BAU UND ENTSTEHUNG DES WELTALLS NATURWISSENSCHAFT, TECHNIK UND RELIGION Vorträge von KARL WILLY WAGNER Prof. Dr. phil. Dr.-Ing. e. h. ord. Mitglied der Deutsrnen Akademie der Wissensmaften Zll Berlin Foreign Honorary Member of the American Academy of Arts and Sciences korr.Mitglied der Kg!. Smwedismen Akademie d.Ingenieurwissensrnaften Mit 9 Abbildungen FRIEDR. VIEWEG & SOHN . BRAUNSCHWEIG 1949 ISBN 978-3-663-00427-1 ISBN 978-3-663-02340-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-02340-1 Alle Remte vorbehalten Meinem verehrten Lehrer und Freund MAX PLANCK zum Gedächtnis Vorwort Dem Wunsche von Freunden und Bekannten m aller Welt folgend, übergebe ich mit diesem Büchlein zwei in den letzten Jahren vor verschiedenen Kreisen gehaltene Vorträge hiermit der Offentlichkeit. Die beiden Themen entspringen, wie verschieden sie auch klingen mögen, demselben Urquell. Möge die Ehrfurcht, die uns bei der Betrachtung der Wunder der Sternenwelt erfüllt, die rechte Vorbereitung sein für die Vertiefung in den Gegenstand des zweiten Vortrags. Er behandelt aus dem Blickwinkel des Wissenschafters und Ingenieurs das geistig-religiöse Grundproblem, das die denkende Menschheit seit Urzeiten bewegt, das mit dem Aufschwung der Naturwissenschaft und Technik ein neues Antlitz erhalten hat und dessen Grö~e und Schwere durch die erschütternden Erlebnisse in der jüngst vergangenen Zeit vielen Menschen wieder offenbar geworden ist. Fr i e d r i c h s cl 0 rf i. Taunus, Piingsten 1949. Kar! Willy Wagner Inhalt Seite Bau und Entstehung des WeItaIls ..... .. . . . . . . . . .. .. .. . . . .. 1 Geschichtliche Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3 Vom Planetensystem...................................... 4 Entfernungen im Weltraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 9 Gröge der Fixsterne ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 9 Sternspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11 Entwicklung und Alter der Sterne ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13 Die Herkunft der von der Sonne und den Fixsternen ausgestrahlten Energie .............................................. 14 Doppelsterne ............................................ 16 Sternhaufen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 19 Veränderliche Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 20 Die Milchstragensysteme .................................. 25 Ober Gröge, Alter und Entstehung unseres Weltalls .......... 28 Naturwissenschaft, Technik und Religion . ................... , 37 BAU UND ENTSTEHUNG DES WELTALLS Nach Vorträgen, gehalten im Oktober 1945 vor deutschen Professoren und Ingenieuren in einem Lager in England, sowie im Dezember 1947 vor der Schwedisch-Deutschen Vereinigung in Stockholm Geschichtliche Bemerkungen Der Anblick des gestirnten Nachthimmels hat von jeher den tiefsten Eindruck auf den Menschen gemacht. Die täglichen und jährlichen Bewegungen der Gestirne haben schon frühzeitig die Grundlage für die Zeiteinteilung und den Kalender gegeben, so bei den al ten S urne r e r n schon vor 6000 J ahren, bei den B ab y Ion ier n, den Ä