Bakterien sehen Blau – Neues über LOV

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Bakterielle Photorezeptoren
Bakterien sehen Blau – Neues über
LOV-Photorezeptoren
THOMAS DREPPER, FRANCO CIRCOLONE, ACHIM HECK, ULRICH KRAUSS UND
KARL -ERICH JAEGER
INSTITUT FÜR MOLEKUL ARE ENZYMTECHNOLOGIE, UNIVERSITÄT DÜSSELDORF,
FORSCHUNGSZENTRUM JÜLICH
Blaulichtrezeptoren der LOV(light-oxygen-voltage)-Familie sind in Pflanzen
und Bakterien weit verbreitet. Detaillierte Kenntnisse über die lichtinduzierten photochemischen Prozesse halfen kürzlich dabei, rekombinante
LOV-Proteine zu erzeugen, die als neuartige in vivo-Fluoreszenz-Reporter
in anaeroben biologischen Systemen verwendet werden können.
ó Licht besitzt einen weitreichenden Einfluss auf unterschiedliche biologische Prozesse: Es ist nicht nur für Pflanzen und photosynthetische Bakterien von zentraler physiologischer Bedeutung, sondern ebenso ein
bedeutsames Umweltsignal für verschiedene
regulatorische und adaptive Prozesse. Lichtabhängige Prozesse beginnen, genau wie
andere signalverarbeitende Abläufe, mit der
Wahrnehmung des Signals. Viele Organismen haben zu diesem Zweck Lichtrezeptoren
entwickelt. Zu den Rezeptoren, die in pro- und
eukaryotischen Taxa identifiziert werden
konnten, zählen unter anderem die Rotlichtsensitiven Phytochrome sowie die Flavin-bindenden Blaulichtrezeptoren der BLUF(bluelight sensing using FAD)- und der LOV-Familie.
Die bekanntesten Vertreter der LOV-Photorezeptoren sind die Phototropine, die in Pflanzen an zahlreichen lichtabhängigen Prozessen wie dem Phototropismus beteiligt sind[1].
Die Blaulichtrezeptoren der LOV-Familie sind
jedoch auch in Bakterien weit verbreitet[2].
Bislang konnten mehr als 80 solcher LOV-
Gene in über 60 Genomen Gram-positiver und
-negativer Bakterien identifiziert werden[3].
Im Gegensatz zu den pflanzlichen Vertretern
der LOV-Familie ist die physiologische Funktion der meisten bakteriellen Blaulichtrezeptoren unbekannt.
LOV-Photozyklus und Proteinstruktur
Alle bislang untersuchten LOV-Proteine binden Flavin-Mononukleotid (FMN), das den
Rezeptoren als Chromophor dient und durch
blaues Licht angeregt werden kann. Bisher
konnte eine FMN-Bindung für die bakteriellen LOV-Proteine aus Bacillus subtilis (YtvA),
Pseudomonas putida (SB2) und Caulobacter
crescentus (Q9ABE3) nachgewiesen werden[2, 4, 5]. Die photochemische Charakterisierung der LOV-Proteine zeigte, dass die bakteriellen Sensoren genau wie die PflanzenPhototropine einen lichtinduzierten Photozyklus durchlaufen. Während dieses Vorgangs geht ein konserviertes Cystein eine
transiente, kovalente Bindung mit FMN ein,
was zur Ausbildung eines FMN-Cystein-C(4a)Thiol-Addukts führt. Dieser photoaktivierte
¯ Abb. 1: Struktur und
Photozyklus der YtvALOV-Domäne von B. subtilis. A, Die postulierte
Struktur der FMN-bindenden YtvA-LOV-Domäne
besteht aus fünf β-Faltblättern, die von zwei αHelices flankiert werden.
