Psychoneuroimmunologie (PNI) und Suchtmedizin: Neue Wege in der Forschung Christian Schubert Univ.-Klinik für Medizinische Psychologie Medizinische Universität Innsbruck 101. wissenschaftliche Jahrestagung des Bundesverbands für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. Berlin, 18. März 2015 Medizinische Universität Innsbruck Biomedizin: Akutmedizin, Defektmedizin Körperorientierte Biomedizin ist Akutmedizin (z.B. akuter bakterieller Infekt, akute körperliche Verletzung) Chronische Erkrankungen (z.B. chronische Schmerzen, Autoimmunkrankheiten, Krebs, Angst, Depression) benötigen zur Heilung die Mitberücksichtigung der seelischen Dimension Gegenwärtige Biomedizin versucht Defekte zu reparieren, komplexe Funktionsdynamiken werden selten thematisiert Schubert, Psychoneuroimmunologie u. Psychotherapie 2015 Medizinische Universität Innsbruck Psychoneuroimmunologie (PNI) • Junger Forschungsbereich der Psychosomatik (Ader u. Cohen 1975) • Betrifft die Wechselwirkungen zwischen Nerven-, Hormon- und Immunsystem (Schedlowski u. Tewes 1996) bzw. wie sich psychosoziale Stimuli in diesen Körpersystemen abbilden (Kropiunigg 1990) • Konzeptioneller Durchbruch, der es ermöglicht, sich dem menschlichen Organismus, seiner Gesundheit und Krankheit von einer völlig neuen theoretischen Perspektive zu nähern (Solomon 1993) Medizinische Universität Innsbruck Gemeinsame biochemische Sprache Blalock, Immunol. Today 1994 Medizinische Universität Innsbruck TH1/TH2-Verschiebung bei Stress Trauma, Entzündung und Sickness Behavior PNI und Suchtmedizin Integrative Einzelfallstudien Medizinische Universität Innsbruck T-Helfer Typ 1/ T-Helfer Typ 2-System • Je nach Erregereintritt differenzieren naive Lymphozyten in T-Helfer Typ 1-Zellen (TH1) -> TNF, IL-1, u.a. T-Helfer Typ 2-Zellen (TH2) -> IL-4, -5 u.a. • Bei intrazellulären Erregern (z.B. Viren), Differenzierung zu TH1 und Abtöten der infizierten Zellen über die zelluläre Immunabwehr (pro-inflammatorisch) • Bei extrazellulären Erregern (z.B. Bakterien) Differenzierung zu TH2 und Aktivierung der humoralen Immunabwehr (anti-inflammatorisch) Reiche et al., Int. Rev. Psychiatr., 2005 Medizinische Universität Innsbruck Anforderung, Überforderung („Stress“) Medizinische Universität Innsbruck Wirkwege der PNI Stressoren bewirken Immunveränderungen besonders über: • Sympathisches Nervensystem - akute Entzündungserhöhung (TH1) • HPA-Achse (Cortisol) - Rückregulation der Entzündung mit TH1-Abfall (zelluläre Immunaktivität) und TH2-Anstieg (humorale Immunaktivität) = TH1/TH2-Shift Langfristiger Stress ist u.a. mit Infektionen, Wundheilungsstörungen (TH1-Abfall) und allergischen Erkrankungen (TH2-Anstieg) verbunden. Singer & Schubert, ZKM 2015 Medizinische Universität Innsbruck Stress verzögert Wundheilung durch TH1-Hemmung • Kiecolt-Glaser et al. 2005: N=42, 22-77a, durchschn.12a verheiratet • T1=„helper-helpee“, T2=Konfliktlösung • Stanzbiopsie am Unterarm („blister protocol“) • Konfliktlösung (T2) mit 72% und hohe Feindseligkeit mit 60% Wundheilungsverzögerung verbunden • IL-6-, TNF--, IL-1-Bildung in der Wunde signifikant geringer während Konfliktlösung (T2) im Vergleich zur Hilfestellung (T1) Medizinische Universität Innsbruck TH1/TH2-Verschiebung bei Stress Trauma, Entzündung und Sickness Behavior PNI und Suchtmedizin Integrative Einzelfallstudien Medizinische Universität Innsbruck Wirkung von chronischem Stress und Depression auf das Immunsystem (Meta-Analyse, Zorrilla et al., 2001) Absolute Lymphozytose Absoluter Anstieg der Levels an zytotoxischen Lymphozyten (Nk oder CD8), relativer Abfall an TLymphozyten, Abfall der CD4/CD8 Anstieg EBV-Ak-Titer Abfall Lymphozytenvermehrung, Abfall IL-2r-tragender Zellen nach mitogener Stimulierung Anstieg Leukozytenadhäsonsfähigkeit rot = Stimulierung der zellulären Immunaktivität schwarz = Immunsuppression Medizinische Universität Innsbruck Interleukin-6 (IL-6), ein Wolf im Schafspelz (Naugler & Karin, 2007) Positive Funktion: • unterstützt die Abtötung des Erregers (u.a. ROS), • lockt weitere Immunzellen in die Wunde (auch Leukozytose), • reguliert Körpertemperatur, Stoffwechsel (u.a. akute-Phase-Proteine, Energiemobilisierung) und Psyche Schädigende Wirkung: • schädigt Körperzellen, • fördert bösartige Entartung von Zellen, • hemmt Immunfunktionen Interleukin-6 (IL-6) Medizinische Universität Innsbruck IL-6 und C reaktives Protein: Globale Marker für Gesundheitsprobleme im Alter Chronische Erhöhung von Entzündungsproteinen (IL-6, CRP) bei Krankheiten des Alters wie • Bluthochdruck (Tracy et al., 1997), • KHK (Haverkate et al., 1997), • Gehirninsult (Ridker et al., 1997), • Osteoporose (Pacifici et al., 1996), • Arthritis (Moreland et al., 1997), • Diabetes Typ 2 (Mendenhall et al., 1996), • Lymphoproliferative Erkrankungen, • Krebs (Musselman et al., 2001), • Depression (Sluzwska et al., 1996), • Demenz (Hull et al., 1996), • Sarkopenie (Ferrucci et al., 1999) Medizinische Universität Innsbruck „Aspirin ist gut...“ und was ist mit der Lebensweise (Mr. Zerhouni)? „Aspirin ist gut. Ich nehme täglich ein Baby-Aspirin. Es reduziert Entzündungsprozesse, die wahrscheinlich mit unserer Lebensweise zusammenhängen.“ Elias A. Zerhouni, NIH-Direktor profil, 19. März 2007 Medizinische Universität Innsbruck Chronischer Stress ist mit erhöhten IL-6-Levels und vorzeitigem Altern des Immunsystems verbunden • N = 119 Personen, 71a, Alzheimerpflegestress, 6 Jahre lang bzgl. IL-6-Levels untersucht. • Durchschn. Anstieg der IL-6-Levels im Plasma 4-mal stärker bei Personen mit Pflegestress (auch wenn die Gepflegten verstarben!) als ohne Pflegestress • Pflegestress führt zu vorschnellem Altern des Immunsystems mit erhöhter Krankheit (Kiecolt-Glaser et al., 1991; Vitaliano et al., 2002) und geringerer Lebenserwartung (Schulz & Beach, 1999) Kiecolt-Glaser et al., PNAS, 2003 Medizinische Universität Innsbruck Immuno-Neuro-Endokrines Netzwerk Hypothalamus CRH/AVP Psychische Belastung Strahlung Infektion Körperliche Belastung Stress Immunzellen Hypophyse Zytokine Proinflammatorisch/ Immunreaktionen (TH1) ACTH Nebennierenrinde Antiinflammatorisch (TH2) Glucokortikoide TH1/TH2‐Shift Medizinische Universität Innsbruck Hypocortisolismus, Glukokortikoidresistenz Hypothalamus Psychische Belastung Strahlung Infektion Körperliche Belastung Stress CRH/AVP Immunzellen Hypophyse Zytokine ACTH