Große Schäden können die Folge sein

Werbung
41
■ BAUERNBLATT l 21. November 2015
Typhula im Getreide auf dem Vormarsch
Große Schäden können die Folge sein
Typhula hat zusammen mit Gelbverzwergungsvirus (BYDV) zu großflächigen Schäden und teilweise auch
Umbrüchen geführt.
Nach dem vergangenen Winter sind wir nur
knapp großen Auswinterungsschäden entgangen. Früh gesätes Getreide war im März schon
sehr weit entwickelt und nesterweise ausgefallen. Starker Frost oder eine Schneedecke hätten zum Umbruch vieler bis Mitte September
gedrillter Getreidebestände führen können,
aber der Winter blieb aus. Neben dem Gelbverzwergungsvirus (BYDV), das durch Läuse übertragen wird, war auch die Typhula-Fäule an
großflächiger Ausdünnung und nesterweisen
Totalverlusten beteiligt. Betroffen waren
Standorte entlang der Ostseeküste von Flensburg bis hinter Rostock.
Bereits Ende der 1980er waren großflächige
Typhula-Infektionen mit daran beteiligt, dass
der Gerstenanbau im nordöstlichen SchleswigHolstein für viele Jahre fast zum Erliegen kam.
Typhula incarnata ist ein Pilz, der im Boden
lebt und vor allem durch Sklerotien mehr als
zehn Jahre überdauern kann. Die Sklerotien keimen im Herbst als Myzel aus und wachsen in
Wurzeln, Halmbasen und Blätter der Wirtspflanzen ein. Dieser Infektionsweg ist ungeschlechtlich. Er läuft durch das Myzelwachstum nur über
kurze Strecken im Boden, und es werden keine
Sporen gebildet. Je wärmer der Boden ist (frühe
Saat, warmer Herbst) desto schneller und massiver ist die Besiedlung der Pflanzen. So kam es,
dass der Pilz sich nach der Aussaat am 3. September 2014 und der langen milden Herbst- und
Winterwitterung massiv verbreiten konnte. Früher trat der Pilz vor allem in Gerste auf. Aber seit
Weizen und oft auch Triticale vor der Gerste gedrillt werden, macht Typhula auch vor diesen
Kulturen nicht halt. Viele Landwirte haben dieses Frühjahr bemerkt, dass die zu Weihnachten
noch so mastig aussehenden Weizenbestände
sich dann doch noch „zurechtgewachsen“ hatten. Meist wurde nicht bemerkt, dass daran die
Typhula-Fäule erheblich beteiligt war. Dank feh-
lender Schneedecke wurde ein Totalausfall verhindert. Geschädigt waren die Pflanzen aber
trotzdem und hatten Schwierigkeiten, ihre Wurzeln zu regenerieren. Daher enttäuschten einige
Bestände auch im Ertrag.
Was begünstigt
Typhula?
Neben dem warmen Boden ist auch die Sortenanfälligkeit bisher von Bedeutung gewesen.
Welche Sorten tolerant sind, kann man nur in
Befallsjahren feststellen. Insofern gibt es bei
neuen Sorten meist keine Erfahrungswerte. Die
Infektion ist unspezifisch. Die Sklerotien keimen
im September aus, egal ob ein Wirt vorhanden
ist oder nicht. Kommt eine Infektion zustande,
wächst der Pilz über Wochen und Monate meist
unerkannt in der Pflanze weiter. Tritt aber eine
Stresssituation ein, die das Wachstum der Pflanze behindert, wächst der Pilz im Verhältnis zur
Pflanze schneller. So bricht die Infektion dann
sichtbar aus. Besteht die Gefahr, dass die Pflanze
unter der Schneedecke abstirbt, wächst Typhula
so schnell, dass Pflanzen nesterweise ausfallen
und das Myzel auf den abgestorbenen Pflanzenteilen die typischen rotbraunen Sklerotien
zur Überdauerung bildet.
Die größten Verluste gibt es normalerweise
nach einer Schneephase. Insbesondere unter einer leicht verharschten und wärmeisolierenden
Schneedecke sterben die Pflanzen schnell ab.
Dann bildet Typhula die Sklerotien für die mehrjährige Überdauerung. Bislang wurden Sklerotien immer als eindeutiges Merkmal zur Identifikation betrachtet. Dieses Jahr aber war alles anders.
Die Bestände waren mastig, hatten lange Stängel
und Blätter gebildet, und es kam kein Schnee. Der
Pilz konnte so munter weiterwachsen. Es war lange genug Nahrung da und kein Stress, der den
Wirt absterben ließ. Deshalb unterblieb die Sklerotienbildung lange Zeit und kam erst im April an
42
Pflanze
BAUERNBLATT l 21. November 2015 ■
Die für Typhula typischen Sklerotien wurden erst spät im
April gebildet.
besonders geschwächten Pflanzen
zum Vorschein.
Die meisten Blätter und Blattscheiden sahen aber nur vertrocknet aus und zeigten keine Sklerotien. So wurde der Pilz nicht nur in
Schleswig-Holstein, sondern auch in
Südschweden trotz weiträumiger
Verbreitung meist nicht erkannt.
