Landesverband Baden-Württemberg BDA · Zeppelin Carré Friedrichstr. 5 · 70174 Stuttgart Hugo-Häring-Auszeichnung 2014 BDA Stuttgart/Mittlerer Neckar Preisträger und Jury BDA Stuttgart/Mittlerer Neckar c/o BDA Landesgeschäftsstelle Zeppelin Carré Friedrichstr. 5 70174 Stuttgart Tel. 0711. 640 40 39 Fax 0711. 60 29 50 www.bda-bawue.de [email protected] Jury Prof. Rebecca Chestnutt, Chestnutt_Niess Architekten BDA, Berlin (Vorsitzende) Dipl.-Ing. Afshin Arabzadeh, Freier Architekt BDA, Nürtingen Thorsten Gutbrod, Kulturbetrieb Wagenhallen, Stuttgart Dipl.-Ing. Frank Hovenbitzer, Freier Architekt BDA, Lörrach Dipl.-Ing. Petra Stephan, Chefredakteurin AIT, Stuttgart (Reihenfolge der Preisträger ohne Wertung) Rathaus Schorndorf - Sanierung und Neugestaltung der öffentlichen Bereiche Bauherr: Architekt: Stadt Schorndorf Ippolito Fleitz Group GmbH, Stuttgart Foto: Zooey Braun Das Ende 2012 umgebaute Schorndorfer Rathaus ist ein gelungenes Beispiel für Behörden-Architektur im 21. Jahrhundert und für den Umgang mit historischer Bausubstanz. Der 1726 bis 1730 erbaute Solitär steht auf dem Marktplatz der Daimlerstadt und wurde ursprünglich als Markthalle genutzt. Eine wenig gelungene Umnutzung verwandelte die lichte, zweischiffige Markthalle mit ihren hohen Rundbogenfenstern im Erdgeschoss in den späten 1970er Jahren zum behäbig-rustikalen Verwaltungssitz der Stadt. Die Architekten erkannten das Potenzial der ursprünglichen Innenarchitektur und sorgten erneut für Licht, Luft und Transparenz. Der Sitzungssaal präsentiert sich durch seine Lage im Erdgeschoss und die hohen historischen Rundbogenfenster im wahrsten Sinne des Wortes ungewöhnlich bürgernah und offen. Die von kleinteiligen Sprossenfenstern befreiten Rundbögen und die freigelegten, alten Holzstützen im Foyer lassen das Markttreiben im 18. Jahrhundert erahnen. Spannende Material- und Farbkontraste bestimmen die Atmosphäre: dunkles Parkett, heller Travertin, schwere Vorhänge und leichte Volants. Beige-, Braunund Grautöne sowie Weiß geben in eleganter Weise den Ton an. Im Foyer erzeugen große, unter der Decke schwebende Lichtringe eine feierliche Stimmung, denn auf der Empore befinden sich der Trausaal und Kleine Sitzungssaal in Raum-Union. Durch viel Transparenz, durch Sichtbezüge und Höhensprünge ist es den Stuttgarter Architekten und Innenarchitekten gelungen, viel Raumprogramm auf wenig Fläche sinnfällig zu organisieren. Abgesehen von den Eyecatchern der Lichtringe unterstreicht eine insgesamt ausgereifte Lichttechnik die Innenarchitektur des neuen, alten Schorndorfer Rathauses. So viel Atmosphäre lässt fast vergessen, dass der neue Amtssitz des Oberbürgermeisters und seiner Mitarbeiter auch energetisch und brandschutztechnisch auf den neuesten Stand gebracht wurde. Ministeriumsgebäude Stuttgart Bauherr: Architekt: Baden-Württemberg Stiftung gGmbH Staab Architekten GmbH, Berlin Foto: Marcus Ebener, Berlin Einem Verwaltungsbau von dieser Größe eine räumliche Gliederung zu verleihen, die durch ihre Rhythmisierung jegliche Monotonie vermeidet, ist eine architektonische Errungenschaft. Der Neubau des Baden-Württembergischen Innenministeriums wirkt in seinen städtebaulichen Kontext genauso eingepasst, wie auch seine Innenraumgestaltung angemessen scheint. Die Abfolge von unterschiedlich dimensionierten Atrien und die Fassaden-Vor- bzw. Rücksprünge strukturieren den zwangsläufig lang gestreckten Baukörper im Inneren wie im Äußeren auf eine Weise, dass bei Verwendung von wenigen wohlgefügten Materialien von hoher Qualität eine kraftvolle in sich ruhende Architektur entstehen konnte. Eine aus der monofunktionalen Büronutzung generierte strenge Fassadenordnung, wurde durch die Betonung der Rücksprünge mit Eckfenstern differenziert und ihr somit eine Maßstäblichkeit zur WillyBrandt-Straße hin verliehen. Die Geste des Eingangs und die öffentlichen Nutzungen