g y P ter n, den P h ö n i zie r n, G r i e c hen und A r ab e r n. Hiervon zeugen die Namen von Sternbildern und einzelnen Sternen. AuBerordentlich weit hatten es die M a y a i n d i a n erin Mittelamerika in der Beobachtung der Gestirne und in astronomischen Berechnungen gebracht. Das ist urn so erstaunlicher, als ihre technischen Hilfsmittel nur aus Steinwerkzeugen bestanden und sie den Gebrauch der Metalle noch nicht kannten. Es ist gelungen, aus Steindenkmälern ihr Zahlensystem zu entziffern und ihren bis auf das Jahr 8498 v. Chr. zurückgehenden Kalender zu lesen, obwohl wir ihre Sprache nicht kennen. Dabei hat sich ergeben, daB sie die Bewegungen der sichtbaren Planeten mit einer Genauigkeit zu bestimmen verstanden, die erst die moderne Astronomie wieder erreicht hat. Die Kenntnis dieser Tatsachen verdanken wir vornehmlich dem groGen Astronomen Lu den dor f f, der diesen Forschungen auf dem astrophysikalischen Observatorium in Potsdam viele Jahre gewidmet hat. Der merkwürdige Lauf der Planeten Venus, Mars, Jupiter und Saturn hat die Menschen zu vielen Spekulationen veranlaGt und schon im Altertum den Beruf der Sterndeuter entstehen lassen. Ihre pseudowissenschaftlichen Spekulationen bewegen als Astrologie noch heute viele abergläubische Gemüter. Wenig bekannt dagegen ist, daG griechische Philosophen bereits Erkenntnisse besaGen, die wir gewohnt sind, als neuzeitliche Errungenschaften zu bezeichnen. So hat z. B. Th a les v. Mil et (640-560) schon urn 585 v. Chr. Sonnen- und Mondfinsternisse vorausberechnet; 3 E m p e dok les hat 450 v. Chr. gelehrt, daG die Erde eine Kugel ist. Bei Plato (427-347 v.Chr.) findet sich die Idee, daG die Erdkugel frei im Weltraum schwebt; die Vorstellung, daG die Sonne und nicht die Erde den Mittelpunkt der Welt bildet, hat Aristarch von Samos (310-230 v.Chr.) in voller Klarheit ausgesprochen. Freilich wurden diese Erkenntnisse nicht Allgemeingut der Menschheit, und Kop e rn i kus (1473-1543) und Galilei (1564-1642) muGten noch fast 2000 Jahre später gegen bornierte Vorurteile kämpfen. Heute lernt jedes Kind auf der Schule, dag die Erde und die anderen Planeten Kugeln sind, die sich in kreisähnlichen Bahnen um die Sonne als Mittelpunkt bewegen. Auch der Mond ist eine Kugel, die sich um die Erde dreht. Vom Planetensystem Fast alle grögeren Planeten haben Monde; z. B. der Mars 2, Jupiter 11, Saturn 9, Uranus 5 Monde und Neptun einen Mond. Vier von den 11 Jupitermonden sind so grog, dag man sie mit jedem guten Feldstecher betrachten kann; da sie mit groBer Geschwindigkeit laufen, kann man auch ihre Lagenänderung von Nacht zu Nacht leicht feststellen. Man kennt heute 9 grögere Planeten: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto, auBerdem mehrere Tausend kleine, die in einem lockeren Schwarm zwischen Mars und Jupiter die Sonne umkreisen. Die meisten haben nur einige Kilometer Durchmesser, viele haben auch keine Kugelgestalt, und wahrscheinlich gibt es noch Zehntausende oder Hunderttausende kleinere, die man nicht sehen kann. Einen ähnlichen Schwarm von Begleitern hat der Planet Saturn; denn er besitzt neben seinen 9 Monden