Proinflammatorisch/ Immunreaktionen (TH1) Nebennierenrinde Entzündung Glucokortikoide Medizinische Universität Innsbruck Adverse Childhood Experience (ACE)-Study (Felitti et al., 1998) • Adverse Childhood Experience (ACE)-Studie (Felitti et al., 1998): N = 26.824, genaue körperliche Untersuchung, 2 Wochen danach Fragebogen zu Kindheitserfahrungen und gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen (Rücklauf 70%) • z.T. linearer Zusammenhang zwischen ungünstigen Erfahrungen in (früher) Kindheit (u.a. Scheidung der Eltern, allein erziehende Mutter, unsichere Bindung, Waisenhausaufenthalt, frühe Traumatisierung) und diversen Pathologien im Erwachsenenalter wie KHK, Krebs, chron. Lungenerkrankungen, Lebererkrankungen, Autoimmunkrankheiten, Frakturen, Depression, Suizidversuchen, häufiger Partnerwechsel, sexuell übertragbare Erkrankungen, Einnahme psychotroper Substanzen, Rauchen, Alkohol (Felitti et al., 1998; Dube et al., 2003; Anda et al., 2007; Dube et al., 2009) • Vermutung, dass Störungen der Gehirnentwicklung verantwortlich: HPA-Achse bzw. Stresssystem bei der Geburt noch nicht ausgereift, besondere Vulnerabilität (Gunnar & Vasquez, 2006) Medizinische Universität Innsbruck Weitere Erkenntnisse der ACE-Studie Geburtskohortenstudien seit 1900 (Dube et al. 2003): Wirkung von frühem Trauma auf spätere psychiatrische Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten (z.B. Rauchen) unabhängig von deren soziokulturellen Entwicklungen Nicht nur die unmittelbar an der ACE-Studie Teilnehmenden, sondern auch deren Familienangehörige von ACE-Effekten betroffen (Anda et al. 2009) Psychische Belastungsfaktoren (u.a. Depressivität, Wut) sind in der ACE-Studie bessere Prädiktoren für KHK als konventionelle Risikofaktoren (u.a. Rauchen, körperliche Inaktivität, Adipositas) (Dong et al. 2004) Medizinische Universität Innsbruck Adverse Childhood Experience (ACE)-Study (Felitti et al., 1998) Medizinische Universität Innsbruck Stress Hyporesponsive Period (SHRP) • Bei Geburt ist die HPA-Achse noch hyperresponsiv (auch vermehrt Th2), dann Abnahme der Hyperreaktivität der HPA-Achse im ersten Lebensjahr und Stress Hyporesponsive Period (SHRP), d.h. erschwerte Stimulierbarkeit des Stresssystems während der Kindheit -> hier auch Normalisierung der Th1/Th2-Dichotomie • Während der SHRP schützt die elterliche Bindung das Kind vor psychischer Belastung • Bei misshandelten Kindern mit unsicher vermeidendem Bindungsstil wird die HPA-Achse in der SHRP Stressoren ungeschützt ausgesetzt => vermehrte Cortisolerhöhungen, Th1-Suppression, Th2-Erhöhung (Th1/Th2-Shift) • Adoleszente, die früh Gewalt ausgesetzt waren und im Waisenhaus aufwuchsen, hatten im Vergleich zu Kontrollpersonen höhere Speichel-HSV-1-IgA-Werte (Shirtcliff et al., 1999) Medizinische Universität Innsbruck Crash im Stresssystem • Mit Beginn der Pubertät endet die SHRP, soziale Ereignisse verlieren ihre regulatorische Fähigkeit auf basale HPA-Achsenaktivität, zirkadiane Zeitgeber übernehmen die Kontrolle (zunehmender Anstieg der morgendlichen Cortisolwerte) • Bei misshandelten Kindern kommt es aufgrund der dauernden stressbedingten HPA-Achsenaktivierung (Hypercortisolismus) zum