im Erd- und Gartengeschoss, verleihen dem Komplex seinen Auftakt und verankern ihn gleichzeitig am angrenzenden Schlossgarten. Die innenräumliche Orientierung wurde ebenfalls dadurch gestärkt, dass die, als Besprechungsbereich genutzten Ecksituationen der Rücksprünge, mit den Erschließungszonen an den Übergängen der Atrien verknüpft wurden. Die kunstvoll kontrastierende Farbgliederung zwischen den Atrien und den sonstigen Erschließungsbereichen, in Verbindung mit einer erstaunlich sanften Anmutung der verwendeten Materialien, unterstreichen die gelungene räumliche Fügung des gesamten Gebäudes. 2 Energetische Sanierung eines Wohn- und Bürogebäudes s43 Bauherr: Architekt: Privat Wittfoht Freie Architekten BDA BDIA / dwb, Stuttgart Foto: Brigida Gonzáles Die architektonische und ebenfalls gesellschaftliche Aufgabenstellung den großen Bestand Bauten der Nachkriegsmoderne zu rehabilitieren, wurde durch die energetische Sanierung dieses ehemaligen Bürogebäudes beispielhaft und mit großem Erfolg gelöst. Die städtebauliche Situation des bestehenden Riegels konnte durch die Umgestaltung der Freiflächen als Garten aufgewertet und damit ein hohes Maß der Begrünung erreicht werden. Gleichzeitig wurde das Erdgeschoß trotz der Hanglage zu einer hochwertigen Nutzungseinheit gestaltet. Die ursprüngliche Baukörpergliederung mit ihrem bestimmenden Zusammenspiel zwischen vertikalen Natursteinelementen und den horizontalen, mit Metallpaneelen verkleideten Fassadenbändern, wurde bewahrt und dabei akzentuiert. Die gelungene Strategie den bestehenden Aufbau der Natursteinfassaden zu belassen und durch Innendämmung zu ertüchtigen, meidet den Verlust ihrer massiven Wirkung. Durch die andererseits neue Interpretierung der Metall-Glas-Fassaden mit ihrem vielschichtigen Aufbau und der dadurch entstandenen Lebhaftigkeit, gewinnt das Gesamtbild seine zeitlose Eleganz. Das Entwurfsprinzip den klaren Charakter seiner modernen Architektursprache im Innenraum weiterzuführen, lebt ebenfalls von einer Materialkomposition, bei der die räumliche Zonierung stets betont wird. 3 Zentrum für virtuelles Engineering ZVE Bauherr: Architekt: Fraunhofer- Gesellschaft zur Förderung der angewendeten Forschung e. V., München UNStudio, Amsterdam Foto: Christian Richters Eine „Galionsfigur“ für die Fraunhofer-Gesellschaft als Gebäude zu konzipieren erforderte offensichtlich die Erfindung einer virtuosen Raumcollage. Eine Wirkung als Kopf-Bau ist im städtebaulichen Umfeld des Forschungscampus in Vaihingen nicht deutlich. Viel mehr nimmt das Bauwerk eine Position als Schlusspunkt ein, fängt die Bewegung des Straßenverlaufs ein und führt den Besucher ins Innere. Die runde Fassade mit ihren zeichenhaft „gefalteten“ Fensterbändern strahlt eher den Ausdruck eines Solitärs aus. Dies womöglich folgerichtig, da neben der Konzeption des Hauses als Identitätsträger ein Höchstmaß an energetischer Effizienz realisiert wurde. Während die äußere Architektur des neuen ZVE dennoch vordergründig von ihrer formalen Gestik lebt, bietet der zentrale, alles zusammenbindende, offene, vertikale Erschließungsraum ein wahres Erlebnis. Obwohl von geschwungener mäandernder Gestalt, wirkt die entstandene Raumfolge unaufgeregt und einladend. Die Wegeführung der Treppenverläufe wird durch das Pastellfarbenkonzept unterstrichen. Es herrscht das Gefühl von Übersichtlichkeit und Teilhabe, wenn auch die Differenzierung zwischen den Arbeits- und Besucherbereichen klar ablesbar ist. Der Erfolg dieser Architektur wird als Symbiose der Raumgliederung, Raumgestaltung und Ausstattung verstanden, wobei die Grenzen dazwischen verschwimmen. 