noch ein System von Ringen, die aus ungezählten kleinen Körperchen bestehen. Interessant ist die Entdeckungsgeschichte des Planeten Neptun. Der junge Astronom Lever r ier in Paris hatte 1846 aus Unregelmägigkeiten im Lauf des Planeten Uranus geschlossen, daB auBerhalb vom Uranus in groBer Entfernung von der Sonne noch ein weiterer Planet vorhanden sein müsse, der wegen seiner ge4 ringen scheinbaren GröBe der Beobachtung bisher entgangen war 1). Er konnte den Ort, die Bahn und Masse des verrnuteten Himmelskörpers berechnen und bat den Potsdamer Astronomen G a 11 e , sein Fernrohr dorthin zu richten. Ga 11 e tat es und fand noch in derselben Nacht den Planeten Neptun als winziges Sternchen an der verrnuteten Stelle. Ein groBartiger Triumph des menschlichen Geistes! Hinterher hat sich herausgestellt, daB ein junger englischer Astronom namens A dam s ähnliche Berechnungen wie Leverrier ausgeführt und gleichfalls die Existenz des Planeten Neptun vorausgesagt hatte; er fand aber bei den damals maBgebenden Astronomen seines Landes keinen Glauben und ist dadurch urn die Ehre der Entdeckung gekommen. [rde 0 ••• WH Sonne I 0 • Jupi/er • • Su/urn UrunuJ I 10 ~ I 20 [rdbohnrodien • • Nep/un Pluto I JO ~O I Abb. 1. Zur Veranschaulichung der Entfernungen im Planetensystem. Neptun ist 30 mal soweit von der Sonne entfernt wie die Erde, 4 mal so dick und 17 mal so schwer, also immerhin ein beachtlicher Broeken! Vor 30 J ahren hat man auf dieselbe Weise noch einen weiteren Planeten Pluto gefunden. Er hat im Vergleich zur Erde den 40 fachen Abstand von der Sonne, etwa 9110 der Erdmasse und ungefähr Erddurchmesser; für einen Umlauf um die Sonne braucht er 248 Jahre. In Tafel 1 sind einige Zahlen über die GröBenverhältnisse im Planetensystem wiedergegeben. Abb. 1 veranschaulicht die Entfernungen. Es ist oft die Frage gestellt worden, ob auf dem Mond und den andern Planeten menschenähnliche Wesen leben. Man kann diese 1) Schon der Königsberger Astronom Bes s e 1 hatte 1823 diese Vermutung ausgesprochen und 1838 F 1 e m min g mit den Vorarbeiten für die Berechnung der Elemente des gesuchten Himmelskörpers beauftragt; doch hinderte Kränklichkeit Bes s elan der weiteren Verfolgung dieser Idee. 5 Q'\ 0 ol 1,39.106 12700C?) Pluto . . . 0" 54400 Neptun. Sonne 50700 Uranus . . . . 0 120000 ... Saturn 0 140000 . . . 6900 Jupiter . Mars . . . . . 12756 . . Erde . . 12400 .... 4700 Merkur . . . Venus Durchmesser in km I - 40 0,9 333000 30 20 9,5 5,2 1,5 1,0 0,7 0,4 Mittlerer Sonnenabstand (Erde = t) ------ 17,2 14,6 95,2 318 0,107 1,0 0,82 0,06 Masse CErde ~ 1) - - 248 164,8 84,02 29,46 11,86 1,88 1 0,62 0,24 Umlaufszeit in Jahren ---- 1,41 5,5 (?) 1,61 1,27 0,"'1 1,34 3,85 5,52 4,86 3,73 Dichte in g/cm 3 - ._------ 27,9 1 (?) 1,1 0,9 1,15 2,65 0,38 1 0,85 0,27 I -------- Schwerkraft an der Oberf!äche CErde = t) Tafelt: GröBenverhältnisse im Planetensystem Himmelskörper - - 0 1 (2?) 