William und Mary

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Lösungsvorschlag : MORPHOSYNTAXE _ CONTRÔLE CONTINU Wintersemester
2010
William und Mary
Viel Geld hinterließ William Pearl nicht, als er ___starb______ (sterben), und
sein Testament war unkompliziert. […] Er hatte alles, was er besaß, seiner
Frau zugedacht1.
Der Anwalt und Mrs. Pearl gingen zusammen im Anwaltsbüro das Testament
durch2, und als das Geschäftliche erledigt war, wollte sich die Witwe 3
____verabschieden______. In diesem Moment ___nahm_____ (nehmen) der
Anwalt aus einem Aktendeckel4 einen Umschlag und reichte ihn seiner
Klientin.
„Ich habe den Auftrag, Ihnen dies zu übergeben“, sagte er. „Ihr Mann hat es
uns kurz vor seinem Hinscheiden5 ______geschickt_______ (schicken).“ Der
Anwalt war blass und steif, […] beim Sprechen blickte er zu Boden. „Offenbar
handelt es sich um etwas Persönliches, Mrs. Pearl. Sie werden das Schreiben
wohl lieber erst zu Hause lesen wollen, wo Sie ungestört sind.“
Mrs. Pearl nahm den Brief und _____ging____ (gehen). Auf der Straße blieb
sie stehen und betastete6 den Brief mit den Fingern.
Ein Abschiedsbrief von William? Wahrscheinlich. Ein formeller Brief? Ja,
bestimmt […]. Anders hätte William gar nicht schreiben können, denn er hatte
nie etwas Unformelles getan.
Meine liebe Mary, ich hoffe und wünsche, dass dich mein
Abschied von dieser Welt nicht zu sehr aufregen wird, […].
Sei und bleibe fleißig ! […]._________ (Gehen) sparsam mit
dem Geld um. Sorge vor allem dafür, dass du nicht,…und so
weiter und so weiter.
Ein typischer Brief von William. Oder sollte er in letzter Minute weich7
geworden sein und ihr etwas Schönes geschrieben haben? Vielleicht war dies
eine […] Liebeserklärung, ein Dank für die dreißig Jahre ihres Lebens, die sie
ihm geschenkt hatte.
[…] Mrs. Pearl eilte nach Hause…
1
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5
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7
Jemandem ein Erbe zudenken = jemandem etwas vererben
ein Testament durchgehen = ein Testament durchsehen, besprechen
die Witwe: la veuve
ein Aktendeckel = eine Mappe (un classeur)
kurz vor seinem Hinscheiden = kurz vor seinem Tod
betasten = befühlen
weich werden: (hier) = sich ändern
(Aus: Roald Dahl: Küsschen, Küsschen! Elf ungewöhnliche Geschichten. Hamburg: Rowohlt 1994, S.15.)
AUFGABEN ZUM TEXT:
(1) Setzen Sie die fehlenden Verben in den Text ein (Achten Sie auf die passende
Verbform!)
(2) Suchen Sie im Text ein trennbares und ein untrennbares Verb. Geben Sie die
Stammformen der beiden Verben an.
Trennbare Verben:
zudenken – zudachte/dachte zu – zugedacht
(sich) aufregen – aufregte/regte auf – aufgeregt
(mit Geld) umgehen – umging/ging um - umgegangen
(Für alle Perfektbildung mit „haben“)
Das Testament durchgehen – durchging/ging durch – durchgegangen
(Perfektbildung mit „sein“)
Untrennbare Verben:
Hinterlassen-hinterließ-hinterlassen
Besitzen – besaß – besessen
Betasten – betastete – betastet
Erledigen – erledigte – erledigt
Verabschieden – verabschiedete – verabschiedet
Übergeben – übergab – übergeben
(Alle bilden das Perfekt mit „haben“)
(3) Suchen Sie im Text ein Beispiel für ein starkes Verb, ein Beispiel für ein
schwaches Verb. Geben Sie die Stammformen an.
Zum Beispiel:
Starkes Verb: nehmen – nahm – (habe) genommen
Schwaches Verb: hoffen – hoffte – (habe) gehofft
(4) Analysieren Sie das Valenzprogramm der fettgedruckten Verben im folgenden
Satzkontext: Wie viele Aktanten gibt es? Welche Form haben diese Aktanten?
Wie lautet die Minimalvariante der Verbalgruppen? Können die Verben auch
anders funktionieren?
-Auf der Straße blieb sie stehen und [ sie] betastete8 den Brief mit den Fingern.
(Zeile
12/13)
Auf der Straße blieb sie stehen: „stehen bleiben“ ist ein Verbalgruppe aus
konjugiertem Verb („blieb“) und Infinitiv („stehen“).
Hier bivalentes Programm: Aktanten: Subjekt („sie) und eine Präp.G
(Lokalergänzung) „auf der Straße“, die man auch weglassen könnte.
Minimalvariante ist also: Sie blieb stehen (monovalent)
„bleiben“ funktioniert auch ohne den Infinitivzusatz „stehen“, die semantische
Diemension ändert sich dadurch natürlich.
Sie betastete den Brief mit den Fingern:
Das Verb „betasten“ ist hier trivalent in Kombination mit Subjekt (sie),
Akk.Objekt (den Brief) und Präp.G (Modalergänzung im Dativ, mit den Fingern).