4 Präzisionslabor MAX-PLANCK-INSTITUT Bauherr: Architekt: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., München hammeskrause architekten bda, Stuttgart Foto: Wolf-Dieter Gericke Eine 15m hohe, fensterlose Halle, zweiseitig umgriffen von einem zweigeschossigen Büro- und Laborgebäude. Die Stärke des Ensembles liegt in der äußerst klaren Strukturierung der Funktionen; der ordnende Geist wird äußerlich sichtbar in den klaren geometrischen Formen und den angenehm zueinander proportionierten Gebäudeteilen. Im Innern herrscht Übersichtlichkeit, alles andere als selbstverständlich bei derart hohem Installationsgrad. Die außerordentlich anspruchsvolle Aufgabe, Versuchsboxen herzustellen, die weitestgehend abgeschirmt sind von allen äußeren seismischen, akustischen und elektromagnetischen Störungen, wird mit scheinbar „leichter Hand“ gelöst. An der Hallenfassade leisten sich Architekt und Bauherr mit einer ornamentierten Hülle auf industrialisiertem Niveau ein Schmuckelement, das dem Standort des Gebäudes innerhalb einer Parkanlage gerecht wird: senkrechte, schmale Aluminiumprofile, die in 2 Ebenen mit unterschiedlichen Winkeln montiert sind, überdecken sämtliche Durchdringungen und erzeugen damit ein homogenes Fassadenbild, das wie ein Interferenzmuster je nach Blickwinkel des Betrachters changiert und das an sich profane Hallenbauwerk zu einem Blickfang werden lässt. Einziger Wermutstropfen ist allerdings, dass aus wirtschaftlichen Gründen eine Teilfläche dieser changierenden Fassade zur wenig einsichtigen Waldseite ausgespart wurde. Erweiterung Rosensteinschule zur Ganztagsschule Bauherr: Architekt: Landeshauptstadt Stuttgart Drei Architekten Haag Haffner Stroheker, Stuttgart Foto: Zooey Braun Der dreigeschossige Neubau schließt an den winkelförmigen, ebenfalls dreigeschossigen Hauptbau aus den 1950er Jahren an und definiert damit das Erscheinungsbild der Schule zur Straße hin neu. Allein das ist schon nicht unwesentlich, denn im Stuttgarter Nordbahnhofsviertel dominiert eine eher heterogene, 5 wenig hochwertige Bebauung den Straßenraum. Für die neuen Räume verlängerten die Architekten den nördlichen Winkel des Hauptgebäudes, wodurch der Schulhof und die Grünanlagen als große zusammenhängende Fläche erhalten blieben. Zum anderen konnten die Klassen- und Aufenthaltsräume nach Süden orientiert werden, im Gegensatz zum Altbau. Das äußere Erscheinungsbild orientiert sich gestalterisch am Hauptbau, interpretiert den Rhythmus zwischen offenen und geschlossenen Fassadenflächen jedoch neu und zeitgemäß. Unprätentiös und zweckmäßig, aber sicher im Gestaltungswillen zeigt sich die Erweiterung als das was sie ist – eher eine gelungene Ergänzung, als ein präsenter Hingucker. Diese Haltung spiegelt sich auch im Inneren wider: Großzügige Foyers, die Klassenzimmer und Fachräume weisen eine hohe Aufenthaltsqualität auf – dafür sorgen unter anderem hochwertige Materialien, wie rauer Sichtbeton, massives Douglasienholz, Fliesen in Natursteinoptik, weiß gestrichene Decken und ein ausgefeiltes Beleuchtungskonzept. Für Irritationen sorgte bei der Jury allenfalls das Fluchttreppenhaus auf der Ostseite der Erweiterung. Da es aber schnell und kostengünstig wieder abzubauen sein soll, wenn die Schule noch einmal erweitert werden muss, versteht man auch die Gestaltung, die im Verhältnis zum Erweiterungsbau deutlich abfällt. Wilhelmaschule Bauherr: Architekt: Land Baden Württemberg Cheret + Bozic Architekten, Stuttgart Foto: Achim Birnbaum Im Ensemble der maurischen Anlage des zoologischen Gartens, bzw. der botanischen Anlagen, ergänzt der neue Pavillon der pädagogischen Einrichtung ruhig und selbstverständlich den umgebenden Park und seine vorhandenen Bauten. Sehr feinfühlig platziert und detailliert, wird der vorhandenen Substanz ein unprätentiöses, zeitgenössisches Element hinzugefügt. Der kleine Bau besticht durch seine Selbstverständlichkeit in Grund- und Aufriss. Durch die rhythmische Gliederung der Außenwandpfeiler, die ein weit auskragendes Dach tragen, wird ein gut proportionierter Bau geschaffen, der Innen- und Außenräume in Form und Funktion verbindet. Als Gartenpavillon fügt sich das Gebäude sensibel und fließend in den Landschaftsraum ein und hat zugleich eine eigenständige architektonische Qualität. Hierbei gelingt es überzeugend, sehr angemessene Details und Proportionen der wenigen verwendeten Bauteile zu entwickeln, so dass die Maßstäblichkeit der Details der des Gesamtbaukörpers entspricht. Durch die Feinheit der Gliederung werden Selbstverständlichkeit, Leichtigkeit und Einfachheit erzielt, was die besondere Qualität der Maßnahme ausmacht. 