossige Holzbauweise stößt in Deutschland immer
noch auf Vorbehalte. Ein umfangreiches Forschungs- und Entwicklungsprojekt hat jetzt jedoch gezeigt, dass die Entzündung der Holztragkonstruktion durch geeignete Bekleidungen verhindert werden
kann.
zwei Nutzungseinheiten mit
Flächen von rund 430 Quadratmeter auf.
In der Gebäudeklasse 5 sind
ausschließlich Konstruktionen
zulässig, bei denen tragende
und aussteifende Wände und
Stützen entsprechend der
DIN 4102-2 beziehungsweise
der EN 1363-1 feuerbeständig
in F 90-AB ausgeführt werden.
Dabei muss bei Feuereinwirkung die Tragfähigkeit oder
der Raumabschluss von Bauteilen mindestens 90 Minu-
ten gewährleistet sein. Feuerbeständige Bauteile müssen in den wesentlichen Teilen aus nicht brennbaren
Baustoffen bestehen, dürfen
jedoch brennbare Bestandteile enthalten.
Entsprechend dieser Vorgaben
wurde schließlich für das
Gießener Ärztehaus von der
Firma ST-Brandschutz aus
Bad Schwalbach ein individuelles ganzheitliches Brandschutzkonzept erarbeitet. Es
umfasst neben Maßnahmen
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Brandschutz
6 Beide Gebäude wurden flächendeckend mit automatischen
Brandmeldeanlagen ausgestattet. Dies hatte zur Folge, dass auch
Flure, die im Fall eines Brandes als Flucht- und Rettungswege genutzt werden sollen, als Anmeldebereich und Wartezone mit jeweils
entsprechender Möblierung genutzt werden können. Allerdings mit
der Einschränkung, dass die Möblierung so angeordnet ist, dass eine
ausreichende Raumbreite freigehalten wird.
zum baulichen Brandschutz
auch ergänzende anlagentechnische und brandabwehrende Maßnahmen.
Baulicher Brandschutz
Der bauliche Brandschutz
sah vor, dass sämtliche tragende, aussteifende und
raumabschließende Bauteile
sowohl bei der Aufstockung
des Altbaus als auch beim
Neubau entsprechend der
HBO feuerbeständig in F 90BA ausgeführt werden. Dazu
wurde die Holztragkonstruktion allseitig mit einer brandschutztechnisch wirksamen
Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen versehen.
Ein eventueller Brand kann
so zunächst mindestens
90 Minuten lang auf eine
Wohneinheit beschränkt
werden. Ausreichend Zeit,
um Patienten in Sicherheit
zu bringen und Löschmaßnahmen in die Wege zu leiten.
Die brandschutztechnisch
wirksame Bekleidung der
Holzkonstruktion wurde mit
Fermacell Gipsfaserplatten
durch die Kai Laumann Zimmerei- und Bedachungs
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GmbH aus Wettenberg ausgeführt, die bei dem Projekt
außerdem gleichzeitig als
Investor und Bauherr auftritt.
Die Platten gewährleisten
je nach Konstruktion Brandschutz bis zur Feuerschutzklasse F 120 und sind gemäß
EN 13 501 als nicht brennbarer Baustoff der Baustoffklasse A2 klassifiziert. Sie
wurden sowohl für die Wandals auch für die Deckenkonstruktion eingesetzt.
Der Außenwandbereich beider Gebäude wurde mit der
Fermacell Powerpanel HD
ausgeführt. Das sind zementgebundene, glasfaserbewehrte
Sandwichplatten mit Leichtzuschlagstoffen. Auf Grund
ihrer mineralischen Materialzusammensetzung erzielen
die Platten gemäß der DIN
4102 Teil 4 (EN 13 501-1)
eine Einstufung in die Baustoffklasse A1. Die Platten
können als mittragende oder
aussteifende Beplankung bei
Außenwandscheiben in Holztafelbauweise eingesetzt
werden. Mit einem direkt
aufgebrachtem Putzsystem
bieten sie dauerhaft wirksamen Wetterschutz.
Außenwände mit
Gipsfaserplatten
Sowohl bei der Aufstockung
des Altbaus wie auch beim
Neubau wurden alle Wandaußenseiten mit der 15 mm
starken Powerpanel ausgeführt. Die Aussteifung der
Konstruktion erfolgte nicht
wie üblich durch OSB-Platten,
sondern mit einer doppelten
Lage Fermacell Gipsfaserplatten d 15 mm. Raumseitig wurde die Konstruktion
mit einer einfachen Lage aus
12,5 mm dicken Gipsfaserplatten geschlossen. Mit
geeigneter Dämmung aus
Steinwolle WLG 0,35 beziehungsweise einer raumseitig
angeordneten Flachsmatte
und einer Holzunterkonstruktion, die entsprechend den
Anforderungen dimensioniert
war, erreicht diese Außenwand die Feuerwiderstandsklasse F 90-B.
Eingesetzt wurden geschosshohe Platten, die objektbezogen im benötigten Maß
von 3,40 m (Standard sind
Längen von 2,60 m und 3 m)
bei einer Breite von 1,25 m
angefertigt wurden. Die Platten wurden senkrecht verarbeitet und mit Klammern
aus nicht rostendem Stahl
auf der Unterkonstruktion
befestigt. Die Klammerlänge
betrug 60 mm, resultierend aus der Mindesteinschlagtiefe von 45 mm und
einer Plattendicke von 15
mm. Für das Befestigen wurden pneumatisch betriebene
Klammergeräte verwendet.
Um einen wirksamen Wetterschutz zu gewährleisten,
war bei der Verarbeitung
darauf zu achten, dass die
Platten möglichst dicht gestoßen werden (Fugenbreite
≤ 1 mm).
