Gesundheit darf kein Zufall sein Warum wir eine Medizin für Menschen mit Behinderung brauchen Veranstaltung/Datum Fachtagung 15.04.2016 Verfasser Susanne Heimpel 1 Gesundheit Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“ (WHO) Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 2 Gesundheit „ Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung im Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet.“(nach T. Parson, Medizinsoziologe) Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 3 KRANKHEIT „Objektiv fassbarer, regelwidriger, anomaler körperlicher oder geistiger Zustand, der die Notwendigkeit einer Heilbehandlung erfordert und zur Arbeitsunfähigkeit führen kann.“ (Versicherungsrecht des GKV) Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 4 KRANKHEIT Störung der normalen Funktion eines Organs oder Körperteils, auch des geistigen und seelischen Wohlbefindens. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 5 Behinderung „ Ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht“. (SGB IX, 1, §2) Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 6 Behinderung „Menschen die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“ (BRK der UNO) Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 7 Behindert ? Behinderung kann als Beeinträchtigung eines Individuums im Verhalten, das zur Bewältigung des Alltagslebens erforderlich ist, verstanden werden. Beispielsweise ist ein Rollstuhlfahrer in seinen Möglichkeiten der Fortbewegung behindert. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 8 Behindert ? Behinderung kann als Beeinträchtigung des Funktionierens einer gesellschaftlichen Einrichtung durch ein Individuum verstanden werden. Beispielsweise beeinträchtigt der Rollstuhlfahrer das Funktionieren von öffentlichen Verkehrsbetrieben. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 9 Schwerbehinderung • Amtlich anerkannter Grad der Behinderung über 50% • Ca. 7,5 Millionen Menschen (2013) • 2/3 körperbehindert • 85% durch Krankheit verursacht • Überwiegend ältere und alte Menschen • Enger Zusammenhang mit Pflegebedürftigkeit • Ca. 450.000 Menschen mit geistiger Behinderung Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 10 Geistige Behinderung • Bezeichnet einen andauernden Zustand deutlich unterdurchschnittlicher kognitiver Fähigkeiten eines Menschen sowie damit verbundene Einschränkungen seines affektiven Verhaltens. • In anderen Definitionen rückt statt der Intelligenz eher die Interaktion des betroffenen Menschen mit seiner Umwelt in den Blick. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 11 Intelligenzminderung Etwa 85 Prozent sind der Gruppe mit Leichter Intelligenzminderung zuzuordnen Intelligenzquotient zwischen 50 und 69. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten in der Schule und erreichen als Erwachsene ein Intelligenzalter von 9 bis unter 12 Jahren. Viele Erwachsene können arbeiten und gute soziale Beziehungen pflegen. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 12 Geistige Behinderung Mittelgradige Intelligenzminderung Intelligenzquotient zwischen 35 und 49. Entspricht beim Erwachsenen einem Intelligenzalter von 6 bis unter 9 Jahren. Deutliche Entwicklungsverzögerungen in der Kindheit. Ein gewisses Maß an Unabhängigkeit sowie eine ausreichende Kommunikationsfähigkeit und Ausbildung erreichbar. Erwachsene brauchen in unterschiedlichem Ausmaß Unterstützung im täglichen Leben und bei der Arbeit. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 13 Geistige Behinderung Schwere Intelligenzminderung Intelligenzquotient zwischen 20 und 34. Dies entspricht beim Erwachsenen einem Intelligenzalter von 3 bis unter 6 Jahren. Die Betroffenen können nicht lesen und schreiben lernen. Andauernde Unterstützung ist nötig. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 14 Geistige Behinderung Schwerste Intelligenzminderung Der Intelligenzquotient liegt unter 20. Dies entspricht beim Erwachsenen einem Intelligenzalter von unter 3 Jahren. Die eigene Versorgung, Kontinenz, Kommunikation und Beweglichkeit sind hochgradig beeinträchtigt. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 15 Geistige und mehrfache Behinderung • Geistige Behinderung und gleichzeitig bestehende deutliche körperliche Einschränkung u./o. psychische Erkrankung. • Einordnung wichtig für Ermittlung des Versorgungsbedarfes und Versorgungsanspruches. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 16 Gesundheit darf kein Zufall sein Wir haben einen 35-jährigen Sohn mit einem angeborenen Hydrocephalus. Er ist zu 100% schwerbehindert. Normalerweise geht er in den Förder-und Betreuungsbereich . Seit letztes Jahr müssen wir ihn mehr zuhause haben, weil er wieder mehr Anfälle hat und auch mehr Infekte. Was aber für mich anstrengend ist. Einweisungen in Krankenhäuser gestalten sich sehr schwierig, da er nicht mithelfen kann. Wir glauben an eine Einrichtung die ihn gründlich untersucht und ihn nicht als Übel ansieht. Wären sie so eine Einrichtung? Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 17 Gesundheit darf kein Zufall sein Menschen mit Behinderung haben das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung. (UN-Behindertenrechtskonvention 2008, Artikel 25) Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 18 Und wer kümmert sich darum? Unter 18 Über 18 • • Kinderarzt • Spezialambulanz • SPZ Fachtagung 15.04.2016 • Hausarzt • Facharzt • Spezialambulanz Susanne Heimpel 19 Medizinische Regelversorgung Kinder/Jugendliche • Strukturierte Regelversorgung bei KÄ: Vorsorgeuntersuchungen: U 1 – U 10 und J 1/J 2 Impfungen nach STIKO • häufige interkurrente Erkrankungen • Eltern • Kostenfreiheit Erwachsene • Alle Arztbesuche aus eigener Motivation • Keine wirklich strukturierten Vorsorgeuntersuchungen • Impfmüdigkeit • seltener interkurrente Erkrankungen • Ärztehopping • Zuzahlungspflicht 20 Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 20 Schwerpunkte Kindheit • • • • • Diagnostik Versorgung Förderung Kindergarten/Schule Wachstum Fachtagung 15.04.2016 (Junge) Erwachsene • Zustand erhalten • Verschlechterung vorbeugen • Wohnen • Beruf/Beschäftigung • Eigenständigkeit • Mobilität • Finanzielle Situation Susanne Heimpel 21 Medizin für Menschen mit Behinderung SPZ • Seit den 60-er Jahren • Ca. 130 • Ambulante interdisziplinäre Einrichtung • Nach § 119 SGB V • Oft incl. Therapie Fachtagung 15.04.2016 MZEB • Seit 2013 • Wenige • Ambulante interdisziplinäre Einrichtung • Nach § 119 a SGB V (bisher) • Zukünftig § 119 c Susanne Heimpel 22 Medizin für Menschen mit Behinderung SPZ MZEB • Körperliche • Schwere geistige Behinderung Behinderung • Mehrfache Behinderung • Mittlere geistige • Schwere neurologische Behinderung mit Erkrankungen zusätzlicher Diagnose • Chronische • Mehrfache Behinderung Erkrankungen • Verhaltens/Lernstörung Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 23 Gesundheit/Krankheit bei erwachsenen Menschen mit Behinderung • Behindertenspezifische Erkrankungen/Zustände/Risiken • Altersentsprechende Erkrankungen/Risiken • Altersentsprechende Vorsorgeuntersuchungen • Individuelle/familiäre Risiken erfordern ein „ganzheitliches“, interdisziplinäres Konzept Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 24 § 119c, SGB V (1) Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen, die fachlich unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Behandlung bieten, können vom Zulassungsausschuss zur ambulanten Behandlung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen ermächtigt werden. Die Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange sie notwendig ist, um eine ausreichende Versorgung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen sicherzustellen. (2) Die Behandlung durch medizinische Behandlungszentren ist auf diejenigen Erwachsenen auszurichten, die wegen der Art, Schwere oder Komplexität ihrer Behinderung auf die ambulante Behandlung in diesen Einrichtungen angewiesen sind. Die medizinischen Behandlungszentren sollen dabei mit anderen behandelnden Ärzten, den Einrichtungen und Diensten der Eingliederungshilfe und mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst eng zusammenarbeiten. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 25 Medizin für Menschen mit Behinderung muss • • • • • Erreichbar sein Zeit haben Fachkenntnis und Qualität bieten Interdisziplinär arbeiten Und wer kümmert sich darum? Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 26 Olaf G. • 46, lebt in Einrichtung der Behindertenhilfe • Mittelgradige Intelligenzminderung bei Trisomie 21 • Prostata-Operation 7-2015, gutartig Olaf G. ist gesund Olaf G. ist behindert Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 27 Olaf G. Olaf g. geht es nicht gut. Ist er krank? Verlust von Fähigkeiten, kognitiver Abbau, Orientierungsprobleme, spricht weniger, weinerlich, ängstlich, Stimmungsschwankungen, Gewichtsverlust, Störung Tag/Nachtrhythmus. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 28 KRANKHEIT • „Objektiv fassbarer, regelwidriger, anomaler körperlicher oder geistiger Zustand, der die Notwendigkeit einer Heilbehandlung erfordert und zur Arbeitsunfähigkeit führen kann.