6 Kinderhaus Schloss Ditzingen Bauherr: Architekt: Stadt Ditzingen walter huber freier architekt, Stuttgart Foto: Zooey Braun Der zunächst sonderbar anmutende Grundriss erklärt sich sehr schnell vor Ort und verweist auf die besonderen Grundstücksgegebenheiten. Die Kindertagesstätte kann bis zu 110 Kinder aufnehmen. Die Kinder haben maximale Bewegungsfreiheit in einer bunten Farbenwelt die sich mit den Holzzimmern harmonisch ergänzt. Auch hier spürt man viel Liebe und Planung für das kleinste Detail. Im ersten OG sind die Arbeits-Schlaf und Aktionsräume untergebracht. Die Materialien ziehen sich vom Inneren in den Außenraum fort. Der Außenspielplatz ist genauso liebevoll geplant und mit vielen Spielelementen versehen: Wasserspiele, Rutschen, Sandkasten, Kletter- und Bewegungsspiele. In den Lichthöfen hingegen können die Kinder die Ruhe genießen. Die Kinder sind nie unbeaufsichtigt, die Architektur erlaubt es den Erziehern immer einen Blick auf die Kinder zuzulassen, selbst in den Arbeitszimmern. Man gibt da seine Kinder mit einem sehr guten Gefühl ab. Ein richtig schönes Kinderwohlfühlhaus. Kinderhaus Alzental Bauherr: Architekt: Stadt Herrenberg D`Inka Scheible Hoffmann Architekten, Fellbach Foto: Albrecht Scheible Mit einer unprätentiösen, angenehm proportionierten Form werden alle notwendigen Funktionen integriert und übersichtlich geordnet sowie gleichzeitig ein gut nutzbarer Freibereich geschaffen. Der umlaufende Balkon und die angeschlossene großzügige Dachterrasse bieten zusätzliche „Spielräume“ und erhöhen für die Kinder die wahrnehmbare räumliche Komplexität. Innen- und Außenraum fließen ineinander. Ohne sich auf banale Weise an angeblichen Kindergeschmack anzubiedern, wird mit einfachen Mitteln und Materialien eine warme und kindgerechte Atmosphäre geschaffen. Viel helles Holz in verschiedensten Variationen entfaltet seine heimelige Wirkung besonders gut im Kontrast mit naturbelassenen Betonoberflächen. Großzügige Glasflächen lassen viel Licht ins Haus und gestalten den Übergang von Innen nach Außen. Ein bescheidener und doch stilvoller Auftritt bis ins Detail. 7 Hugo-Häring-Auszeichnung und Publikumspreis Anlage für afrikanische Menschenaffen Bauherr: Architekt: Land Baden Württemberg Hascher Jehle Architektur, Berlin Foto: Svenja Bockhop Die neu angelegte Anlage für Menschenaffen stellt kein „Affenhaus“ im traditionellen Sinne von zoologischen Gärten dar, sondern ist ein bauliches Ensemble, bei dem Innen- und Außenräume zusammenfließen. Eine freie Grundrissform, die in großen Teilen von einer feinen Stahlnetzkonstruktion überdeckt wird, verbindet sich selbstverständlich mit der großen Parkanlage des zoologischen Gartens. Raumhohe Verglasungen und terrassierte Räume innen und außen bewirken, dass klassische Raumbildungen sich auflösen, bzw. aus der Natur bekannte Räume in Architektur überführt werden. Der geschwungene Weg, der durch das Ensemble führt, erscheint im weitesten Sinne wie ein Pfad durch einen Urwald, was von der reichen Bepflanzung des Innenraums und der begrünten Dachlandschaft außen unterstützt wird. Baumartige Betonpfeiler, die ohne scheinbare Ordnung die Konstruktion des gefalteten Daches tragen, ergänzen auf abstrakte Weise diesen Raumeindruck. Die Menschenaffen erhalten einen naturnahen Lebensraum und die Besucher einen entsprechenden Erlebnisraum. Gerade auch durch die