5 9 11 2 1 0 0 Zahl der Monde Frage heute verneinen. Mars und Merkur haben sehr dünne Atmosphären, der Mond hat überhaupt keine Atmosphäre. Die Atmosphäre des Planeten Venus enthält viel Kohlensäure, die des Jupiter Ammoniak, die der anderen groBen Planeten Methan (Grubengas). Auf dem Merkur, der der Sonne am nächsten steht, steigt die Temperatur auf der Sonnenseite bis auf 400° C; auf der Venus auf 50-60 0 C, auf ihrer Nachtseite fällt sie auf - 20°C. Auf dem Mond sind die Temperaturgegensätze sehr kraB, auf der hellen Seite + 120° C, auf der dunkien -150° C. Während einer 2112stündigen Mondfinsternis wurde ein Sinken der Temperatur der Mondoberfläche von 120° auf -120° beobachtet. Auf den groBen Planeten ist die Oberfläche sehr kalt; Jupiter hat -140°, Saturn unter - 150°, die weit eren Planeten sind noch kälter. Es ist denkbar, daB die Oberfläche des Planeten Venus mit einem üppigen Pflanzenwuchs bedeckt ist, wie es die Erde zur Steinkohlenzeit vor 250-300 Mill. Jahren war. Viele Pflanzen können in einer st ark kohlensäurehaltigen Atmosphäre gedeihen; da der Planet stets mit einer dicken Wolkenschicht bedeckt ist, werden die T emperaturgegensätze an seiner Oberfläche weniger kraB sein als an der Oberfläche der Wolken, die wir beobachten. Schon die Entfernungen in unserem Sonnensystem sind unvorstellbar groG. Drückt man sie in Kilometer aus, so bekommt man Zahlen, bei denen man sich schwer etwas denken kann. Die Sonne z. B. ist 150 Mill. km entfernt. Der schnellste uns verfügbare Bote, der Lichtstrahl, legt diese Strecke in 81/3 Minuten zurück; eine mit 1500 misek. laufende V-Rakete würde 3,2 Jahre brauchen, bis sie auf der Sonne landet. Dieselbe Rakete würde mit der genannten Geschwindigkeit die Strecke von Stockholm nach Neuyork in ungefähr einer Stunde zurücklegen. Wenn es gelänge, sie mitten durch die Sonne hindurchzuschieBen, würde sie etwa 11 Tage brauchen, urn hindurchzukommen. N ach dem Mond, der 384 000 Kilometer entfernt ist, braucht unser V -Projektil ungefähr 3 Tage. Die Sonne ist so groB, daB, wenn man sie mitten hindurchschneidet, und die Erde in die Mitte der verbleibenden Halbkugelglocke setzt, der Mond die Erde in seinem richtigen Abstand umkreisen + 7 00 oe; Leier Zwillinge Pollux Carinae oe; oe; oe; oe; ~ Skorpion Orion Schwan Orion Beteigeuze Oeneb Rigel . I 16 23 27 29 38 48 47 57 67 72,5 100 120 250 300 400 400 11 4,3 9 Abstand in Lichtjahren - - - - - - - - - - - - - --------- Orionis Cygni Orionis Scorpii Virginis oe; Jungfrau Canopus Spica. Antares . Mizar ç Ursae maj. Leonis grofler Bär oe; Tauri Geminorum Aurigae Bootis Geminorum Lyrae Piscis austr. Aquilae Canis min. Canis maj. Centauri Schiff (Argo) Löwe Regulus . IX Zwillinge Stier oe; IX Fuhrmann Capella. Cast or Aldebaran IX Bootes Arcturus ~ oe; südl. Fische Wega Fomalhaut oe; oe; Adler kleiner Hund Procyon Altair oe; grofler Hund Sirius. I Astronomische Bezeichnung oe; I Sternbild Kentaur Name - Tafel 2. Ent fe r n u n gen u n cl G r ö B e ei n i g e r heIl e n St e r n e ----------- i I i I --- 200 330-460 47 26 Ourchmesser im Verhältnis zur Sonne I könnte, ohne den Rand oder den Boden der Halbkugel zu berühren. Bis zum Pluto brauchte die Rakete etwa 127 Jahre, der Lichtstrahl benötigt dazu 51/2 Stunden. Entiernungen im Weltraum Alle diese Entfernungen sind lächerlich winzig im Vergleich zu den