Regeneration und
Ertragsverluste
Bei der Abschätzung des Schadens
ist die wesentliche Frage zu Vegetationsbeginn im Frühjahr, ob die
Pflanzen noch leben oder ob sie tot
sind. Bei nesterweisem Totalausfall
liegt der Ertrag etwa zehn Prozentpunkte über dem Anteil der ausgefallenen Fläche. Bei 30 % Totalausfall ist mit etwa 20 % Minderertrag
zu rechnen, weil die gesunden Randpflanzen den Freiraum nutzen kön-
Häufig blieb es bei dem von Pilzmyzel durchzogenen
Blattgeflecht.
Fotos (3): Dr. Ute Kropf
nen. Überleben aber befallene
Pflanzen geschwächt und können
bei langsamer Frühjahrsentwicklung
doch noch Ähren bilden, ist der Ertragsverlust deutlich geringer. Nach
dem Typhula-Winter 2009/10 regenerierten sich einige Sorten mit bis
zu 70 % Pflanzenschäden so weit,
dass sie nur etwa 30 % Ertrag einbüßten. Eine Teilregenration ist aber
nur möglich, wenn die Pflanzen genug Zeit und ausreichend Feuchtigkeit haben, die abgestorbenen Kronenwurzeln durch neue zu ersetzen.
Günstig sind daher kühle Temperaturen und ein ausreichendes Nährstoffangebot. Ein Teil der Schossergabe sollte dann vorgezogen werden. Systemische Fungizide auf die
abgestorbenen Blätter zu geben,
macht keinen Sinn, weil sie nicht aufgenommen werden. Hier muss man
sich in Geduld üben und auf den
Neuzuwachs warten.
Bekämpfungsmaßnahmen
im Detail
Das Myzel besiedelt die Pflanzen
im Herbst über den Boden und ist
daher unerreichbar für Blattfungizide. Maßnahmen im Herbst verbesserten früher zwar immer die
Überwinterungsquote,
konnten
aber eine Grundbelastung der
Pflanzen durch die bodenbürtige
Infektion nicht verhindern. Insofern
müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, einen Befall im
Vorfeld einzudämmen:
● Saatzeit
Je früher die Aussaat in warmen
Boden erfolgt, desto massiver ist
der Befall. Ein Orientierungspunkt
ist das Unterschreiten von etwa
15 °C Tagesmitteltemperatur, ab
dem das Befallsrisiko deutlich
sinkt. In Schleswig-Holstein ist das
meist um den 20. September der
Fall, in einem warmen Jahr aber
erst gegen Monatsende. Bei kühleren Temperaturen wie in diesem
Jahr wäre eine Saat ab dem 10.
September unproblematisch gewesen.
● Düngung
Gülle oder zu viel Nitrat-N im
Herbst, die die Pflanze nicht verwerten kann, weicht das Gewebe auf
und fördert damit indirekt die Besiedlung durch den Pilz. Auch der
Mangel bei Spurenelementen führt
zu einer Nitratanreicherung. Eine
ausgewogene Ernährung der Pflanzen ist deshalb oberstes Gebot.
● Saatstärke
Aus Angst vor Winterverlusten wird
gerne etwas mehr gedrillt, um eine
„Reserve“ zu haben. Dichte Bestände sind aber wegen des weichen
Gewebes anfälliger. Weniger ist in
diesem Fall mehr. Ziel ist eine vitale,
gut bestockte Einzelpflanze.
FAZIT
Um die Typhula-Fäule weitgehend in Schach zu halten, müssen pflanzenbauliche Maßnahmen oberste Priorität haben.
Durch das Auftreten der geschlechtlichen Form in den vergangenen Jahren (siehe Kasten) wird sich der Pilz rasant
und großflächig verbreiten
können.
Dr. Ute Kropf
Fachhochschule Kiel
[email protected]
Tel.: 0 43 31-84 51 57
Typhula verändert sich
Beunruhigend ist die Beobachtung,
dass sich Typhulainfektionen nicht
mehr nur auf Nester beschränken,
sondern inzwischen selbst auf
20-ha-Schlägen
flächendeckend
auftreten. Wie bereits erwähnt, ist
dies von vielen Landwirten unentdeckt geblieben. Totalausfälle traten vorwiegend nur dort auf, wo Typhula und Gelbverzwergungsvirus
zusammen auftraten. Seit einigen
Jahren beobachten wir, dass sich der
Pilz nicht nur ungeschlechtlich verbreitet, indem die Sklerotien auskeimen und benachbarte Pflanzen
infizieren, sondern auch geschlechtlich. Die milde Herbstwitterung begünstigt die geschlechtliche Entwicklung des Pilzes. Im Oktober
können die Sklerotien auch die
länglich gestielten, rosa gefärbten
Fruchtkörper bilden, die sogenannten Fadenkeulchen.
Die darin enthaltenen Basidiosporen werden über
Wind und Thermik weiträumiger verbreitet.
Die Veränderung des Entwicklungszyklus von Typhula hat weitreichende
Folgen:
● Der Pilz kann sich auf einer Fläche schneller ausbreiten.
● Er kann in Nachbarbestände einfliegen.
● In der geschlechtlichen
Form erfolgen genetische
Veränderungen des Pilzes.
Damit kann er sich schnel- Im Oktober waren die gestielten rosa Fruchtkörper, die sogenannten Fadenkeulchen,
ler an die Witterung oder zu sehen, die für eine großflächige Verbreitung geschlechtlicher Sporen sorgen.
an Sorten anpassen.
Foto: Ida Lindell
Herunterladen