Das Chromophor FMN ist
in Grün dargestellt, das
photoaktive Cystein in
Rot. B, Nach Anregung
mit Licht durchlaufen
LOV-Proteine einen
Photozyklus. Die lichtaktivierte LOV-Domäne bindet FMN durch Ausbildung einer kovalenten
Bindung zwischen dem
Flavin C4a und der Thiolgruppe des photoaktiven
Cysteins.
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WISSENSCHAFT
˚ Abb. 2: FbFP-vermittelte in vivo-Fluoreszenz. A, FbFP-abhängige Fluoreszenz in E. coli. Die grüne Fluoreszenz, die durch die neuen Fluoreszenzproteine (FbFP) hervorgerufen wird, ist mit bloßem Auge gut zu erkennen. YFP: yellow fluorescent protein ; BsFbFP: FMN-basiertes Fluoreszenzprotein aus Bacillus subtilis (=YtvAC62A); EcFbFP: (YtvAC62A-LOV; E. coli-Codon-Gebrauch); PpFbFP: P. putida (=SB2C53A). B, In vivo-Fluoreszenz ohne
Sauerstoff. R. capsulatus-Zellen, die entweder YFP oder PpFbFP exprimierten, wurden aerob (+ O2) oder anaerob (– O2) angezogen. Die fluoreszierenden Bakterien wurden mit konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie detektiert, die Anregung erfolgte mit Licht der Wellenlänge 514 nm (YFP) oder 458
nm (PpFbFP), die Fluoreszenzemission wurde bei 530 nm (YFP) oder zwischen 505 und 530 nm (PpFbFP) bestimmt. Als Kontrolle dienten R.
capsulatus-Zellen, die keines der beiden Reporterproteine synthetisierten.
Zustand geht daraufhin langsam (für YtvA in
∼2600 s) wieder in den Dunkelzustand über.
In Abbildung 1 ist der vereinfachte Photozyklus mit FMN im Grundzustand sowie im
photoaktivierten Zustand dargestellt.
Bislang wurden die Strukturen der LOV1Domäne des Phototropins aus Chlamydomonas reinhardtii und der LOV2-Domäne des
Phytochrom-Phototropin-Hybridphotorezeptors phy3 aus dem Farn Adiantum capillusveneris aufgeklärt[6, 7]. Sie ähneln sich sehr
und weisen wie alle Proteine der PAS(PerArntSim)-Superfamilie eine typische α/β-Faltung
auf. Die Aminosäuresequenzen pflanzlicher
und bakterieller LOV-Domänen zeigen eine
Übereinstimmung von 40–50 %. Innerhalb
der LOV-Sequenz befindet sich das hochkonservierte Sequenzmotiv GXNCRFLQ mit dem
photoaktiven Cystein (unterstrichen), welches essenziell für den beschriebenen Photozyklus ist.
LOV-Proteine als Fluoreszenzreporter
in anaeroben Systemen
Autofluoreszierende Proteine wie das grün
fluoreszierende Protein (GFP) sind in der biologischen und biomedizinischen Forschung
zu unentbehrlichen Markerproteinen geworden. Jedoch weist GFP ebenso wie dessen
Farbvarianten (z. B. das gelb fluoreszierende
YFP) einen grundsätzlichen Nachteil auf: Die
Verwendung ist in vivo auf aerobe biologische
Systeme beschränkt, da für die autokatalytische Synthese des GFP-Chromophors molekularer Sauerstoff benötigt wird[8].
Eine völlig neue Gruppe von fluoreszierenden Reporterproteinen, die im Gegensatz
zu den Proteinen der GFP-Familie auch unter
anaeroben Bedingungen leuchten, wurde
kürzlich in unserem Labor entwickelt[9]. Diese neuen Reporterproteine sind Varianten der
bakteriellen Blaulichtrezeptoren YtvA und
SB2, die den schwach fluoreszierenden Cofaktor Flavin-Mononukleotid (FMN) binden. Um
die FMN-abhängige Fluoreszenz der Blaulichtrezeptoren zu erhöhen und somit deren
Verwendung als Fluoreszenzmarker zu
ermöglichen, wurde das jeweilige photoaktive Cystein durch ein Alanin ersetzt. Durch
diese Mutationen wird der Photozyklus unterbrochen, was dazu führt, dass die LOV-vermittelte Autofluoreszenz drastisch erhöht ist
(Abb. 2A). Um die Fluoreszenz weiter zu steigern, wurde in einem zweiten Schritt das Cterminale Effektormodul von YtvA deletiert
und das nun auf den LOV-kodierenden
Bereich reduzierte rekombinante Bacillus-Gen
an den E. coli-Codon-Gebrauch angepasst.