Entfernungen im Weltraum. Wenn wir hören, daJ1 der uns nächststehende Fixstern, also unsere Nachbarsonne, 40 Billionen Kilometer entfernt ist, so haben wir davon keinen Begriff. Daher drücken die Astronomen solche Entfernungen in Lichtjahren aus. Ein Lichtjahr (L. J.) ist die Strecke, die der Lichtstrahl in einem Jahr zurücklegt; es sind 9,46 Billionen .km oder 63000 Erdbahnradien. Im Sonnensystem ist der fernste Planet (Pluto) 51/2 Lichtstunden von der Sonne entfernt; bis zur nächsten Sonne sind es aber 4,3 Lichtjahre; es ist der Hauptstern im Sternbild des Kentauren. W ollte man seine Entfernung von der Sonne in der Abb. 1 maJ1stäblich eintragen, so müJ1te man die SkaI a auf 270000 Erdbahnradien verlängern, d. h. auf 1,35 km, wenn der Erdbahnradius durch eine Strecke von 5 mm dargestellt wird. Der hellste Stern am winterlichen Nachthimmel ist Sirius; seine Entfernung beträgt 9 Lichtjahre. Wenn er in diesem Augenblick (1949) einen groJ1en Ausbruch haben sollte, was bei Sternen gelegentlich beobachtet wird, so würden wir dies erst im Sommer 1958 bemerken. Die Tafel 2 enthält für einige der hellsten Sterne Angaben über ihre Entfernung in Lichtjahren und ihre GröJ1e im Verhältnis zum Sonnendurchmesser. Grö6e der Fixsterne Bei den normalen Fixsternen unterscheidet man Zw erge und Riesen. Die Zwerge haben etwa die GröJ1e unserer Sonne, zu ihnen gehören Sirius, Procyon, Wega, Altair, Castor und Pollux. Die Riesen sind ausgedehnte Gasbälle von gewaltiger Leuchtstärke; in der folgenden Tafel 3 sind einige von ihnen angeführt. Ihre 9 Masse beträgt das 100- bis 500fache der Sonnenmasse. Eine Vorstellung von ihrer GröBe mag die Angabe vermitteln, daB die Durchmesser von Beteigeuze und Antares die Marsbahn noch übertreffen. Der gröBte bekannte Stern ist Canopus (am südlichen Himmel); sein Durchmesser ist noch nicht ermittelt; seine Leuchtstärke beträgt das 91 OOOfach-e der Sonne. Tafel 3. Leuchtstärke einiger Riesensterne Stern Aldebaran Arcturus Beteigeuze Antares Spica Deneb. Rigel Canopus. Leuchtstärke im Verhältnis zur Sonne 112 130 1500 3400 4100 12000 18000 91000 Die Dichte der Materie der meisten Sterne entspricht etwa der der Sonne (rd. 1), zum Teil ist sie geringer; bei manchen Riesen ist sie sehr klein. Daneben gibt es auch Ultrazwerge oder Liliputaner mit enorm en Dichten. Als Beispiel sei der Begleiter des Sirius genannt. Er hat etwa die Masse der Sonne, sein Durchmesser beträgt aber wenig mehr als das Doppelte der Erde; daraus folgt eine Dichte von rd. 100000; d. h. ein Liter dieser Masse wiegt rd.l00 Tonnen. Die Atome sind vollständig ionisiert, d. h. von ihren Elektronenhüllen befreit, die bei der normalen Materie dafür sorgen, daB die Kerne sich nicht näherkommen können als etwa 2' 10-8 cm. In dem Stof{ der Sterne nach Art des Siriusbegleiters ist der Abstand auf etwa 3,2' 10-10 cm zusammengeschrumpft. Das bedeutet aber 10 keineswegs, daB die Atomkerne dicht gepackt sind. Denn diese haben einen Durchmesser von nur etwa 3' 10-13 cm; die Kerndichte ist ungefähr 10 H kg/Liter, d. h. noch eine Milliarde mal gröBer als die Dichte der Materie des Siriusbegleiters. Die