Die PräpG könnte man weglassen, das Verb ist aber zumindest bivalent, wir
brauchen das AkkObj. (=Minimalvariante): Sie betastete den Brief.
Das Verb ist mit seiner Präfigierung „be“ auf dieses Programm fixiert, keine
anderen Optionen.
-ich hoffe und wünsche, dass dich mein Abschied von dieser Welt nicht zu sehr
aufregen wird (Zeile 17/18)
ich hoffe, dass dich mein Abschied von dieser Welt nicht zu sehr aufregen wird:
das Verb „hoffen“ ist hier bivalent mit Subjekt (Ich) und einem Nebensatz als
Akkusativobjekt (Akkusativsatz) (Konjunktionalgruppe mit „dass“)
Eigentlich ist das die Minimalvariante, in manchen Kontexten wäre Monovalenz (Ich
hoffe) möglich (als verkürzte Antwort), aber selten.
Andere Optionen für „hoffen“: in Kombination mit PräpG: hoffen auf etwas
Ich wünsche, dass…
„wünschen“ funktioniert hier gleich wie hoffen, also bivalent (Subjekt und
Akkusativsatz)
Das ist auch die Minimalvariante.
„wünschen“ kann auch reflexiv verwendet werden: sich etwas wünschen
(5) Machen Sie Morphemanalysen für die folgenden Wörter:
- Anwaltsbüro
Kompositum aus 2 freien lexikalischen Morphemen: Anwalt und Büro (Büro
ist der Stamm des Kompositums).
Das Kompositum wird durch ein Fugen-s verbunden.
- Unformelles
-Stamm ist hier „Form“, ein freies, lexikalisches Morphem.
-Derivationspräfix „un“ (Funktion: Negation)
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betasten = befühlen
-Derivationssuffix „ell“ Wortbildung: Adjektivierung : formell/unformell ist
ein Adjektiv)
-Suffix „es“ : grammatisches Morphes/ Flexionsmorphem (das Adjektiv
„unformell“ ist hier substantiviert und muss also dekliniert werden)
(6) Bestimmen Sie die Satzfunktion des folgenden Satzes:
Ein Abschiedsbrief von William? (Zeile14)
Fragesatz / Interrogativsatz
-Versuchen Sie in eine Verbalgruppe in den Satz zu integrieren.
Zum Beispiel:
Könnte es sich um einen Abschiedsbrief von W. handeln?
Ist das etwa ein A. von W.?
Soll das (etwas) ein A. von W. sein?
-Welche anderen Satzfunktionen kennen Sie? Finden Sie Beispiele im Text.
Aussagesatz: zum Bsp: Anders hätte William gar nicht schreiben können,
denn er hatte nie etwas Unformelles getan
Ausrufesatz (Exklamation): Sei und bleibe fleißig! (Aufforderung)
EXTRAFRAGE 1:
(7) Finden Sie im Text ein Beispiel für
a) eine Struktur mit Modalverb:
Z5: wollte …verabschieden (Intention)
Z13: werden …lesen wollen (Hypothese, sichere Annahme über die
Intention des Gegenübers)
Z17: hätte nicht schreiben können (fixe Meinung/Bewertung über eine
Möglichkeit/Kapazität)
Z23: sollte er weich geworden sein (Überlegung, Hypothese,
eventuelle/unsichere Möglichkeit)
b) eine Struktur mit Imperativ
sei, bleibe, geh…um, sorge
Aufforderungen / Wünsche (Zukunftsperspektive)
Welche Funktionen haben diese Verbstrukturen in Ihrem Beispiel?
GUTES GELINGEN!
EXTRAFRAGEN 2 (das war nicht Teil der Prüfung!)
„Ich habe den Auftrag, Ihnen dies zu übergeben“, sagte er. „Ihr Mann hat es uns kurz vor
seinem Hinscheiden9 ___________ (schicken).“ (Zeile 7/8)
Setzen Sie diese direkte Rede in indirekte Rede und analysieren Sie die Veränderungen.
Er sagte, er habe den Auftrag, ihr dies zu übergeben. Ihr Mann (Der Mann der Witwe) habe es ihnen
kurz vor seinem Hinscheiden geschickt.
Im schriftlichen Kontext: Moduswandel (Indikativ wird Konjunktiv 1)
Wechsel der Perspektive – Adaptierung der Pronomen: der Sprecher wird zu „er“, über die
angesprochene Person (die Witwe) referieren wir auch in der 3. Person (Ihnen > ihr)
Keine „concordance de temps“ wie im Französischen.
Man könnte auch die Konjunktion „dass“ verwenden: Er sagte, dass er den Auftrag habe…
Welche Verbalstruktur finden Sie in diesem Satzteil:
…als das Geschäftliche erledigt war…
Es handelt sich hier um eine Passivstruktur (Zustandspassiv mit „sein“ anstatt mit „werden“, das auf
ein Resultat hinweist)
Ich erledige – das Geschäftliche wird erledigt (Vorgangspassiv)
Das habe es erledigt – das G. ist erledigt (Zustandspassiv)
Passivstrukturen gehören zu den zusammengesetzten Verbformen im Deutschen.
9
kurz vor seinem Hinscheiden = kurz vor seinem Tod
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