Reduktion der Materialien, die im Wesentlichen aus Beton und Glas, sowie dem organisch anmutenden Stahlnetz bestehen, entsteht mit den Pflanzen im Inneren und Äußeren ein passender Hintergrund für die Tierbetrachtung. Für die Tiere selbst entstehen durch die vielen schrägen Bauteile und die ergänzenden, hängenden Kletterbänder in den Innenräumen vielfältige Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten. Das ganze Ensemble überzeugt durch die nahtlose Verknüpfung von Innen und Außen, bzw. die gelungene Herstellung eines naturnahen Raumeindrucks durch die Gestaltung der architektonischen und konstruktiven Elemente. Stadtbibliothek am Mailänder Platz Bauherr: Architekt: Landeshauptstadt Stuttgart YI Architects, Köln Foto: Stefan Müller 8 Ein markanter Stadtbaustein, dessen solitärer Charakter konsequent ausgebildet ist: seine Höhe, mit der er seine Nachbarn überragt, die ungerichtete Würfelform mit der er sich selbst als Zentrum seiner Umgebung inszeniert sowie die umlaufend homogene Fassade unterstreichen zeichenhaft und kraftvoll seine herausragende Bedeutung für das städtische Leben. Die tagsüber geschlossen und unbelebt wirkende harte Fassade weckt Assoziationen an alte Speichergebäude, einen „Buchspeicher“ in diesem Fall. Konsequent nach innen orientiert fokussiert die Bibliothek sich selbst und ihre Besucher auf den ihr innewohnenden literarischen Reichtum. Eine lyrische, stimmungsvolle, atmosphärisch sehr dichte Raumfolge begleitet den Besucher vom Eingang über den Zentralraum, der -abgeschirmt von der Außenwelt- die Konzentration vollkommen auf den Ort lenkt; die Treppe empor -gelegentlich schweißtreibend- den Blick immer noch ins „Herz“ gelenkt, bis man im 4.OG schließlich das Schmuckkästchen erreicht: den weiß strahlenden, nach oben gerichteten zentralen Lesesaal. Auch wenn der Weg nach oben per pedes manchem ein wenig mühsam erscheinen mag und die Orientierung im Gebäude -da richtungslos- Ungeübten zu Beginn eventuell etwas schwer fallen mag - ein beeindruckendes Erlebnis ist der Besuch in der Stadtbibliothek in jedem Fall. Hospitalhof Bauherr: Architekt: Evangelische Gesamtkirchengemeinde Stuttgart LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei GmbH&Co.KG, Stuttgart Foto: Roland Halbe Wie schon der Vorgängerbau bezieht sich der neue Hospitalhof in seiner Blockstruktur auf die Form des mittelalterlichen Dominikanerklosters, das einst an die Kirche angegliedert war. Anders als der Nachkriegsbau, der sich in Form und Materialität deutlich von der Kirchenruine abhob, verbinden die Architekten ihre Ergänzung jedoch mit den Resten des mittelalterlichen Langhauses und führen dessen erhalten gebliebene, südliche Längswand in ihrem Neubau fort. Dadurch wird die ursprüngliche Ausdehnung der Kirche wieder ablesbar. Das rekonstruierte Wandstück, das deutlich als nachträgliche Ergänzung sichtbar gemacht wurde, bildet wiederum den Abschluss eines viergeschossigen Verwaltungsriegels. Im Norden schließt sich über Eck an den Verwaltungstrakt der Festsaal-Neubau mit Foyer, Garderobe und kleinem Vortragssaal an. Der große, zweigeschossige Saal im Obergeschoss öffnet sich über eine Terrasse zum Innenhof. In den Stadtraum wiederum bildet sich der Bühnenbereich des Saals mit 39 Bullaugenfenstern ab. Den Übergang zum Bestand bestimmt ein V-förmiges Flugdach, das sich zwischen dem Treppenturm des Saalgebäudes und der Kirche aufspannt und den Eingangsbereich der Anlage überdeckt. So entstand eine stimmige Verbindung aus Alt und Neu. 9 Die Proportionen des Neubaus sind auf das groß-städtische Umfeld abgestimmt und stehen gleichzeitig mit dem Kirchenbau in einem spannungsreichen Verhältnis. Unterschiedlichste „Zier“-Elemente, die aus dem Oeuvre der Architekten bekannt sind, werden im Hospitalhof zusammengebracht und beleben das große Volumen. Die innere Struktur ist klar und funktional gegliedert. Für einen farblichen Akzent sorgt der rote Bodenbelag. Im großen Veranstaltungssaal wiederum sorgen hölzerne Wand- und Deckenverkleidungen für einen festlichen Charakter. Umbau und Sanierung Matthäuskirche Bauherr: Architekt: Evangelische Kirchenpflege Stuttgart Schreiner Architekten Dipl.