T emperatur an der Oberfläche dieses Sterns ist etwa 70000°. Als man ihn und andere seinesgleichen entdeckte, konnte man sich die rätselhaft hohe Dichte nicht erklären. Erst die neue Physik hat dies ermöglicht, wenngleich es noch nicht gelungen ist, im irdischen Experiment solche entarteten Stoffe herzustellen. Sternspektren Die wesentlichen Aufschlüsse über die Beschaffenheit der Sterne verdanken wir der Beobachtung der Spektren. Die Lage des Intensitätsmaximums im Spektrum ergibt die T emperatur an der Oberfläche des Sterns. Aus den Linien und Banden erkennen wir die Art der vorhandenen Stoffe. Aus ihrer Verschiebung gegenüber den Linien gleichartiger Stoffe auf der Erde schlieBt man auf die Geschwindigkeit, mit der der Stern sich auf uns zu oder von uns weg bewegt. Die Aufspaltung der Linien verrät uns die Stärke des an der Sternoberfläche vorhandenen magnetischen Feldes; ihre Verbreiterung erlaubt Schlüsse auE die Druckverhältnisse; usw. Es hat sich gezeigt, daB überall im Weltall dieselben Stoffe vorkommen, wie auf unserer Erde. Die häufigsten Elemente sind Wasserstoff (H), Sauerstoff (0), Silizium (Si); etwas weniger häufig sind Natrium (Na), Aluminium (Al), Magnesium (Mg), Eisen (Fe), Kalzium (Ca); dann kommen Kohlenstoff (C) und Titan (Ti); die übrigen Elemente sind relativ selten. Stoffe, die auf der Erde nicht vorkommen, hat man in den Sternspektren bisher nicht beobachtet. Früher hatte man geglaubt, einige auE der Erde noch nicht beobachtete Linien neuen, unbekannten Elementen zuschreiben zu sollen. Es hat sich aber dann herausgestellt, daB diese Linien von bekannten Elementen herrühren, aber unter Bedingungen entstehen, die wir in unsern Laboratorien nicht oder nur sehr schwer herstellen können. Die astronomisch en 2 Wagner. Vorträge 11 ~ .... N Orionsterne 23000-15000 weiGblau B I-- R S N Ms Ms 2600 } rote 2300 Zwerge 2000 Langperiodige Veränderliche Mira Ceti Beteigeuze, Antares Arcturus Aldebaran 4200 orange 3400 rot K 3000 } rote 2700 Riesen 2300-1700 Sonne, Capella, IX Cassiopeiae 6000-5500 gelb Canopus, Procyon 7500-6500 wei6gelb F G Sirius, Wega, Altair 11 000-8 500 wei6 A Mo ~. . jüngste Sterne 40000-35000 blau o Siriusbegleiter 150000-50000 Liliput Bekannte Vertreter und Farbe Spektralklasse o berfläch entemperatur Tafel 4. Scernspekcren. CO-, CN-Banden, besonderes am roten Ende des Spektrums; starke Titanoxydbanden Breite Absorptionsbanden, viele Metalllinien, starke Titanoxydbanden Kohlenwasserstoffbanden und Titanoxyd H-Linien noch. schwäch.er, zahlreiche Metallinien Hetwas sch.wäch.er, MetalIe stärker hervortretend H-Spektrum, au/5erdem Ca, Mg, stark ionisierte MetalIe Heliumspektrum Angaben über das Spektrum Beobachtungen über die Häufigkeit der Elemente au! andern Weltkörpern stehen im Einklang mit dem Ergebnis der chemischen Analyse von Meteorsteinen, die gleichfalls dieselbe Zusammensetzung zei gen, wie die Erde. Die Astronomen teilen die Sterne nach ihren Spektren in Klassen ein; die wichtigsten sind in der vorstehenden Tafel 4 angegeben. Entwicklung und Alter der Sterne Man hat angenommen, daB die Sterne im Laufe der Zeit eine Entwicklung