Bonner Fortbildungsreihe Sozialpädiatrie Interdisziplinäres Symposium: Wenn Kinder sich anders entwickeln: „Geistige Behinderung – Ursachen, Diagnostik und Intervention Herzlich willkommen ! Bonner Fortbildungsreihe Sozialpädiatrie „Geistige Behinderung – Ursachen, Diagnostik und Intervention Samstag, 19.11.2011 Definition und klinische Aspekte von Geistiger Behinderung Helmut Hollmann Kinderneurologisches Zentrum K i N Z LVR - Klinik Bonn Geistige Behinderung: ein Nischen-Thema „Geistige Behinderung als stigmatisierender und irreführender Begriff vergleiche: - „handicap - „disabled person - „special needs gefährlich: „mental retardation -> gerade von unwissenden Ärzten als simplifizierender und damit bagatellisierender Begriff missbraucht Definition für den Begriff „Geistige Behinderung Geistige Behinderung ist eine Unfähigkeit, charakterisiert durch signifikante Begrenztheit intellektueller Funktionen deutliche Einschränkung der Verhaltensanpassung reduzierte konzeptionelle, soziale und praktisch-adaptive Fertigkeiten Auftreten während der Entwicklung (vor dem 18. Lebensjahr) (American Association of Mental Retardation AAMR, 2002) Klassifikation Intelligenzminderung IQ 70 – 84 Unterdurchschnittliche Intelligenz (sog. Lernbehinderung) (F 81.9) Normalbereich Intelligenzquotient: 100 +/- 15 IQ 50 – 69 IQ 35 – 49 IQ 20 – 34 IQ < 20 Leichte Intelligenzminderung Mittelgradige Intelligenzminderung Schwere Intelligenzminderung Schwerste Intelligenzminderung (F 70) (F 71) (F 72) (F 73) Intelligenzminderung und Altersäquivalent bei Erwachsenen Leichtgradig: Mittelgradig: Schwergradig: Schwerstgradig: IQ 50 - 69 IQ 35 - 49 IQ 20 – 34 IQ < 20 9 bis 12 Jahre 6 bis 9 Jahre 3 bis 6 Jahre unter 3 Jahre Der Intelligenzquotient allein ermöglicht keine sinnvolle Untergruppierung von Menschen mit geistiger Behinderung ! Häufigkeit 5 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland wachsen mit mehr oder weniger deutlichen Behinderungen auf Störungen des Zentralen Nervensystems bei ca. 40 % beteiligt Intelligenzminderung (Geistige Behinderung) bei ca. 1 - 3 % in unterschiedlicher Ausprägung Geistige Behinderung bei Mädchen mit etwas geringerer Prävalenz, dafür in einigen Untersuchungen eher stärkere Betroffenheit Häufigkeiten: Einschulungsuntersuchungen Bonn Daten ESU 2007 (erhoben Januar bis Juni 2007) Schuleinschätzung unauff. Entwicklungsstand Entwicklungsverzögerung Rückstellung in Kindergarten Sonderpädagogik (behinderte Kinder) Insgesamt Anzahl 1857 270 114 129 2370 Prozent 78,4% 11,4% 4,8% 5,4% 100,0% Kum. Prozent 78,4% 89,7% 94,6% 100,0% 100,0% Daten ESU 2006 (erhoben Januar bis Juni 2006) Schuleinschätzung unauff. Entwicklungsstand Entwicklungsverzögerung Rückstellung in Kindergarten Sonderpädagogik (behinderte Kinder) Insgesamt Anzahl 1877 283 190 124 2474 Prozent 75,9% 11,4% 7,7% 5,0% 100,0% Kum. Prozent 75,9% 87,3% 95,0% 100,0% 100,0% Daten mit freundlicher Genehmigung von Dr. Gisela Schulz, Leiterin des Kinder- und Jugendärztlichen Gesundheitsdienstes der Bundesstadt Bonn … für das Auditorium: Was fällt Ihnen ein, was Ihnen auffallen könnte? Verspätetes „Soziales Lächeln Motorik (Hypotonie, Plumpheit) Sprache (spät, einfach) Reaktionen in der Kommunikation (Mimik, Gestik, Blickkontakt) Reduzierte Exploration Monotones Spiel Erschwertes Verständnis Auffälliges Sozialverhalten (aggressiv – zurückgezogen) Eingeschränkte Merkfähigkeit Geringes Interesse an Büchern gestörte Malentwicklung Also: jeder Bereich der kindlichen Entwicklung! Reduzierte Fertigkeiten Kommunikation Eigenständigkeit häusliches Leben soziale/zwischenmenschliche Fertigkeiten Nutzung öffentlicher