-Ing. Hannes Schreiner Freier Architekt BDA, Stuttgart Foto: Maximilian Seibert In der Matthäuskirche, die Ende des 19 Jahrhunderts unter Verwendung neogotischer und neoromanischer Motive errichtet wurde, waren im Laufe des 20. Jahrhunderts, auch infolge von Kriegszerstörungen und Wiederaufbaumaßnahmen, verschiedene Maßnahmen ergriffen worden, die den ursprünglichen architektonischen Charakter zerstört hatten. Die erfolgte Sanierung hat als wesentliche Qualität die Wiederherstellung des historischen Raumeindrucks durch Entfernen und Aufräumen der verschiedenen Einbauten. Nicht nur wurden die vorher verbaute Kuppel und die Fensterrosette wieder geöffnet und damit auch farbliche Akzente in den Innenraum zurückgebracht, sondern es wird auch durch veränderte Platzierung des Altarbereichs und der Bestuhlung eine zeitgenössische Nutzung ermöglicht. Nachdem der Innenraum von allen heterogenen nicht historischen Einbauten befreit wurde, konnte durch die kraftvoll, minimalistisch kleinen Eingriffe ein selbstverständliches neues räumliches Gefüge im Sinne zeitgenössischer Liturgie geschaffen werden. Die Prinzipalien aus Taufbecken- und Kerze, Altar und Pult bestehend, sind als massive Eichenholzmöbel skulptural und monolithisch neu eingefügt und gliedern den Raum. Die Gestaltung der Bestuhlung anstelle der früheren Kirchenbänke ermöglicht flexibel neue und kommunikative Aufstellungsformen und ist zugleich zurückhaltend und selbstverständlich. Das Wenige, was gemacht wird, überzeugt durch die Sensibilität und Kraft der Reduktion. 10 Marktplatzarkaden Bietigheim Bauherr: Architekt: Stadt Bietigheim Bissingen Aldinger Architekten Planungsgesellschaft mbH, Stuttgart Foto: Roland Halbe Der Um- und Anbau der Marktplatzarkaden in Bietigheim schafft an einer wichtigen städtebaulichen Situation inmitten der Altstadt Bietigheims auf sensible Weise neue Verkaufsräume in einem historischen Gebäudeensemble. Die Räume des aus den 30er Jahren stammenden u-förmigen Gebäudes, das sich mit seinen Teilen zuvor um einen offenen Innenhof gruppierte, werden durch einen zeitgenössischen Verbindungsbau und eine Überdachung des Zwischenraums zu großflächigen Verkaufsbereichen auf den Straßenebenen weiterentwickelt. Im Innenraum verbindet eine öffentliche Passage die unterschiedlichen Straßenniveaus und erschließt als kleine Halle die Verkaufsflächen von Innen. Außen sind neu zum Platz hin Arkaden und ein langgestreckter Balkon vorgelagert worden. Darunter werden großzügige Schaufenster für weitere Läden geschaffen. In den Obergeschossen entsteht durch sensiblen Ausbau des Bestands eine hochwertige Büronutzung für die öffentliche Verwaltung. Die Arbeit besticht durch das Spiel von Alt und Neu, bzw. die sorgfältige Wiederherstellung, Erhaltung und Ergänzung der historischen Substanz. Gut detailliert und proportioniert werden neue Elemente sichtbar abgesetzt mit dem Bestand kombiniert. Die Materialen ergänzen sich selbstverständlich, neue Formenelemente wie der plastisch ausgebildete Balkon der vorgelagerten Arkaden spielen mit den bestehenden Flächen und Öffnungen. Der besondere Wert der Arbeit liegt darin, dass es überzeugend gelingt, historische Gebäude für neue Einkaufsnutzungen zu aktivieren, um damit die historische Altstadt als Gegenmodell der Einkaufszentren am Stadtrand zukunftsträchtig zu beleben. Es werden neue großflächige Nutzungen geschaffen, ohne den historischen Maßstab zu sprengen. Wohnbebauung Weimarstraße Bauherr: Architekt: LBBW Immobilien Development GmbH Bottega+Erhardt Architekten GmbH, Stuttgart Foto: David Franck 11 Mit