durchmachen; etwa in folgender Weise: Durch Zusammenballung gasförmiger Materie entstehen Riesensterne mit verhältnismäBig niedriger Temperatur. Diese steigt bei weiterer Zusammenziehung des Stern es mehr und mehr an, bis zu einem Maximum. Hernach nimmt die Temperatur infolge der Abkühlung durch die Ausstrahlung von Energie wieder ab, während die Zusammenziehung weitergeht. SchlieElich endet der Stern als roter Zwerg. Diese Entwicklung sollte sich nach dem berühmten englischen Astronomen E d din g ton in einer Zeit von einer Billion (10 12 ) Jahren vollziehen. Beim näheren Durchdenken dies er Theorie ergaben sich mancherlei Widersprüche; verschiedene Gründe sprechen für ein viel niedrigeres Alter der Sterne, in der Grö6enordnung von höchstens 5 bis 7 Milliarden Jahren; in dieser Zeit kann aber ein Riesenstern durch die Ausstrahlung nur -:inen ganz geringen Bruchteil seiner Masse verlieren, d. h. nie zu f;lnem Zwerg werden. Mit verhältnismä6ig gro6er Genauigkeit können wir an Hand von Beobachtungen über den Zerfall radioaktiver Stoffe das Alter der Erde zu etwa 3 bis 5 Milliarden J ahren bestimmen. Man hat gute Gründe für die Annahme, daB dies zugleich das Alter des gesamten Planetensystems einschlieBlich der Sonne selbst ist. Die radioaktive Untersuchung der Gesteine aus den verschiedenen geologischen Formationen der Erde lidert die hier wiedergegebene Zeittafel. 2* 13 TafelS. Zeittafel der geologischen Formationen Formation Diluvium Tertiär Kreide Jura Trias. Zeit in Millionen Jahren vor der Gegenwart o bi, 0,8 bis o bi 0,8} l' Apl60 115 6 s 115 bis 175 175 bis 230 dische Ä ra Formation Zeit in Millionen Jahren vor der Gegenwart Perm. Karbon 230 bis 260 } 260 bis 320 Devon Silur 320 bis 380 380 bis 480· Kambrium 480 bis 580 I Variszische Ära Kaledonische Ära Diese Zeitbestimmungen sind erstaunlich genau; so hat 0 t t 0 H ah n bei Untersuchungen von Gesteinen einer bestimmten geologischen Formation, die aus sämtlichen Erdteilen stammen, Zeiten gefunden, die urn nicht mehr als 10 OIo voneinander abweichen. Die Herkunft der von der Sonne und den Fixslernen ausgeslrahlten Energie Sonne und Fixsterne strahlen jahrein, jahraus ungeheure Mengen Energie in den Weltraum. Früher aufgestellte Theorien, wonach diese Energie durch Zusammenziehung der Sterne, d. h. auf Kosten der Gravitationsenergie, oder durch Abkühlung, d. h. durch Verminderung des Wärmeinhalts geliefert wird, haben sich als unhaltbar erwiesen; denn diese Energiequellen reichen bei weitem nicht hin, urn die Strahlung während der langen Lebensdauer aufrechtzuerhalten, die wir den Sternen aus vielen Gründen zuschreiben müssen. Nachdem Ei n s t e i n gelehrt hat, daB auch jede Masse selbst einen Energievorrat darstellt, hat man eine Zeitlang geglaubt, daB die Strahlung durch Umwandlung der Masse geliefert wird. Der hierbei entstehende Massenschwund würde selbst in Milliarden Jahren nur einen geringen Bruchteil der ursprünglichen Masse ausmachen. Doch ist auch diese Hypothese nicht haltbar, da in den Sternen die physikalischen Bedingungen 14 für eine solche tJmwandlung nicht gegeben sind. Eine andere Hypothese