Vakuumleistungsschalter auf Erfolgskurs gebracht Wie überall in der Stromverteilung werden auch im Hochspannungsbereich Schalter benötigt, um den Stromfluss unterbrechen zu können. Die bisher verwendeten Schalter müssen häufig gewartet werden und haben eine relativ kurze Lebensdauer. Vakuumleistungsschalter hingegen sind äußerst robust und halten 30 oder 40 Jahre. Der Haken: Bisher können sie kostengünstig nur im Mittelspannungsbereich produziert werden. Dr. Roman Renz (61) hat den Vakuumleistungsschalter so weiterentwickelt, dass er zukünftig auch für den Hochspannungsbereich in großen Stückzahlen produziert werden kann. Schaltsysteme in Hochspannungsnetzen müssen neuen Leistungsanforderungen gerecht werden: Der Energiebedarf steigt, und die Stromnetze müssen zusätzliche Aufgaben erfüllen, um Energie möglichst intelligent, sicher und zuverlässig zu verteilen. Die Leistungsschalter, mit denen Strom in Überlandnetzen und Versorgungssystemen gesteuert wird, sind heute meist mit dem Gas SF6, also Schwefelhexafluorid, gefüllt. Es hat die Aufgabe, die Kontakte zu isolieren und den Lichtbogen, der beim Trennen der Kontakte entsteht, zu löschen. Dies ist möglich, weil SF6 gegenüber Luft eine fast dreimal so hohe Durchschlagfestigkeit hat. Diese bezeichnet die elektrische Feldstärke, die in einem Isolierstoff, hier das Gas SF6, gerade noch keinen Durchschlag, also Stromfluss, bewirkt. Diese Schalter werden seit Jahrzehnten eingesetzt und kosten wenig in der Herstellung. Allerdings müssen sie relativ häufig ersetzt werden, da sich die Kontakte schnell abnutzen oder bei starken Strömen sogar zerstört werden. Außerdem gilt SF6 als stärkstes bekanntes Treibhausgas, das bei der Produktion und Wartung von SF6-Leistungsschaltern nicht entweichen darf, auch nicht in relativ geringen Mengen. Im Vakuumleistungsschalter hingegen trennen sich die Kontakte im Vakuum. Der Vakuumlichtbogen zwischen den Kontakten bricht sehr schnell ab, und da kein Gas zwischen den Kontakten ist, kommt es auch nicht zu einer Gasentladung. Diese Schalter sind für häufiges Schalten bestens geeignet, weil sich die Kontakte nicht abnutzen und die Geräte mehrere Jahrzehnte nahezu wartungsfrei funktionieren. All diese Vorteile haben dazu geführt, dass die Produktion von Vakuumsleistungsschaltern so weit entwickelt ist, dass sie andere Technologien im Mittelspannungsbereich verdrängt haben. Daran hat Dr. Roman Renz von Anfang an mitgearbeitet. Der gebürtige Berliner studierte an der TU Berlin zunächst Maschinenbau und dann Physik. Anschließend begann er bei Siemens im Bereich Energieverteilung zu arbeiten. Das ist nun 29 Jahre her. Renz ist bis heute nicht nur seiner Stadt, sondern auch seinem Arbeitsgebiet treu geblieben: „Als ich anfing, erkannte man gerade die Vorteile der Vakuumschaltröhren und begann im Forschungslabor für Plasmaphysik bei Siemens Corporate Technology damit, die neue Technologie für Siemens nutzbar zu machen“, berichtet Renz. „Meine Aufgabe bestand damals vor allem darin, zwischen den Forschern und den Produktentwicklern sozusagen zu dolmetschen um sicherzustellen, dass beide Seiten sich verstehen.“ Im Laufe der Jahre entwickelte Renz die Vakuumschaltröhre immer weiter. Dafür perfektionierte er Kontakte, Vakuumröhre sowie Schutzhüllen und erreichte damit, dass Vakuumleistungsschalter für den Mittelspannungsbereich trotz der anspruchsvollen Produktionsvoraussetzungen – Vakuumtechnik und Reinraumbedingungen – kostengünstig hergestellt werden können. „Leider kann man diese Methoden nicht einfach auf den Hochspannungsbereich übertragen“, erklärt Renz. In Hochspannungsnetzen wird der Strom in die Regionen verteilt. Um Überspannungen oder Blitzspannungen aushalten zu können, sind die Anforderungen an die Spannungsfestigkeit der Leistungsschalter hoch. Die Belastbarkeit der Vakuumschaltröhren steigt aber nicht linear, sondern quadratisch mit der Spannung an, was bedeutet, dass beispielsweise eine doppelt so hohe Spannungsfestigkeit einen viermal so großen Abstand zwischen den Kontakten erfordert. Damit werden die Geräte aber zu groß. Renz arbeitete also daran, das Design der Vakuumröhre so zu verändern, dass sich die Spannungsfestigkeit auch bei kompakten Abmessungen der Vakuumröhre erhöht. „Das ist nur gelungen, weil wir bei Siemens eine so große Erfahrung auf diesem Gebiet haben“, erklärt Renz. So war neben der Entwicklung eines neuen Kontaktsystems vor allem die Forschung an multiplen Keramiksystemen, die den Isolierkörper der Vakuumröhre bilden, maßgeblich. „Dadurch dass wir die Anzahl der Isolierkeramiken erhöhten und dabei deren Längen verkürzten, verbesserte sich auch die Spannungsfestigkeit“, sagt Renz. Kombiniert mit den Komponenten und Fertigungsmethoden für Mittelspannungs-Vakuumröhren ermöglicht dieses neue Design den kostengünstigen Einsatz von Vakuumröhren für den Hochspannungsbereich. Die jahrzehntelange Arbeit auf dem Gebiet Vakuumröhren empfand Renz als ständige Herausforderung. „Alle Mitbewerber forschen weltweit in diesem Bereich ebenfalls mit Hochdruck an neuen Anwendungsmöglichkeiten“, erklärt er. Seine Leistung ist beeindruckend: 60 Erfindungen, 146 erteilte Einzelpatente in 53 Schutzrechtsfamilien gehen auf sein Konto. Nach 15 Jahren als Entwicklungsleiter berät Renz seit einiger Zeit als „graue Eminenz“ auf dem Gebiet der Vakuumröhren bei Siemens alle relevanten Abteilungen. Außerdem verlässt er auch relativ häufig seine geliebte Heimatstadt, um auf internationalen Tagungen und Gremientreffen Siemens zu vertreten. Privat schlägt sein Herz für die Musik – zusammen mit seinen erwachsenen Söhnen spielt er in einer Band als Gitarrist gerne die Songs alter Blueslegenden.