Crash im Stresssystem mit verringerten morgendlichen Cortisolwerten (gestörter zirkadianer Rhythmus), also Hypocortisolismus • Sexuell missbrauchte Mädchen wiesen im Alter von 11 Jahren erhöhte Cortisolmorgenwerte (Bellis & Putman, 1994), im Alter von 18 Jahren erniedrigte Cortisolmorgenwerte auf (Putman, 2003) • Misshandlung in den ersten 10 Lebensjahren ist 20 Jahre später mit erhöhten Entzündungswerten (u.a. CRP, Fibrinogen) verbunden (Danese et al., 2007) Medizinische Universität Innsbruck Hypothalamus Hyper‐ cortisolismus Cortisol Chronischer Stress Depression (melancholisch) Metabolisches Syndrom Infektion Wundheilungsstörung Krebs Allergie/Atopie Th1‐Immun‐ suppression Hypothalamus Depression (atypisch) Sickness Behavior Autoimmunerkrankung Herzkreislauferkrankung Krebs Atopische Entzündung Hypo‐ cortisolismus A Cortisol Th1 Th2 Entzündung (Th1/Th2‐Shift) B Th1 Medizinische Universität Innsbruck Entzündung und Depression: Sickness Behavior Sickness Behavior Erschöpfung Appetitverlust Schlafstörung Traurigkeit Interesselosigkeit Kognitive Störung PNI: Analogie zwischen Sickness Behavior und Depression (Yirmiya et al., 1999) Chronische Immunaktivierung ist mit Depression assoziiert 1. Immunotherapie (Krebs, Hepatitits C) Psychiatrie: MakrophagenTheorie der Depression (Maes et al., 1993) 2. Körperliche Erkrankung mit entzündlicher Komponente 3. Altern Dantzer & Kelley, Brain Behav. Immun. 2006 Medizinische Universität Innsbruck Wege, wie periphere Immunaktivität die BHS überwindet • Passiver Transport in Bereichen, wo keine BHS (Plexus Choroideus, zirkumventrikuläre Organe) • Aktiver Transport durch die BHS • Luminale Expression von ICAM-1 und VCAM-1, Durchschleusen von CD4+-Zellen durch die BHS • Aktivierung afferenter Nervenendigungen durch Zytokine, z.B. sensor. Vagus Ncl. Tractus Solitarii Area Postrema Medizinische Universität Innsbruck TH1/TH2-Verschiebung bei Stress Trauma, Entzündung und Sickness Behavior PNI und Suchtmedizin Integrative Einzelfallstudien Medizinische Universität Innsbruck PNI und Suchtmedizin: Bidirektional, komplex Suchterkrankung Immunstörung Suchtmitteleinnahme Stress durch Sucht Immunsuppression Entzündung Medizinische Universität Innsbruck Suchterkrankung und Immunstörung Alkohol: - Erhöhte Immunglobulinwerte (IgA, IgE) (Bogdal et al. 1976) - Erhöhte Level pro-inflammatorischer Zytokine (Loftis & Huckans 2013) - Verminderte phagozytische Aktivität (Parlesak et al. 2003) - keine Auffälligkeiten hinsichtlich Lymphozytenzahl und –aktivität, PBL-Vermehrung, NKZA (Schleifer et al. 1999) Psychostimulantien (Kokain, Amphetamine, Metamphetamine): - Verringerte Lymphozytenzahl (Wrona et al. 2005) - Erhöhte Level pro-inflammatorischer Zytokine (Clark et al. 2013) - Verminderte phagozytische Aktivität (Talloczy et al. 2008) Opiate: - T- und B-Zell-Dysfunktion, verringerte NKZA, phagozytische Aktivität (Loftis & Huckans 2013) Medizinische Universität Innsbruck Belohnungsempfinden, Abhängigkeit und Toleranz als neuroinflammatorische Ereignisse • Mikroglia: Immunüberwachung der Mikroumgebung des Gehirns („danger signals“) • „Danger signals“ (u.a. Pathogene, apoptotische Zellen, Suchtmittel [„xenobiotics“], Stressoren) aktivieren Toll-like Rezeptoren (TLR) • TLR (TLR4) aktiviert NF-B und die Freisetzung inflammatorischer Moleküle (z.B. IL-1) => zentrale Neuroinflammation (NI) • zentrale NI führt zur Aktivierung mesolimbischer dopaminerger Belohnungswege und Entzugszentren Medizinische Universität Innsbruck Stressbedingte Potenzierung neuroinflammatorisch vermittelter Symptome der Suchterkrankung • 2 stressbedingte Entzündungsreaktionen im ZNS: - schnell, kurz (Stunden) (Noradrenalin) - langsam, lang (Tage) mit „priming“ der Mikroglia (Glucocorticoide [GC]) • Bei der langandauernden neuroinflammatorischen Stressreaktion wirken GC bahnend, d.h. sensibilisieren Mikroglia auf „danger signals“, indem TLR hochreguliert werden • GC und stressbedingte NI führen u.a. zur Aktivierung des mesolimbischen Belohnungssystems • stressbedingte Potenzierung des neuroinflammatorischen (nicht-neuronalen) Teils der Suchtmittelwirkung Frank et al., Brain Behav. Immun., 2011 Medizinische Universität Innsbruck TH1/TH2-Verschiebung bei Stress Trauma, Entzündung und Sickness Behavior PNI und Suchtmedizin Integrative Einzelfallstudien Medizinische Universität Innsbruck In der biomedizinisch orientierten psychosomatischen Forschung ist wenig bekannt über Zeitliche Verzögerungen (z.B. zwischen Stressoren und immunologischer Reaktion) Reaktionsmuster (z.B. biphasisch, multiphasisch) „Over the past half century, hundreds of studies have specifically focused on the effects of psychological stressors on cortisol activation. Despite the magnitude of this research enterprise, only two broad conclusions can be drawn from this literature as a whole.“ (Dickerson & Kemeny, 2004) Wirkrichtungen (psycho-biologische und/oder bio-psychologische Ursache-Wirkbeziehung) Medizinische Universität Innsbruck Integratives Einzelfalldesign, Datenerhebung initial Körper LEDS OPD täglich abends und morgens EWL DIARI Beschwerden von 8Uhr bis 20Uhr, von 20Uhr bis 8Uhr Urin wöchentlich SLAM IHI mindestens 50 Messungen Medizinische Universität Innsbruck Integratives Einzelfalldesign, Auswertung Psychologische Analysen z.B. Rating der Alltagsereignisse (Stressintensität, Thema, Konflikt etc.) Zeitreihen‐ analysen z.B. Messung von Urin‐Neopterin (HPLC) und Urin‐ Interleukin‐6 (ELISA) z.B. ARIMA Modellierung, Kreuzkorrelationsanalyse, Frequenzanalyse, Komplexitätsanalyse 0 1 1 0 Brown & Harris (1996) Fuchs et al. (1993) Box & Jenkins (1976) Schiepek et al. (2001) Neopterin Medizinische Universität Innsbruck Fall 2 (SLE): Beschreibung • 52 Jahre alt • Abitur, arbeitet halbtags als Sekretärin • verheiratet, 4 Kinder • seit 8 Jahren an SLE erkrankt (bei Erstdiagnose Glomerulonephritis, Photosensitivität, Arthralgie, ANA erhöht) • letzter SLE-Schub vor 5 Jahren • war nach Diagnosestellung 3 Jahre in Psychotherapie Medizinische Universität Innsbruck Neopterin und Entzündung • Pteridin-Derivat • Sensitiver Marker der zellulären Immunreaktion • Wird von Makrophagen (“Fresszellen”) nach Stimulation von Interferon- freigesetzt • Interferon-stammt von aktivierten natürlichen Killerzellen und T-Lymphozyten • Erhöhte Neopterinkonzentrationen im Harn als Ausdruck einer pro-inflammatorischen