Dies führte zu einer weiteren Steigerung
der in vivo-Fluoreszenzintensität des FMNbasierten fluoreszierenden Proteins (FbFP).
Die photochemische Charakterisierung der
neuen Markerproteine ergab, dass die Fluoreszenzintensitäten und damit auch die Sensitivitäten der FbFPs mit denen der GFP-Familie annähernd vergleichbar sind.
Um die in vivo-Fluoreszenzeigenschaften
der FbFPs mit denen von YFP in anaeroben
Systemen zu vergleichen, wurden die jeweiligen Reporterproteine im fakultativ anaero-
ben Bakterium Rhodobacter capsulatus synthetisiert und deren Fluoreszenz in Gegenwart und Abwesenheit von O2 bestimmt. Wie
in Abbildung 2B dargestellt, führte die
Expression des FbFPs sowohl unter aeroben
als auch unter anaeroben Bedingungen zu
einer intensiven Fluoreszenz der Bakterienzellen. Im Gegensatz dazu konnte unter identischen Bedingungen, wie erwartet, keine
YFP-Fluoreszenz nachgewiesen werden.
Da fakultativ und strikt anaerobe Mikroorganismen bei unterschiedlichen biologischen, biomedizinischen und biotechnologischen Prozessen eine zentrale Rolle spielen,
können nun mithilfe der neuen Fluoreszenzreporter erstmals komplexe Vorgänge in
lebenden anaeroben Bakterien mittels nicht
invasiver Verfahren untersucht werden.
Zudem werden die FbFPs dazu beitragen,
neue biotechnologische Anwendungsgebiete
für Anaerobier zu erschließen.
Auf der Basis einer Patentanmeldung[10]
soll eine kommerzielle Verwertung der Fluoreszenzreporter durch die neu gegründete
Biotech-Firma EVOcatal GmbH mit Sitz im
Life Science Center in Düsseldorf erfolgen.
Danksagung
Die Autoren danken Prof. Dr. Wolfgang Gärtner (Max-Planck-Institut für Bioanorganische
Chemie, Mülheim an der Ruhr), Dr. Aba Losi
(Department of Physics, Universität Parma,
Italien) und Dr. Thorsten Eggert (EVOcatal
GmbH, Düsseldorf) für die gute Zusammenarbeit. Teile dieser Arbeit wurden von der
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Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert (Forschergruppe „Sensory blue light
photoreceptors“ FOR526).
ó
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Verwendung. DE 10 2005 048828.5.
Korrespondenzadresse:
Dr. Thomas Drepper
Institut für Molekulare Enzymtechnologie
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Forschungszentrum Jülich
Stetternicher Forst
D-52426 Jülich
Tel.: 02461-614173
Fax: 02461-612490
[email protected]
www.iet.uni-duesseldorf.de
AUTOREN
Von links nach rechts:
Ulrich Krauss, Achim Heck, Franco Circolone,
Thomas Drepper und Karl-Erich Jaeger.
Dr. Thomas Drepper leitet seit 2004 die Gruppe „Bakterielle Photobiotechnologie“ am Institut für Molekulare Enzymtechnologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Die Gruppe arbeitet vorrangig mit phototrophen Bakterien
der Gattung Rhodobacter, wobei sowohl Aspekte der
Grundlagenforschung als auch der angewandten Forschung
im Mittelpunkt stehen.
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