Sämtliche Plattenfugen wurden nach der Montage mit
dem selbsthaftenden Armierungsband HD überklebt und
anschließend auf der gesamten Breite mit einem Armierungskleber überstrichen.
Trennwände der
Nutzungseinheiten
Nach § 26 der HBO sind zwischen unterschiedlichen Nutzungseinheiten grundsätzlich
Trennwände in F 90-A beziehungsweise F 90-BA notwendig. Innerhalb der einzelnen
Nutzungseinheit »Praxis« jedoch kann nach § 26 der HBO
auf entsprechende Abtrennungen – etwa für Teeküchen,
Putzmittelräume oder Serverräume – verzichtet werden.
Im vorliegenden Fall konnte
außerdem sowohl im Altbau
(wegen einer Längenausdeh-
7 Die Gipsfaser-Platten stellen eine brandschutztechnisch
wirksame Bekleidung dar. Die Konstruktion erfüllt die
Anforderungen der Brandschutzklasse F 30-B. Sie bietet
gleichzeitig einen Schallschutz von 42 dB. Gefordert
waren 37 dB.
(Fotos: Fermacell)
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nung von weniger als 40 m)
als auch im Neubau (wegen
der geringen Breite des Gebäudes) auf die Unterteilung
in Brandabschnitte verzichtet
werden. Hier dient die Unterteilung in Nutzungsabschnitte
gleichzeitig als Kompensation
für die fehlenden Brandabschnitte.
Ausgeführt wurden die Trennwände zu den einzelnen
Nutzungseinheiten mit einer
beidseitig einfachen Lage aus
Fermacell Gipsfaserplatten.
Die Dämmung im Wandhohlraum erfolgte durch Steinwolle WLG 0,35. Verarbeitet
wurden raumhohe Platten in
Standardbreite. Ihre Befestigung erfolgt auf der Unterkonstruktion (Achsabstand
der Holzrippen 625 mm) mit
verzinkten Stahlklammern.
Die Konstruktion erfüllt die
Anforderungen der Brandschutzklasse F 30-B. Sie bietet gleichzeitig einen Schallschutz von 42 dB. Gefordert
waren 37 dB.
Eingesetzt wurden Platten
mit der Trockenbaukante.
Dabei besteht das Kantenprofil aus einer leicht schrägen Abflachung und einer
Fase an der Plattenkante.
Das zusätzliche Anfasen der
Kanten sorgt für eine stabile
Fugenverbindung, die hohen
Widerstand gegen das Versetzen in der Fläche bietet.
Die Abflachung im Kantenbereich erleichtert die Verarbeitung und ermöglicht ein
schnelles und einfaches Herstellen planebener Oberflächen.
Wie gewohnt wurden die
Platten mit TB-Kante bei der
Montage stumpf gestoßen.
Die Fugen wurden anschließend in zwei Schritten mit
Fermacell Fugenspachtel geschlossen. Dabei wurde im
ersten Spachtelgang im Bereich der TB-Kante ein spezieller Papierarmierungsstreifen
für den Trockenbau in das
noch feuchte Spachtelbett
eingearbeitet. Mit einem
zweiten Spachtelauftrag
wurde anschließend – nach
dem Austrocknen der ersten
Schicht – der Fugenbereich
geglättet.
THEMENÄNDERUNG
Das
Sonderheft
2009 erscheint zum Thema
Offizielles Organ des
Zwei Wochen für eine Etage
Beim Bau des Gießener Ärztezentrums kamen die Vorteile
der Holzbauweise voll zum
Tragen. Die Vorfertigung der
Wandelemente im Werk unter optimalen Bedingungen
sorgte für kurze Bauzeiten.
So benötigten die Mitarbeiter
der Kai Laumann Zimmereiund Bedachungs GmbH für
die Aufstockung des Altbaus
knapp zwei Wochen pro Etage
und nicht ganz drei Wochen
für ein Neubau-Stockwerk.
Vor allem die Aufstockung
des Bestandsbaus war durch
die Holzbauweise problemlos
zu realisieren: Wegen des relativ geringen Eigengewichts
wurden die Tragreserven der
Fundamente sowie der Decken
und der tragenden Innenwände, die nicht für größere
Belastungen ausgelegt waren,
nur geringfügig beansprucht.
Damit konnten statische
Probleme umgangen werden.
Die Holzrahmenbauweise
etabliert sich im Markt des
mehrgeschossigen Bauens.
Sie bietet kurze Bauzeiten und
damit eine schnelle Nutzungsmöglichkeit in Verbindung
mit geringem Eigengewicht
bei hoher Tragfähigkeit sowie Nachhaltigkeit. In Kombination mit Gipsfaserplatten
können zudem, wie der Bau
des Ärztezentrums zeigt,
hohe Brandschutzauflagen
bei mehrgeschossigen Holzrahmenbauten erfüllt werden.
Damit ist die Holzrahmenbauweise vor allem für die
Nachverdichtung oder Schließung von Baulücken im innerstädtischen Bereich sowie zur
Aufstockung von Bestandsbauten geeignet.
Bundesverbandes Ausbau und Fassade
INNENDÄMMUNG
Aus dem Inhalt:
• Typische Einsatzgebiete („der Markt“) und
Anwendungsgrenzen
• Bauphysikalische Grundlagen
(Dämmvermögen, Feuchtetransport,
Kondensatausfall, Schimmelgefahr etc.)
• Technik: Regelwerke, Richtlinien,
Empfehlungen
• Innendämmung auf Mauerwerk und Fachwerk – spezifische Anforderungen
• Wärmebrückenproblematik
• Innovationen und Entwicklungen; Produkte
und Systeme im Überblick
• Praxis: aktuelle Objektreportagen
Termine:
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Sibylle Lutz
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