Immunlage, z.B. im Zusammenhang mit SLE Medizinische Universität Innsbruck Fall 2 (SLE): Urin-Neopterin-Zeitreihe Neopterin ( mol/mol Kreatinin) Rohdaten des Urin‐Neopterins Neopterin‐Modell (2,0,0) 400 300 200 100 1 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 12‐Stunden‐Einheiten Medizinische Universität Innsbruck Fall 2 (SLE): Zeitliche Beziehung zwischen emotional schmerzhaften und erfüllenden Ereignissen und Urin-Neopterin „Emotionally Painful“ Incidents over Neopterin „Emotionally Fulfilling“ Incidents over Neopterin 1,0 1,0 Confidence Intervals Confidence Intervals ,5 Coefficient p < 0.05 0,0 60h ‐,5 CCF CCF ,5 Coefficient p < 0.05 0,0 ‐,5 24h 36h 84h ‐1,0 ‐1,0 ‐7 ‐6 ‐5 ‐4 ‐3 ‐2 ‐1 0 1 2 3 Lag Number 4 5 6 7 ‐7 ‐6 ‐5 ‐4 ‐3 ‐2 ‐1 0 1 2 3 4 5 6 7 Lag Number Medizinische Universität Innsbruck Alkoholangabe in Gramm/12 h-Einheit Umrechnung der Menge (ml) und des Typs (%AbV) des alkoholischen Getränks in Gramm Alkohol/12-Stundeneinheit mittels der Formel: % AbV ml 0.798 100 Medizinische Universität Innsbruck Fall 2 (SLE): Zeitreihen von konsumiertem Reinalkohol und Urin-Neopterin Mean: 7,3 + 1,24 g Mean: 204 + 4,9 mol/mol creatinine Medizinische Universität Innsbruck Fall 2 (SLE): Zeitliche Verbindung zwischen Alkohol und Neopterin 1 – 112: 1 – 44: 55 – 112: +lag1: r = +0.246; p < 0.05 +lag0: r = –0.371; p < 0.05 +lag1: r = +0.308; p < 0.05 Schubert et al., Pteridines 2009 Medizinische Universität Innsbruck Diskussion: Psychosomatische Effekte • Die Ergebnisse lassen sich allein mit der antientzündlichen Wirkung alkoholischer Getränke nicht erklären (Imhof et al. 2001; Schroecksnadel et al. 2007) • Der Konsum alkoholischer Getränke hat biochemische und psychische Aspekte (Grattan & Vogel-Sprott, 2001) • Placebo und Nocebo, aber auch Autosuggestion haben immunmodulierende Wirkungen (Olness et al. 1989; Pacheco-López et al. 2006) • Vor der akuten paranasalen Sinusitis (1-44) wurden die Interviews belastend erlebt und es kam zu Neopterinanstiegen, nach der akuten paranasalen Sinusitis (55-112) wurden die Interviews entlastend erlebt und es folgten Neopterinabfälle (Schubert et al. 2006b) • Die akute paranasale Sinusitis veränderte möglicherweise die Einstellung der Patientin gegenüber Alkohol (z.B. „Alkohol ist nicht gut für mich“) => Neopterinanstieg Medizinische Universität Innsbruck Zusammenfassung • Psychische und immunologische/entzündliche Faktoren sind untrennbar miteinander verbunden • Stressoren bewirken TH1/TH2-Shift bei gesundem Stress-System und Entzündungsanstiege („silent inflammation“, „inflamm-aging“) bei Stresskrankheit • • Sickness Behavior und Depression als psychische Zeichen von Entzündung • Belohnungsempfinden, Abhängigkeit und Toleranz gehen mit zentralen neuroinflammatorischen Aktivitätsanstiegen einher, Stress wirkt hierbei bahnend • Die ausgeprägte Komplexität psychoneuroimmunologische Fragestellungen legt die Notwendigkeit angemessener ökologisch valider Studiendesigns nahe Suchterkrankung ist mit bidirektionalen psychoimmunen Funktionsstörungen verbunden Medizinische Universität Innsbruck Herzlichen Dank für Ihr Interesse! 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