der neuen Wohnanlage in der Weimarstrasse ist eine städtebauliche Nachverdichtung durch Geschoßwohnungsbau von hoher Qualität gelungen. Als Rückgrat jeder nachhaltigen urbanen Stadtentwicklung, müssen sich solche Neubauten bezüglich ihrer Adressbildung und Maßstäblichkeit trotz ihrer Größe integrieren. Genau in diesem Aspekt überzeugt der lange Baukörper. Die Blockrandbebauung artikuliert sich zur Straße hin durch ihre einfache, ruhige, horizontal gegliederte Fassade. Durch ihre abgesetzte Sockelzone mit eingestülpten Eingängen, wird das Entree zu jedem Treppenaufgang zum klar definierten und geschützten Ort des Ankommens und des Weggehens. Die insgesamt vorteilhafte Baukörperstellung mit den am „Wohnanger“ versetzten kleinen Bauten im Blockinnenbereich, ermöglicht die Ausnutzung für die größeren Wohneinheiten, wobei diese den privateren Freiraum genießen. Gleichzeitig gewinnen die kleineren Wohnungen im langen straßenbegleitenden Riegel ihre Großzügigkeit durch die Ost/West-Durchorientierung. Die hohe Qualität der Verflechtung von Wohnraum und Außenraum zeigt sich am deutlichsten in der Westfassade dieses Baues. Hier wird durch den Rhythmus der bandartigen Balkone eine klare und dennoch lebendige Architektur geschaffen. Die zueinander versetzten, tiefen Balkonbereiche, die durch geschlossene Brüstungsfronten abgesetzt sind, verleihen dem Gebäude seinen raffinierten vielfältigen Ausdruck. Wohnhaus D Bauherr: Architekt: Dorothee und Kai Dongus Kai Dongus Freier Architekt BDA, Ludwigsburg Foto: Oliver Rieger Selbstbewusst, markant und trotzdem integrativ fügt sich das Wohnhaus in sein Umfeld ein. Der akribisch entwickelte Grundriss ist funktional, alltagstauglich und atmosphärisch von hoher räumlicher Qualität. Der rechteckige Grundriss, klug ausgeschnitten um die Fläche der Terrasse, lässt das Haus nach Süden solitärhaft wirken, während die nördliche Eingangsseite mit einer wohltuenden Dynamik die Ankommenden empfängt. In einer erstaunlichen Art und Weise fühlt man sich in diesem Haus fast allseitig mit dem umgebenden Freiraum verbunden, wenn man bedenkt, dass es sich um eine doch massive Bauweise handelt. Der schwarz gefärbte, an sich schwer wirkende Baustoff Beton ist mit einer großen Leichtigkeit und hohem puristischen Anspruch so umgesetzt worden, dass der Bau heute in einer zeitlosen Schönheit strahlt. 12 Haus B19 Bauherr: Architekt: Privat (se)arch Prof. Stefanie und Stephan Eberding, Stuttgart Foto: Zooey Braun Eine gewöhnliche Bauaufgabe mit einer ungewöhnlichen Lösung – das gefiel der Jury am Neubau des Einfamilienhauses B19 in einem Teilort von Stuttgart. In einer Siedlung aus den 1950er Jahren, im vorgesehenen Baufenster und an den Abmessungen der Nachbarbebauung orientierend, planten die Architekten ein selbstbewusstes Gebäude, das sich in Kubatur und Materialen an der Umgebung orientiert, sich aber deutlich in der Fassadengestaltung vom eher profanen Umfeld abhebt. Die geschlossene Straßenansicht ist der Tatsache geschuldet, dass der Bauherr eine große Wandfläche für seine Sammlung Alter Meister einforderte, die Süd- und Gartenfassade ist dagegen vollflächig verglast und öffnet sich mit Terrasse und verschatteter Balkonanlage zum großen Garten hin. Dach und Fassade wurden mit kleinteiligen Holzschindeln überzogen und orientieren sich damit an einer im Süden Deutschlands nicht unüblichen Fassadengestaltung. Im Inneren dominiert eine starke Betonskulptur, die über dreieinhalb Geschosse die Bereiche Wohnen und Kunstgalerie trennt, aber auch Küche, Sanitär, vertikale Erschließung und Stauraum beherbergt. Durchbrüche und Brüstungen in dem Betonkern gewähren über alle Geschosse hinweg überraschende Einblicke und Ausblicke und verbinden die einzelnen Raumfunktionen intelligent miteinander. Den Architekten ist eine zeitgemäße Umsetzung des Themas Einfamilienhausneubau in bestehender Siedlungsstruktur gelungen, ohne sich anzubiedern, aber auch ohne sich Effekt heischend zu positionieren. Dass dabei energetische Gesichtspunkte, wie auch die Frage nach flexibler Grundrissplanung und bestehender Raumreserven beantwortet wurden, gefiel der Jury darüber hinaus. 