“ (Versicherungsrecht des GKV) • Störung der normalen Funktion eines Organs oder Körperteils, auch des geistigen und seelischen Wohlbefindens. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 29 Olaf G. • • • • • • Körperliche Untersuchung Neurologische Untersuchung Demenzdiagnostik mit CEDIM* Zahnarzt Urologe Stationäre Diagnostik Innere Medizin *CEDIM: Checkliste zur Erfassung von Dementiellen Entwicklungen bei Menschen mit Intelligenzminderung Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 30 Olaf G. • Beginnende Demenz vom Alzheimer Typ • V.a. depressive Episode • „Ausschluss“ organische Erkrankung Therapie ? Prognose ? Lebensqualität ? Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 31 MZEB Fachtagung 15.04.2016 Zahnarzt Sozialdienst Facharzt Psychologe Hilfsmittel Blutabnahme Susanne Heimpel 32 Und was soll ein MZEB leisten? • Angebot für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen • Med. Betreuung und Behandlung durch qualifizierte und erfahrene Ärzte • Kooperation ärztlicher und nichtärztlicher Berufsgruppen • Aktive Zusammenarbeit mit den Ärzten/Einrichtungen der med. Regelversorgung • Geeignete Zugangswege und Räumlichkeiten • Zeit • Kreative individuelle Wege statt vorgefertigter Lösungen Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 33 MZEB der JD Mosbach • Seit Herbst 2013 • Zugangswege - von extern - Mitbetreuung der Bewohner der neuen Wohnheime der JD - „Besonderes“ • Immer auf Überweisung des Hausarztes Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 34 MZEB der JD Mosbach • Alter der Patienten: 18- 87 Jahre • Anfahrtsweg: bis ca. 120 km • Räumlich und personell integriert in den ärztlichen Dienst der JD • Ca. 50% vordringlich neurologischer Bedarf (Epilepsien, Bewegungsstörungen) • Zunehmend Anfragen/Übernahmen aus SPZ Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 35 MZEB Mosbach - Angebot Stammteam Netzwerk • FÄ Allgemeinmedizin • FÄ Neurologie • MFA mit entsprechender Erfahrung/Qualifikation • Eigene Sekretariatskraft • Apparative Diagnostik Fachtagung 15.04.2016 • • • • • • • • • • • Susanne Heimpel Psychologe Physiotherapeutin Hilfsmittelversorger Logopäde Internistin Psychiater Zahnarzt Gynäkologe Internistische Belegstation Neuropsychiatrische Klinik Hygienepflegekraft 36 MZEB Mosbach Tätigkeitsschwerpunkte • Koordination, Organisation, Abstimmung mit allen Beteiligten. • Problematik älterer Patienten(Multimorbidität, Polymedikation, Psychiatrisierung, kognitive Verschlechterung, Zunahme Immobilität, Betreuungssituation) • Frühzeitige Erkennung behindertenspezifischen Bedarfes • Hilfsmittelüberprüfung Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 37 MZEB Mosbach Tätigkeitsschwerpunkte • Diagnostische Einordnung (Grad der Intelligenzminderung, Autismus), auch für behördliche Angelegenheiten • Füße, Ohren, Blutdruck • Vorsorgeuntersuchungen • Vermittlung stationäre Therapie • Ethische Fragen Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 38 MZEB - Zukunftsperspektiven • • • • Flächendeckendes Angebot Gesicherte Finanzierung Wegfall Zulassungsbeschränkung Aufwertung der behindertenspezifischen Medizin • Großes Netzwerk Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 39 Was Menschen mit Behinderung brauchen • Sicheren und uneingeschränkten Zugang zu der ihr zustehenden medizinischen Versorgung. • Med. Versorgung durch qualifizierte Ärzte • Menschen und Einrichtungen/Institutionen, die ihnen den Weg dorthin frei machen. • Einen Medizinbetrieb, der ihnen Schutz und Chance gibt. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 40 Und was sie nicht brauchen • • • • • Medizin nach dem Zufallsprinzip Inklusion als Theorie Mitleid statt Qualität Gleichmachung statt Gleichberechtigung Lebenslange Nachteile durch verpassten/verspäteten Zugang zu angemessener, qualifizierter und rechtzeitiger medizinischer Versorgung. Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 41 Gesundheit darf kein Zufall sein Wir haben einen 35-jährigen Sohn mit einem angeborenen Hydrocephalus. Er ist zu 100% schwerbehindert. Normalerweise geht er in den Förder-und Betreuungsbereich . Seit letztes Jahr müssen wir ihn mehr zuhause haben, weil er wieder mehr Anfälle hat und auch mehr Infekte. Was aber für mich anstrengend ist. Einweisungen in Krankenhäuser gestalten sich sehr schwierig, da er nicht mithelfen kann. Wir glauben an eine Einrichtung die ihn gründlich untersucht und ihn nicht als Übel ansieht. Wären sie so eine Einrichtung? Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 42 Fachtagung 15.04.2016 Susanne Heimpel 43