Einrichtungen Selbstbestimmtheit schulische Fertigkeiten Arbeit Freizeit Gesundheit Sicherheit Begriff Behinderung Behinderung: Zustand mit Einschränkungen der körperlichen Funktion, der geistigen Fähigkeiten, der seelischen Gesundheit mit dauerhafter signifikanter Abweichung von dem für das Lebensalter typischen Zustand - und dadurch Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2, Sozialgesetzbuch -SGB- IX) Begriffsverwirrung „Kinder sind Kinder - Besonderheiten im Kindesalter Dynamik von Reifung und Differenzierung Entwicklungsverzögerung – Entwicklungsstörung Manifestation zunächst als – „Verzögerung im Verlauf fehlende Aufholbarkeit – „Störung Begriffsschärfe ist essentiell ! www.lebenshilfe-wuerzburg.de www.koenigin-juliana-schule.de www.wikipedia.de www.bobby.de - Brederlow Erkennung Irritation und Beunruhigung der Eltern Untersuchung Annäherung an eine Diagnose Diagnostik Zuschreibung einer geistigen Behinderung allein anhand Intelligenzmessung („IQ-Test): sehr umstritten individuelle Einzelfallbeschreibung im Rahmen einer systemischen Analyse der Mensch-Umfeld-Verhältnisse Differenzialdiagnosen beachten, u.a. - Deprivation - Emotionalstörung - Posttraumatische Belastungsstörung - Frühkindlicher Autismus Mehrdimensionale Bereichsdiagnostik Sozialpädiatrie MBS Bereich Bereich Bereich Bereich Bereich Bereich Entwicklung/ Intelligenz Körperlich-neurologische Befunde Psychische Befunde und Verhalten Soziale Begleitumstände Abklärung der Ätiologie Teilhabe und ICF Bereiche der Kognition Hohe Intelligenz überdurchschnittliche Intelligenz obere Normalbereichsgrenze Durchschnitts-IQ (Standardwert) untere Normalbereichsgrenze unterdurchschittliche Intelligenz Intelligenzminderung lt. WHO (F70) leicht (F71) mittel (F72) schwer (F73) schwerst : : : : : : : : : : : > 130 116 – 129 115 100 (100 +/- 15) 85 84 – 70 < 70 69 – 50 49 – 35 34 – 20 < 20 Dissoziierte Intelligenz (F74) : Differenz > 15 Entwicklungsstand und Lebensalter bei verschiedener Ausprägung der kognitiven Entwicklungsstörung aus: Straßburg,2001 Interventionen Kind Therapie Förderung Kindergarten Schule Eltern Beratung Anleitung Unterstützung Ziele der Entwicklungsunterstützung Eigenaktivität -> Selbstwirksamkeit -> Selbstwertgefühl und Motivation Entwicklung und Fördermöglichkeiten Ziel: Ausschöpfung des individuellen und funktionsbezogenen Entwicklungspotenzials Sozialpädiatrische Blockbehandlung Eltern-Kind-Station Perspektive Eltern Diagnoseverarbeitung Akzeptanz Beruhigung Kind Selbständigkeit Teilhabe Lebensqualität Psychosoziale Adaptation bei chronischer Krankheit und Behinderung Lebensgeschichtliche Ereignisse / Belastungen Krankheitsbedingungen Psychosoziale Adaptation Persönlichkeit Familie Soziale Umwelt Risikofaktoren vs. Schutzfaktoren Belastung vs. Schutz Belastung vs. Schutz HC Steinhausen 1996 Biopsychosoziales Modell der ICF Gesundheitszustand Gesundheitsstörung oder Krankheit, ICD Funktionale Gesundheit Körperfunktionen und -strukturen Aktivitäten Umweltfaktoren Teilhabe Persönliche Faktoren Kontext-Faktoren Grundmann J et al. Praxisorientierte Anwendung der ICF in der Psychiatrie Rehabilitation 2005; 44; 335-343 Inklusion Spanien nimmt bei der schulischen Integration von Kindern mit DownSyndrom in Europa eine Vorreiterrolle ein: Im Jahr 2003 besuchten bereits 85 % der Kinder eine Regelschule und nur 15 % wurden sonderbeschult. Allerdings lag die Rate derjenigen Menschen mit Trisomie 21, die nach dem Schulbesuch ins reguläre Arbeitsleben integriert wurden, bei lediglich 3 % www.wikipedia.de DS-Ambulanz Velbert Klinikum Niederberg Perspektive der Inklusion in Deutschland ?!