13 Umbau + Sanierung Wohnhaus WZ2 Bauherr: Architekt: Privat Bernd Zimmermann freier Architekt BDA, Ludwigsburg Foto: Prof. Valentin Wormbs Nicht nur die ungewöhnliche Fassade – bestehend aus hochglänzenden Edelstahlpaneelen - begeisterte die Jury auf den ersten Blick, auch der Umgang mit Grundstücksbegrenzung und Erschließung fand großen Beifall: eine gelungene Neu-Interpretation eines profanen Satteldachhäuschens in zeitgemäßer Material- und Formensprache. Dabei schien es dem Architekten nicht nur um pure Effekthascherei zu gehen – im Gegenteil: anstatt sich zu exponieren, fügt sich das zweigeschossige Haus mit Dach durch die sich in der Außenhaut spiegelnde Umgebung perfekt in dieselbe ein. Der Giebel scheint sich zum Himmel hin gar komplett aufzulösen. Das weiße Betonband, das sich anstatt eines zu erwartenden Jägerzaunes schwebend um den kleinen Vorgarten legt, gibt den Blick auf das neu angelegte Grün frei, nicht aber auf die leicht erhöht liegende Terrasse. Eine schwarze Stahltreppe führt, am „Betongeländer“ entlang, zur ebenfalls verspiegelten Eingangstür und bildet den Auftakt für ein beeindruckendes Raumerlebnis in Weiß. Aus einem schmalen Eingangsflur führt ein konisch zulaufender, schwarzer Durchgang in einen schneeweißen Wohnraum, der von einem echten Baum dominiert wird. Das Erdgeschoss birgt - durch einen Höhenversatz zoniert - Wohnen, Essen und Kochen und bietet jeweils an den Giebelseiten großzügige Ausblicke ins Grüne. Nach dem Abbruch von Teilen der bestehenden Geschossdecken und aller Innenwände wird das dreigeschossige Volumen des Hauses erlebbar und durch ein Oberlicht optimal ausgeleuchtet. Perfekt ausgeführte, weiße Oberflächen, Platz sparende Einbauschränke, indirekte Beleuchtung und unkonventionelle Fensterformate komplettieren einen ungewöhnlich anspruchsvoll gestalteten Innenraum, der für die zwei Bewohner maßgeschneidert wurde. 14 Wohnhaus S13 Bauherr: Architekt: Privat Prof. Thomas Hundt, Stuttgart Foto: Lukas Roth Trotz anfänglicher Skepsis aus den abstrakten Unterlagen überrascht das Gebäude in der gebauten Realität. Unerwartet dass das EG das Kinderstockwerk ist. Für ein unzertrennliches Beisammensein sind die Kinderzimmer mit Bullaugen verbunden. Zusätzlich hat jedes Kinderzimmer auch einen eigenen Steg ins Freie, ähnlich einem Bootsanleger. Das gemeinsame Spielzimmer ist direkt mit dem Garten und dem Pool verbunden, so dass das komplette Erdgeschoss in den Händen der Kinder zum Paradies wird. Die Küche und das Wohnzimmer sind im ersten Stock. Das Büro ist seitlich offenbar. Die Holzfassade lässt sich automatisch einklappen oder ausklappen. Raffinierte Details der Raumnutzung überraschen an vielen Stellen, so z.B. die in den Treppenstufen integrierten Push-Up Schubladen für A0 Papier oder die Schrankwand die durch das komplette 1. OG in einer Linie führt. Auch im Hinblick einer nachhaltigen Nutzung wurde mitgedacht, so wird das Kinderparadies nach dem Auszug der Kinder zum Elternparadies. Die Räume sind konsequent aufeinander abgestimmt und bis ins letzte Detail durchgeplant. Eine starke Linie ist durchweg spürbar. Nicht zuletzt weil der Architekt ein leidenschaftlicher Segler ist. Da stand das Hobby Pate beim Entwurf. Hier und da finden sich Anlehnungen an die Elemente aus der Wasserwelt: Schiff, Stauraum, Anlegeplätze. Die Schlafzimmer sind dementsprechend im UG, sozusagen im Bauch des Schiffes. In dieser Hinsicht wurde auch dem Pool spezielle Beachtung geschenkt. Der Pool hat Quellwasser Qualität bei dem das Wasser durch spezielle Kiesschichten von unten nach oben in den Pool gedrückt wird. 15