wollte die ausgestrahlte Energie auf den bekannten Zerfall der radioaktiven Elemente Uran, Thorium, Actinium zurückführen; die nähere Überlegung zeigt aber, daB diese EnergiequeUe nicht ausreicht. Dagegen hat eine Untersuchung der übrigen Atomkernreaktionen, die unter den im Innern der Sonne bestehen... den Bedingungen stattfinden können, einen ProzeB aufflnden lassen, der die nötige Energie liefert und mit groBer Wahrscheinlichkeit als die Quelle der Strahlungsenergie der Sonne und ähnlicher Sterne anzusehen ist. Es handelt sich urn die nachstehend angegebene Kettenreaktion, bei der im Endergebnis 4 Wasserstoffatome zu einem Heliumatom verbrannt werden, während das dabei mitwirkende Kohlenstoffatom (0 2 ) nur als Katalysator tätig ist und am Ende der Reaktion wieder frei wird. Neben den einzelnen Reaktionen sind die Halbwertzeiten angegeben. Tafel 6: Kernreaktionen im Inneren der Sonne. 0 2 + HI.-+ +N13 +NI3.-+03 + e+ 0 3 + Hl .-+ NU Nl4 + HI.-+ +015 . +0 15 .-+ NIS + e+ . NIS + Hl .-+ 0 2 + Hé ZusammengefaBt: 4HI.-+Hé + 2e+ · · · · · · + 6,1.1011 2,5.10 6 Jahre 10 Minuten 50000 Jahre 50.106 Jahre 2 Minuten 20 Jahre cal/Mol Die Verbrennung des Wasserstoffs zu Helium kann auch noch über eine zweite Kettenreaktion vor sich gehen, die über Deuterium, Beryllium und Lithium führt. Die Sonne wirkt also wie ein Atombrenner. Man kann sie als Vorbild für unsere künftigen technischen Atombrenner betrachten, die der Menschheit unfaBbar groBe Energiemengen zur Verfügung stellen oder ihr zu einem schnellen Selbstmord verhelfen werden. iS Der in der Sonne vorhandene Wasserstoff reicht bei gleichbleibender Energieerzeugung für 100 Milliarden Jahre aus. In der bisherigen Lebenszeit der Sonne von etwa 5 Milliarden Jahren ist mithin 1/20 des Wasserstoffvorrats verbraucht worden. Doppelslerne Manche Sterne, die am Firmament nahe beieinander stehen, mögen in Wirklichkeit einen groJ3en Abstand haben; sie liegen nur fast in derselben Gesichtslinie. Zum Teil sind diese Sterne aber wirklich Doppelsterne, die sich umeinander bewegen. Ein a-tentourl ,. , • Proximo [en tOUf! lvr Sonnp - 270000 r -I ':' - ,!\n,Jr 7000Dr ---i r =Erdbobnrodius Abb. 2. Das Stemsystem 0.- und Proxima Centauri, die der Sonne nächsten Fixsterne solches Sternpaar, das schon im Altertum erwähnt wird, ist der zweite Deichselstern Mizar des groJ3en Wagens mit dem sogenannten Reiterchen (Alkor), einem Stern sechster GröJ3e, der eben noch mit dem bloJ3en Auge erkennbar ist. Der groGe Astronom W i II i a m Her s c hel konnte mit seinem groJ3en T eleskop eine Reihe von Sternen, die bis dahin für einfach gehalten wurden, als Doppelsterne erweisen; einige können schon mit Feldstechern beobachtet werden. Mit den neuzeitlichen Mitteln der Astronomie sind sehr viele Sterne als Doppelsterne oder Mehrfachsterne erkannt worden. Es scheint, daJ3 fast die Hälfte aller Sterne solche Systeme darstellen; darunter sind etwa 4-5 OIo Mehrfachsterne. In der Tafel 7 sind einige der helIsten Doppelsterne angegeben. a Centauri und sein kleiner Begleiter "Proxima" sind die dem Sonnensystem nächsten Fixsterne. a Centauri ist selbst ein Doppel16